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WReilicrgerlnMger« WL^ 6 Wssrsr und Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. 293. Freitag, den 17. Dezember. 1875. Kreditgenossenschaften. Der Anwalt der deutschen Genossenschaften, Herr Schulze-Delitzsch, hat kürzlich einen Bericht über die Resul tate dieser Bewegung im Jahre 1874 erstattet. Die große volkSwirthschaftliche Bedeutung, die heute Niemand dem Genossenschaftswesen bestreitet, wird es rechtfertigen, etwas näher aus die Sache einzugehen. Der erwähnte Bericht führt 4383 bekannte Genossenschaften auf, doch schätzt Schulze-Delitzsch die Gesammtsumme derselben auf 4500, da ihm trotz alles Bemühens nicht sofort jede neu begrün dete Genossenschaft angezeigt wird. Unter dieser bekannten Summe existiren 2639 Kreditgenossenschaften, doch haben nur 815 derselben — also nicht ganz 31 pCt. — ihre Rechnungsabschlüsse eingeseudet. Im Königreich Sachsen bestehen mindestens 150 Kredit genossenschaften und nur 44 — mithin annähernd derselbe Prozentsatz wie die Gesammtheit — reichten dem Anwalt die Abschlüsse ein. Man könnte hieraus folgern, daß bei uns im Allgemeinen die Betheiligung am Genossenschafts wesen nicht ungünstiger sei, als in den anderen Theilen Deutschlands. Wenn wir jedoch bedenken, daß beispiels weise von den 116 Kreditgenostenschaften der Provinz Preußen 57, von den 93 der Provinz Nassau 48, von den 152 der Provinz Brandenburg 71 ihre Rechnungsabschlüsse eingesandt habe», so wird eS ersichtlich, daß die sächsischen Kreditgenossenschaften den eben erwähnten ein gut Theil zurückstehen, denn sie erreichen die Durchschnittssumme nicht ganz, während andere weit darüber hinaus sind. Dies ist nicht ohne Bedeutung; denn wenn wir die Geschichte des deutschen Genostenschaftswesens betrachten, so ergiebt sich, daß neben der preußischen Provinz Sachsen gerade im Königreich Sachsen die Genostenschaften und ganz befonders die Kreditgenossenschaften am schnellsten zur Ausbreitung gelangten. Es dürfte daher am Platze sein, nach den Ursachen dieses Zurückbleibens zu forschen. Wenige Jahre nach Begründung der ersten Vorschuß- Vereine fühlten die Vorstände der neuen Vereine das Be- dürfniß, einander näher zu treten, um gemeinschaftlich über die Prinzipien, welche dem Genostenschaftswesen als Grund lage dienen, zu berathen und sich über die gesammelten Erfahrungen auszusprechen. Die erste Versammlung fand auf Cchulze-Telitzsch's Anregung 1859 in Weimar statt und hier wurde der Verband der „deutschen Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften" gegründet, Herr Schulze - Delitzsch zum Anwalt gewählt und die „Innung der Zukunft" zum Vereinsorgan angenommen. Diese Versammlungen kehren alljährlich wieder und auf denselben sind die Bausteine zu dem jetzt bereits so mächtig dastehenden Gebäude zusammengetragen worden. Bald fand man jedoch, daß bei diesen Zusammenkünften nicht alle die Einzelheiten, welche provinzielle und örtliche Verhältnisse bedingen, zur Besprechung gebracht werden konnten. Deshalb entstanden die Unter- oder Provinzial verbände, deren jetzt 30 bestehen und bei deren Versamm lungen neben den inneren Angelegenheiten die allgemeinen Fragen Besprechung finden, welche bei dem deutschen Ver einstage zur Diskussion gestellt werden sollen. Aus der Betheiligung an diesem Verbandsleben dürfte jedenfalls ein Schluß auf das Interesse zu ziehen sein, welches in den einzelnen Ländern oder Provinzen dem Genostenschafts wesen gezollt wird. Nehmen wir wiederum einige Beispiele aus dem erwähnten Berichte und einigen anderen uns zu Gebote stehenden Quellen, s» ergiebt sich, daß von den 23 Vorschußvereinen der bairischen Pfalz (Rheinbaiern) 20, von den 126 der Provinz Schlesien 84, von den 97 des Großherzogthums Baden 52, von den 116 der Provinz Prenßen 52, von den 67 der Provinz Posen 26 und von den 150 des Königreichs Sachsen nur 40 dem Verbände angehören. Aus dieser Vergleichung geht unzweideutig hervor, daß in Sachsen das Interest» am Genostenfchaflswcsen auf einer nicht allzuhohen Stufe steht, obgleich man erwarten könnte, daß die sächsischen Vereine in den vorderen Reihen zu fin den wären. Denn unter den 44 Vereinen, welche ihre Ab schlüsse eingesandt haben, finden wir 14, welche in den Jahren von 1851 bis 18'9 schon gegründet worden sind, mithin zu den ältesten mit gehören. Mehr oder weniger haben sich die jüngeren Vereine den älteren nachgebildet und glauben genug gethan zu haben, wenn sie sich formell nach dem Muster eines älteren einrichten, ohne daran zu denken, daß das Genostenschaftswesen der Fortbildung fähig ja sogar bedürftig sein könne. Bei vielen Vereinen gipfel leider das ganze Bestreben in der Erzielung möglichst hohen Gewinnes. Es darf daher nicht Wunder nehmen, daß, nachdem die älteren Vereine unter Leitung ihres Anwalts der Firma „Genossenschaft" die ihr gebührende Aner kennung erworben haben, es Leute genug giebt, die es für sehr bequem finden, unter dieser Flagge zu segeln, ohne darnach zu fragen, auf welchen Prinzipien die Genossen ¬ schaften aufgrbaut sind, oder ob zum Ausbau des Ganzen noch werkthätig mit eiugegriffen werden muß. Diesen Vorwurf glauben wir auch einem großen Theile unserer sächsischen Genostenschaften nicht vorenthalten zu dürfen, denn durch dieses Ausschließen von den allgemeinen Bestrebungen wird die Weiterentwicklung nicht nur aufge halten, sondern es treten auch hier und da Mißstände zu Tage, welche häufig zu vermeiden wären, hielt man es der Mühe werth, sich darum zu kümmern, welche Einrichtungen diejenigen Vereine getroffen haben, die in dem Rufe einer guten und geordneten Verwaltung stehen. Gerade der Jahresbericht giebt den Anhalt, wie die Verwaltung jedes einzelnen Vereins sich von Jahr zu Jahr gestaltet. Deshalb ist es auch wünschenswerth und im Interesse der Sache nothwendig, daß die Betheiligung an dem Verbands- leben sowohl als an der Vervollkommnung der statistischen Zusammenstellungen über die Entwicklung sowohl der ein zelnen Vereine als auch infolge dessen des ganzen Ge nossenschaftswesens eine immer allgemeinere werde. Tagesschau. Freiberg, den 16. Dezember. Nach vorläufig getroffenen Bestimmungen wird der Reichstag nach Weihnachten wahrscheinlich vom 8. bis 28. Januar Sitzung halten. — Die Frage wegen Ankaufs der Eisenbahnen von Seiten des Reichs wird in neuester Zeit in einer Weise besprochen, welche den Glauben er wecken kann, als ob eine Verwirklichung des Projekts in naher Zeit bevorstände. Thatsächlich aber soll an kompe tenter Stelle von einem solchen finanziell ganz ungeheuer lichen Unternehmen niemals die Rede gewesen sein. Nie mals und von keiner Seite wurde ein diesbezüglicher Vor schlag gemacht oder auch nur die Absicht zu einem solchen ausgesprochen. Sämmtliche in dieser Richtung kursirenden Gerüchte müssen darauf zurückgeführt werden, daß von ver schiedenen Seiten, so namentlich in militärischen Kreisen ein solcher Schritt als wünschenswerth bezeichnet worden ist. Wenn die Tarif-Enqustekommission den Ankauf der Eisenbahnen im Interesse der einheitlichen Regelung der Tarife für nothwendig erklärt, so ist dieser Hinweis doch noch zu weit von der Verwirklichung des Projektes entfernt, als daß von demselben wie von einem bevorstehenden Er eignisse die Rede sein könnte. Der braunschweiger Landtag ist gestern im Auf trag des Herzogs durch den Wirkl. Geh. Rath Schulz eröffnet worden. Die Eröffnungsrede kündigt eine Anzahl dem Landtag vorzulegender Gesetzentwürfe an und betont am Schluffe die seitens der braunschweiger Regierung dem Reiche gegenüber jederzeit bewiesene Loyalität und Treue. Feuilleton. Grafen Ruisland zu mit tem habe ich das Ver- mit wem sechs Jahren war ich Otis, vor Rudolf O'Donnell. Meine sind todt, komm sofort zu mir. „Ihre Fehler sind ihr ausgezwungen worden," schrieb er, „ihre Tugenden gehören ihr allein. In der Stunde des Triumphes entsagt sie Allem, gesteht und sendet Sir „New-Orleans. Frau und mein Sohn Louis de Lansac." „Warum ichs nicht thue?" fuhr er fort, „auf Ehre, ich hätte ihn und die Soldatenwirthschaft längst verlassen, hält' ich einen ordentlichen irischen Jungen gefunden, dem ich ihm anverlrauen könnte. Aber siehst Du, wenn die Kugel oder das Schwert sein Leben bedrohte, war ich immer da ihn zu schützen, ich richtete sein Lager und sah, daß er wenigstens einen Stein als Kopfkissen hatte, wie's doch jeder lrave O'Donnell haben soll. Meiner Treu, wenn die Lady ihn einmal hat und er ihr nur halb so viel Mühe macht wie mir, wird sie bald krank. Und auf den Knicen würde ich zu Dir Hinrutschen, Schätzchen, wäre das Gras nicht so feucht, daß ich Rheu matismus befürchtete, und würde Dich bitten, Mrs. Lafferti zu werden, und bei Gott, so etwas würde ich höchstens zu einem halben Dutzend Mädchen sagen. „Lanty, Du Taugenichts, wirst Du bald kommen?" unterbrach O'Donnells Stimme. „O Gott, ich glaub, 's ist mein Herr. Gib mir einen j Kuß, Susanne, Herzensschätzchen, und lebe so lang, bis ich wieder komme." Deutlich hörte man den Abschiedskuß, dann eilte Lanty zu seinem Herrn. „Komme schon, Euer Gnaden, und fürchten Sie nicht, raß wir uns verspäten, ich bin gleich aus der Station." Spät erreichten sie die Metropole und O'Donnell schrieb noch am gleichen Abend an Lord Ruisland und theilte ihm Alles mit, was er bezüglich Miß Herncastle erfahren und erlebt hatte. Peter das gewonnene Geld zurück. Ich glaube, sie hat mich sogar veranlaßt, den Beweis ihres Geburtsrechts zu verbrennen. Wie ich sie verstand, war sie einer Frau Harriet Harmann zur Pflege übergeben, und diese ver ¬ sprechen?" „Der bin ich; und gnüg-n?" „Mein Name ist Emil war still und leer, O'Donnell, seine Schwester, Sir Arthur und Sir Pe'er waren fort, Lady Dangerfield hatte einen Krampfanfall nach dem andern, und Lady Carola schlich wie ihr eigenes Gespenst umher. Wäh end der Graf in trüben Gedanken promenirte * Ohne zu wissen weshalb, gehorchte Lord Ruisland dem Hauptmann und verschob den gewaltsamen Besuch in Bracken Hollow. „O'Donnell läßt sich nicht von Sentimentalität fort- reißen", dachte er, „er hat für feine Worte und Thaten vernünftige Gründe, und ich werde seinen Brief abwarten." Er machte einen Spaziergang an den Teich, fühlte sich gelangweilt und wartete auf die Tischglocke. Das Haus näherte sich ihm ein fremder junger Mann. „Habe ich die Ehre, Geheimuihvoll. Nach dem amerikamfcheu Original« ter MrS. May Agne« Fleming frei bearbeitct vou Lina Freisrau von Berlepsch. (Fortsetzung.) wechselte aus Privatgründen sie mit ihrem eigenen Kinde, brachte sie nach Frankreich und gab sie dort Sir Robert Dangerfield. Cie sagt, die Beanspruchung ihrer Rechte würde dem Vater nur Schmerz und Schmach, dem Mäd-l chen, das ihre Stelle einnehme, nur Leiden und Ernie drigung bringen, und so zerstöre sie absichtlich ihre letzte Hoffnung, ging in die Welt ih.r Brod zu verdienen und läßt eine Andere ihre Stelle einnehmen. Kleinere Opfer wurden oft Martyrien genannt. Wenn Sie je sie wieder treffen, seien Sie ihr Freund, wie ich's gewesen wäre, hätte sie's erlaubt." Kauni hatte O'Donnell den Brief abgesendet, als man ihm ein Kabeltelegramm brachte. Er riß es auf und sein Inhalt änderte der Geschwister Lebensplan. Doktor Graves Assistenzarzt, und wenn Sie je die Ge- chichte von Isabella Dangerfields tragischem Geschicke sörten, hörten sie auch von mir." Lord Ruisland setzte den Zwicker auf und sagte in dem gedehnten Ton der englischen Aristokraten: „Bon Isabella Dangerfield habe ich so viel gehört, daß mich der bloße Name langweilt. Darf ich fragen, was Air. Otis veranlaßt, mir gegenüber die alte Geschichte zu berühren?" „Ich habe hierfür den besten Grund, denn ich glaube, Mylord hat die Ehre, Isabella Dangerfield's Vater zu sein." Es traf wie ein Bombe. Doktor Otis kreuzte die Arme. „Ja, Ihre Tochter, verstehen Sie wohl, Ihre einzige Tochter." Der Graf fixirte Otis. „Sie sehen nicht aus, als ob Sie verrückt wäre», aber verzeihen Sie, wenn ich ihre gesunde Vernunft zu be zweifeln wage. Haben Sie noch einige solche außerordent lich. Bemerkungen zu machen? Meine Zeit ist begrenzt, in zehn Minuten läutet die Tischglocke, und cs ist mein einziger Grundsatz, nie zu spät bei der Tafel zu erscheinen." „Mylord glauben mir natürlich nicht, meine Worte mögen verrückt klingen, sind aber nichtsdestoweniger wahr,