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Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Braud 1875 Mittwoch, dm 13. Oktober ir xi el- xr Die sogenannte innere Mission — ein Name, welcher n: int td. nn m- Zi- ere Wie gesagt, es fehlt gerade der deutschen Presse nicht an Blättern, welche die friedlichen Absichten Frankreichs fortwährend hervorheben. Das kann uns nicht abhalten, der Wahrheit die Ehre zu geben, um so mehr, als es die ssrauzosen selbst verschmähen, dieselbe zu verhüllen. Wer ehrlich — sei er Deutscher oder Franzose — an der Be gründung eiucs dauerhaften Friedens arbeiten will, der wird vor Allem den Franzosen klar machen müssen, daß sie den Rang eines großen Kulturvolkes behaupten können, ohne ihre frühere auf die Zerrissenheit der Nachbarvölker «n ld« Aber ob es jemals möglich sein wird, sie zu dieser Erkenntnih zu führen, steht freilich dahin. hr r- xn l- Allein bei jeder derartigen Unterhaltung kommt der Punkt, wo der Franzose dem Deutschen erklärt: „früher oder später muß der Krieg kommen!" Und warum? Weil Frankreich seine alte Stellung in Europa wiedergewinnen müsse, weil es in seiner gegenwärtigen Verstümmelung nicht leben könne. Mag auch dex gebildete Pariser über die poetischen Ergüsse eines Viktor Hugo immerhin die Achseln zucken — der Grund gedanke der politischen Tiraden des greisen Romantikers ist den französischen Hauptstädtern cnrs der Seele geschrieben Es liegt für den Deutschen nahe, im Verlauf eines solchen Gesprächs auch die Unfertigkeit der inneren Zustände Frankreichs, namentlich aber den schroffen Gegensatz der Parteien in Rechnung zu ziehen. Und die Franzosen gehen aus diesen Punkt offenherziger ein, als es in umgekehrter Beziehung ein guter Deutscher thun würde. Alles klagt über die Unfähigkeit der Versailler Versammlung, die-Re publik zu organisiren; Alles steht unter dem Gefühl, daß es so nicht bleiben kann; selbst die Möglichkeit eines ge waltsamen Zusammenstoßes der Parteien wird nicht bestritten. Aber sofort setzt man hinzu: „In dem Augenblicke, wo man uns gegen die Deutschen unter die Waffen ruft, sind wir Alle einig!" Auch über die Militärlast fehlt es nicht an Klagen. nn ch- und in noch erhöhtem Maße demnächst fordern wird, haben auf die öffentliche Stimmung nicht eine niederschlagende, sondern eher eine fanatisirende, mindestens verblendende Wirküng ausgeübt. Der großen Menge ist nicht einmal die Möglichkeit denkbar, daß Frankreichs Heere in einem neuen Kriege abermals geschlagen werden könnten; ja es gilt ihr nachgerade als ausgemacht, daß sie auch im letzten Feldzuge nicht wirklich besiegt worden sind. Unfähigkeit der obersten Leitung und Verrath sind in ihren Augen die alleinigen Ursachen des Unglücks von 1870. Für jene fand man den Sündenbock im Kaiser Napoleon, sür diesen in Bazaine. Nachdem beide beseitigt sind, gilt Frankreichs fleckenloser Waffenruhm als vollauf wieder hergestellt Kurz: „Der Krieg ist unvermeidlich und wir werden siegen" — das ist es, was jeder Pariser dem Deutschen mit aller Ruhe und Höflichkeit in's Gesicht wirft. Lagesschau. Freiberg, den 12. Oktober. Man will in unterrichteten Kreisen sichere Anhalte? punkte dafür haben, daß wenn die klerikale Majorität des Organifation der katholischen Kirche eingefügt und werden demnach im letzten Grunde wenigstens mit zn hierarchischen Zwecken auSgebeutet. Diejenigen Bestrebungen aber, welche man in der evangelischen Kirche mit dem Namen pietistische belegt, sind lediglich auf eigene, subjektive religiöse Er bauung gerichtet, und wo auch ein Zusammenschluß mit andern zu gemeinsamer religiöser Erbauung stattfindet, da ist doch nicht der Nächste, auch nicht die Gesammtheit, sondern nur das eigne Selbst, Zweck und Ziel derselben. Die innere Mission dagegen hat nicht Selbstzwecke, sondern von Rachedurst gegen uns erfüllt sei: Die Erinnerung an das vor fünf Jahren Erlebte ist allerdings ungeschwächt. Namentlich kann man noch heute in der Umgegend von Paris die Landbewohner sich über die „Gräuelthaten" der „Prussiens" mit einer Lebhaftigkeit unterhalten hören, als vb das Alles erst gestern geschehen wäre. Dies hindert jedoch jeden nur einigermaßen gebildeten Pariser nicht, so bald man sich ihm als Deutscher zn erkennen giebt, das dient lediglich anderen, und betrachtet dies als die vor züglichste Ausgab^des christlichen Lebens, die eigene Per sönlichkeit mit voller Bewahrung ihrer Willensfreiheit, also ohne Gelübde, ganz in den Dienst helfender Liebe beim christlichen Mitbruder zu stellen. Dazu steht keine Anstalt und kein Verein der innern Mission etwa im Dienste, oder in irgend welcher abhängigen Verbindung mit dem Kirchenregimente, sondern es ist auch nach dieser Seite hin das Prinzip der Freiheit und Freiwilligkeit voll gewahrt. Es bestehen somit zwischen der innern Mission unserer Tage und zwischen aller anderen Liebesthätigkeit in der Christenheit tiefgreifende Unterschiede, und zwar solche, die lediglich im Wesen des evangelischen Bewußtseins liegen. Endlich sei noch bemerkt, daß dieinnereMission zwar früher und vornehmlich durch etliche kirchliche Heißsporne hin und wieder in Mißkredit kam, weil dieselben ihr einen streng konfessionellen Charakter aufzudrücken bemüht waren, daß aber glücklicher Weise seit IO Jahren eine gesündere kirchliche Anschauung nach dieser Seite hin sich Geltung verschafft hat. rr- Besitzendeu, noch in den gewöhnlicheren und tieferen Schichten des Volkes, sei zunächst ein kurzes Wort über die Cache selbst gesagt. Ruh" zu besprechen. Man freut sich des Friedens, weil er nothwendig ist, um die Wunden des Landes zu heilen; man wünscht — wenigstens in der Geschäftswelt — ihn so lange als möglich erhalten zu sehen; ja man läßt sich zu sentimentalen Be trachtungen über den Widersinn des Krieges zwischen zwei Völkern Hinreißen, die berufen scheinen, in gemeinsamer Friedensarbeit die höchsten Aufgaben der Kultur zu lösen. Die vor Kurzem zum ersten Male erfolgte Einberufung der Reservisten zu den Hcrbstübungen hatte im ganzen Lande ein Gefühl äußerster Unbehaglichkeit hervorgerusen. Aber über dies Alles hilft der Gedanke hinweg: es ist nothwendig, um unsere Stellung in Europa wieder zu erobern. Die ungeheuren Opfer, welche die neue Heeres- ocganisativn in den verschiedensten Richtungen bereits fordert Frankreich und Deutschland. Je mehr es gegenwärtig Modesache zu werden scheint, in öffentlichen Organen das immer intimer werdende Ver- hältniß zwischen Frankreich und Deutschland zu glorifiziren und etwaige Kriegsbefürchtungen hinwegzuläugnen, um so berechtigter ist es, auch anderen Stimmen Gehör zu geben, und zwar Stimmen, die aus eigener Anschauung über die Situation ein Urtheil sich gebildet. Von einem politischen Freunde, der einige Zeit in Paris zugebracht und die Lage der Dinge mit offenen Augen betrachtet, geht beispielsweise der liberalen Korrespondenz in Berlin eine Mittheilung zu, die wir nicht unbeachtet bei Seite legen wollen. Von vorn herein wird allerdings zugegeben, daß die französische Re gierung selbst großen Werth darauf lege, das freundlichere Verhältniß, welches seit dem Frankfurter Frieden zwischen Frankreich und Deutschland besteht, immer korrekteren Aus druck auch in der äußeren Erscheinung gewinnen zu lassen. Ihren Bemühungen ist es gelungen, in der Presse die be schimpfende und aufreizende Sprache gegen Deutschland ziemlich allgemein zum Schweigen zu bringen. Nichts desto weniger würde man sich vollständig täuschen, wollte man annehmen, daß der Revanchegedanke an Jntensivität verloren habe. Im Gegentheil! Ein neuer Krieg gegen Deutschland ist ein Axiom, das man als selbstverständlich ansieht, über m !N N. S- nd xr In den Tagen des 6. und 7. Oktober hielt die deutsche evangelische Kirche ihren 17. Kongreß für innere Mission, und zwar diesmal in Dresden ab. Sowohl um der hohen Verhältniß beider Länder zu einander mit fast überraschender I Bedeutung dieser jährlich wiederkehrenden Versammlungen willen für die soziale Frage, welche jetzt alle Gemüther be wegt und die brennendste Lebensfrage für unser deutsches Volk ist, wie auch im Hinblick darauf, daß die Aufgaben, Mittel und Ziele der innern Mission gebührendes Verständ- niß und gebührende Würdigung allenthalben noch nicht ge funden haben, weder in den Kreisen der Gebildeten und welches daher auch jede Diskussion als überflüssig erscheint, f'basirte Stellung in Europa wieder einnehmen zu wollen. Man kann dabei nicht sagen, daß die Pariser Bevölkerung Die sogenannte innere Mission — ein Name, welcher bairischen Landtags dem Ministerium durch Annahme zuerst von Prof. Lücke in Göttingen und fast gleichzeitig!der Jörg'schen Adresse formell ein Mißtrauensvotum er- von Wichern in Hamburg aufgebracht wurde — bezeichnet theilt, die Auflösung des Landtags demselben auf die Gesammtheit aller derjenigen Anstalten und Vereine Idem Fuße folgen würde. Die Eventualität soll bereits in innerhalb der evangelischen Kirche, welche, getrieben von jener Sitzung in's Auge gefaßt worden sein, in welcher sich christlicher Liebe, sich die Abhilfe geistiger und leiblicher die Mitglieder des Staatsministeriums der Kammer gegen- Noth innerhalb der Christenheit, und insbesondere der über sür solidarisch erklärten. Daß die Maßregel dem evangelischen Christenheit, zur Aufgabe gemacht haben. Es I Könige nicht schon jetzt empfohlen worden, liege, so heißt ist demnach freiwillige christliche Liebesthätigkeit, welche es, in der Ungewißheit über den Ausgang aller schweben- auf den verschiedenen leiblich oder geistig verwahrlosten, den Fragen, da irgend ein geringfügiger Zufall die krankenden, oder der Gefahr der Verwahrlosung und Er- Majorität leicht zu Gunsten der Negierung gestalten könnte, krankung ausgesetzten Gebieten des Volkslebens geübt wird. Wird die Adresse angenommen, so erwartet man ein Und wie die Ausübung dieser rettenden, pflegenden, be-IKabinetskonseil, das über die Auflösung entscheiden soll, wahrenden Fürsorge eine freiwillige ist, so auch die Dar- Es ist irrthümlich, wenn als nächste konstitutionelle Folge reichung und Beschaffung de>- Mittel zur Ausübung jener, des Mißtrauensvotums das Entlassungsgesuch des Mi- Der treibende Pulsschlag ist bier wie dort christliche Liebe, nisteriums bezeichnet wird ; dasselbe würde vielmehr erst freiwillige Hingabe des christlich gesinnten Herzens an den! geboten sein, wenn der König sich gegen die ihm an verwahrlosten, krankenden, gefährdeten christlichen Mitbruder, geratene Auflösung entscheiden sollte, wofür bis jetzt keinerlei Somit umfaßt aber die innere Mission alle Gebiete des! Anzeichen vorliegen. Aber wir würden auch kein Unglück Vclkslebens — denn wo wäre eins, das ganz gesund, oder darin sehen, wenn der König doch die Auflösung ablehnen vor aller Gefahr der Erkrankung sicher wäre? — nimmt und das gegenwärtige Kabinet entlassen sollte. Denn ein den hilfsbedürftigen Menschen, wo's gilt, schon als Säug- ultramontanes Ministerium wird sich im Kampfe mit den ling in ihre Arme und begleitet ihn mit ihrem Beistände Aufgaben, die ihm im Innern gestellt werden, sehr schnell durch olle Lebensalter bis zum Grabe. aufreiben. Die Dauer seiner Funktion wird eine sehr Solche Liebesthätigkeit ist in der Christenheit, und auch I kurze sein, selbst wenn das deutsche Reich Liebenswürdigkeiten in der evangelischen Christenheit, zwar zu allen Zeiten genug entfalten sollte, ihm das Leben so leicht als möglich vorhanden, wenigstens niemals ganz erloschen gewesen, zu machen. Ueberwnnden wird der Ultramontanismus in allein daß dieselbe systematisch organisirt ist auf Baiern erst dann sein, wenn er seine Negierungsunfähigkeit Grund des evangelischen Bewußtseins, und daß die Heilung durch einen Versuch dargethan hat. So lange er nieder- der sittlichen Nothstände im Volke vor allem durch religiöse gehalten wird, thut er Schaden. Aber, wie gesagt, noch Erweckung und Belebung der einzelnen Individuen herbei- glauben wir an diesen Systemwechsel nicht. Wir kennen geführt, und somit die leibliche Hilfe, welche gebracht wird, Herrn Jörg aus dem Reichstage und wissen, welche, un- jenem Zwecke immer untergeordnet werden muß, das ist bedeutende Rolle er dort spielt. Der König von Baiern das unterscheidende Merkmal der Liebesthätigkeit der innern aber ist der Mann, dem ein klarer politischer Blick nicht Mission sowohl aller anderen Christlich en-Liebes- abgesprochen werden kann, und der, so wenig er sich an- thätigkeit, wie auch den blos humanistischen Bestrebungen scheinend mit RegierungsgeMsten befaßt, bei wichtigen unserer Zeit gegenüber. Tenn beziehendlich jener ist, wie'Anlässen wiederholt die Welt durch seine sicheren und festen bei der christlichen Wohlthätigkeit, die leibliche Hilfe, welch» gebracht wird, der Hauptzweck, welcher das eigene Herz befriedigt, somit sich selbst genügt und beziehendlich dieser tritt das religiöse, und insbesondere das evangelische Moment, fast völlig in den Hintergrund, obwohl jene wie diese eine sittliche Veredelung des Volkes auch anstreben. Und nicht minder unterscheidet sich die innere Mission sowohl vom katholischen Ordensleben der barm herzigen Schwestern und ähnlicher Genoffenschaften und Kongregationen zu Werken christlicher Nächstenliebe, als auch von allen pietistischen Bestrebungen innerhalb der evange lischen Kirche nach Spener'scher und Franke'scher Manier. Denn alles katholische Ordens- und Genossenschaftsleben beraubt die ihm Angehörigen ihrer persönlichen Willens freiheit und macht sie einseitigen Zwecken willenlos dienst bar durch bindende Gelübde, und zwar meistens auf die ganze Lebenszeit, dazu sind alle Bundesschaften, kirchliche wie weltliche, alle Orden und Kongregationen völlig in die Die innere Mission der deutschen evangelischen Kirche und deren 17. Kongreß M Dresden. i. Äochenwa I werd« ^bi» Bor» 1111 Lise Die Redaktion be- V V an die Expedition, findet sich Rinnen- - 5) Frotscher'sche Buch- Säße R". Il Et. Handlung, zu senden. und Tageblatt