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MM InMer und Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen nnd städtiichen Behörden zn Freiberg nnd Brand. Verantwortlicher Redakteur: Julius Braun sin Freibergsdorf. ^°2 Erscheint jeden 't^vchenta,i Abend« «i Nhr für den i iindcm Tag. Preis viertcijabiiich 2 Mark 25 Pf., zweimonatlich 1 M. 50 Pf. n. cinmonati. 75 Pf ' 28. Jahrgang. Donnerstag, den 4. Januar. Inserate werden bis Vormittags 11 Uhr für nächste Nummer angenommen und die gespaltene Zeile oder deren Raum mit l ä Pf berechnet. 1877 halst wird, im Grunde doch sehr eitles Blendwerk ist. Wir fortan vor jeder Mehrbelastung durch bloßen Befehl bloßen Befehl 1848 eine Reaktionsperiode gefolgt, in der man das Volk g, durch welche j am Gängelbande polizeilicher Bevormundung geleitet und der Regierung schützt; eine Trauordnun der Bürger, der gesetzlich das Recht der Eheschließung hat, theils in Agrarier gewaltsame Hemmung Revolution von 1848 licher Vorrechte, diese Einsetzung der Landgemeinde in ihr Recht, diese Einschränkung der geistlichen Gewalt in Schule und Haus — das ist die Fluth von Gesetzen, weswegen die liberale Partei von den Junkern und Agrariern vor dem Lande angeklagt wird. Nun, das Land mag richten und wird hoffentlich am 10. Januar richten! Niemand, der gleiches Recht und gleiche Pflicht für Alle will, kann die Anklage für begründet halten. Kein Landmann, der an die Jahrhunderte der Leibeigenschaft und des unend lichen Druckes von Lasten aller Art denkt, wird auf den Lockruf hören, der ihn auf die Seite der kleinen adeligen Herren und zur Feindschaft gegen die Männer treiben soll, welche den Druck beseitigt und gleiches Recht für alle Stände eingeführt haben. drs Jnvalidenfonds vorgeworfen, welche die höchsten Beamten des Reiches ebenso sehr wie die gesammte liberale Partei mit Schmähungen überschüttet haben und noch überschütten. Und wahrlich, mehr als je droht bei der diesmaligen Reichstagswahl den Bürgern in Stadt und Land Gefahr; denn alle Kräfte der Reaktion sind in Bewegung! Der Kreuzzeitungsmann, der aus dem Regiment ge drängt ist, der Ritter, der seine Vorrechte verloren hat, der Priester, der den Gesetzen sich nicht fügen will, mancher Industrielle, der auf Kosten des Volkes hohe Schutzzölle, mancher Handwerker, der auf Kosten seiner Mitbürger das alte Zunftwesen wieder Herstellen möchte, — sie Alle, Alle sammeln sich um die Fahne des Rück schritts! An der Spitze dieser Gegner marschirt das preußische Junkerthum, derselbe kleine Adel, der einst, so schäft dokumentirt leider oft gerade bei diesem wichtigen Wahlakte eine Trägheit, die nach Lage der Dinge nicht nur besorgnißerregend, sondern geradezu verdammenswerth ist. Wohl fehlt es nicht an Männern, die Energie und That- kraft für die edleren Bestrebungen unseres menschlichen Daseins entwickeln, allein alles Mühen und Sorgen der selben, unseren staatlichen und sozialen Organismus zu verbessern, muß aussichtslos bleiben, wenn nicht die nach haltige Unterstützung einer denkenden Menge die gute Sache fördert. Die Zeiten monarchisch - patriarchalischer Zustände, wo der Bürger sich willenlos regieren ließ und den Befehlen seiner Herrscher gedankenlos gehorchte, liegen längst hinter uns. Durch den Konstitutionalismus ist er heute Mitleiter der Wohlfahrt seiner Nation geworden; durch ihn besitzt er heute zuvor kaum geträumte Rechte, denen als Gegen leistungen aber auch die unabweisbarsten politischen Pflichten gegenüberstehen. Von dieser Wahrheit sollte jeder oronungs- liebende Staatsbürger durchdrungen sein, dann würden die alten und neuen Feinde des deutschen Reiches nicht so mächtige Fortschritte machen, wie dieses leider der Fall ist. dasselbe ohne Erfüllung willkürlicher kirchlicher Bedingungen ausüben kann, während das Gesetz ihn nicht verhindert, sondern vielmehr ermahnt, auch die christliche Weihe seiner Ehe zu suchen. Das Alles und noch manches Andere, worauf wir später zurücktommen, haben die Liberalen gethan! Dieser neue Ausbau des Reiches, diese Beseitigung adliger und ritter ¬ lange er am Ruder war, durch jeder staatlichen Entwicklung die verschuldete. Heute haben sich diese Leute Die Organe dieser Junker- und Agrarpartei haben um die Wette mit den Blättern der Sozialdemokraten und ' Ultramontanen die Leidenschaften geweckt, Stadt und Land gegen einander gehetzt und alle Schichten der Bevölkerung durch leichtfertige Vorspiegelungen und Versprechungen unterwühlt. Sie haben die gesammte Gesetzgebung ver ketzert, welche seit 10 Jahren im Reich von dec Regierung vorgelegt, vom Kaiser bestätigt worden ist — bloß weil die verhaßten Liberalen dabei mitgewirkc haben. Weil diese Gesetzgebung die Einheit des Reichs beseitigte und die Junker- und Priestervorrechte beseitigte, so hat man ihr alle Noth der Zeit, alle wirthschaftlichen Mißstände aufzu bürden versucht. Unsere neuen Maße, neuen Münzen, unsere Civilstandsgesetzgebung u. s. w. — dies Alles wird den Liberalen zum Vorwurf gemacht. Wer von den Bürgern klar einsehen will, wohin diese deutsch-konservativen Junker- und Agrarpartei eigentlich gierungen waren auch dabei. Aber nehmen wir einmal au, die Liberalen trügen die alleinige Verantwortung für all' diese Gesetze. Sie haben also eingeführt: statt der verschiedensten Maße und Gewichte, wie sie der alten Kleinstaaterei entstammten, ein einziges, durch ganz Deutschland gehendes Maß und Gewicht; statt der früher geltenden sieben Münzarten nebst einer mehr als zwanzigfachen Papiergeldwirthschaft eine einzige durch ganz Deutschland giltige Gold- und Silber münze, nebst den vom Reich allein ausgehenden Kassenscheinen; statt der buntesten Strafgesetze eineinziges an der Hand der Erfahrung verbessertes Strafgesetzbuch; eine Kirchenordnung, welche der Gemeinde die Vermögensverwaltung überläßt, ihr theilweise die Wahl des Pfarrers sowie eine Mitwirkung bei seinen wichtigsten Handlungen giebt und die Gemeinde ede freie Bewegung mit Kerker und Gefängniß unterdrückt ,abe. Dem Sturmjahre 1848 folgte dann die Reaktion umgetauft, theils bilden sie die neue Partei der Deutsch- Konservativen. Heute suchen sie dem Volke einzu reden, daß sie die besten Freunde des Reichskanzlers seien. Und doch sind es gerade hervorragende Mitglieder der Agrarier, welche unlängst noch den Fürsten Bismarck in Schmähschriften des Zusammenhanges mit Börsen leuten beschuldigt, welche den Ministern des Reiches falsches Spiel bei der Verwendung der Milliarden, bei der Anlage der fünfziger Jah e. Von Vieser Druck-Periode habe uns erst der deulsch-österreichische Krieg erlöst. Was wäre ge- word'n, wenn Oesterreich gesiegt hätte? Nachdem Redner diese Frage durch einen Hinweis auf die dortige Pfaffenwirthschaft beantwortet, erwähnte er, daß Deutschland jetzt seinem kulturhistorischen Berufe lebe, um durch Wetteifer im Schulwesen und wissenschaftlichen Bildungsanstalten nach Innen, durch seine Machtentfaltung nach Außen sich zu entwickeln. Eine dänische Fregatte habe noch 1848 Deutschlands Obumacht gespottet, indem sie vor Helgo!and geankert, die Elbe und Weser gesperrt und die deutsche Handelsschisfahrt lahm gelegt. Vergleiche man die heutigen Zustände mit damals, da müsse man gestehen, daß es viel besser geworden, daß wir vorwärts gekommen in Ehre und Auiehn nach Außen. Die deutsche Flagge unter einheitlichem Banner auf allen Meeren schütze den Handel und erfreue sich der größten Achtung. Da sollte man nicht national lein? Die Deutschen im Auslände fühlten am meisten, wa§ sie durck die Einbeit ihres Mutterlandes gewonnen. Die besten Deutschen finde mau daher auch im Auslande. Früher habe man Furcht vor jeder russischen Militärkonzentratisn an den Grenzen Deutschlands, vor jeder Neujahrsrede Napoleons empsunden, heute fürchte man den in Aussicht stehenden russisch-türkischen Krieg nicht. Hierauf wandte sich Herr Penzig zur wirthschaft lichen Gesetzgebung und trat dem Vorwurf, daß die selbe zu rasch und viel schaffe, .mit dem sehr!richtigen Kandidatur-Reden. Den Wählern zum Reichstage fehlt es diesmal wahrlich nicht an Gelegenheit, die Männer kennen zu lernen, welche ich um das Mandat für dieses Ehrenamt bemühen. Drei Kandidaten find für unsern Wahlbezirk aufgestellt: Penzig, v. Oehlschlägel, Fritzsche. Sie sind Repräsentanten der drei verschiedenen politischen Richtungen, die im deutschen Vaterlande sich gegenseitig bekämpfen und ebenso gegenseitig darnach ringen, entweder den jetzigen Einfluß auf die Ge setzgebung sich zu erhalten, oder denselben zu gewinnen, um andere als bisher gewandelte Bahnen zu verfolgen. Penzig vertritt die liberale Richtung, v. Oelschlägel die konservative, Fritzsche die sozialdemokratische. Bei aller Achtung vor letzteren beiden Herren haben wir wohl kaum nöthig zu motiviren, weshalb wir ibre Wahl für bedauer lich halten würden. Das deutsche Reich ist ein noch so junges Gebilde, daß seine Entwicklung stocken und zu rückgehen würde, wenn die Konservativen durch die Wahl am tO. d. M. die Oberbaud gewönnen, oder daß eS voll ständig aus Rand und Band gehen müßte, falls die sozial demokratischen Theorien in der Volksvertretung maßgebend würden. Können wir uns allo nur für den liberalen . Kandidaten erklären und zu dessen Wahl auffordern, so hat werden dies noch in den Leitartikeln der nächsten Nummern unseres Blattes ausführlicher darlegen und kommen deshalb hier nur kurz auf das zurück, was in dieser Beziehung in der gestrigen Volksversammlung gesprochen wurde. Nach Eröffnung derselben durch Herrn Advokat Täschner entwickelte Herr Penzig sein politisches und wirthschaftlicheS Programm; davon ausgebend, daß wir in einer Zeit tief erschütternder Uebergänge leben. Da sei es begreiflich, daß viele Interesten verletzt und mancherlei Mißmuth erzeugt würde. Wer billig denke, hefte sein Urtheil über augen blickliche Mißstände nickt an Einzelheiten, sondern frage sich, was im Durchschnitt gewonnen sei. Um dies seiner seits näher darzuthun, erwähnte Redner, wie das deutsche Volk im Laufe dieses Jahrhunderts so oft nach Einheit gerungen und wie nach jeder solchen Bewegung die wieder eingetretene Reaktion alles freiheitliche Gefühl im Keime erstickt habe. Lw in den Zeiten nach den Freiheitskriegen, wo die Reaktion bis in die dreißiger Jahre angehalten. Und nach dem Erwachen des Volkes, nach Verleihung von Konstitutionen in einzelnen Ländern, sei dann wieder bis Nachbestellungen aus den „W^ellkvrxer UthMtU aus ¬ wärts sämmtliche kaiserliche Poftaustalten jederzeit entgegen. In Freiberg selbst wolle man sich ge fälligst an die nute,zeichnete Buchhandlung wenden. Der Abouuementsprris bleibt Unverändert und beträgt vierteljährlich 2 M. 25 Pf. Inserate, pro Lpaltzeile15Pf>, finden die wirksamste Verbreitung. fi-ol8ckei''8ok6 LuManälung. die gestern Abend im „schwarzen Roß" stattqefundene und . , außerordentlich zahlreich besuchte Volksversammlung gewiß strebt, der überlege sich diese Vorwürfe. Ja wohl! die hei der großen Mehrzahl der Theilnehmer den Eindruck Liberalen haben dies Alles gethan! Sie haben diese Ge- hinterlassen, daß die Fluth von Verdächtigungen, welche setze nicht allein gemacht, sondern der Reichskanzler und von gegnerischer Seite der liberalen Gesetzgebung aufge- der BundeSrath, also die Vertreter aller deutschen Re- cmi* Zur Reichstagswahl. i. Die Neuwahlen zum Reichstage sind auf den 10. dieses Monats anberaumt. Wer es ernst meint mit den Rechten des Bürgers, wer gesetzliche Freiheit und verständigen Fortschritt will, der fehle nicht am Wahltische! Der größte Feind aller staatlichen Fortentwicklung ist die Lauheit im politischen Leben und unsere bürgerliche Gesell