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Inserate werden bi» Vormittags 11 Uhr angenom- men und beträgt der Brei» für die gespalten« Zeile oder deren Raum 15 Pfennige. 31. Jahrs«,. Donnerstag, dm 23. Oktober. ü Erscheint jeden Wochentag Abends 8 Uhr für den H / I anvern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 2b Pf., »e V— 2 zweimonatlich 1M 50 Pf. u. emmonatl. 75 Pf. und Tageblatt Amtsblatt für die königlichm und Wüschen Behörden zn Freibng and Braud. Berarttworülcher Redattem 3»NuS Braun in Freiberg. u i! - Abonnement ans den II»<1 für die Monate November und Dezember werden von siimmtlicheu Postanstaltea wie von der ««terzeichuettu Expedition «nd den bekannten Ans- gabestellen in Freiberg, Brand, Halsbrücke, Grotz- schtrma «nd LaaghennerSdorf znm Preise von 1 Mark SV Psg. angenommen. LxpsäMon ÜS8 „freiberger Hnisigsn unü Isgeblail." Haus-Industrie. In der letzten Zeit sind namentlich von Dänemark aus Bestrebungen in Gang gekommen, welche auf Hebung der häuslichen Beschäftigungsarten abzielen. Es ist dabei mit Recht darauf htngewiefen worden, daß eS sich weniger darum handelt, besonders reiche Einnahmequellen für die arbeitende Bevölkerung zu erschließen, als vielmehr darum, eine nutzbringende Verwendung der Musestunden für solche BevölkerungSschichten zu sichern, welche der Anleitung hierzu bedürfen. Es soll hauptsächlich die ethische Bedeutung der Arbeit, der Segen, den jedes Vermeiden müssigen Umher- lungerns bringt, in Betracht kommen; weniger der Nutzen, der aus dem dadurch erlangten Verdienst erwachsen kann. Daß in dieser Hinsicht manches für einzelne Klaffen der arbeitenden Bevölkerung geschehen kann, wird nicht in Abrede gestellt werden können. Vernünftige häusliche Be schäftigung könnte manchen Arbeiter auf Stunden, auf ganze Abende dem leidigen Wirthshaus entreißen, manches junge Mädchen vom Tanzboden, wenigstens einzelne Abende, zurückhalten, manchem jungen Menschen die dummen Streiche und thörichten Einfälle austreiben. Allerdings kommt es dabei viel darauf an, welcher Art die Berufs arbeit des Betreffenden ist. Dem Fabrikarbeiter zum Bei spiel, der den ganzen Tag bei schwerer Arbeit in dunstigen Fabrikräumen zugebracht hat, wird häusliche Arbeit weniger Vergnügen machen als dem Landmann, der den lieben langen Abend nicht weiß, was er anfangen soll. Aber nützliche Beschäftigungen, die ihn intereffiren, wird man auch für ihn finden, wenn man sich nur Mühe giebt. Müssiggang ist bekanntlich aller Laster Anfang. Wer nie müssig geht, immer sich etwa» zu schaffen macht, auch in den Stunden der Erholung, der wird vor mancher Ver suchung, vor manchen thörichten Träumen und Wünschen bewahrt bleiben. Das wußten unsere Vorfahren recht gut, wenn sie das Spinnrad und den Strickstrumpf so hoch schätzten, nicht um des materiellen Vortheils willen, sondern mehr noch wegen des Segens, den jede Beschäftigung an sich bringt- Und wie viele müssige Stünden giebt es doch — Stunden, in denen so Mancher nicht weiß, wie er seine Zeit todtschlagen soll! Man denke nur an die langen Winterabende, namentlich auf dem Lande; man erinnere sich der nichtsnutzigen Streiche, die junge Burschen sehr häufig nur aus reiner Langeweile anzustiften pflegen! Es wäre unpraktisch, solchen Bevölkerungsklaffen, wie das zum Theil schon geschehen ist, das Lesen von Büchern zumuthen zu wollen. Denn erstens ist ja leider in vielen Gegenden unseres deutschen Vaterlandes der Kulturzustand noch kein so hoher, daß die hier hauptsächlich in Betracht kommenden Klaffen ohne Schwierigkeiten lesen können und wollen; zweitens wäre aber auch das Lesen, da unzweifel haft manches ganz ungeeignete Buch mit unterlaufen würde, für sie kaum von Vortheil. Nein, den Leuten muß eine möglichst wenig Vorkenntniffe erfordernde Beschäftigung beigebracht werden, die, wenn erst einige Fertigkeit erlangt und dadurch die Lust an dem schon Erreichten geweckt ist,- leicht zur Liebhaberei werden kann und dann ihren Mann in jeder freien Stunde ganz von selbst festhält. Als solche Beschäftigungsarten empfehlen sich zunächst die Holzarbeiten, das Schnitzen, Bemalen, Verzieren von allerhand Gegen ständen des täglichen Gebrauchs; Geräthschasten, wie sie in der Küche, im Hause, auf dem Felde fortwährend ge braucht werden. In Dänemark hat man mit vielem Erfolge auch die Korbflechterei eingeführt. In geeigneten Fällen mag auch die Blumenzucht, die Bienen- und Vogelzucht von ländlichen Arbeitgebern, welche sich ihrer Leute auch außerhalb der Arbeitszeit annehmen, als eine geeignete Liebhaberei einge- sührt werden können. Haben doch Großgrundbesitzer, indem sie die Oostbaumzucht unter ihren Tagelöhnern und Dorfinsaffen begünstigten, unendlich viel Segen gestiftet. Für die weibliche Arbeiterbevölkerung ergiebt sich das weite Gebiet der weiblichen Handarbeiten, das freilich auf dem Lande und unter den Fabrikarbeiterinnen noch sehr, sehr anzubauen wäre. Vielleicht taffen aber auch diese Elemente sich mit der Zett für die weibtiche Handarbeit gewinnen, wenn erst die Eiletkeit durch die Erkenntniß angespornt ist, daß eine selbstgefertigte Arbeit viel bester kleidet als die im Laden gekaufte Maschinenarbeit. Bei allen solchen Bestrebungen — deren Umfang wir hier natürlich nur andeuten, nicht einmal annähernd be stimmen können — kommt freilich zweierlei in Betracht: die Wahl der Beschäftigungsarten, welche man begünstigen will, muß den örtlichen Verhältnisten angepaßt sein, man muß nicht verallgemeinern und das, was an dem einen Orte mit Glück versucht worden ist, sklavisch nachahmen wollen; dann muß man auch einen möglichst günstigen Ab satz für die Erzeugnisse der häuslichen Thätigkeit aufzu finden suchen. Das Letztere mag nicht ganz leicht erscheinen, wird sich aber, wenn geeignete Kräfte die Sache in die Hand nehmen, auch bewerkstelligen lasten. Findet doch Mancherlei einen Markt, wenn nur erst dem Publikum Gelegenheit ge boten ist, die Waare zu kaufen. An den Einwand: „wo soll denn die Waare hin, wenn nun auch noch in den Feierstunden produzirt werden soll" — darf man sich nicht kehren. Die Maschinen haben die Produktion in viel höherem Grade erweitert und doch finden die Waaren immer noch Absatz. Berücksichtigen die Vereine und Pri vaten, die sich der Sache annehmen, bei Einführung solcher Beschäftigungsarten die lokalen und provinziellen Bedürf nisse, bleiben sie in beständiger Fühlung mit den Anforde rungen des Marktes, so wird die häusliche Beschäftigung auch materiell lohnend werden können. Denn auch das darf natürlich nicht außer Betracht bleiben, damit den Leuten auch Liebe zur Arbeit eingeflößt wird. Jedenfalls verdient die Angelegenheit die Aufmerksam keit aller VolkSfreunde. Haben sich doch schon in manchen Gegenden einzelne Männer ein bleibendes Denkmal gesetzt durch Einführung neuer Beschäftigungszweige, welche zum Segen weiterer Kreise geworden sind. Warum sollte Hcht noch großen Schichten der Bevölkerung nutzbringende Thätigkeit erschlossen werden lönnen? Tagesschau» Freiberg, 22. Oktober. Wie heute offiziös verlautet, darf mit Sicherheit ange nommen werden, daß der Kaiser am 28. Oktober den preußischen Landtag in Person eröffnen wird. Mit Recht sind die Augen von ganz Deutschland auf ihn ge richtet; denn in mannigfacher Beziehung ist gerade dieser Landtag berufen, die Zukunft der Verhältnisse im ganzen Reiche zu beeinflussen; in ihn fällt gewissermaßen der Schwerpunkt der Entscheidung über die Regelung der finan ¬ ziellen Verhältnisse des Reiches zu den Einzelstaaten. Ver mag der preußische Landtag nicht, die Ermäßigung der direkten Steuern durch die Ueberschüffe des Reiche« zu er kämpfen, dann wird e- auch keinem andern Staat» gelingen, Steuererleichterungen durchzuführen. Äon gleicher Bedeutung ür das ganze Reich ist die Frage der Eisenbahnpoltttk, und endlich die große Kulturfrage, welche ja nicht allein über die Verhältnisse von Kirche und Schule, sondern über die ganze Maigesetzgebung, über den Kulturkampf, mit einem Worte über die Stellung Preußens und damit ganz Deutsch lands dem Vatikan gegenüber zu entscheiden hat. Die Staatsregierung selbst sieht durch die machtvolle Stellung des Zentrums ihre bisher günstige selbständige Lage ge fährdet. Es ist deshalb die Bildung der Partetverhältniffe in dem preußischen Abgeordnetenhaus« von weittragender Bedeutung. Alle Freunde des Reiches, damit aber auch die liberalen Parteien, welche in Preußen in die Minorität gedrängt worden sind, muß es mit Freude und mit Be ruhigung erfüllen, daß die Bildung einer patriotischen Mittelpartei in Aussicht steht, welche uns vor einer Ver gewaltigung durch das Zentrum behüten könnte. Ehre dem Herrn von Bennigsen, daß er sich in zwölfter Stunde entschlossen hat, sein Mandat anzunehmen l Die Zuversicht, mit welcher der geachtete Politiker auf den Kampfplatz eilt, läßt annehmeu, daß er sich nicht als prinzipieller Gegner der Regierung einftndet, sondern sich für berufen hält, der Regierung zur Seite zu stehen, falls diese, wie jeder hoffen muß, der nicht alles Vertrauen auf di« Zukunft verloren hat, genöthigt ist, selbst einer zu weit gehenden Reaktion der mit den Ultra-Konservativen verbündeten Ultramontanen entgegenzutreten. Eine Mittelpartei ist das Ideal des Fürsten Bismarck und sie allein kann eine wahre Stütze einer Regierungspolitik werden, welche Fühlung behalten will mit der Kraft und dem Leben des deutschen Volkes, nicht allein des preußischen. Hinsichtlich der Vorlagen für das Abgeordnetenhaus dürfte die Reorganisation der allgemeinen Landes- Verwaltung von besonderer Wichtigkeit sein. Das Mi nisterium ist gegenwärtig mit endgiltiger Redaktion deS Entwurfs beschäftigt und es verlautet, daß der Ministerrath den Anträgen des Staatsministers Grafen zu Eulenburg beigetreten ist. Danach werden die Bezirksregierungen und Landdrosteien aufgehoben. An die Spitze der Verwaltung eines jeden Regierungsbezirks tritt ein Regierungspräsident. Die Aufhebung des Kollegialiystems bezieht sich jedoch nur auf die bisherige Abtheilung des Innern, während alle übrigen Angelegenheiten aus dem Ressort der Bezirksre gierungen, als: Schulsachen, Domänen, Forsten und Regalien, L-teuern und Medizinal Angelegenheiten besonderen kollegi- alisch zusammengesetzten Behörden übertragen werden sollen. Zu diesem Zwecke werden Domänen- und Forstdtrektionen, Steuerdirekttonen, Provinzialschulkollegien und Medizinal« Kollegien eingesetzt, beziehungsweise deibehalten. Der Gesetz entwurf, welcher zahlreichen Einzelbesttmmungen über die Befugnisse der Oberpräsidenten und Bezirksprästdenten, sowie über den Geschäftsbereich der neuen Behörden enthält, wird ein sehr umfangreicher werden. Die Adreßkommission des österreichische« Herrenhauses konnte sich bekanntlich über die Adresse an den Kaiser nicht einigen und bringt deshalb einen Majorität-- und einen Minoritätsentwurf im Plenum ein. Der Majorität-» entwurf erklärt, da« Herrenhaus theile die in der Thron rede ausgesprochene Befriedigung des Kaisers über den Eintritt der Czechen in den Reichsrath, und fährt fort: Das Herrenhaus erblickt hierin nicht blos eine Stärkung der Reichsvertretung durch den Hinzutritt vieler auf andern Gebieten bewährten Kräfte; es muß auch denselben als Thatsache der Anerkennung des Rechtsbodens der Ver fassung betrachten, welchen sie betreten. Das Herrenhaus kann nur wünschen und hoffen, daß die von gegenseitigem Wohlwollen und gemeinsamem Pflichtgefühle getragene Einigung aller Glieder desselben zu vereinter Thätigkeit sich segensreich erweisen werde. Der Schluß des Majoritäts entwurfes lautet: „Ew. Majestät! Indem das Herren haus nochmals das Gebiet der ihm gestellten Aufgaben im Ganzen überblickt, glaubt es im Umfange derselben die be rechtigte Erwartung Ew. Majestät ausgesprochen zu sehen, daß diese Session, zum Segen Oesterreichs, sich zu einer Session friedlicher Arbeit gestalten möge. Das Herrenhaus hegt keinen wärmeren Wunsch, als dieser Erwartung zu