Volltext Seite (XML)
und Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur Iuliu« Brauu i« Freiberg. ' , > N. Ä«hr,a«,. , Erscheint jeden WscheMag Abends «Uhr für d«n g Inserat« werdm bis Vormittag» 11 Uhr angm»m. ß . ^269., ! Mitwich, dm 19. November. ! 1879. Das schiedsrichterliche Verfahren nach der deutschen Zivilprozeßordnung. n. Der EchiedSvertrag ist geschlossen, sobald die Par teien über die wesentlichen Bedingungen desselben einig find. Eine besondere Form ist nicht erforderlich. Vor allen Dingen kann der Schiedsvertrag schriftlich oder münd lich abgeschlossen werden. Ist er nur mündlich abgeschlossen, so kann jedoch jede der Parteien die Errichtung einer schrift lichen Urkunde über den Vertrag verlangen. Von dieser Urkunde hängt nicht etwa die Existenz des SchiedsvertragS ab, sie hat vielmehr nur den Charakter eines Beweis mittels. Als wesentlichen Inhalt muß der Schiedsvertrag ent halten zunächst die Angabe des streitigen Rechtsverhältnisses. Da von der richtigen Formulirung der Streitpunkte der praktische Erfolg des SchieosverfahrenS und die Richtigkeit des Schiedsspruches wesentlich mit abhängt, so werden die Parteien hierbei besonders sorgfältig zu Werke gehen müssen. Sie werden bereits im Schiedsoertrage angeben können, welche Thatsachen unter ihnen streitig und welche nicht streitig find, welcher Beweismittel sie sich bezüglich der be strittenen Thatsachen bedienen wollen, ob etwaige Zeugen und Sachverständige von den Schiedsrichtern nichteidlich oder vom Gerichte eidlich abgehört werden sollen oder ob die endliche Entscheidung von einem Parteieneide abhängig , gemacht werden soll. Weiter können die Parteien darüber Bestimmungen treffen, ob vor den Schiedsrichtern schriftlich oder mündlich verhandelt, ob ohne oder nach Gehör der Parteien ent schieden werden solle. Es kann endlich den Schiedsrichtern nachgelassen werden, den Schiedsspruch ohne EntschetdungS- gründe zu erlassen. Auch bezüglich der Abstimmung über den Schiedsspruch und die Wahl eines Obmannes können Vorschriften gegeben werden. Der Schiedsvertrag muß ferner seinem besonderen Cha rakter entsprechend die Bestimmung enthalten, daß die zwischen den Parteien obschwebende Streitigkeit durch Schiedsrichter entschieden werden solle. Es können die Namen der Schiedsrichter dabei ausgenommen werden oder über die Besetzung des Schiedsgerichts Vorschriften gegeben werden. Sind in dem Vertrage die Schiedsrichter ernannt und bezeichnet, so bildet die Person der Schiedsrichter einen wesentlichen Theil des Vertrags. Der Schiedsvertrag tritt deshalb außer Kraft, wenn bestimmte Personen in dem Vertrage zu Schiedsrichtern ernannt sind und ein Schieds richter stirbt oder aus einem andern Grunde wegfällt, oder die Uebernahme des Schiedsrichteramtes verweigert oder von dem mit ihm geschlossenen Vertrage zurücktrttt oder die Erfüllung seiner Pflichten ungebührlich verzögert. Endlich können sich die Parteien für die im Laufe des Schiedsverfahrens etwa nöthig werdenden gerichtlichen Ent scheidungen auf ein bestimmtes Gericht einigen. Da der Schiedsvertrag nicht nothwendig Bestimmungen über die Konstituirung des Schiedsgerichts zu ent halten braucht, hat die Zivilprozeßordnung hierüber er gänzende Regeln aufgestellt. Bon jeder Partei wird ein Schiedsrichter ernannt. Die betreibende Partei hat dem Gegner die von ihr ernannten Schiedsrichter schriftlich mit der Aufforderung zu bezeichnen, binnen etnwöchiger Frist ein Gleiches zu thun. Nach frucht losem Ablaufe dieser Frist wird der Schiedsrichter vom Gerichte ernannt. Stirbt der auf diese Weise ernannte Schiedsrichter oder fällt er auf andere Weise weg oder verweigert er die Uebernahme oder Ausführung des SchiedSamtes, so hat die Partei, welche den Schiedsrichter ernannt hat, auf Auf- ordernng des Gegners binnen einer einwöchigen Frist einen anderen Schiedsrichter zu bestellen. Nach fruchtlosem Ab laufe der Frist wird auch hier der Schiedsrichter auf An trag der betreibenden Partei von dem zuständigen Gerichte ernannt. Ein Schiedsrichter kann aus denselben Gründen und unter denselben Voraussetzungen abgelehnt werden, wie der Richter. Außerdem kann die Ablehnung erfolgen, wenn ein nicht in dem Schiedsvertrag ernannter Schiedsrichter die Erfüllung seiner Pflichten ungebührlich verzögert und es können als Schiedsrichter abgelehnt werden Frauen, Minderjährige, Taube, Stumme und Personen, welchen die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt sind. Bestimmungen, daß gewisse Personen zur Uebernahme des Schiedsrichteramtes unfähig sind, hat die Zivilprozeßordnung nicht ausgenommen. Das Verfahren vor dem Schiedsgerichte ist nach der Zivilprozeßordnung nicht an die Vorschriften des ordent lichen Prozesses gebunden. Die Schiedsrichter hören die Parteien und haben das dem Streite zu Grunde liegende Sachverhältniß zu ermitteln, soweit sie die Ermittelung für erforderlich halten. Im Einzelnen bestimmen die Schiedsrichter das Verfahren in Ermangelung einer ander weiten Vereinbarung der Parteien nach freiem Ermessen. Zur Feststellung und Ermittelung des ThatbestandeS können die Schiedsrichter Zeugen und Sachverständige ver nehmen, dafern diese freiwillig vor ihnen erscheinen. Sie können auch dir eidliche Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen anordnen, welche dann auf Antrag einer Partei von Seiten des zuständigen Gerichts erfolgt. Um Verschleppungen des Verfahrens wirksam entgegen zu treten, hat die Zivilprozeßordnung bestimmt, daß die Schiedsrichter das Verfahren selbst dann fortsetzen können, wenn von einer Partei die Zulässigkeit des schiedsrichter lichen Verfahrens bestritten, insbesondere geltend gemacht wird, daß ein rechtsgiltiger EchiedSvertrag nicht bestehe, daß der Schicdsvertrag sich auf den zu entscheidenden Streit nicht beziehe oder daß ein Schiedsrichter zu den schiedsrich terlichen Verrichtungen nicht befugt sei. Der Schiedsspruch wird bei mehreren Schiedsrichtern mit absoluter Stimmenmehrheit gefaßt, sofern nicht der Schiedsvertrag ein Anderes bestimmt. Ergiebt sich bei der Abstimmung Stimmengleichheit und haben die Parteien für diesen Fall nicht die Entscheidung durch einen Obmann im Schtedsvertrage vorgesehen, so kann der Streit nicht schiedsrichterlich erledigt werden. Der Schiedsspruch ist unter Angabe des Tages der Ab fassung von den Schiedsrichtern zu unterschreiben, den Parteien in einer von den Schiedsrichtern unterschriebenen Ausfertigung zuzustellen und unter Beifügung der Beur kundung der Zustellung auf der Gerichtsschreiberei des zu ständigen Gerichts niederzulegen. Damit ist das Schieds verfahren beendet. Das Weitere ist beim zuständigen Ge richt zu beantragen. Fragen wir uns nun, worin der Vorzug bestehe, welchen das eben geschilderte Verfahren vor dem ordentlichen Pro zesse gewähre, so liegt er wohl zunächst hauptsächlich darin, daß es beim Schiedsverfahren die Parteien in der Hand haben, dasselbe in jeder beliebigen, für den vorliegenden Fall zweckmäßigsten Weise zu gestalten. Sie sind ferner in der Lage, Männer zu Schiedsrichtern zu wählen, welche nach ihrer Ueberzeugung die örtlichen und sonstigen that- sächlichen Verhältnisse genau kennen und deshalb am besten im Stande sein werden, einen diesen thatsächlichen Verhält nissen entsprechenden, gerechten und billigen Ausspruch zu thun. Befinden sich die Schiedsrichter an demselben Orte, an welchem auch die Parteien wohnen, so haben dis Letzteren außerdem jeden Augenblick je nach Bedürfniß Gelegenheit, mit den Ersteren frei und ungezwungen zu verkehren und ihre Meinungen gründlich auszutauschen, während der Ver kehr mit dem Gericht mit Rücksicht auf die Entfernung, vorgeschriebenen Förmlichkeiten weitläufiger und beschwer licher, überhaupt mit mehr Zeit- und Geldaufwand verbun den ist. Erwägt man diese Umstände sowie die durch un sere neuen Prozeßordnungen nicht unerheblich gesteigerten Kosten des gerichtlichen Prozesses, so liegt die Bedeutung der Möglichkeit einer rechtlich wirksamen j außergericht lichen Erledigung von bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Volk auf der Hand. Der Gesetzgeber hat ge sucht, die Schranken zu beseitigen, welche der gedeihlichen Entfaltung des schiedsrichterlichen Instituts durch daS bis her geltende Recht gezogen waren. Möge der Erwartung, daß dieses neugestaltete Schiedsverfahren allen berechtigten Anforderungen entsprechen und bei richtiger Wahl der Schiedsrichter günstige Resultate erzielen werde, durch die Praxis entsprochen werden. Tagesschau Freiberg, 18. November. Im Neichskanzleramt sind gestern die Bevollmächtigten Deutschlands und Oesterreich-Ungarns zu Besprechungen über die zukünftige Gestaltung der handels politischen Beziehungen beider Reiche zusammengetreten. Es nehmen daran Theil auf deutscher Seite der Präsident des Reichskanzleramts und preußische Handelsminister, Staatsmtnister Hofmann, der Wirkliche Geheime LegationS- rath Jordan vom auswärtigen Amte und der Direktor im Reichsschatz-Amt Burchard. Für Oesterreich-Ungarn der K. K. Botschaftsrath Graf Wolkenstein, die K. K. Mintsterial- räthe vr. Bazant und vr. von Matlekowits, der K. K. Sektionsrath von Beretvas, die K. K. Ministerialsekretäre Freiherr von Glanz und von Michalovitsch. Bei diesen Besprechungen handelt es sich zunächst nur um eine vor läufige Orientirung hinsichtlich der Grundlagen, auf welchen demnächst ein umfassender Zoll- und HandelS- Vertrag zwischen den beiden Ländern vereinbart werden soll. Die eigentlichen Vertrags-Verhandlungen werden erst stattfinden, wenn die Verständigung über diese Grundlage erreicht ist. — Der Grvßfürst-Thronfolger empfing gestern Mittag 12 Uhr eine Deputation des Regimentes Alexander,den Kommandeur des erstenwestpreußischen Ulanen- regtmentS und dessen Chef. Der Großfürst begab sich um 2 Uhr Nachmittags zum Besuche der Museen, um 5 Uhr zum Galadiner ins Kaiserpalais, Abends in die Balletvorstellung ins Opernhaus. 11'/« Uhr Abends erfolgte die Abreise der hohen Gäste. Von Berliner Blättern wird ausdrücklich hervorgehoben, daß der Verkehr des Kaisers mit ihnen ein rückhaltSlos herzlich familiärer war. — Wie man versichert, wird preußischerseits die Uebertragung der Leitung des Reichs-Eisenbahnamts an den preußischen Eisenbahnmtnister beabsichtigt. Dem zufolge beantragt der dem Bundesrath vorgelegte Entwurf des Reichs-EisenbahngesetzeS die Aufhebung der entgegenstehenden Bestimmung des Gesetzes über Errichtung des Reichs-EisenbahnamteS, welche die bei der Verwaltung einer deutschen Eisenbahn be- theiligten Personen von der Thätigkett im RetchS-Eisen- bahnamt ausschlteßt. Der Kaiser von Oesterreich empfing gestern die Führer der Czcchen, um aus ihren Händen ein die czechischen For derungen enthaltendes Memorandum entgegen zu nehmen. Dasselbe wurde von Rieger und Clam-Marttnitz unter Mitwirkung des Ministerpräsidenten Grafen Taaffe und des Ministers vr. Prazak ausgearbeitet. Graf Taaffe hat den czechischen Abgeordneten die Annahme der in dem Me morandum enthaltenen Forderungen in Aussicht gestellt. Diese Konzessionen gelten als der Preis sür die Annahme des Wehrgesetzes. Die Jungczechen hatten weitergehende Forderungen vorgeschlagen und wünschten nur unter der Bedingung, daß diese Forderungen angenommen würden,