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Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand Z239 Donnerstag, den 14. Oktober 1875 liche Volksschriftenvereine, welche theils Volks- Die innert Mission der deutschen evangelischen Kirche und deren 17. Kongreß M Dresden. von konzentrirten Brennpunkten thätiger evangelischer Liebe -ellleuchtende Strahlen ringsum in die Lande, und ganz naturgemäß wurden dadurch gleichsühlende und gleichgesinnte Herzen zu gleichem Streben und gleicher Thätigkeit erweckt, und so bildeten sich, getragen vom Zuge unserer Zeit zur Assoziation, seit vhngefähr 20 Jahren nach und nach in fast allen Großstädten und Mittelstädten Deutschlands und der Schweiz Vereine für innere Mission, welche auf den verschiedensten Gebieten des Volkslebens Heilung der vorhandenen leiblichen und geistigen Schäden und Hebung und Förderung des christlichen Lebens über haupt zu bringen suchten. Selbstverständlich rufen diese Vereine auch alsbald die zur Förderung ihrer Zwecke noth wendigen Anstalten ins Leben, nnd so entstanden Krippen oder Verpflegeanstalten für Säuglinge, deren Mütter auf Arbeit gehen müssen; Cpielschulen oder Kleinkinderbewahr anstalten-, Besserungs- und Blödenanstalten für Kinder und Erwachsene; Waisenstifte; Dienstbotenschulcn; Gesellen- nnd Mägdeherbergen; Hospize oder Herbergen sür Bemitteltere-, Asyle für entlassene Sträflinge; Magdalenenstifte für weiblich Gefallene-, Tiakonissenhäuser zur Heilung der Kranken beiderlei Geschlechts; Ciechenbäuser zur Pflege Gebrechlicher; und endlich Stifte und Seminare zur Ausbildung von Heisern und Helferinnen in allen eben genannten Anstalten. Außer in solchen Anstalten, welche gleichsam die allzeit brennenden Heerde evangelische' Liebesthätigkeit sind, bemühen sich die Vereine sür innere Mission, auch in den Häusern und Familien, wie nicht minder an dem Einzelnen, der fern vom Hause nnd der Familie ist, ihre heilende, helfende, bewahrende Liebesthätigkeit zu üben. Und so giebt es, ohne daß besondere Anstallsbäuser damit verbunden wären, Vereine, welche ibre rettende und helfende Hand dem no thbedrängten christlichen Mitbruder dar bieten, wie Vereine sür Annenunterstützung, für Kranken pflege, sür Gcsangenenpflege, für Unterbringung ent lassener Sträflinge, sür Kindererziehung, für Ausbildung arnier geistig begabter Knaben, für Entsendung von Reise- predigern unter Bauarbeiter an Eisenbahnen und Fabriken: sodann Vereine zu gegenseitiger christlich-sittlicher Die deutschen Gewerkvereine, deren Organisation feit nunmehr 6 Jahren schaffend und kämpfend an der Spitze der freien Kaffenbewegung steht, und deren Schwerpunkt gerade in den freien Hilfskaffen liegt, würden durch An nahme des vorliegenden Gesetzentwurfes nicht nur empfindlich geschädigt werden, ihre Existenz würde dadurch geradezu in Frage gestellt. Was das heißt, braucht wohl kaum weiter erörtert zu werden. Die Gewerkvereine, die nur auf wirthfchaftlichem, nicht auf politischem Gebiete thätig sind, und deren erster und oberster Grundsatz das Prinzip der Selbsthilfe ist, die sich nicht vermessen durch imnier neue Programmphrasen die soziale und politische Welt aus den Angeln za heben, sondern einem allmähligen Fortschritte huldigen, würden, wenn der Staat ihren Kaffen die Unter stützung versagt, ihre Mitglieder verlieren, und es liegt alsdann die Befürchtung nahe, daß viele Anhänger der Gewerkvereine in das sozialdemokratische Lager übergehen würden. Auf diese Weise tritt die ganze Frage aus dem engen Rahmen der Gewerkvereinsintereffen heraus und wird zu einer Angelegenheit von eminent wichtiger, den sozialen Frieden schädigenden Bedeutung. bibliotheken allenthalben in den Städten, wie auf dem Lande gründen helfen, theils Bücher und Traktate unent- qeldlich unters Volk bringen, um durch das eine, wie das andere der entsittlichenden Romanliteratnr so mancher Leih bibliotheken, vornehmlich den mit solcher Waare auf dem Lande hausirenden Bücherverleihern entgegen zu wirken. Den Mittelpunkt aber aller dieser verschiedenen Vereins- thätigkeiten, sowohl durch genannte Anstalten, wie auch ohne solche, bildet innerhalb einer Stadt oder eines weiteren Umkreises das sogenannte Vereinshaus, in welchem die einzelnen Vereine zur Berathung ihrer Fragen und Interessen sich versammeln, und von welchem aus die einheitliche Leitung der ganzen innern Missionsthätigkeit überhaupt geschieht. Mit dieser Leitung ist in jevem Vereinshause ein Geistlicher betraut, der bald Missions- direktor, bald Vereiusdirektor genannt wird, dem das ganze Hauspersonal in den Anstalten untergeben ist und der hinwiederum dem geschäftsführenden Vorstande des Missions vereins untersteht, in jedem Falle aber der persönliche Mittelpunkt der ganzen innern Missionsthätigkeit innerhalb einer Stadt oder eines weiteren Umkreises ist. werden sie dem Reichstag übergeben werden. Dem gegen über ist es offenbar Pflicht aller freien Kassen und nicht »linder aller Freunde der genossenschaftlichen Selbsthilfe und des sozialen Friedens, namentlich auch der Presse, m allen gesetzlichen Mitteln der Annahme der Regierungs vorlage entgegenzuarbeiten! — Wir wollen bei dieser Gelegenheit nicht unterlassen, auf tin Werk aufmerksam zu machen, das vor kurzer Zeit die ii. Für solche eben bezeichnete evangelisch organisirte Liebes thätigkeit hat sich aber innerhalb der evangelischen Christenheit erst seit dem 4. Jahrzehend dieses Jahrhunderts ein lebendiger Sinn geregt, und zwar, wie's nicht anders fein kann, zu nächst in einzelnen hervorragend begabten Persönlichkeiten wie Wichern in Hamburg, Harms in Hermannsburg be Celle im Lüneburgischen, Löhe in Neuendottelsau bei Ans bach, Fliedner in Kaiserswerth bei Düffeldorf. Durch ihre persönliche Thatkraft riefen, diese Männer verschiedene evangelisch organisirte Anstalten rettender und helfender Nächstenliebe ins Leben. So stiftete Wichern, der Altvate der innern Mission, 1833 das Rauhe Haus (eigentlich Ruges Haus, nach dem ersten Besitzer) zu Horn bei Ham burg, eine Nettungsanstalt für verwahrloste Knaben und Mädchen, mit der eine Bruderanstalt verbunden ist, in welcher junge Leute zwischen 20 und 29 Jahren, die bereits einen Beruf erlernt haben müssen, einen dreijährigen Kursus behufs Ausbildung zn Helfern bei den Werken der innen Mission durchmachen. Fliedner gründete in Kaiserswert >833 ein Magdaienenasvl, ein Asyl für weiblich Gefallene, und 1836 ein Diakoniffenhaus; Harms in Hermannsburg 1850 ein Myl für verkommeneMänner; Löhe in Neuendottelsau eine Diakonissenanstalt. Von diesen Anstalten fielen, wie nothwendige Regelung der Pensionsverhältnisse der städtischen Beamten, sowie deren Wittwen und Waisen soll bei den Regierungen der zum Verband gehörigen Städte beantragt werden. Daran reihten sich noch folgende Beschlüsse: die Regierungen der zum Verbände gehörigen Städte sind zu ersuchen, in Anbetracht der außerordentlichen Menge reiner Staatsgeschäfte welche den Magistraten der Städte durch die Gesetzgebung überwiesen sind, zur Bestreitung der des- fallsigen Kosten, so weit dies nicht bereits der Fall, Zu schüsse aus Staatsmitteln zu gewähren. Sodann wurde die Nothwendigkeit einer geregelten Abfuhr der menschlichen Abfallstoffe und Hausabfälle durch das Abfuhr-Tonnen system, wie es sich in Heidelberg bewährt hat, betont. Bei der Frage über die Nothwendigkeit der Errichtung öffent licher Schlachthäuser und der obligatorischen Benutzung der selben in den thüringischen Städten wurde die Nothwendig keit derselben anerkannt. Hiernach erfolgte die Rechnungs vorlage und die Neuwahl des Vorstandes. Weiter wurde noch ein Antrag angenommen, das Meldewesen in allen thüringischen Staaten einheitlich zu ordnen. In den klerikalen Kreisen Italiens treibt die Reise des deutschen Kaisers bereits den Galgenhumor zur Blüthe. Die „Unita katholika" wirft die Frage auf „warum Mailand und nicht Turin?" und giebt folgende Antwort: „Die aller Voraussicht nach auch der Gesetzentwurf über das Hilsskaffenwesen zur Berathung gelangen. Die neuen Gesetzentwürfe des Reichskanzleramtes unterscheiden sich nun zwar in einer Reihe von Bestimmungen von den früheren, wie solche dem Gutachten vieler Sachverständigen und Be- theiligten unterbreitet worden find, allein in der Verstärkung des Kaffenzwanges, der entschiedenen Bevorzugung der Zwangskassen, in der unerträglichen Bevormundung durch die Verwaltungsbehörden und Arbeitgeber ist eine Aenderung nicht eingetreten. Man hat namentlich die übereinstimmenden und gründlich motivirten Gutachten sämmtlicher Vertreter der freien Kaffen (Schulze-Delitzsch u. A.) die für gericht liche Eintragung, die Zulässigkeit der Verbindung mit andern erlaubten Vereinen u. s. w. eintraten, nicht be rücksichtigt. Dian kann demnach den Charakter der ganzen Vorlage, deren Aufgabe doch laut Neichstagsbeschluß auch die Förderung der freien Hilfskaffen sein sollte, als einen den freien Kranken-, Sterbe- und Jnvalidenkassen voll ständig feindlichen, ja jene aufs höchste schädigenden und vernichtenden bezeichnen. Tagesschau. Freiberg, den 13. Oktober. Der schon vor Kurzem von uns erwähnte thüringische Städtetag hat vor einigen Tagen seine Jahresver sammlung in Eisenach unter zahlreicher Betheiligung ab gehalten. Auf Vorschlag des Vorstandes wurde der Antrag über Revision der Gewerbeordnung (den Hausirhandel be treffend) und über gegenseitige Unterstützung der Gemeinden bei Schadenfeuer von der Tagesordnung abgesetzt. Da gegen erklärte der Städtetag Folgendes: Eine Regelung der Pensionsverhältnisse der städtischen Beamten im Wege der Gesetzgebung ist dringendes Bedürfnis;; gleich dringlich ist es, daß den Stadtgemeinden gesetzlich dis Pflicht auf erlegt wird, den Wittwen und Waisen ihrer Beamten Pension zu gewähren; von den zum Verband gehörigen Städten ist darauf hinzuwirken, daß mit soliden Lebens versicherungsbanken gleiche bez. ähnliche Verträge bezüglich Versicherung ihrer Kommunalbeamten abgeschlossen werden, wie zwischen dem Magistrat der Stadt Königsberg i. Pr. und der Lebensversicherungsbank für Deutschland. Die Diese Gefahr, die in der Annahme des Gesetzentwurfes allen freien Kaffen und aller genossenschaftlichen Selbsthilfe droht, hat die vom 27.— 31. März d. I. in Leipzig tagende dritte ordentliche Generalversammlung der deutschen Ge werkvereine wohl erkannt, indem sie einhellig sich gegen den gedachten Gesetzentwurf erklärte und hierauf bezüglich die folgende Resolution annahm: „Ter von Seiten des hohen Reichskanzleramtes vorgelegte Gesetzentwurf über- gegenseitige Hilsskaffen widerspricht in einer Reihe von Bestimmungen den Anforderungen gesicherter Lebensfähigkeit und Selbstverwaltung der Hilfskassen im allgemeinen und macht zahlreiche und bewährte Gewerkvereinskassen ins besondere völlig rechtlos. Wir erklären uns deshalb namentlich gegen ß 3 »I. 3, tztz 4, 6, 7, 9, 11, 12, 13 23, 25, 27, 28, 3I des Entwurfs und empfehlen dagegen den vom Verbandsanwalt Herrn Or. Max Hirsch aus- gearbeiteten Entwurf dem hohen Reichskanzleramte zur thunlichen Berücksichtigung." Auch von anderer Seite hat man angefangen, Agitationen gegen die Vorlage zu machen und das thut noth, denn d Gefahr ist eine große und dringende. Schon liegen di ! Gefetzentwürse dem Bundesrathe vor und in kürzester Ze Gesetzgebung von l)r Max Hirsch. Für Jeden, der etwas von der Verpflichtung des Mitlebenden eines Mannes ühlt, dem sittlich ernsten und gewissenhaften Wirken desselben in einer hochwichtigen Volksangelegenheit, in einer hoch wichtigen Aufgabe unseres Vaterlandes, wovon dieser Mann ebenso bescheiden als selbstbewußt sagen kann: „ich diene ihr seit Jahren mit Hingebung," endlich eine nur gerechte Würdigung angedeihen zu lassen, bietet das Buch eine treffliche Handhabe, dieser Pflicht nachzukommen. Für Jeden, der sich berufen fühlt und noch mehr für Jeden, der irgendwie offiziell berufen ist, unmittelbar an der be vorstehenden, gesetzgeberischen Regelung des gegenseitigen, freien, genossenschaftlichen Hilfskaffenwesens milzuwirken, kann das Buch eine reiche Fundgrube des Wissens, ein verständiger und ehrenhafter Wegweiser für das Urtheil über dieses Wesen sein. — glänzende Residenzstadt Turin würde unstreitig den würdigsten Aufenthalt für den Kaiser geboten haben, denn ihre graben Straßen wären am besten zu einer großartigen Illumination geeignet gewesen. Aber weder Mingbetti noch Bismarck lieben die graden Straßen, sondern ziehen die krummen Wege vor, die einerseits nach Rom, anderseits zu den Siegen von Sadowa und Sedan geführt haben. Daher erhielt Mailand den Vorzug vor Turin." — Das kennzeichnet die Stimmung der Ultramontanen zur Genüge. Natürlich ist an dem Gerücht, der Papst gedenke dem deutschen Kaiser einen Brief zn schreiben und ihn durch den Erzbischof von Mailand überreichen zu lassen, wie aus guter Quelle ver sichert wird, kein wahres Wort. — Die Gesellschaft dec oberitalienischen Eisenbahnen hat Maßregeln getroffen, um die Fahrt nach Mailand während der Kanertage nach jeder Ricktung hin zu erleichtern. Ganz in derselben Weise wie bei der Reise des Kaisers Franz Jo-eph nach Venedig, sollen Tagesbillets auf eine Dauer von 5 bis 6 Tagen zu bedeutend ermäßigten Preisen abgegeben werden. Da der Unter anderen wichtigen Berathungsgegenständen wird es ist das Werk: in der bevorstehenden Session des deutschen Reichstages D.v ikkskstenlwurs filier baa Mfalmssenm»»« P^ste verlassen hat und da» wohl geeignet wäre, über Förderung und geistlicher Handreichung, wie Lehrlings-, «er uvkr oas LMSNasienwele». vorliegende Frage in jeder Hinsicht Licht zu verbreiten; Jünglings-, Kaufmanns-Vereine, Enthaltsamkeitsvereine, " Die gegenseitigen Hilfskassen und die Vereine für Sonntagsheiligung; und endlich christ- MFreibermJRMgers und Tageblatt.