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Erscheint jeden Wochentag Übend- 6 Uhr für den andern Tag. Preis vierteljähr lich 2 Marl 2b Pf., zweimonatl. 1 Mk bv Pf. und ein- monatl. 7b Pf. Die Redaktion be findet sich Rinnen- gafie 96^. II. Et. Freiktrgtr^nstlgcr und Tageblatt. Inserate werden bis Vor mittag- 11 Uhr für nächste Nr. ange nommen u. die ge spaltene Zeile oder deren Raum mit 10 Pf. berechnet. Inserate sind stet» an die Expedition, Frotscherffche Buch handlung, zu senden. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. Mittwoch, dm 25. August. 1875. Z 196 nach Rußland hin auf das Dreikaiser-Bündniß berufen, welches die Erhaltung des Friedens in Europa zum Zweck Mr Sen Monat September eröffne« vir et« Monats-Abonnement ans den „Freiberger Anzeiger" rum Preise von 75 Pfennigen. Bestellungen nehmen in Freiberg die unterzeichnete Expedition, aus wärts sämmtliche Reichspostanstalteu eutgegen. Die Expedition des Freiberger Anzeiger. (Frotscher'sche Buchhandlung, Erbischestr. 609.) Oesterreich m,d die Sudslaven. Offenbar ist durch den Aufstand in der Herzegowina das benachbarte Oesterreich-Ungarn am meisten beschäftigt, den« das Feuer lodert dicht an seiner Grenze und breitet sich vielleicht über einen Theil der südslavischen Welt aus, von welcher ja auch der Kaiserstaat Stücke besitzt. Die Dalmatiner waren überdies eben dabei, für sich allein etwas in Revolution zu machen und damit die Wirkung der langen Reise des Kaisers Franz Josef merkwürdig genug zu illu- ßmen; jetzt machen diese rauhen Bergsöhne gemeinsame Sache milden Herzegowinem gegen die Türken. Montenegro, wenn es auch nicht offen schon Partei für die Insurrektion genommen, unterstützt sie doch heimlich. In Bosnien ist man offen ebenfalls gegen die Türkei aufgetreten. In Bulgarien gährt's; in Serbien wünscht man nichts sehnlicher und lebhafter, als durch eine allgemeine süd- slavische Erhebung das Joch der türkischen Herrschaft endlich l abzuschütteln. ES ist selbstverständlich, daß Oesterreich darüber in eine gewiße Unruhe gerathen muß denn so gern es den Türken die schönste Niederlage wünscht, so wenig darf es selbst seine Hand dabei im Spiele haben. Der junge Serbenfürst war bekanntlich vor Kurzem erst in Wien und gerade zur selben Zeit brach der Aufstand los. Man dürfte kaum mit der Annahme fehlschießen, daß die Sache lange vorbereitet war und der Fürst von Serbien darum wußte, in Wien auf den Busch klopfte und vielleicht den Wahn hegte, einen allgemeinen Aufstand auf der Balkan-Halbinsel unter die Protektion Oesterreichs zu stellen. Bezeichnend ist ja auch, daß anfänglich die Insurgenten der Herzegowina mit dem Rufe sich vereinigten: „Es lebe Kaiser Franz Josef!" In Wien hat man aber dem jungen Fürsten, wie es wenigstens scheint, keine Hoffnungen gemacht und ihm abgerathen, sich an dem Feuer die Finger zu verbrennen. Man hat sich beeilt, die strengste österreichische Neutralität gegenüber dem Aufstande zu verkünden und sich mit besonderer Verneigung habe. Freilich ist es ganz gewiß, daß sowohl Oesterreich wie auch Rußland nichts lebhafter wünschen, als dem Türken die Sorge für die südslavischen Völkerschaften auf der Balkan-Halbinsel und auch für die christlichen Tributstaaten Serbien und Rumänien abgenommen zu sehen. Rußland interessirt sich dafür, weil es jede Gelegenheit lieb hat, welche die Türkei schwächt; Oesterreich hegt den Wunsch, weil es bei Erfüllung desselben zu einem großen Einfluß auf die südslavische Welt käme, der sogar bis auf ein wirk liches Patronat ausgedehnt werden könnte. Aber hier wie dort treten die realen Interessen diesen Neigungen entgegen und keiner der beiden Staaten hat den Muth, den Brand offen zu schüren, weil man seine Ausdehnung nicht berechnen kann. Oesterreich, selbst wenn Rußland südslavische Anexionen zuließe, muß sich in seinem wohlverstandenen Interesse in der That vor solchen Versuchungen hüten. Es weiß, was es an Dalmatinern, Kroaten, Bocchesen, an Bosniaken, Slovenen und all' diesem südslavischen Völkermischmasch hat; es kann ihm unmöglich daran liegen, dergleichen Volk von Mausefallenhändlern noch mehr sich einzupropfen. Schon leidet dieser Staat von allerhand Völkerschaften durch seine Nationalzerrissenheit genug und eS ist am allerwenigsten das Slaventhum, von welchen Oesterreich Vortheil zieht, obwohl dasselbe sich am anspruchsvollsten und unruhigsten gebärdet. Die Südslaven gar sind die schlimmsten Brüder, mit denen über Kulturfragen eine Verständigung absolut unmöglich ist. Keine ungeschicktere und unheilvollere Politik könnte Oesterreich daher treiben, als sich durch Aussicht auf Ländererwerb verleiten zu lasten, das Schwergewicht an seinen Füßen noch zu vermehren Bringt jetzt schon der Kampf zwischen Deutschen und Slaven im Kaiserstaate den ersteren, und damit dem kräftigsten Kultur-Element, fort und fort physischen wie moralischen Schaden, so würde eine Vermehrung des Südslaventhums in Oesterreich nicht nur die Deutschen daselbst zu erdrücken drohen, sondern auch das immerhin politisch werthvollere Magyarenthum in aufreibende Kämpfe mit diesem Zuwachs treiben. Die südslavische Vergrößerung Oesterreichs würde seine Macht nicht erhöhen, wohl aber brechen; sie würde es mehr und mehr aus der deutschen Kulturwelt abdrängen und zu einem Slavenstaat machen, besten politische Auf gabe jetzt gar nicht bestimmt werden könnt«, die aber jeden falls nicht eine solche wäre, um Oesterreichs Ehrgeiz wach- zurufen. Das Beste vielmehr, was man in Wien thun ann, besteht darin, die Grenze gegen das Südslaventhum möglichst abzusperren und — soll man sich ihm auch nicht kindlich zeigen — so mit ihm um keinen Preis gemeinsame Sache machen. Die Ursachen des Aufstandes in der Herzegowina liegen zunächst in dem Ra<;enhaß der dortigen Bevölkerung gegen die Türken. In der großen Maste dieses aufständischen Volkes ist kein idealer Zug erkennbar und wenn ein solcher besteht, so hat er noch am meisten in Serbien und auch m Montenegro bewußte Anhänger. Dort will man in der That die Freiheit von aller Türkenherrschaft und, träumt selbst von Errichtung eines südslavischen Kaiserstaates, für den Serbien etwa dieselbe Rolle spielen möchte, wie Preußen für Deutschland. Noch ist ein Interest» für diese Idee außerhalb der slavischen Welt nicht zu spüren ; und dieses Utopien mit einem berechtigten Kulturkämpfe gegen die Türken zusammen zu stellen, findet noch wenig Anklang in der Politik. Man würdigt zunächst diese Bewegung nach dem Charakter des Aufstandes, wie er jetzt sich in der Herzegowina wieder bloslegt. Grausames Morden und Rauben ist der bestimmende Zug in den Masten, die da auf die Türken losgehen und die im Wirbel der Bewegung gern sich mit fortreißen lasten, weil man wenig oder nichts zu verlieren hat und weil das Leben in die Schanze zu schlagen diesen Natursöhnen nichts Ungewöhnliches ist. Aber auch der höhere Gedanke der Führer dieses Auf standes kann weder Oesterreich veranlassen, sich '.denselben anzueignen, noch die allgemeine Stimmung in Europa günstig dazu stellen. Was nützte das Erringen einer nationalen Unabhängigkeit, wenn mau doch nicht das Zeug in sich hat, einen auf festen Füßen stehenden selbständigen Staat zu schaffen? Noch ist der Glaube daran nicht vor handen, noch hat das Südslaventhum sich nur als ein Ele ment erwiesen, welches in der Gesammt - Kulturarbeit eine Achtung gebietende Rolle nicht übernehmen würde. Es käme aus der Herrschaft der immerhin friedlichen Türken nur unter die Vormundschaft Rußlands, die Oesterreich und Europa wahrscheinlich viel mehr Unruhe bereiten würde. So kann sich die europäische, besonders aber die nächst interessirte österreichische Politik lediglich begnügen, abzu warten, ob das Südslaventhum in sich selbst die Kraft findet, sich frei zu machen und schöpferisch an seine selbst ständige Aufrichtung zu gehen. Dann mögen die europäischen Biächte, wie einst für Griechenland — obwohl es keinen Dank eintrug — das letzte Wort darüber mit den Tiirken reden. Feuilleton. Schlosser als Eheprokurator. (Fortsetzung.) „Ich freue mich gewiß auch von Herzen," wandte sich die Geheimräthin im Tone des aufrichtigen Wohlwollens einer mütterlichen Freundin zu dem jungen Rittmeister, „und theile ganz die Ansicht und die Aussicht unseres treuen Freundts. Aber meine freudige Theilnahme wird ich bin immer aufrichtig — doch beeinträchtigt durch den Verlust, den Ihr Glück uns bereitet. Heute Abend M ich Sie hier zum letzten Mal bei mir sehen? — das kam zu unerwartet; — wenn Sie erst mit Moltke Schlach ten denken, dann werden Sie das stille Gärtchen ihrer alten Freundin bald vergessen." „Vergessen?" fragte Roßdahl fast wie mit einem Vor- ? c die Fragende. „Werden mich nicht hierher stets me Wichen Erinnerungen zurückrufen? Sollte und könnte denn je so undankbar werden, Denen den vollsten Tribut Dankbarkeit zu versagen, deren Freundlichkeit und Wohlwollen ich auch diese Stufe meines Glückes ewig ver danken muß?" " „Nun — dann hat wohl der alte Moltke Euch deshalb unserer famosen Armee Zeucht, weil Ihr der liebenswürdigste Tänzer auf den weil Geheimen Kommerzienräthin wäret, und L Äuud^ «iS mit Euch? mcht doch das Recht eines anderen 1 u.'cht wahr theure Freundin? I» dai N, „ach B«Un wenn 'ich Rollk wäre, kein Anderer als Ihr mein Alterego werden dürfte. So ein alter Knopf wie ich, hat doch auch so viel Einsicht und Verstand, daß ihm der besondere Werth eines wissen schaftlich sich hervorthuenden, eines historisch gebildeten, tapferen Offiziers sonnenhell iü die Augen springt." „Ah, Sie haben ja geschriftstellert; — richtig, richtig! Major L-tengel sagte noch unlängst, als auf die schöne Bibliothek meines seligen Mannes die Rede kam: die hat Roßdahl auch nicht umsonst benutzt; die wird ihm noch gute Zinsen einbringen." „Das ist es eben, weshalb ich lebenslang Ihnen, hoch verehrte Frau Geheimräthin, meinen vollsten aufrichtigsten Dank schulde und gern schulde," fügte der ehrliche Ritt meister nachdrucksvoll hinzu. Unter allen Werken ihrer reichhaltigen, mir so überaus freigebig geöffneten Bibliothek war es aber eines, das mich besonders fesselte das mich besonders begeisterte und ausrüstete zu verschiedenen lite rarischen Versuchen." „Ich habe ja gar nichts von diesem, hiernach doch so sehr brillanten literarischen Debüt erfahren? Das hätten Sie Ihrer alten Freundin doch nicht verschweigen dürfen! Sie Böser, Siel" sprach die freundliche Wirthin mit jenem Blicke, der zu strafen scheint und doch nur die vollste An erkennung ansspricht. „Aber welches Buch unserer Bibliothek hat Sie denn begeistert und zum Schriftstellern gebracht? Das muß ja ein ganz besonders tüchtiges Werk sein und soll Hinfort — wenn dem nicht schon so ist — gewiß den ersten Platz im Büchersaal haben." „Kein anderes als Schlosser's Weltgeschichte," erwiderte Roßdahl mit dem Tone dankbarster Verehrung. „Richtig, richtig!" siel der alte Oberst ein und vergaß ganz, daß er sich gerade eine neue Cigarre anzünden wollte. „Ja, der Schlosser, der Schlosser! Ich habe es Euch ja immer gesagt, als wir noch in dem ganzen Elende der ver maledeiten Konfliktsperiode waren und man schon ganz klug sein konnte und doch nicht wußte, wohin das führen und treiben sollte; die Geschichte muß unsere Diplomaten und Patrioten lehrmeistern und auf den rechten Weg bringen. Wir müssen erst begreifen, daß wir auf Irrungen und schiefen Bahnen uns befinden, und daß unserem schönen Deutschland nicht anders geholfen werden kann, als wenn durch die Federfuchsereien von 1815 ein kräftiger Strich gemacht und von vorn wieder angefangen würde. Ich dachte mmer, wenn der alte Blücher doch diesen dicken, dicken Strich mit seiner echten, festen deutschen Faust noch machen könnte. War es nicht so, Freundchen? Haben wir nicht oft hierüber gesprochen, während sie sich in den Kammern zankten und Bismarck die Sendboten über die Köpfe hieb? Jst's nicht so?" „Gewiß! Und deshalb gerade bin und bleibe ich auch Ihr Schuldner Zeit meines Lebens. Auf Ihrem Zimmer entstand an einem herrlichen Abend in mir, was wenige Tage darauf die Feder dem willigen Papier vertraute. Es lag draußen eine dumpfe Schwüle auf den regunslosen Bäumen des Gartens, am Horizont erhob sich's als sollten wir zur Nacht ein Gewitter haben. Wir sprachen von dem nationalen Elende seit dem Wiener Kongreß; Sie konnten mir so manches denkwürdige Erlebniß, manches treffende Wort von Männern der damaligen leitenden Kreise, von der nationalen Bundestagswirthschaft, welche jenen fran- zösisch-östereichischen und russischen Verhandlungen folgten und das sieghafte Preußen in den Satrapendienst der Metternich'schen Politik stellte, mittheilen, und ich glaube, ich war ein lernbegieriger aufmerksamer Schüler." „Ja, wenn ich an die Polizeiwirthschaft, die in de^ Eschenheimer Gaffe Ziel und Ausgang hatte, dachte, ward