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-» - M Erscheint jeden Wochentag Abend« S Uhr für den »/v W anvernTag. Preis vierieljährlich 2 Mark 2ü Pf-, s ^«7. zweimonatlich 1 M. 50 Pf. u. einmonaU. 7ü Pf. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zn Freiberg nnd Brand. Berarttworülcher Redakteur Iuliu» Brauu i« Freiberg. 31. Iah»,«»,. Mittwoch, den 26. November. Inserate »erden bi» Vormittag» 11 Uhranaenom- . men und beträgt der Pni» für die gespalten« Zeile 1 >^7»« oder deren »mm 1d Pfennige. O ß Abonnements «es de« i^c se« M»«at " WM" Dezember 'MU werde« du« siimmtliche« Postaustalteu wie do« der »uterzetchuete« Expeditiou «ud de« bekannten Aus gabestelle« ia Freiberg, Brand, Halsbrücke, Grotz- schirma ««d La«ghev«erSdors zum Preise vo« 75 Psg. aLsruommm. kxpsttilion äv8 „ssreidergei. ^nreigsn unä lageblatt". Weder Krieg noch Frieden. Es ist ein eigentümlicher Zustand, in dem sich jetzt die europäisch enStaaten befinden und von welchem man wohl sagc 7! kann, er bedeute weder Krieg noch Frieden. Trotz des Friedenskongresses in Berlin und seiner Stipulationen herrscht ein allgemeines Gefühl der Unsicherheit; wird dasselbe an irgend einem Punkte beschwichtigt, rasch tritt es an anderer Stelle von Neuem hervor. Fast scheint es, als werde die Verschiebung der Machtverhältnisse, hervor- gerufen durch die Gründung des deutschen Reiches, noch nicht für abgeschlossen gehalten. Zunächst war es Rußland, welches den Lohn für seine während des deutsch-französischen Krieges uns gegenüber beobachtete Neutralität im Orient einzuheimsen sich an- schickte und dadurch für längere Zeit die Orientdinge zum Thema der europäischen Politik machte. Um diese Fragen gruppiren sich heute noch die europäischen Großtaten. Da jedoch diese Gruppen sich nicht klar von einander scheiden, entsteht ein fortwährendes Drängen hinüber und herüber, welches es noch lange nicht zu einem Gleichgewicht wird kommen lassen. Wir sind beispielsweise jetzt Zeugen, wie Deutschland und Oesterreich mit einander so intim stehen, daß keine von beiden Mächten zu einer dritten in gleich nahe Beziehungen treten kann, wenn nicht diese dritte Macht vollkommen auf den von Deutschland und Oesterreich eingenommenen Standpunkt tritt. Durch diese Jntereflen-Harmonie erscheint der Friede Europa's zur Zeit ausreichend gewahrt, insofern als es der bewußten dritten Macht — Rußland nämlich — niemals gelingen wird, sich mit Frankreich zu einer ähnlichen Jnte- ressen-Gemeinschaft zusammen zu finden. Selbst ein für begrenzte Zwecke abzuschließendes Bündniß hat von dieser Seite noch keine Aussicht auf Realisirung. Anderentheils dürfte Frankreich, so lange die gegenwärtige Regierung am Ruder ist, sich nicht von England trennen, mit dem es eben erst wieder die egyptische Frage zu regeln sich entschlossen hat. Dadurch wird eS von jeder Intimität mit Rußland zurück gehalten, weil diese- in Asien und als Folge davon auch dem osmanischen Reiche gegenüber eine den englischen In teressen entgegengesetzte Politik verfolgt. Die Sucht nach Revanche treibt es zu Rußland hin; die Sorge, seine eigenen Interessen im Orient auf'S Spiel zu setzen, führt es so lange zu England zurück, als dieses auf jene Interessen Rücksicht zu nehmen sich veranlaßt und genöthigt sieht. Italien befindet sich in einer ähnlichen Lage. Es hat mit Oesterreich noch nicht endgiltig abgerechnet; es trachtet theils offen, theils heimlich nach der Annexion der italienisch redenden Landestheile des Nachbarstaates; aber es will auch nicht seinen Anspruch auf Geltung im Mittelmeere und namentlich in Egypten preisgeben, wobei ihm Frankreich als der stärkere Nebenbuhler erscheint. Diese sich schnurstracks kreuzenden Interessen lassen die mehrfach genannte Trias: Rußland-Frankreich-Jtalien, vorläufig als die schwächere erscheinen, weil in ihr noch nicht einmal jener Schluß zweier Glieder hergestellt ist, welcher in der anderen Trias: England-Deutschland-Oesterreich, zwischen dm letzteren beiden Mächten glücklich erzielt wurde, während Eng land offenbar sich den Anschluß für jenen Zeitpunkt vorbe hält, wo es mit Rußland in Konflikt gerathen wird. Darauf deutet schon die sympathische Besprechung, welche englische Staatsmänner dem deutsch-österreichischen Bündnisse ange deihen ließen. Die nächste Zeit scheint mit Versuchen, die von Ruß land geführte Trias zum Schlüsse zu bringen und mit der Abwehr solcher Versuche von Seiten der auf die Erhaltung des Friedens bedachten Mächte ausgesüllt werden zu sollen, wobei noch ausdrücklich hervorzuheben ist, daß auch auf Seiten der drei malkontenten Mächte zunächst noch mancher innere Widerstand zu bewältigen bleibt, um der Kriegspartei zum Siege zu verhelfen. Der vom Kaiser Alexander gewünschte und auch zur Verwirklichung gelangte Besuch des russischen Großfürsten-Thronfolger am Wiener und Berliner Hofe, der herzlich* Verkehr des Königs Hum bert von Italien mit dem zur Zeit dort weilenden Kron prinzen des deutschen Reiches, die Lossagung Gambetta's von seinen übereifrigen Freunden und deren Angriffen auf die Regierung des Präsidenten Grery, weil diese die rus sische Allianz nicht energischer betreibt — das Alles sind Momente, welche sämmtlich im Sinne einer friedlichen Gestaltung der nächsten Zukunft sprechen. Auch muß hierzu der von französischer und russischer Seite dem Sultan ertheilte Nath gezählt werden, durch eine Befrie digung der berechtigten Wünsche Englands wegen eines schnelleren Ganges der Reformen in den asiatischen Pro vinzen europäische Verwicklungen zu vermeiden. Könnte man annehmen, daß diese von politischer Klug heit diktirten Erwägungen dauernd die Oberhand über die Triebe der Mißgunst und Rachsucht behaupten, so dürste der Frieden Europa's auf lange Zeit gesichert sein. Wir sind aber Zeugen dessen gewesen, daß in dieser Hinsicht ein jäher Wechsel eintreten kann. Und weil dem so ist, wird leider in die Völker der europäischen Staaten fürs Erste noch kein Gefühl der Sicherheit einziehen und die Ungewißheit nicht schwinden können, ob auch das nächste Jahr ein Jahr des Friedens sein wird. Die schwere Rüstung, mit welcher Deutschland sich angethan und deren Druck gerade in der Zeit wirtschaftlicher Kalamitäten als eine doppelte Last empfunden wird, scheint sobald keine Erleichterung erfahren zu sollen. Nur die Hoffnung kann uns trösten, daß diese Rüstung uns gestattet, die Anschläge, und wenn's sein muß, dis Angriffe unserer Feinde mit ruhiger Zuversicht abwarten zu können und daß wir Denen, die nach uns kommen, ein von Sorgen minder beschwertes Dasein bereiten. Tagesschau Freiberg, 25. November. Die Reichsregierung will den Reichstag zu Anfang Februar berufen. Die Session desselben soll sich womöglich nicht über Ostern auSdehnen, obschon zahlreiche Vorlagen projektirt sind. Als solche werden genannt: der Etat, der Entwurf über Verlängerung der Budget- und Legislatur perioden, das Brausteuer-, das Vörsensteuer- und das Tarifgesetz, sowie wahrscheinlich auch ein Veisicherungsgesctz. — Der Bundesrath hat zur Ausführung des Gesetzes, die Statistik des Waarenverkehrs des deutschen Zollgebiets mit dem Auslande betreffend, Vorschriften erlassen, aus denen wir folgende hervorheben. 8 1. Bei den Anmel dungen für die Verkehrsstatistik ist den Angaben über die Gattung und Menge der Waarcn das statistische Waaren- verzeichniß, welches besonders bekannt gemocht werden wird, zu Grunde zu legen. Kann die Gattung der Waare nicht nach diesem Waarenverzeichniß angegeben werden, so ist dieselbe doch so genau zu bezeichnen, daß sich die Waaren- post unter die entsprechende Nummer de- Waarenverzeich» risses einreihen läßt. 8 3. Die Errichtung von Anmelde- teilen im Grenzbezirk außer den Zollämtern liegt den Landesregierungen ob. Jeder Anmeldestelle im Grenzbezirk st von Seiten der Zolldtrektivbehörde eine bestimmt- Strecke der Zollgrenze zuzutheilen. Die Bestimmung der Geschäftsstunden für die Anmeldestellen liegt den Zolldirektivbehörden ob. Für den Eisenbahnverkehr find dieselben unter Berücksichtigung der jeweiligen Fahr pläne dergestalt zu regeln, daß Zugverspätungen und Betriebsstörungen vermieden werden. ß 5. Zu den Anmeldescheinen sind Formulare nach be stimmten Mustern zu verwenden und zwar: a) für dl« Einfuhr weiße, l>) für die Ausfuhr grüne, e) für dl- Durchfuhr gelbe, <i) für den JnlandSverkhr mit Berührung des Auslandes zvthe. Den Mustern entsprechend ist bet der Einfuhr nur das Land der Herkunft, bei der Ausfuhr nur das Land der Bestimmung und bei der Durchfuhr so wohl das Herkunfts- als das Bestimmungsland anzugeben. Die gedruckten Formulare zu den Anmeldescheinen und die Anleitung zur AuSsüllung derselben werden einzeln unent- geldlich von den Anmeldestellen und den übrigen Zoll- und Steuerstellen, welch« zugleich Anmeldestellen sind, oder vo« den Direktivbehörden besonders dazu beauftragt werben, gegen Erstattung der Kosten entaegengenommen. Z 6. Insofern der zur Eintragung vorgesehene Raum in de« Formularen zu den Anmeldescheinen nicht ausreicht, ist es gestattet, über die betreffenden Waaren ein die nöthige« Angaben enthaltendes besonderes Verzeichniß aufzustelle« und dem Anmeldeschein, in welchem auf letzteres verwiesen wird, als Anlage fest anzuheften. Beim Eisenbahnverkehr darf ein Anmeldeschein nur den Inhalt eines Fracht briefes umfassen. — Das dänische Königspaar trifft am Freitag zum Besuchs des Hofes in Berlin ein. Der Groß fürst und die Großfürstin Wladimir trafen gestern Abend aus Ludwigslust ein und bleiben, soweit bestimmt, bis Donnerstag. — Die „Nordd. Allg. Ztg." ist autorisirt, die Mittheilung eines Blattes, Minister Lucius solle die Un wahrscheinlichkeit angedeutet haben, daß der Kultusminister Puttkamer noch nicht das im Neubau begriffene Gebäude des Kultusministeriums beziehen werde, mit allen Aus schmückungen der Szenerie, wo die Aeußerung gefallen sein soll, als Erfindung zu bezeichnen. Aus Oesterreich kommen interessante Mittheilunge« über Aeußsrungen, welche der russische Großfürst Thron folger während seines Besuchs in Wien gethan haben soll. Inwieweit diese Mittheilungen den Thatsachen entsprechen, müssen wir füglich dahin gestellt sein lassen. Es wird er zählt: Der Großfürst gab im Namen seines Vaters die bestimmten Versicherungen, daß sein sehnlichster Wunsch und das Ziel seiner Politik die Aufrechterhaltung des europäische« Friedens und des Berliner Vertrages sei. Da diese Ver sicherungen sowohl in den höchsten Kreisen, als Baron Haymerle gegenüber abgegeben wurden, so darf wohl an genommen werden, daß sie den besonderen Zweck der Reiss des Großfürsten nach Wien bildeten. Eine solche Botschaft war ohne Zweifel höchst willkommen in Wien; allein eS scheint, daß von mehr als einer Seite die Aufmerksamkeit des Großfüisten auf den augenscheinlichen Widerspruch ge lenkt wurde, welcher zwischen seinen aufrichtigen Betheue- rungcn und dem Verhalten der Konsuln und anderen offiziellen Agenten Rußlands im Orient besteht — ein Ver halten, das mehr auf Ruhestörung als auf Einhaltung des Friedens abzuztelen scheint. Die Propaganda, Welchs in den, der Krisis vorausgehenden Jahren betrieben wurde und jenes Ereigniß hauptsächlich herbeiführte, ist wiederum im vollen Schwung auf der ganzen Balkanhalbinsel. Wie damals, so ist auch jetzt eine ganze Legion nicht offizieller Agenten, welche von den offiziellen russischen Agenten unter stützt werden, an der Arbeit. Argumente und Beweis führungen in dieser Richtung scheinen einen gewissen Eindruck auf den Großfürsten gemacht zu haben. Er gab zu, daß an All' dem etwas Wahres sein möge, machte jedoch geltend, daß die russische Negierung unmöglich für die Aus schreitungen eines jeden untergeordneten Beamten verant wortlich gemacht werden könne. Die Regierung könne nur allgemeine Instruktionen ertheilen, keineswegs aber die Handlungen aller ihrer Beamten kontroliren und in ihre«