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XII. Leukobasen. Natürliche Farbstoffe. Anwendung der Rei- bungselektricität. Bleicherei. Chemische Telegraphie. Schlusswort. In diesem letzten Capitel könnte ich dem verehrten Leser wohl noch eine Reihe von Versuchen mittheilen; ich beschränke mich jedoch für diese Publikation auf die folgenden Punkte. Schon längst war ich auf das Ver halten jener Farbstoffe gespannt, welche sich durch Anketten von Wasserstoff in sogenannte Leukobasen, das heisst in farblose Substanzen um wandeln lassen, aus denen sie durch Wiederwegnahme des hinzugetretenen Wasserstoffes wie derum regenerirt werden können. Solcher Farbsubstanzen gibt es eine grosse Zahl Ich erinnere an jenen rothen, besonders unter den Namen Fuchsin, Azalein und Anilinroth bekannten Farbstoff, für dessen Darstellung im Grossen aus toluidinhaltigem Anilin Verguin 1859 das Zinnchlorid vorgeschlagen hatte, welche Methode die Herren Renard fräres et Franc in Lyon patentirten, nach dem jedoch schon A. W. Hofmann 1858 dieselbe Farbsubstanz neben Car botriphenyltriamin durch Einwirkung von vierfach Chlorkohlenstoff auf käuf liches Anilin erhalten hatte. Für die Umwandlung der Toluidin-Anilinge mische in Farbstoff wurden bis dahin hauptsächlich angewandt: die Arsen- saure, das Mercuro- und Mercurinitrat, sowie das sogenannte Nitrobenzolver fahren. Mir aber ist es bis dahin noch nicht gelungen, das Fuchsin auf elektrochemischem Wege zu gewinnen. Ich habe es wohl bei einigen Elek trolysen in geringer oder spurenhafter, nie aberin grösserer Menge, als Hauptpro duct auftreten sehen. Lässt sich auch, Dank den theoretischen Errungen schaften der Neuzeit, in vielen Fällen die Darstellung eines Körpers auf diesem oder jenem Wege voraussehen, so wird in anderen hingegen unsere Hoffnung getäuscht, indem der Process in der Wirklichkeit nicht so glatt oder in anderer Weise wie auf dem Papiere bei unseren geistigen Speeulationen vor sich geht, so dass wir statt der erwarteten eine andere Metamorphose erhalten. So handelt es sich bei den elektrochemischen Arbeiten auch darum, die Einwir kung der an den beiden Elektroden auftretenden Educte, als deren Repräsen tanten wir einerseits den Sauerstoff, andererseits den Wasserstoff nennen können, innerhalb der richtigen Schranken zu halten, wobei die Stärke des Stromes, die Temperatur, der Druck und die Mithilfe verschiedener Factoren eine Rolle spielen können. Noch verzage ich nicht und hoffe im Gegentheile in einer späteren Publikation ein günstigeres Resultat mittheilen zu können. Die Umwandlung eines Gemisches von Anilin und Toluidin stellt sich durch folgende Gleichung dar: C® Ho. NH + 2 [C° 77« (CH a ) NH J —80= 0204 19 N8 — 3H 30 Anilin Toluidin Sauerstoff Rosanilin Wasser Bei Anwendung von Arsensäure als Sauerstoff abgebende Substanz entsteht das Arsensaure und Arsenigsaure, bei der von Quecksilbernitrat das salpetersaure Rosanilin, aus welchen Salzen dann die freie Base abge schieden werden kann, welche nach E. und 0. Fischer ein Derivat des von ihnen beschriebenen Kohlenwasserstoffs Diphenylmetatolylmethan C20H18, näm lich Triparamidodiphenyltolylcarbinol ist. Die eigentlichen Handelsproducte sind nun aber Gemenge der Mono chlorhydrate oder der Monoacetate von zwei Basen, nämlich nicht nur die Salze des Rosanilins, sondern auch des Pararosanilins oder Triparamidotri- phenylcarbinols, welche Base aus dem zuerst von Kekule und Franchimont erhaltenen Kohlenwasserstoffe Triphenylmethan OH^C* IP) 3 abzuleiten ist. Die beiden Chlorhydrate zum Beispiele sind das Rosanilinchlorhydrat: C w H 19 ^ a .HCI und das Pararosanilinsalz Ausden heiss gesättigten Lösungen ihrer Salze werden die beiden Basen durch Zusatz von Ammoniak, Kalkmilch oder Natronlauge mit weisser Farbe niedergeschlagen, Rosanilin