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en nd ter, Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand Mittwoch, dm 15. Dezember. 1875 291 Sriefe aus dem Reichstage in Md, Ll. Berlin, 13. Dezember. punkt des Pessimismus. Der Sinn seiner Rede war >Lt auch zur Berkaus: itung ark. . an, aren, hs-hr« rrsde» seinem in der kostrich, r und ^s Beste Pf., iche, »mm ms. 1874 feinste ^Pf, »Pfd. »»I». el»«, feinste neuen mgeat, gem. l gem. tt«re : neue 24 Pf, . feine n Mn Wie ganz anders gestalteten sich dagegen die Sitzungen am Dienstag und Donnerstag Mittag! Da sah man ein wohlgefülltes Haus und starkbesetzte Tribünen, und mit der größten Aufmerksamkeit hörte man die geistreichen Reden für und gegen die Eisenzölle und über den Schutz der ReichStagsmitglieder gegen Verhaftung während der Sitzungs periode. Der Kampf über die Eisenzölle war längst ent schieden, ehe er begonnen worden war. Die Petitions kommission hatte sich mit sehr großer Majorität gegen die Bestrebungen der Eisenindustriellen erklärt, und die Plenar- berathung war nur eine öffentliche Demonstration für das Freihandelsprinzip, die man dem deutschen Volk« und dem Auslands schuldig zu sein glaubte. Abg. llr. Löwe kämpfte muthvoll und unter Beibringung eine» gewaltigen Materials für die verlorene Sache; es nützte ihm aber Nichts, denn unter der kritischen Sonde des Abg. vr. Bamberger zerfielen alle Schlußfolgerungen, die Löwe aus seinen Prämissen gezogen hatte, in Nichts. Bamberger sprach außerordentlich geistreich und gewandt, allerdings nicht immer sehr rück sichtsvoll. Er zeichnete die Prätensionen der Eisemndustriellen als einseitige Nothschreie von Interessenten, deren Be- Freunden des Antrags selbst zu Tag. Diejenigen, welche der nationalliberalcn Partei angehörten, wollten sich nicht damit begnügen, das Prinzip anszustellen, es kam ihnen nicht darauf an, den geforderten Schutz in der Verfassung festznstellen, sondern sie wollten die Sache in der Straf- Prozeßordnung, wenn auch mit weniger Eklat, dafür aber mit desto größerer Wirkung erledigen. Zu diesem Zwecke beantragte Abg. Lasker die Neberweisung des Antrags an die Jnstizkommission. Aber die Fortschrittspartei lehnte in unbegreiflicher Verblendung diese praktische Behandlung der Angelegenheit ab, es kam ihr mehr darauf an, das Prinzip festzustellen, unbekümmert darum, ob es ihr möglich sein werde, das Prinzip auch praktisch durchzusühren und daS Zentrum, das ohnehin weniger Werth auf die Annahme als auf die Erörterung des Antrags zu legen schien, alliirte sich mit den Doktrinären der linken Seite. Auf diese Weise konnte es nicht fehlen, daß der Antrag durch die schreiten und sich nicht beirren lassen werde durch Klagen, die sich stützten auf eine vorübergehende, durch die gegen wärtigen Verhältnisse bervorgrbrachte Konjunktur. Damit war die Sache abgemacht, und der mit großer Majorität gefaßte Beschluß, über die Petitionen einfach zur Tages ordnung überzugehen, wird wahrscheinlich die Wiederkehr einer ähnlichen schntzMnerischen Agitation im nächsten Jahre verhüten. Bot bei dem Kampf um die Eisenzölle das Parlament das Bild der größten Einigkeit, so zeigte sich in der Donnerstagssitzung der tiefgehendste Zwiespalt. Es handelte sich darum, in Verfolg der beim vorigen Reichstage ange nommenen Resolution des verstorbenen Freiherrn v. Hover- bcck den Reichstagsabgeordneten verfassungsmäßigen Schutz zu gewähren gegen Verhaftung während der Dauer des Reichstags. Zu diesem Zwecke wurde von der Fortschritts partei eine Aenderung des Art. 31 der Verfassung, welcher die Einleitung einer Untersuchung gegen ein Mitglied des Reichstags während der Dauer der Session von der Ge nehmigung des Hauses abhängig macht, in der Weise bean tragt, daß auch znr Vollstreckung einer rechtskräftig er kannten Freiheitsstrafe an einem Mitgliede des Reichstags die Zustimmung des Parlaments erforderlich sein soll. Die Freunde dieses Gedankens befanden sich in der Majorität und lehnten auch glücklich den von gegnerischer Seite ein gebrachten Antrag, über den Antrag znr Tagesordnung überzugehe», ab. Aber nun trat der Zwiespalt unter den obschon dieselben voraussichtlich erst im Januar 1877 statt- sinden werden, ist der Feldzugsplan bereits entworfen, denn in den Blättern der Partei werden schon die Termine für den Beginn der Agitation bekannt gemacht. Im Zusammen- )ange mit der rührigen Organisationsthätigkeit fällt dopoelt chwer die außerordentliche Entwickelung der sozialistischen Presse ins Gewicht. Außerdem wird die mündliche Agi tation in Volksversammlungen mehr als je gepflegt. Früher soll es vorgekommen sein, daß man freche Burschen von guter Lunge, aber ohne jegliche Vorbildung, mit aus wendig gelernten Vorträgen in verschiedene Städte und Ortschaften sandte; heute soll in Berlin eine förmliche Akademie bestehen, in welcher junge intelligente Leute durch die Führer wissenschaftlich hieb- und sattelfest gemacht werden. Aus alledem erhellt zum mindesten soviel, daß das Gift der sozialistischen Theorien unserm Volk durch immer zahlreichere Kanäle zugeführt wird. Auch ist die Thatsache nicht außer Acht zu lasten, daß unsere Partiku- laristen im Geheimen Hand in Hand mit den sozialistischen Agitatoren arbeiten. Erst ganz neuerdings erhielten wir dafür einen eklatanten Beweis, der vorläufig nicht hierher gehört. Aber die liberalen Parteien können nicht dringend genug ermahnt werden, diese Thatsachen bei Zeiten und mit vollem Ernst zu beachten. Dem Reichstage ist wiederum wie in der letzten Session ein Gesetzentwurf betr. die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben des Reiches zugegangen, welcher sich die Aufgabe stellt, die Instruktion für die preußische Ober- rechnungskammer mit einigen Modifikationen zum Reichs gesetz zu erheben und auf diesem Wege die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben des Reichs auf die Grund lage von Bestimmungen gesetzlich zu regeln, welche sich durch die seitherige Erfahrung bewährt und durch lang jährige Anwendung zu einem konsequenten System durch- gebildet haben. Der Entwurf schließt sich im Ganzen dem früheren an, sucht aber daneben früheren Beschlüsten der im vorigen Jahre mit derselben Materie betrau::» Kommission Rechnung zu tragen. Die Abgeordneten von Bernuth, k)r. Wagner und Or. Römer (Württemberg) haben folgende Interpellation > an den Reichskanzler dem Reichstage zugehen lasten: Ist - in der nächsten Session des Reichstages die Vorlegung des : wichtigen und dringlichen Gesetzentwurfs, betr. die Regelung - der Ansprüche der Hinterbliebenen verstorbener ReichS- ; beamten mit Sicherheit zu erwarten? Als der Präsident am vorigen Donnerstage nach einer fünfstündigen aufgeregten Sitzung vorschlug, die zweite Berathung des elsaß-lothringischen Budgets iu einer Abend- fitzung vorzunehmen, widersprach ihm der Abg. Windthorst auf das Lebhafteste. Derselbe sah in dem Vorschläge eine Zurücksetzung der elsässischen Abgeordneten, welche wie er meinte, mit Fug und Recht verlangen könnten, ihre Wünsche in einer Tagessitzung geltend zu machen. Das Haus nimmt« indessen mit großer Mehrheit dem Vorschläge des Präsidenten zu. Als aber nun die Abendsitzung wirklich siattfand, da suchte man vergeblich die Meisten der Herren, ie«. pappt- i, nebst mirter kaufen. »»sei» ««scheint W»chk«I»g i Uhr für he» «ndrrn Ta>. >ffeln von einen ver- Engegaste „Schreitet nur fort auf dem Wege der Freihandelspolitik, ibr werdet schon sehe», wohin ihr kommt, und wenn ihr die deutsche Industrie ruinirt, das Volk arm gemacht habt, dann denkt an mich, den Herrn v. Kardorff, der es euch vorausgesagt hat." Der Präsident des Reichskanzleramts ließ sich durch diese Schwarzseherei nicht irre machen. In einer sehr maßvoll, aber dabei doch sehr entschieden ge haltenen Rede legte er dar, baß die Reichsregierung auf dem für vortheilhaft gehaltenen Wege auch ferner fort- „Bis Weihnachten soll der Reichstag seine hauptsächlichsten Geschäfte erledigt haben oder «r muß wenigstens den Versuch machen, sie zu erledigen!" So lautete die Parole- welche am vergangenen Donnerstag der Präsident des Reichstags austheilte und womit er die nun im Gange befindliche parlamentarische Hetzjagd einleitete. Ohne Rücksicht auf die Bequemlichkeit der Mitglieder giebt es Tag für Tag unendlich lange Sitzungen von Vormittags 11 bis Nach mittags gegen 5 Uhr, und außerdem droht der Präsident dem Hause, wenn es das ihm zugedachte Pensum m der Tagessitzung nicht erledigt hat, mit einer Abendsitzung, dem schrecklichsten aller Schrecken. Von Tag zu Tag schwindet allerdings mehr die Hoffnung, daß der in Szene gesetzte Versuch gelingen werde. Die Redseligkeit der Mitglieder läßt sich bei zweiten Lesungen nicht in so engen Schranken halten wie bei den ersten Lesungen. Man kann nicht so wie bei diesen Dispositionen treffen über die Dauer der Schlacht und die in die Arena zu lastenden Kämpfer. Und was nützt es auch, wenn bei diesem Etatstitcl, bei diesem Paragraphen der Schlußantrag durchgebracht wird? Es müßte doch ganz merkwürdig zugehen, wenn nicht einer der nächsten Titel oder Paragraphen dem präkludirten Redner Gelegenheit gäbe, das Wort zu verlangen und vor dem entsetzten Reichstage den Strom seiner Beredtsamkeit in desto größerer Muße und Behaglichkeit fließen zu lasten. Mag auch die Majorität des hohen Hauses in den Räumen der Restauration, im Lesezimmer oder im Foyer die Zeit verbringen, in welcher der aufdringliche Sprecher seine u»«im»n«tl. t Mt. V0 Pf. und «m- »»«atl. 75 Pf. Vie Redaktion be- fdldet sich Ninnrn- iajje II Et. cki., e. Ms. vierjährige mmelsiut^ I die sich ani Tage so mannhaft und heldeiimüthig für An beraumung der Abendsitzung erhoben hatten. Tie fehlten. I In dem weiten Raume zerstreut saßen gegen 160 Herren, I die sich auf die bestmögliche Weise die Zeit vertrieben. Man unterhielt sich, man las die neuesten Zeitungen, man wagte vielleicht sogar, ein klein wenig zu nicken, oder ver- I schwand gelegentlich einmal, um dem Magen eine Erfrischung I zuzusühren oder im Feyer eine Cigarre zu rauchen. Während I besten wurden die Herren Simonis und Winterer nicht I müde, der Minorität des Reichstags und den leeren Stühlen I der Majorität ihre Beschwerden, Klagen und Wünsche vor- I zutragen- Akan wurde mit wahrer Bewunderung erfüllt, I wenn man sah, welche Studien diese biederen Geistlichen 1 getrieben, wieviel Zeitungen und Bücher sie gelesen, um I was Alles sie sich gekümmert hatten, um dem Reichstage I diese unendlich langen und vielen Reden zu halten. Kein I Zweig der Verwaltung war von ihren Spürnasen verschont I geblieben; über Waldstreuuutzung und Holzpreise, Weinsteuer I und Schuldespotismus, hohe Gehalte und schlechte Finanz- I tage, Polizeiwillkür und Kastenkontrolcure besaßen sie an- I ühemMd die tiefsten Kenntnisse. Und warum hatten sie sich I Einzelheiten gekümmert? Etwa um die I Verhaltuiste zu bessern? O nein, nur um den I anwesenden Bundeskommistaren möglichst viel Nadelstiche zu I der Reichstag und die Neichsregierung ihren I unbegründeten Klagen kein I iilÄ i ) 'Md-, wußten sie doch schon längst. Nur I w"" Abgeordneter dazu herbei, einige Worte I bild n L«^ bin wahres Jammer. I kber d^El^ttbargie, die nur durch die Verhandlung I«>er den Dispositionsfonds des Oberpräsidenten und die Allianz der prinzipiellen Gegner des Antrags mit den Nationalliberalen abgelehnt und so der Welt da- der Würde des Reichstags keinenfalls förderliche Schauspiel geboten wurde, daß nach einer fünfstündigen Debatte — gar Nicht- beschlossen wurde. — Einige Tage nach dieser Verhandlung trat auch der Abg. Majunke, besten Verhaftung während der vorigen Session die äußere Veranlassung zu der ganzen Diskussion geboten hat, wieder in das Haus ein, nachdem er die einjährige Strafzeit im Gefängniß am Plötzensee überstanden hatte, und wurde von seinen Fraktionsgenoffen auf das Herzlichste begrübt. Die Ovationen, die ihm nun dargebracht werden — die Freilassung sollte gestern durch ein glänzendes Diner der Zentrumssraktion gefeiert werden — werden ihn wahrscheinlich reichlich entschädigen für die überstandene Haft, die den Namen des jungen Manne wegen der großen Folgen, welche die Verhaftung nach sich zog, ohnehin mit einem gewissen Nimbus umgeben hat. Tagesschau. Freiberg, den 14. Dezember. Angesichts der große» Zahl wichtiger Tagesfragen von unmittelbarer aktueller Bedeutung ist die öffentliche Auf merksamkeit von der sozialdemokratischen Agitation seit einiger Zeit im größeren Maße abgelenkt worden, als für die auf dem Spiele stehenden Interessen zuträglich ist. Die unangenehmenUeberraschungen, welche den Vertheidigern der bestehenden Gesellschaftsordnung im La: f-dieses Jahres dnrch die Vorgänge bei einzelnen Ersatzwahlen zum Reichs tage bereitet sind, r.ürden sich ohne allen Zweifel bei den nächsten allgemeinen Wahlen in ganz anderem Umfange wiederholen, wenn die antisozialistischen Parteien den Anstrengungen der Gegner in der Bearbeitung der Wählerschaft nicht ihrerseits mit Anstrengung aller Kräfte entgegentreten. Vor Allem darf nicht außer Acht gelassen weiden, daß die Organisation der sozialistischen Elemente in Deutschland seit den letzten allgemeinen Wahlen ungleich kräftiger geworden ist. Die einheitliche Leitung, welche die Verschmelzung der Lassalleaner und der Eisenacher erreicht wurd, hat sich, soviel der Außenstehende beurtheilen kann, trotz der zahlreichen Rivalitäten vollkommen bewährt; die Häupter der beiden Richtungen sind im Reichstage zu einer förmlichen Fraktion znsammengetreten und handeln überall mit einheitlichem Willen. Für die nächsten Wahlen, Subventionirung der offiziösen Presse auf kurze Zeit unter brochen wurde. Ein Wunder war es zu uennen, daß sich der Reichstag am Freitage noch beschlußfähig erhielt; am Sonnabende aber, wo die Etatsberathung beendigt wurde und noch «ine sehr gründliche Berathung der Bestimmungen des Gesetzes über den Schutz des Urheberrechts bei Werken der bildenden Künste begann, sank tue Präsenz auch unter die Beschlußfähigkeitsziffer, und als dies durch eine Ab stimmung der Zählung, einen sogenannten Hammelsprung, konstatirt worden war, blieb Nichts übrig, als auch den Rest der Mitglieder nach Hause zu entlassen. verbringen, m wetcber ver auformgucoe vprecyer ircue ----- Weisheit vorträqt; di« kostbare Zeit geht doch unwieder- srwdrgung nur möglich sem wurde auf Kosten d dringlich verloren, die Tagesordnung bleibt unerledigt und'deutschen Natron. Der Abg. v. Kardorff, der Vorkämpfer mit Webmuth setzt der Präsident den unerledigten Rest auf , der fchutzzöllnenschen Tendenzen, stellte sich auf dem -stand- die Tagesordnung der nächsten Sitzung. Die Strafgesetz- " — - Novelle, das Militär- und Marinebudget, das Musterschutz gesetz, das schwierige Hülfskasseugesetz, abgesehen von einer Menge kleinerer Vorlagen, harren sämmtlich noch ihrer Erledigung, und im Hintergründe kocht der Bundesrath immer noch neue Speisen, die noch auf die ohnehin schon reich besetzte Tafel des Parlaments aufgetragen werden sollen und von denen man erwartet, daß sie nicht unberührt wieder abgetragen werden. Mußte in den ersten Wochen der Reichstag nur mit kargeu Brocken mühsam sein Leben fristen, so sieht er jetzt vor einem reich assortirten Buffet und weiß nicht, wonach er zuerst seine Hand ausstrecken soll. MlitrgtrlWigerS h<mdlmiz,zus«»d«. und Tageblatt.