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Amtsblatt für die königlichen nnd städtischen Behörden zn Freiberg nnd Brand. Verantwortlicher Redakteur: Iuliu» Braun in FreibergSdorf. ^113 Urschen» jeden Wochentag «denda b Uh« für dm andern Tag. Pr«t» »ierteljihrlich 8 Mart 25 Ps-, poeimonallich I M. 50 Pf. u. »inmonatl. 75 Pf. Inserat« werten bi» Vormittag» 1l Uhr für njchste Nummer angenommen und die gespalten« Zeile oder deren Raum mit I i Pf. dnechnet. und Tageblatt. " LU. Jahrgang. Sonnabend, den 19. Mai. 1877. Der Krieg hinter den Kouliffen. Wie Du mir, so ich Dir — denkt die Pforte und bemüht sich neben dem offenen Kriegstheater noch hinter den Kouliffen zu wühlen, um die russische Bevölkerung im Kaukasus ebenso aufzuwtegeln, wie dies Rußland längst in den aufständischen türkischen Provinzen gethan. Russische Agenten sind im osmanischen Reiche überall thätig, die Unzufriedenheit der christlichen Bevölkerung anzuichüren. Zu Tausenden fliegen Proklamationen über die Grenze, um die Bulgaren im Donau-Vilajet, die Georgier und Armenier im Vilajet Erzerum zur Erhebung zu entflam men. Die russische Kriegsleitung hat eS stets verstanden, dem Feinde den Boden unter den Füßen ins Schwanken zu bringen, sobald sie nur irgend welche zu Revolten ge neigte Bevölkerungen ausfindig zu machen vermochte. Die Pforte bleibt jetzt hinter dem gegebenen Beispiele nicht zurück. Der Krieg wird vom Sultan als heiliger Krieg erklärt, so daß jeder rechtgläubige Moslem verpflichtet ist, zu seinem GlaubenSoberhaupt zu stehen, der die grüne Fahne des Propheten jeden Augenblick zu entrollen ent schlossen ist. Alle die Millionen rechtgläubiger Muhame- vaner, v«lche im weiten Ezarenreiche vom Pruth und der Krim bis nach Samarkand und Khokand hinein leben, sind bei ihrer Seele Heil verpflichtet, für den Vertheidiger des Glaubens das Schwert zu ziehen. So soll denn nach der Absicht der Gewalthaber der Orient das Schauspiel eines Glaubenskrieges zwischen der orthodoxen Christenheit und dem rechtgläubigen Islam erleben, wie er bisher noch nicht dagewesen ist. Wir nördlichen Bewohner Europas schütteln dabei den Kopf, was indessen nichts daran ändert, daß demnächst vielleicht schon im osmanischen Reiche Millionen Christen dort und Muhamedaner hier sich bis zur Fieber gluth erhitzen und durch Blutvergießen ihren Glaubenseiser bekunden werden. Zur Genüge ist alle Welt davon überzeugt, daß der Aufstand in Bosnien und der Herzegowina nur durch russisches Geld hervorgerufen und genährt wurde. In Bulgarien bereitet sich eben jetzt eine großartige nationale Bewegung vor. Von Bukarest aus hat ein Zen tralkomitee einen zündenden Aufruf (vergl. Kriegsschauplatz in Nr. 111) erlassen und bulgarische Freiwilligenbataillone find vom Kaiser Alexander bereits bet seiner Anwesenheit im Hauptquartier zu Kischeneff inspizirt worden. Bulgarien wird von den Russen okkupirt und in jener Form „organi- firt" werden, welche die Bevollmächtigten der Vertrags mächte auf der Konferenz zu Konstantinopel in Vorschlag gebracht hatten. Der russische Generalgouverneur von Bulgarien ist bereits in der Person des Fürsten Tscher- kaSker, dcS bekannten Slavenagitators, drsignirt. In Thessalien und Epirus hat sich ein Geheimbund ge bildet und seine Anhänger militärisch organisirt. Ob hier russischer Einfluß mitspielt, ist indessen fraglich, da die „Helenen" im Grunde genommen die Russen für gefähr lichere Gegner als die Türken halten; sie wollen, wenn das osmanische Reich in Europa zusammenbricht, an die demselben voraufgegangene byzantinische Herrschaft anknüpfen und die Slaven nicht Herr werden lassen in dem Lande, wo die griechische Sprache einst ein Jahrtausend lang die herrschende war. In türkisch Georgien und Armenien bereiten Proklamationen die künftige russische Annexion vor. Die Absichten der Pforte mögen allerdings nicht so weit gehen, ehemals an Rußland abgetretenes Gebict zurück erobern zu w llen. Die von ihr gemachten Versuche, bei Suchum-Kalesch und an anderen Plätzen Truppen auf russisches Gebiet zu werfen, entspringen lediglich der eigenen Bedrängniß. Die Völkerschaften des Kaukasus sind zu räuberischen Streifzügen so wie so gern bereit und dürften, i namhaft unterstützt von der Pforte, immerhin zur Plage ! im Rücken der russischen Armee werden. Es wird daher von der russischen Heeresleitung große Vorsicht nöthig sein, um die gegnerischen Pläne zu durchkreuzen. Von den Tartaren in der Krim und an der Wolga ist nichts Ernst liches zu befürchten, denn ihr muhamedanischer GlaubenS- eifer soll nicht sonderlich heiß sein. Natürlich machen auch die Polen von sich reden, wenn in Europa irgend etwas loS ist. Die Mitglieder deS Geueral-Komite'S der polnischen Emigranten in Konstantinopel laden ihre Landsleute ein, sich um die polnische Fahne zu schaaren, welche der Sultan neben ihrem Werbezelte aufzupflanzen ihnen erlaubt hab«. Das war ein schlechter Tag für die polnischen Unterthemen des Czareu, al» dieses Manifest das Licht der Welt er blickte. ES wird der russischen Regierung jetzt Niemand verdenken können, wenn st« in ihren polnischen LandeStheilen jede Regung mit Argwohn überwacht und selbst AuSnahme- maßregeln anordnet. Kein Sultan der Welt vermag den Polen in Warschau und Wilna zu helfen und auch die polnische Legion, die sich am Bosporus bildet, wird nie den weißen Adler über polnischen Boden dahinrauschen sehen. Ein verfehlte» Unternehmen von Anfang anl Vieles von dem, waS hinter den Kouliffen geplant wird, mag nicht zur Ausführung gelangen; immerhin werden aber diese Aufreizungen in beiden Reichen eine große Summe von Menschenglück und Menschenleben kosten. Wir können nur wünschen, daß bei der Neuordnung der Ocientdinge Zustände geschaffen werden, welche der Wiederkehr ähnlicher Kriege und Ausstände gründlich und für alle Zeit Vorbeugen. Dom Kriegsschauplätze. Alle bisherigen Nachrichten vom europSischt« Kritg»- chauplutze kennzeichnen nur die Vorspiele eines sich lang- am entwickelnden KriegSdramaS, dessen weitere Konturen aus dem Nebel, der die Zukunft umhüllt, wie ein Wetter- euchten herausblitzen, um schnell und scheinbar resultatlos wieder zu verschwinden. Ob augenblicklich an der Donau ein russisches Kloster abbrennt oder ein türkischer Monitor in die Luft fliegt, ist von keiner maßgebenden Vorbedeutung weder für die Ruffin »och für die Türken Die Terrain- Hinderniffe sind augenblicklich noch so groß, daß wir bei dem jetzigen Ringen nach festen Operationsbasen erst nach dem gelungenen Ueberführeu der Russen und Ru mänen über die Donau ein beachtenswerthes Resultat des Kampfes in Europa erwarten können. Ebenso werden auch beim Kampfe in Asien erst die Neutralisirung von Batum (Absperrung zu Lande) und die Einnahme von KarS, sowie die sichtbaren Vorbereitungen der Engländer am Suezkanal den jetzigen Kämpfen einen ausgeprägteren Charakter und überhaupt eine wesentliche Bedeutung ver leihen. Augenblicklich sind die Vorbereitungen an der Donau, auf welcher sich die Operationen der Ruffen gegen die Bulgarei gründe» werden, das Wichtigste aller neueren Nachrichten. Die drei russischen Armeekorps (4., 13. u 14.), welche lange in der Ukraine gestanden und in der 2. Hälfte vor. MtS. den Marsch nach dem Pruth antraten, werden mit dem Eintritt in das militärische M chtgebiet des Groß fürsten Nikolaus ein integrirender Theil der Südarm e, welche dann mit den erhaltenen Verstärkungen und niit der verbündeten rumänischen Armee eine solche H«e res- masse umfaßt, die sich allerdings wie eine Lawine über die Donau unwiderstehlich nach Bulgarien wälzen kann. Aber die hierzu nöthigen Vorbereitungen, namentlich die artilleristische Ausrüstung der schweren Userbatterien an allen bedeutenden Plätzen des rumänischen Ufers, nehmen um so mehr Zeit in Anspruch, als die Größe des Heeres und die weitgevehnten Augriffsstrecke» so nachhaltige Vor sorge» erforderlich machen, die wohl allein schon den in sortwährender Unruhe gehaltene» Feind aUmälig ermüden und erlahmen können. Nach alle» bisher vorliegenden Detailnachrichten läßt sich etwa folgendes Bild über die Situation an der Donau konstruiren. Von den berühmten Donaupäffe» des Banater Gebirges — da, wo die Donau im Norden den Banat, im Süden Serbien und hinter Alt- und Neu-Orsowa, Turn-Severin und Kladowa berührt — beginnt tü» stra tegische Wasserscheide, in deren vollständige» DMtz ftch'dle Ruffen mit ihren Verbündeten setzen wolüchMGHann al» zeitiger Gebieter der unteren Donau sich in den Besitz der Bulgarei zu bringen. Di« dort üb«r di« «ing«engte Donau führenden Brücken dürften schon in russischen Händen sein. Ueber dieselbe» Motte ebensogut ein« türkisch« Armee al» ein« russisch« operiren, sobald die Neutralität Serbien» von keiner Sette mehr respektirt wird. Man müßte blind sein, um nicht schon jetzt zu vermuthen, daß Serbien nicht mehr lange neutral bleiben wird und kann. Der bloße Respekt vor dem noch unbewaffneten Oesterreich wird «» von dm EntscheidungStämpfen de» SlavrnthumS nicht abhalten. Mit der Besetzung jener Brücken durch die Russen haben nämlich die Serben ihren Rücken gedeckt und besitzen «in« offene Pforte, durch welche Rußland ihnen jederzeit so viel Hilfstruppen stellen kann, als sie später brauchen sollten. Während Fürst Karl von Rumänien sein Hauptquartier in der kleinen Wallachei aufgeschlagen, hat russische Belagerungs- Artillerie in Kalafat (Widdin gegenüber) sich häuslich eingerichtet, da die rumänische Artillerie dergleichen schwere Geschütze in ausreichender Zahl nicht besitzt. Die gegen über befindliche türkische Artillerie hat übrigens bi» jetzt die Situation in Kalafat noch keineswegs zu ein« vie Donau dominirenden Machtstärke sich entwickeln lassen. Dasselbe kann man auch von Giurgewo und Oltrnttza behaupten. Es wird hier (sowie auf den zwtschenli«g«nden kleineren Uferplätzen Rumäniens) der Batterie-Ba« dar Ruffen erst noch mächtiger sich gestalten müssen, ehe das immer reichlicher sich ansammelnde Material zum Brückenbau zur entscheidenden Verwendung gelangen kann. Nur auf der linken Flanke der Rassen — bei Bratla und Reni — scheint die Feuerkraft der russisch«« Ufer- Batterien eine vollständige Beherrschung des Uferterrain» schon erreicht zu haben. Bon neueren Meldungen liegt heute Folgendes vor: Bukarest, 17. Mai. Das am gestrige» Mittag begonnene Bombardement von Oltenitza hielt bis Nachmittag 3 Uhr an. — Nach Mittheilung von rumänischer Seite beginnen die Türkei» bei Florentin den Brückenschlag über die Dona». — Von Giurgewo aus wurde am 16. eine große Bewegung der Türken in Rustschuk wahrgenommen. — Ein Telegramm aus Plojesti vom 1b. d. meldet: Wir haben heut« b«t Braila an dem Arm von Matschina unter den Schüsse» türkischer Monitors, welche uns keinen Schaden verursacht«», Verschanzungen errichtet. — Wien, 17. Mai Telegramm der „Presse" aus Bukarest vom 16.: Während deS h«»t« wieder aufgenommenen Bombardements zwischen Oltenitza und Turtukai wurde von Oltenitza aus der Ausbruch einer Feuersbrunst in Turtukai beobachtet. Ein von türkischen Truppen gemachter LandungSversuch wurde zurückgewiesen. — Großfürst Nikolaus hat gestern eine Deputation von Bulgarien empfangen. — Sin weiteres Telegramm der „Presse" auS Bukarest bestätigt den Uebergang rus sischer Truppen über die Donau bei Gbiacit unter heftigem Kampfe und bei Podbaschi in der Dob- rudjcha. (Wir möchten doch noch weitere Bestätigungen abwarten, ehe wir an den Uebergang glauben. Dit Rtd.) — Ein LandungSversuch der türkischen Truppen bei der Insel Mokau unweit Giurgewo ivurde zurückgeschlagen. Auf dem astatische« Kriegsschauplatz« scheint ein« Stockung in den Vorwärtsbewegungen der Russen einge treten zu sein. Es gaben zwar die letzte» Meldungen au» Erzerum zu, daß die Russen im Besitz von KagiSman und daß sie auf dem Wege nach Erzerum bis Longhanli vorgerückt sind. Allein der tiefe Schnee und die ungeheueren Schwierigkeiten der Armeeverpflegung auf den unwirthlichen Gebieten einerseits und die Gefahren kaukasischer Aufstände im Rücken der Armee andererseits sind schwer zu bt- wäliigenve Hindernisse für eine OperationSarmee. Ueber- vies ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß, wie einige Berichte sagen, die Gebirgsoölker im Rücken der gegen Batum operirendeil Armee sich erhoben haben. Insbesondere wird die Einpörulg des Stammes der Abchasier ge meldet, der anr Westabhangt deS Kaukasus zwischen den Flüßchen Kotsch und Gabisga längs der Ostküste des schwarzen Meeres wohnt. Wenn sich dieser Aufstand bis Mingrelien ausdehnen sollte, so stünde die russische Operationsarmee in der größten Gefahr, von ihrer Operations basis abgeschnitten zu werden. Auch müßte derselben eine