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AmtMM für die Mglichm Md städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur: Iuliu- Braun in Freibergsdorf. 45. ErsLnni jü«u tvochpttag «b,nd» k Uhr für dm rudern Taz. Piri« mrrteljührllch i Marl 25 Pf-, swnmvnatNch I M. 60 Pf. u. kinmonail. 78 Pf. 2S Jahrgaug. —» Freitag, dm 22. Februar, j Znserare werden bi» Vormittag» 11 Uhr für nächste Stummer angenommen und di« gespaltene Zeile oder deren Raum mit IS Pf. berechnet. 1878. Nachbestellungen auf den für den Monat Marz werden von der unterzeichneten Expedition wie von sämmtlichen Postanstallen zum Preise von 75 Pf. angenommen. Die Expedition. Tagesschau. Freiberg, 21. Februar. Die Antwort des Fürsten Bismarck auf die Orient- Interpellation hat gewiß nicht unbefriedigt gelassen, wenn auch das bei Vielen zu weit gehende Sensationsbedürfniß kaum befriedigt sein wird. Heute giebt diese Antwort allen größeren Blättern Anlaß zu Besprechungen, und es ist vielleicht unseren Lesern nicht unerwünscht, eine kleine Blumenlese daraus veranstaltet zu sehen. Die „Nordd. Allg. Ztg." sagt: Vergeblich wird auch der engherzigste Parteigeist darin eine Abweichung von der Linie zu ent decken sich bemühen, welche die deutsche Politik gegenüber den Orientereignissen bis jetzt festgehalten hat und welcher das deutsche Volk ebensowohl die Erhaltung des Friedens für sich verdankt, als dieselbe in entscheidender Weise bewirkte, daß der Kampf des südöstlichen Europas ein lokaler ge blieben ist und hoffentlich diesen Charakter auch bewahren wird. — Die „Kreuzzeitung" konstatirt den erfreulichen und beruhigenden Eindruck der Bismarck'schen Rede. — Die „Post" hebt hervor, Fürst Bismarck untersuchte die Wahrscheinlichkeit eines Krieges und verneinte sie. Fürst Bis marck habe das Thema von der Neutralität Deutschlands in seiner Rede in einer Weise vertieft, die es für Generationen deutscher Politiker zum Kanon erheben wird. — Ein an deres Berliner Blatt sagt: Wie Fürst Bismarck für Deutsch land jede Parteinahme im Vorhinein für die Konferenz und sonstwo ausschloß, wie er sich durch kein Programm im Voraus die Hände bilden wollte, so versprach er doch zugleich, niemals dem Kaiser anzurathen, unser Gut und Blut an eine Sache zu setzen, an welcher unsere Einheit, unsere Existenz, unser Lebensintereffe nicht so sehr bethei- ligt sei, daß nicht nur der Bundesrath und der Reichstag, sondern auch das gesammte Volk in einmüthiger Aufwallung sich dafür zu erheben bereit wäre. Diese beruhigende Er klärung ist für Deutschland das gewichtigste Wort des Reichskanzlers und enthebt uns nicht nur jeder Werbung um unsere militärische Allianz, sondern auch jeder über mäßigen Sorge um die Aufrechthaltung unseres friedlichen Verhältnisses zu den verschiedenen Mächten Europas. Diese Erklärung ist der trostreiche, bleibende Gewinn der Inter pellation, um deffenwillen wir den Interpellanten für ihre Frage zu Dank verpflichtet bleiben. — Kann man also annehmen, daß die Presse im deutschen Reich wenigstens großenthetls durch die Antwort Bismarcks befriedigt ward, w spricht sich in den Wiener Blättern ein offenbares Unbe hagen über die Worte des deutschen Reichskanzlers aus. Wir lesen da: Bismarck, der Mittler, hat einseitige Partei für Rußland ergriffen. Er billigt den russischen Krieg, der nothwendig war, damit Rußland nicht alle zehn oder zwan zig Jahre den Verwickelungen der Orientfrage ausgesetzt sei. Er billigt den russischen Frieden, welcher die Inte ressen Deutschlands nicht verletze. Selbst die Sperrung der Dardanellen für europäische Kriegsschiffe ist nach Bis marck keine Frage, die Europa zu erschüttern vermöchte. Allerdings erklärt sich Fürst Bismarck bereit, die Vermittler rolle zu übernehmen, aber er betont, daß Deutschland die erprobte Freundschaft mit Rußland nicht leichthin preis geben könne. Allerdings hat seine Rede eine eigenthüm- liche Schlußwendung. Deutschland erklärt, daß es in der Orientfrage immer neutral bleiben werde und man kan darin, für den Fall eines Krieges europäischer Mächte m Rußland, ein wichtiges Zugeständniß sehen. Rußland hätte eine bewaffnete Unterstützung Deutschlands nicht zu erwarten. Allein Europa bedarf des Friedens und nicht des Krieges. Hinsichtlich der Friedensfrage hat es aber einig Bedeutung, daß Rußland die Konferenz abgelehnt und d Form d.s Kongc.sses vorgezogen hat. Eine Konferenz b ru't sich auf bestehende Verträge, ein Kongreß hat d Macht, eine ganz neue Ordnung der Dinge zu sanktioniren Ein Kongreß kann Fragen in sein Bereich bringen, die dem unmittelbaren Zwecke seiner Einberufung fern liegen. Ein Kongreß hat durch sein Stillschweigen über gewisse inter nationale Verhältnisse auch diese Verhältnisse als rechtlich zulässig anerkannt. Rußland erwartet von dem Kongreß die Sanktion der neuen Ordnung im Oriente und das Stillschweigen über die polnische Frage. Deutschland er wartet von dem Kongreß die stillschweigende Anerkennung der an der französischen Grenze geschaffenen Verhältnisse. Frankreich aber betritt den Kongreßboden mit begreiflichem Widerwillen. Fürst Bismarck, der Präsident des künftigen Kongresses, hat gesprochen. Er glaubt nicht an einen europäi schen Krieg, es ist aber fraglich, ob seine Rede geeignet ist, den europäischen Frieden anzubahnen. Bisher hat die preußisch- russische Freundschaft, so lange sie auch besteht, für Friedens zwecke nichts Ersprießliches erwirkt. — Im Gegensatz zu dieser Auffassung meldet ein heute aus Wien eintreffendes Telegramm: Die Jnterpellationsverhandlung im deutschen Reichstage, speziell die Erklärungen des Fürsten Bismarck, werden hier mit Befriedigung ausgenommen. Man schöpft aus der Verhandlung die Zuversicht, daß die Interessen Oesterreichs im Oriente von Deutschland in voller Bedeu tung gewürdigt werden und man weit davon entfernt sei, Oesterreich-Ungarn in entschiedener Vertretung derselben entgegenzutreten. ES soll nicht, wie man mehrfach behauptet, in der Ab sicht der Reichsregierung liegen, die deutsche» Streitkräfte im Mittelländischen Meere ohne zwingenden Grund zu ver stärken. Thatsächlich ist auch weder Ueberfluß an Mann schaften noch an Offizieren vorhanden, da die auswärtigen Stationen sämmtlich besetzt sind, vier Korvetten sich an den Küsten von Nicaragna befinden (mit 1000 bis 1200 Mann Besatzung), drei Korvetten und zwei Kanonenboote in den türkischen Gewässern kreuzen und für die Ausrüstung des Uebungsgeschwaders, der Schulschiffe u. s. w. ebenfalls ein bedeutendes Kontingent an Offizieren, Unteroffizieren und Matrosen erforderlich ist, ganz abgesehen davon, daß zum 1. Februar die Rekruteneinstellung in der Marine begonnen hat Die häufigen Konferenzen des Kaisers mit dem Chef der Admiralität waren diesem Gegenstände gewidmet, ebenso aber auch dem Konflikt mit Nicaragna. Der Befehlshaber des dort konzentrirten Geschwaders hat die Weisung, der Regierung zu Leon ein Ultimatum zu stellen und im Falle der Nichtbeachtung desselben eventuell sogar ein Landungs korps auSzuschiffen. Voraussichtlich wird die Negierung von Nicaragna es vorziehen, die Beziehungen zu Deutsch land in Frieden zu ordnen. Wie in Bundesrathskreisen angenommen wird, dürften mindestens noch acht Tage vergehen, bis die Vor- age betreffend die Stellvertretung des Reichskanz- ers an den Reichstag gelangt, da die Ausschüsse auf die Erstattung eines schriftlichen Berichtes an das Plenum des Bundesraths nicht verzichten werden. Bet den weiteren Verhandlungen in den Ausschüssen handelt es sich in erster Linie um Anträge, welche eine Erweiterung des Kreises derjenigen Reichsämter bezwecken, an deren Chefs die Stell vertretung des Reichskanzlers übertragen werden kann. Bei der Berathung im Reichstage dürfte die Frage der Errich ¬ tung eines besonderen Neichsschatzamtes und die Stellung »er Ressort-Chefs dem Reichskanzler gegenüber den ersten Platz einnehmen. Die Erklärungen der österreichische« und ungarischen Regierung in der Orientfrage sollen werer in Wien noch in Pest befriedigt werden. In beiden Häusern hörte man die Antwort auf die diesbezüglichen Interpellationen laut los an. — In Bezug auf die Ausgleichsverhandlungen liegen jetzt zustimmende Voten aus beiden Häusern vor. In Ungarn haben die Kroaten und die Sachsen für den Ausgleich gestimmt. Hätten diese nichtmagyarischen Ele mente gegen das Ministerium votirt, so wäre die Nieder lage desselben entschieden. In Oesterreich haben die Polen für den Ausgleich votirt, ein gegnerisches Votum dieser nicht zur Verfassungspartei zählenden Abgeordneten hätte die Verwerfung des Ausgleichs zur Folge gehabt. Wenn in Ungarn Neuwahlen ausgeschrieben werden sollten, so verschwindet auch diese eigenthümliche „Majorität" vollständig und Neu wahlen in Oesterreich würden ohne Zweifel die Zahl jener Mitglieder der Verfassungspartei lichten, welche für den Ausgleich sind. Wenn der Ausgleich überhaupt abgeschlossen werden kann, so ist er nur noch mit den beiden jetzigen Parlamenten und den beiden jetzigen Ministerien möglich.' Ein Provisorium wäre die Beseitigung des Ausgleichs, die Beseitigung des Ausgleichs ist aber gleichbedeutend mit der Suspendirung der Verfassungsformen, mit der Eröffnung einer neuen Reihe von staatsrcchtlichen Experimenten, deren eine Pol als die strikte Personalunion mit der Trennung der wirtschaftlichen Gemeinschaft zwischen Oesterreich und Ungarn, deren anderer Pol als die Herstellung der abso lutistischen Regierungsform mindestens in einem Theile de» Reiches, vielleicht auch in den beiden Theilen sich darstellt. Das ist in Wahrheit die Lage der Dinge; so weit ist Oesterreich, ist Ungarn, ist Oesterreich-Ungarn nach dem ersten Ausgleichs-Dezennium gekommen. — Nach einer Meldung des „Wiener Tgbl." machen die türkischen Dele- girten bei den Friedensverhandlungen in Adrianopel große Schwierigkeiten. Sie erklärten angeblich dem General Jgnatieff daß sie weder die von Rußland beanspruchte geographische Abgrenzung Bulgariens, noch die verlangte Selbständigkeit des bulgarischen Territoriums aanehmen könnten, was um so mehr überraschen mutzte, als diese Punkte bei Aufstellung der Friedensbasen von der TüiM rückhaltslos zugestanden worden waren. (Vergleiche auch Rutzland.) AuS M«Ut« ging uns noch gestern die wichtige Nach richt von der Wahl des neuen Papstes zu. Leider brauchte der Telegraph abermals die unverhältnißmäßig lange Zeit von ziemlich 1 Stunden, ehe er dieses Ereigniß nach hier meldete, so daß wir die betreffende Depesche erst nach beendetem Druck des Blattes erhielten und sie nur den hiesigen Lesern mittelst Extrablattes zustellen konnten. Wir müssen wiederholt unser Bedauern darüber auS- sprechen, daß Provinzialstädte so entsetzlich stiefmütterlich von der Telegraphen-Verwaltung bedacht werden, denn nur sie ist für diese Vernachlässigung verantwortlich zu machen. Das betreffende Telegramm war Nachmittags 2 s Uhr in Rom aufgegeben, traf hier 6 Uhr ein und autet: Die „Agencia Stefani" meldet: Kardinal Perri wurde zum Papst gewählt und bestieg unter dem Namen Leo XIII. den päpstlichen Stuhl. — Kardinal Joachim Pecci, geboren den 2. März 1810 in Carpineto (Diözese Anagni, ernannt 19. Dezember 1853), Erzbischof von Perugia, bekleidete erst seit kurzer Zeit den w.chtigen Posten eines Kamerlengo (Kämmerers) der Kirche und war als solcher während der SediSvakanz die höchste Autorität derselben. Man nannte ihn bereits unter den ersten Papst kandidaten. Nach einer kürzlich veröffentlichten Broschüre des italienischen Deputirten und Publizist Ruggero Bonghi ist Pecci einer der auserlesensten Geister des Kardinal- Kollegiums, er soll von gemäßigter Natur und zugleich an Gesundheit der rüstigste von allen Kardinälen sein. Ec hat, so schreibt Bonghi, viel studirt und wohl regiert; er war ein ausgezeichneter Bischof. Das Ideal eines Kardinals hält er so hoch wie jeder Andere, und von Pecci kann man sagen, daß er es in sich selbst gefunden. Dessen ungeachtet macht er sich von der gegenwärtigen Lage der Kirche und der bürgerlichen Gesellschaft kein freundlicheres und leichteres Bild, als irgend einer seiner Kollegen; er giebt nirgends zu erkennen, besser als diese zu begreifen, welche Stellung die Kirche den jetzigen Regierungen gegenüber einzunehmen habe, ohne diese unmöglich zu machen. — Wir erinnern insbesondere noch an das, was von uns in Nr. 38 d. Bl. über Pecci gesagt wurde: „Weder zu den Lieblingen d:s verstorbenen Papstes, noch des Kardinals Antonelli gehörte der Kamerlengo Joachim Pecci, der als 27jähriger HauS- prälat Gregors des Sechzehnten in der Verwaltung und Pazifizirung der an Neapel grenzenden südlichen Provinzen des Kirchenstaates großes administratives Talent und große Energie entwickelt hatte. Er wurde von Gregor deshalb schon im Konsistorium am 19. Januar 1846, also im Alter von kaum 36 Jahren, zum Kardinal ernannt; doch Gregor starb, bevor die Ernennung publizirt war, und Pius der Neunte ließ, von Antonelli dominirt, Pecci noch sieben Jahre auf den Purpur warten. Antonelli hielt ihn systematisch von Rom fern, bis sich die Verleihung des Purpurs doch nicht mehr aufschieben ließ. Kardinal Pecci ist von hoher Statur und hager, wie ein Ascet; er hat eine seine, feste, etwas eckige Gesichtsbildung. Seine Stimme ist volltönend, wenn er feierlich spricht, im Privatgespräche dagegen etwas näselnd. Die Stellung, welche er in dem Konflikte mit dem rtalienischen Einheitsstaat» einnimmt, charakterisiert sich darin,