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I. Einiges aus der Entwicklungsgeschichte der Elektricität und besonders der Elektrochemie. Unter den wenigen schon den Alten bekannt gewesenen elektrischen Erscheinungen findet sich die vom geriebenen Bernsteine auf leichte Körper ausgeübte und 600 Jahre vor unserer Zeitrechnung von Thales zuerst beob achtete Anziehung. Der griechische Name Elektron für Bernstein führte zum Worte Elektricität oder Bernsteinhaftigkeit. Die Alten kannten äusser dem Gewitter auch jene seltenere schwächere Aeusserung der atmosphä rischen Elektricität, welche mit dem Namen Elmsfeuer bezeichnet worden ist. Theophrastus von Eresus (371—286 v. u. Zeitrechnung) beschreibt, jedoch sehr unbestimmt, ein zweites, dem Bernstein analog wirkendes Mineral, den Luchsstein oder Lynkurion. Dann aber über einen Zeitraum von 1900 Jahren liegt keine üeberlieferung vor, welche bewiese, dass sich irgend Jemand um die Elektricität bekümmert hätte. Erst der, 1603 zu London verstorbene, Entdecker des Erdmagnetismus, William Gilbert, nahm sich ihrer wieder an. Er zeigte, dass eine Reihe von Edelsteinen und sonstige Mineralien, auch Glas, Schwefel, Colophonium u. s. w. durch Reiben elektrisch werden, und dass die Metalle, wenn sie auf einer Spitze ähnlich wie die Compassnadel schweben und einer jener elektrischen oder elektrisirten Körper ihnen genähert wird, von diesem angezogen werden. Gilbert kannte aber die elektrische Abstossung noch nicht und unterschied nicht zwischen positiv elektrischen Körpern, wie Glas, und negativ elektrischen, wie Schwefel. Erst der 1602 zu Magdeburg geborene Otto von Guericke, welcher die erste Elektrisirmaschine construirte, wo mit er stärkere elektrische Wirkungen zu erhalten vermochte, beobachtete die elektrische Abstossung. Vielleicht sah derselbe auch, als der Erste, elektrische Fünkchen, welche lange nachher, 1708, der Engländer Dr. Wall in vergrösser- ter Form, in Zolleslänge, aus einem grossen auf Wolle geriebenen Bern steine zog, ohne jedoch über diese Funkenbildung sich eine klare Vorstellung machen zu können. Stephen Gray’s 1729 in London unternommene Versuche führten denselben zur Annahme der leitenden und nicht leitenden Körper, und die vom Pariser Du Fay 1733 begonnenen Untersuchungen zeigten, dass elektrische Körper die nicht elektrischen anziehen und nach Mit- theilung der Elektricität dieselben wieder abstossen; dass es zwei entgegenge setzte Elektricitäten gebe: Glaselektricität und Harzelektricität, welche Namen alsdann 1747 Franklin in positive und negative Elektricität umwandelte. War bis zu dem mit Benjamin Franklin beginnenden neuen Zeitabschnitt in der Elektricitätslehre nur das Reiben als eine Quelle der Elek tricität bekannt, die sogenannte R e i b u n g s- oder Frictionselektricität, so wendete man von da an hohe Aufmerksamkeit der atmosphärischen und Gewitter-Elektricität zu.