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MtllitMrAWMr und Tageblatt Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand N 236 1875 Sonntag, den 10. Oktober Mrs Vavasor plauderte fröhlich von tausenderlei Frage an Be- und aber nicht „zureichende Gründe" hat, sie für wahr zu halten. Ebenso werden die glücklich beseitigten Haß- und Verachtungs paragraphen int früheren preußischen Kriminalgesetz wieder von den Todten erweckt und zwar für alle unabsehbaren Fälle, wo die Zeitung durch öffentliche „Schmähungen oder Verhöhnungen Staatseinrichtungen oder Anordnungen der Obrigkeit, oder das Reich, oder einen Bundesstaat ver- Jn erster Reihe zeigt sich dieser Charakter der Novelle in der Ausstellung neuer Kategorien von Vergehen und in der Erfindung einer ganz neuen Strafart unter dem Namen Dann die vieldeutigen Erweiterungen der vorhandenen Gesetzartikel, die zumeist — außer dem Preßgesetz — eine , neue Auflage von Fuchs- und Wolfsfallen für die Zeitungen bedeuten! Zu der an sich schon selten nachweisbaren Auf reizung verschiedener Klaffen der Bevölkerung „in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise" kommt jetzt auch die Vorlage auf Angriffe durch Rede und Schrift auf die Ehe, die Familie oder das Eigeuthum zurück. Ferner genügt fortan zur Schuldbarkeit schon die Be hauptung einer unwahren Thatsache, welche eine möglicher weise die Ruhe und Sicherheit gefährdende Aufregung bewirken könnte — womit im Grunde jede mißliebig Behauptung *Wh Kritik herangezogen werden kann. Um das Zeitungsschreiben aber vollends zu einer Art Selbstmord gewerbe und den Redakteur zu einem nur von obrigkeit licher Gnade Abhängigen zu machen, soll auch die Strafe ihm sicher sein, wenn er bei irgend einer Mittheilung schon Die jetzt dem Bundesrathe von dem Reichsjustizamt vorgelcgte Novelle zum Strafgesetzbuch ist das Stärkste, was in diesem reaktionären Geist von Oben herab geboten wird. Sie nimmt den Anlaß zu einigen berechtigten Aenderungen respektive Ergänzungen des Strafgesetzbuches — wie die sogenannten Paragraphen Duchesne und Arnim, Straf losigkeit der Kinder u. s. w. — wahr, um mit einer ganzen Kolonne von Zusätzen Bresche in den humanen Geist des neuen Gesetzbuches zu stoßen, ohne daß man einsieht, wes halb dieser Stoß nothwendig sei, weshalb das deutsche Volk drakonischen Bestimmungen unterworfen werden soll deren Prinzipien aus den nicht glorreichen Zeiten der Ver gangenheit wieder herbeigeholt sind. „Friedensbürgschaft"; sodann in der Abfassung von Artikeln, welche nur durch Deutungsfähigkeit Vergehen schaffen sollen; endlich in der Verschärfung von Strafen bei schon vor- Mdenen Gesetzesparagraphen. Reichsregierung an solchem Ruhm sehr wenig Geschmack gefunden wurde und nach der erste» Zufriedenheit über die Erfolge eines großen glücklichen Krieges mehr und mehr die sonst nach Außen gerichtete scharfe Spitze nach Innen gekehrt wurde. In einem nach Uebergipfelung der Staats gewalt gerichteten Streben sind nach und nach immer herbere Gesetze zu Stande gekommen und der erlahmte öffentliche Geist, welcher im letzten Kriege seinen Rest von idealem Schwung verloren zu haben scheint, nimmt in der Scheu vor selbständiger Kraft die Zwangsjacke einer Reaktion hin, die durch Nichts gerechtfertigt ist. Für die neuen Vergehen haben die Prozesse Arnim, Duchesne in Belgien, die ultramontanen Widerspenstigkeiten und Agitationen Material hergeben müssen und ihre Auf stellung ist immerhin wesentlich einem Zeitbedürfnisse zuzu schreiben. Die neue Strafart der „Friedensbürgschaft" muß aber geradezu nach der modernen Auffassung des Strafrechtes als etwas Ungeheuerliches bezeichnet werden. Sie erfolgt im Anschluß an das StrafuRheil für eine An zahl Vergehen und stellt den Betroffenen von einem Monat bis zu einem Jahr gegen 30 bis 3000 Mark Kaution unter Gerichtsaussicht, zum Zweck zuteil Betragens oder Sicherheit gegen seine Absichten. Nach dem Urtheil also noch die Verschärfung einer Kautionsstellung, eine neue Art Präven- tivmaßregel, ein Verdächtigengesetz, dem der Unbemittelte, der keine Geldbürgschaft leisten kann, in neuer Haft unter worfen wird. Mit der Annahme dieser Novelle — würde sich der Reichstag dazu herbeilaffen — bekäme das deutsche Volk einen Dank ausgezahlt, den es wahrlich nicht verdient hat. Wir geben uns in dieser Hinsicht vorläufig noch keinen chlimmen Befürchtungen hin, wohl aber halten wir eS an der Zeit, die Augen mehr als bisher auf die Ziele zu richten, denen derartige Vorlagen der Reichsregierung zustreben. ächtlich zu machen sucht." Wem fällt dabei nicht Figaro ein, der, nachdem er erfahren, daß er Alles frei drucken lassen könne, insofern es nicht die Autorität oder die Religion, die Politik oder die Moral, die Beamten oder die Institute, die Oper, die Schauspiele oder sonst Jemanden berührt, von dieser herrlichen Freiheit Gebrauch machte und eine periodische Zeitschrift ankündigte, die er ,.ck»urv»l wmilv" (unütz) nannte? Die Verschärfung der Strafen endlich, welche die Novelle beantragt, liegt darin, daß dem Richter im Ausmaaß der Strafbestimmung der bisher gegebene weite Spielraum wieder beengt wird, daß das Mininum der Strafe erhöht und die Geldstrafe möglichst viel in Gefängnißhast ver wandelt ist — eine Bestimmung, die zumeist für politische Vergehen getroffen und ihnen damit ein viel anrüchigerer Charakter gegeben werden soll. Tages den Titel führen, wie aber wird er die Sachlage aufnehmen?" Isabella war still und träumerisch, ein zärtliches Lächeln umspielte ihre Züge. Wie hübsch er war im dämmernden Lampenlicht, das seine dunkle südliche Schönheit zu verklären schien. Wie edel hatte er gesprochen! Und er hatte gefürchtet, sie würde ihn abweisen, er hielt sich der Erbin von Scarswood unwürdig, während dieser Liebling der Götter der Erbin eines Thrones würdig gewesen wäre! Inserate werden bis Vor mittags 11 Uhr für nächste Nr. ange nommen u. die ge spaltene Zeile oder de-en Raum mit l S Pf. berechnet. Inserate sind stet» an die Expedition, Frotscher'sche Buch handlung, zu senden. . Die neuen Sirafgesetz-Ärlikel. Eine humane Strafgesetzgebung wird immer als der Beweis eines guten Staatswesens gelten. Sie hat sich vor Allem Hurch die Abneigung auszuzeichnen, zu viel Gesetze p» machen und damit Vergehen zu schaffen, die an und für sich keine sein würden und zu sein brauchen; sie muß Sorge wagen, daß ihre Artikel klar und bestimmt die Natur eines wirklichen Vergehens bezeichnen und nicht spitzfindiger DeutungSfähigkeit dabei eine Rolle zuweisen; sie muß endlich bedacht sein, nicht unnütziger Weise Strenge der Strafen vorzuschreiben, wo damit nur Folgen von Schäden, nicht aber deren Ursachen getroffen werden. Das neue deutsche Strafgesetzbuch, welches vor sünf Jahren im Reichstage berathen wurde, durfte den Ruhm eines solchen humanes Gesetzbuches wohl in Anspruch nehmen. Aber es ist leider nicht wegzuleugnen, daß innerhalb der Dingen, und stellte endlich wiederholt eine Isabella. „Was sagten Sie, Madame?" von ihrem gewöhnlichen Wesen sehr verschiedenen scheidenheit/ „Weiß er's," fragte sie sich, „kann er's wissen? was wird er sagen?" Finster blickte Mrs. Vavasor den Beiden nach. „Papa wird's nicht dulden wollen," dachte sie, „er hat vergessen, daß auch er vor einem Jahre noch arm war, und wird nicht einwilligen. „Peter Dangerfield warb um Dich gestern Abend," be gann der alte Herr plötzlich. Isabella blickte verwirrt auf; nichts war ihrem Gedanken erner, als Peter. „Ja, Papa, ich hatte es bereits vergessen." „Sehr schmeichelhaft für Peter; ich brauche kaum zu fragen; ob Du ihn abwiesest?" „Natürlich wies ich ihn ab," entgegnete Miß Danger field, „und die Geschichte endete in Verdrießlichkeit. Ich wurde heftig über seine Reden und sagte ihm meine Mei nung in ungebührlicher Weise. Obgleich ich ihn sofort um Vergebung bat, wird er doch die Beleidigung weder ver gessen, noch vergeben." „Was sagtest Du?" Des Vaters Stimme klang ungewöhnlich streng. Isabella senkte das Haupt. „Du kennst meine schlimme Zunge, Papa, ich nannte ihn einen verkrüppelten Zwerg." „Isabella!" „Es thut mir leid, Papa, und ich bat es ihm ab. Mehr kann ich nicht thun. Das Wort kann nicht zurück genommen werden und Zanken ändert nichts." Momentan herrschte tiefes Schweigen. Ueber Sir Nobert's Züge lagerte sich fahle Blässe. „Das ist schlimm, sehr schlimm," murmelte er endlich, ' „Peter wird Dir das nie vergeben, und Gott stehe Dir . bei, wenn Du je in seine Gewalt kommst." Mrs. Vavasor lachte laut. „Was sagten Sie, Madame! und ich frage drei Mal, ob das Fräulein mich nach Castleford fahren wolle. Be trachten Sie einmal das verklärte Gesichtchen, Baron, und sagen Sie mir, was Sie davon halten?" Des Barons Antwort klang unverständlich, und er erhob sich rasch. „Folge mir in die Bibliothek Bella, ich habe mit Dir zu sprechen." „Mit mir, Papa?" fragte sie scheu und erglühend. „Ja." Er bot ihr den Arm und sagte mit ernster Miene, „Mrs. Vavasor wird sich einstweilen zu unterhalten wissen, und wenn sie nach Castleford fahren will, steht ihr die Equipage zur Verfügung." „Sehr wohl, Papa," engegnete Isabella mit einer „Die Equipage steht zu meiner Verfügung, nicht die Tochter und das Prinzeßchen wollte mich nicht küssen. Er betrachtete sie mit schmerzlichem ängstlichen Schwei gen: diese Worte bargen eine Drohung. „Vor ihrer Trauung? sie zählt siebzehn Jahre, und es mögen vier, fünf Jahre vergehen, bevor sie heirathet. Ich verstehe Sie nicht, Harriet, und bitte Sie deutlich zu sprechen. Gott weiß, ich will nicht hart sein gegen Sie, will Ihnen so viel Geld geben, als Sie wollen, und gerade Sie sollten nichts thun, was Isabella schaden könnte. Verrathen Sie mich nicht, knicken Sie nicht des jungen Lebens Glück! Ich v>eiß, ich sollte es sagen, Ehre, Pflicht und Gewissen ver langen es, aber ich kenne den Erfolg und wage es nicht." Ein unterdrücktes Schluchzen ließ des alten Soldaten Stimme erbeben. „Ich liebe Isabella mehr, als je ein Vater sein Kind liebte, inniger denn je, seit Gefahr sie bedroht. Wenn Sie schweigen, ist nichts zu fürchten Harriet, um Gottes willen, nennen Sie doch eine beliebige Summe und verlassen Sie das Haus!" Sonderbarer Weise hatte der Baron davon nicht die leffeste Ahnung. Er überdachte die Zahl seiner heiraths- kahrgen Gäste und blieb bei Hauptmann de Vere stehen. „Er wird's sein," dachte er, „und ist das der Fall, so bleibt mir nichts übrig, als vor der Trauung Alles tu gestehen. Er ist aus vornehmer Familie, wird eines Erscheint jeden Wochentag Abend» « Uhr für den andern Tag. Hrri» vierteljähr- Üch2Mark2ö Pf., »wtimonatl. 1 Mk. ov Pf. und ein- monatl. 75 Ps. Die Redaktion be findet sich Riiinen- gajje VVa. ll Et. Geheinmitzvoll. Nach dem amerikanische» Oiiginale der MrS. May Agnes Fleming frei bearbeitet von Lina F reisrau von Berlepsch. (Fortsetzung.) Tagesschau. Freiberg, den 9. Oktober. Im Anschluß an vorstehende Betrachtung über die neue Novelle zum Strafgesetzbuche geben wir noch einer aus wärtigen Stimme Raum. Die durch und durch reichs- freundliche „Breslauer Ztg." sagt: „Der Gesetzentwurf legt ein beredtes Zeugniß dafür ab, daß der Wind in den oberen Regionen völlig umgeschlagen hat; daß der Chef redakteur der „Kreuzzeitung" ein gern gesehener Gast auf Haus Varzin ist und der Kanzler des deutschen Reiches die Fäden wieder aufnimmt, die ihn früher mit der altmärkischen Ritterschaft verbanden. Der Gedanke, das Institut der „Friedensbürgschaft" in die Gesetzgebung des deutschen Reiches einzusühren, muthet uns an, wie Eines der gesetz geberischen Experimente Friedrich Wilhelms des Vierten aus der Zeit, als der Schwanenorden erneuert und über die Errichtung eines evangelischen Bisthums in Jerusalem ver handelt wurde, als Herr von Gerlach die Feder zur Aus arbeitung eines neuen Eherechts führte, und man die liberalen Forderungen der Zeit nicht bekämpfte, sondern einfach ignorirte. Es ist wahr, die Friedensbürgschaft ist ein altes germanisches Rechtsinstitut, diesen Vorzug theilt Gerade wie ihre Mutter. Ich aber habe ein gutes Ge- dächtniß für große und kleine Kränkungen." Schweigend bot Sir Robert seiner Tochter Platz, und sie setzte sich in beinahe ängstlicher Aufregung. Furcht war ihrem Wesen sonst fremd, und auch jetzt zitterte sie mehr für den Geliebten, als für sich selbst. „Entschuldigen Sie; Isabella dürfte es nicht gern sehen, wenn ich mich in ihre Herzensangelegenheiten mische. Zu dem wird eine solche zärtliche Tochter keine Geheimnisse, vordem Vater haben, und Ihnen Alles selbst sagen; ich aber verspreche Ihnen, Scarswood Park vor Ihrer Tochter j Trauung zu verlassen."