Volltext Seite (XML)
DMA jeden Wochentag «bends 6 Uhr sür den andern Tag. Preis vierteljähr, lich 2 Mart 2d Pf., zweimonatl. 1 Mk. oO Pf. und ein« monatl. 75 Pf. Die Redaktion be findet sich Rinnen« gaffe 96 U. Et. AeihtrgtrDytiger und Tageblatt. Inserate werden bis vor» mittag- 11 Uhr für nächste Nr. ange nommen u. die ge spaltene Zeile oder deren Raum mit 10 Pf. berechnet. Inserate sind stet» an die Expedition, Frotfcher'fche Buch handlung, zu senden. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. Z 197.Donnerstag, dcu 26. August. - 1875. Für den Monat September eröffnen wir ein Monats-Abonnement auf den „Freiberger Anzeiger" znm Preise von 75 Pfennigen. Bestellungen nehmen in Freiberg die unterzeichnete Expedition, aus wärts sämmtliche Reichspostaustalte« entgegen. Die Expedition dcS Freiberger Anzeiger. (Frotscher'sche Buchhandlung, Erbischestr. 609.) Omas contra, Ketteler. Herr Pfarrer Quaas in Bieberstein geht in der bereits erwähnten Flugschrift *) der jesuitischen Selbstvertheidigung des Bischofs Ketteler von Mainz munter und scharf zu Leibe. Ketteler, dieser überaus eifrige Streiter für die päpstliche Unfehlbarkeit, suchte am 4. d. M. durch eine Er klärung im „Mainzer Journal" I) seine oppositionelle Haltung auf dem vatikanischen Konzil vor Fixirung des Unfehlbarkeitsdogmas verständlich zu machen und zu recht fertigen, und 2) seine und aller katholischen Bischöfe nach-! trägliche Unterwerfung unter dieses Dogma als logisch zwingende Nothwendigkeit des katholischen Glaubens und Bewußtseins darzustellen. Beide Versuche entblättert Quaas ihres trügerischen Gewandes und macht sie zu inhaltslosen, leeren Phrasen, womit man Gimpel, aber keine denkenden Menschen saugen könne. Als wirklichen Grund der Ketteler'schen Selbst vertheidigung konstatirt der Verfasser die Absicht: Die alt katholische Bewegung innerhalb der katholischen Kirche zum Stehen zu bringen, weil die nothwendige schließliche Kon sequenz derselben eine abermalige Trennung der jetzigen katholischen in eine altkatholische und vatikanische Kirche sein müße. Indem wir unsern Lesern das Studium der kleinen, nur 19 Oktavseiten umfassenden Flugschrift aufs angelegent lichste empfehlen, gedenken wir hier nur mit kurzen Zügen jenes Abschnitts, der die wahre Absicht Kettelers behandelt. Zunächst weiset Herr Quaas nach, daß der vatikanischen Versammlung durchaus nicht der Charakter eines ökumeni schen Konzils, dem nach römischen Begriffen der vor Jrrthum bewahrende Geist der Wahrheit beiwohne, gebühre, denn es fehlten nicht nur 136 Bischöfe, sondern von den Anwesenden stimmten auch die Bischöfe Riccio und Fttz- *) „Die Erklärung des Bischofs Ketteler vom 4. August d. I. beleuchtet und erläutert von Victor Quaas, Pfarrer in Bieberstein. Freiberg. I. S. Engelhardt'sche Buchhandlung (M. Isensee)." Preis 4« Pf. Gerald gegen die Unfehlbarkeit, so daß die Stimmen einheit mangelte, welche nach römischem Dogma von jeher bei di» Lehre betreffenden Konzilsbeschlüssen nothwendig ist. Somit sind die Altkatholiken, fährt der Verfasser dann fort, in ihrem guten kanonischen Rechte, wenn sie dem Un fehlbarkeitsdogma, dem dek Begriff der Kanonizität mangelt, ihre Unterwerfung versagen, ganz abgesehen davon, daß der dem Konzile vindizirte heilige Geist, welcher bekanntermaßen auf dem tridentischen Konzile stets vor jeder Sitzung im Felleisen des Kouriers aus Rom ankam, auf dem vatikani schen Konzile kein anderer war, als der Geist der Jesuiten, der durch die Thüren des Vatikans und in den Wohnungen der Bischöfe aus- und einging, um über die Väter des Konzils die «öthige Erleuchtung zu bringen. Wenn darum katholische Christen, und noch dazu die Lehrer ihrer Kirche, die Bischöfe, einem Dogma sich unterwarfen, das als nicht durch die Leitung des heiligen Geistes, als nicht durch die gesammte lehrende Kirche in ökumenischer Versammlung ' zur Entscheidung gebracht angesehen werden muß, und wenn sie außerdem noch Gegner dieses Dogmas bis zu fußfällig bittender Abwehr desselben durch Herrn Ketteler gewesen sind, und zwar es mit gutem Recht gewesen sind, wegen des in ihm sich aussprechenden offenen Hohnes auf alle Wissenschaft, alles Kultur- und Staatsleben der Gegenwart, und sie gleichwohl später wider besseres Wissen und Gewißen demselben zustimmen, so ist die Bezeichnung „unmännlich und charakterlos" noch der gelindeste Ausdruck für dieses von ihnen gebrachte Opfer, welcher sie nicht der Kirche, sondern den Jesuiten gebracht haben. Daß die Bischöfe mit dieser ihrer Unmännlichkeit und Charakterlosigkeit zugleich „unnational", wenigstens als deutsche Bischöfe unnational gehandelt haben, das haben sie zur Zeit ihrer Opposition durch den nachdrücklichen Hinweis auf die ganz besonderen Gefahren, die dies Dogma in Deutschland mit sich und dadurch über Deutschland bringe, selber indirekt aus gesprochen und hinterher thatsächlich bekundet. Somit sind die katholischen Bischöfe, die sich dem Unfehlbarkeitsdogma unterworfen haben, und vor allem die deutschen Bischöfe, allerdings unmännlich, charakterlos und unnational zu nennen, während Männlichkeit, Charakter, Vaterlandssinn nur den Altkatholiken nachgerühmt werden kann. Nur die Altkatholiken haben katholisch gedacht und gehandelt. Darum haben aber auch die Altkatholiken gar keine Veranlassung aus der katholischen Kirche auszuscheiden, die liegt im Gegentheil auf Seiten jener Bischöfe und ihrer infallibilistisch gesinnten Anhänger, denn diese sind eben mit ihrer Unterwerfung einem Privaturtheile in der katho lischen Kirche, wenigstens einem Privaturtheile in derselben gefolgt, welches noch dazu das Unheil eines sehr geringen Bruchtheiles der katholischen Christenheit, und des katho lischen Lehramtes insbesondere, von jeher gewesen ist. Es ist demnach mehr als lächerlich, wenn Herr Ketteler be? hauptet, daß nur „protestantische Majoritäten, oder prote stantische Regierungen jene Männer, welche das Unfehlbar keitsdogma verwerfen, zu Katholiken erklärten." Nein, die Majorität der katholischen Kirche und des katholischen Lehr amtes in ihr hat solche Männer von jeher Katholiken genannt. Es sind darum diese Altkatholiken noch lange nicht „schlechthin und einfach Protestanten." Sie haben wohl ein protestantisches Moment in ihrer religiösen Ueber- zeugung, nämlich das des Widerstandes gegen freche Ver gewaltigung bessern Wissens und Gewissens, aber diesem Prinzips haben sie nicht die volle rückhaltlose Durchführung im Anschlusse an die absolute Autorität der heiligen Schrift gegeben, wodurch allein jenes Prinzip erst ein spezifisch protestantisches wird. Darum kann Herr Ketteler keinenfalls die Altkatholiken im spezifischen Sinne des Wortes Pro testanten nennen, sondern höchstens protestirende Katholiken. Diesen wesentlichen Unterschied zwischen Protestantismus und Altkatholizismus hätte Herr Ketteler sich gegenwärtig halten sollen, als er seine Erklärung schrieb, dann würde ihm auch nicht die lächerliche Behauptung entschlüpft sein, daß „die Unterstützung der Altkatholiken lediglich der Ver such sei, den Protestantismus in die katholische Kirche ein zuführen." Nachdem der Herr Verfasser des Weiteren dargetha«, das der Altkatholizismus nichts weiter sei, als die unab weisbare Reaktion der unveräußerlichen Gewissensrecht» des Menschen gegen deren neueste fr»che Vergewaltigung durch Rom, schließt er seine Schrift mit folgenden Worten: Vor den Ange« unsers deutschen Volkes hat sich in diesen Tagen das herrliche Denkmal feines Befreiers von frecher römischer Vergewaltigung vor bald 1900 Jahren auf der Grotenburg enthüllt. Daß in demjenigen Theile unsers d»utschen Volkes, welcher seit 300 Jahren immer schreiender an Geist und Gewißen von Rom vergewaltigt wurde, auch noch Befreier leben, wie das Ur- und Vorbild von ihnen allen unser Luther bereits vor 300 Jahren war, davon ist ein neues, schönes Zeugnih und Denkmal der Alt- katholizismns. Mögen ihm, wie einst dem Hermann s»in deutsches Volk, so jetzt di» deutschen, dermalen noch römisch vergewaltigten Herzen und Gewißen zufallen und sich nicht bethören laßen durch die falschen Worte des Römlings Ketteler in seiner der innern Kraft und Wahrheit ent behrenden Erklärung. FLUiUetön. Schlosser als Eheprokurator. (Fortsetzung.) „Nach Berlin?" fragte das Mädchen erschreckt, und durch den Ton ihrer weichen Stimme zitterte es wie ein leiser heimlicher Seufzer. „Ich erinnerte" — fuhr von Roßdahl fort, zu der Tochter des Hauses gewandt — „an ein Begegnen in ihrem Bibliothekzimmer; es war im Mai 1866, als ich beim Ein treten in daßelbe einen Ausbruch Ihres Unmuths, gnädiges Fräulein, über die schmachvolle Politik Preußens in Deutsch land hören konnte. Ich erkundigte mich nach dem Anlaß desselben und erfuhr, daß die Lektüre der Schlosser'schen Weltgeschichte Sie in solche ritterliche deutsche Erregung gebracht hatte." „Ganz richtig, — ich weiß es noch genau, welche Stelle in diesem herrlichen Buche es war, die mein Nationalgefühl so lebhaft erregte, und " Frida stockte, als wenn die weitere Aeußerung sie kom- promittiren könnte. „Nun, — und — bitte, es ist mir wichtig, den ganzen Catz zu hören, gnädiges Fräulein," sagte von Roßdahl lebhaft. „Und," fuhr das Mädchen mit dem Muthe der Auf richtigkeit fort, „ich empfand bei Ihrem Hinzutreten den Neid, den ein Mädchen hegen muß, wenn es die Zeit großer Thaten, gewaltiger Kämpfe giebt." — „Die Bowle ist fertig, und ich denke, sie wird mir so viel Ehre machen, wie ich trotz Podagra und aller Mühen mit und ohne Bedientenseelen ihr anzuthun gedenke. Denn heute ist Festtag, hober Ehrentag meines lieben jungen Freundts Ehrich von Roßdahl." Und wieder drückte der biedere Alte die ehrliche, tapfere Hand seines Lieblings. „Herr von Roßdahl hat uns noch immer nicht den Zu sammenhang zwischen der Schlosser'schen Weltgeschichte und seiner Berufung in den Großen Generalstab erklärt, lieber Oberst!" — sagte die Frau Geheimräthin; — „eher giebt's kein Glas aus der Bowle, bis seine Erklärung vollendet ist. Mir ist sie noch sehr dunkel und dennoch sehr inte- reßant." „Ei, ich dächte, Ihre unvergleichliche Klugheit, gnädige Frau, hätte Sie schon längst auf die Entdeckung jenes Zu sammenhanges bringen müssen. Mich frappirte, mich be schämte, mich begeisterte der Patriotismus Ihrer Fräulein Tochter. Denn das ist die wahre Vaterlandsliebe, die mit dem Schmerze um die Sünden des durch seine Schuld un glücklichen, machtlosen Vaterlandes anhebt. Wie aber mich dieser Schmerz bei jenen edlen Worten »ines zarten Mäd chens mit der ganzen Schneide und Bitterkeit erfaßte, so entflammte in mir auch in demselben Augenblicke das heilige Gelübde, das ich in dem Augenblicke ungesehen vor meinem Gott that, alles das Viele oder das Wenige, das Große oder das Kleine, das an und in mir sein möchte, dem armen und doch so lieben Vaterlande ganz und voll zu weihen." „Bravo, bravo, mein tapferer Freund!" rief der auf den Sohn seines besten Freundes stolze Oberst. Das kluge, wohlwollende Auge der Geheimräthin ruhte fest auf dem edlen Bilde ihres jugendlichen Freundes, dessen Besitz sie der Freundschaft des Obersten verdankte. Frida aber sah auf die Knospe der Centifosie, welche in ihrer schönen Hand ruhte, und der Schleier der dunklen Wimpern legte sich Der die leicht erregte Fluth ihres reinen Herzens. „Es war die Schloßer'sche Weltgeschichte, an der die Begeisterung meines Gelübdes geistig erstarkte und zu einer treibenden Kraft ward. Mit bis dahin nie empfundenem Eifer verfolgte ich den dort mit echt nationaler Treue und der besten deutschen Wissenschaftlichkeit offen gelegten rothen Faden unserer nationalen Geschichte, stieg an der Hand dieses zuverlässigen Führers von dem Grabe Karl's des Großen und aus dem Königsgemach des großen Otto auf die Warte der Hohenstaufen; mit dem Geschichtschreiber durchlebte ich die Jahrhunderte der Romanisirung Deutsch lands, der Morgenröthe seines nationalen Erwachens in den Tagen der Humanisten, die Großthaten des Wittenberger Mönches und ihrer Welt erschütternden, fast unberechenbaren Folgen, das maßlose Elend des Dreißigjährigen Krieges und seines unwürdigen Friedensschlusses. Aus dem tiefsten Thal des Elendes der vaterlandslosen Zeit blickte ich freu dig hoffend auf die großen Schöpfer des Preußischen Staates, auf den großen Feldherrn und Staatsmann, der sich in dem großen Friedrich vereinte. An seiner strengen Selbstbeherrschung, an seinem muthvollen Selbstvertrauen und den Siegen seiner hohenzollernschen Tapferheit nährte sich meine Vaterlandstreue und meine Sehnsucht, sie mit meinem Leben sür ein neu zu bauendes Vaterland besiegeln zu können. Das Elend, der Glanz, die Folgen der deutschen Freiheitskriege gaben mir aber die feste Ueberzeugung, daß Deutschland nur seiner eigenen Kraft eine würdige Wendung seines Geschickes verdanken dürfe, daß es erst aber Preußens heilige Aufgabe sei, mit scharfem Schwerte Deuschland sich selbst wiederzugeben, um in dem europäischen Staateusystem den schmählich verlaßenen Ehrenplatz wiederzugewinnen, und —"