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Jeilage zum Ireiöerger Anzeiger und Tageblatt. 185. Donnerstag, dm 12. MM. 1875. Lokales und Sächsisches. Freiberg, den 11. August. — Mit dein heute Vormittag 9 Uhr 40 Min. hier durch- sahrenden Kourierzug passirte Se. kgl. Hoh. Prinz Georg nebst Gemahlin, von Lindau kommend, unsere Stadt. — Die „D. A. Z." bemerkt zu der vorgestern mitgetheilten Erklärung Les „Dresdner Journal" in Angelegenheit der Sch önburgischen Gerichtsbarkeit: Aus dieser osfiziellen Erklärung geht hervor: 1. daß die königlich sächsische Regierung ebenso wenig, wie wir die in der „Post" entwickelten Ansichten über eine „Landeshoheit" der Schönburger als zu Recht bestehend anerkennt: 2. bah die königlich sächsische Regierung die Schön- burgische Gerichtsbarkeit als eine bloße „Privatgerichtsbarkeit" an sieht, welche als solche nach den neuen Justizgesetzen für das Reich (die nur noch eine Gerichtsbarkeit des Staates anerkennen) un bedingt fallen mutz; 3. daß zwar die königlich sächsische Regierung Anstand genommen hat, im Bundesrathe selbst für die Aufhebung der Schönburgischen Gerichtsbarkeit zu stimmen, weil diese Gerichts barkeit zu Len von Sachsen dem Hause Schönburg vertragsmäßig gewährleisteten Rechten gehört, datz aber eine solche Anstands rücksicht weil verschieden ist von jener positiven „Befürwortung" der Schönburgischen Rechtsansprüche im Bundesrathe, zu welcher nach den Artikeln der „Post" die königlich sächsische Regierung nicht blos geneigt, sondern auch durch eine förmliche Zusage ver bunden sein sollte. Die Schönburgische Gerichtsbarkeit ist und bleibt also beim Jnslebentreten der Reichsjustizgesetze, das nicht lange auf sich warten lassen wird, unrettbar dem Untergänge verfallen. — Wie in dem Jnscratentheile dieser Nummer das Direktorium der Braugenossenschaft bekannt macht, soll das auf nächsten Freitag fallende 25jährige Jubiläum der Eröffnung des Brauhofs Nachmittags durch Frei-Konzert auf der Terrasse und Abends Lurch Doppel-Frcikonzcrt ebendaselbst und in den: neben der Terrasse erbauten großen Zelte gefeiert werden, wobei bekanntlich ein Lem ersten Gebräu ganz ähnliches Bier verzapft werden soll. Vor 25 Jahren mnndcte das Bier so außerordentlich, daß mehrere Zecher drei volle Tage lang im Brauhof dem Gambrinus zu- gethan waren. — Wieder haben wir zu unserm Bedauern über ein rohcS Benehmen einer gewissen Klasse unserer Einwohner bei dem gestern Abend stattgefundcnen Begräbnis; des Bergakademikcr Latinack zu berichten. Man sollte meinen, daß bei einer solchen Gelegenheit unter dem erschienenen Publikum Ernst, Anstand zu finden gewesen wäre Aber nicht so, außerhalb des Gottesackers, da Unberufenen mit Recht der Zutritt nicht gestattet war, hörte mau b'ökende Töne, lautes Lachen, ungezogene Redensarlen, sogar zuin Steinewerfen nach der zur Aufrechterhaltung der Ordnung erschienenen Polizei kam es. Hoffen wir, datz durch exemplarische Bestrafung solcher Tumultuanten und Exzedenten diese Klagen in Zukunft ausbleiben. (Ein Referat über die Bcgräbnihfcier selbst ging uns leider erst nach Schluß des Blattes zu. Die Red.) — Gestern Abend in der siebenten Stunde ist auf hiesigem Bahnhofe beim Zusammenkuppeln von Wagen der Wagcnrücker Homilius zwischen die Puffer gekommen und am Oberkörper ge quetscht worden, so daß sich dessen Unterbringung im Stadt krankenhause nöthig machte. Lin Verschulden an diesem Unfälle trifft Niemanden. Schon seit längerer Zeit lebte inDresden ein Ehepaar sehr unglücklich miteinander, und behandelte der Mann die Frau in einer Weile, Latz die Nachbarn wiederholt das jammervollste Weh klagen der Frau gehört hatten. Die Differenzen zwischen dem Ehepaar mögen in letzter Zeit so ernster Art geworden sein, datz die Frau aus Besorgnitz für die Sicherheit ihrer Person sich nicht mehr getraut hat, in der Wohnung des Ehegatten zu übernachten, sondern es vorzog, entweder auf dem Aborte oder in einer Laube des Gärtchens zu nächtigen. Am Sonnabend scheinen nun die Differenzen ihren Höhepunkt erreicht zu haben, denn kurz nach der Nachhausckunft des Mannes hat der Streit wieder begonnen, und sah man die Frau mit aufgelöstem Haar lind verstörtem Gesichte die Treppe herabeilen. Später ist die Frau wieder nach der Wohnung gegangen und hat nach vielen Bitteil und Vorstellungen endlich Einlaß erhalten, worauf von dem Manne die äußere Thürc sofort abgeschlossen wurde. Wenige Augenblicke darauf ha man einen lauten Schrei vernommen, die äußere Thüre ist rase geöffnet worden und die Frau die Treppe herabgcstürzt, wo man sic später bewußtlos auffand. In die Wohnung gebracht, ist sie gegen Morgen verschieden, während der Mann, welcher die Frau ohne ärztliche Hilfe ließ, in einer Restauration sich aufhiclt. Ob die 53 Jahre, alte Frau die Treppe selbst herabgcstürzt oder von dem Ehegatten herabgcworfen worden ist, wird die cingclcitcte Untersuchung ergeben. In Dresden hat am Montag ein Steinsetzer, NamcnS Bcchant aus Markranstädt bei Leipzig, nach seiner Geliebten in der Woh nung der Herrschet des Mädchens auf der Pillnitz rstrahc g^ schossen, in der Absicht, sie zu tödten. Das arme Mädchen i schwer verletzt nach dem Stadtkrankenhausc gebracht worden. De Mensch hatte noch ein zweites Terzerol bei sich. Nach der That war der Thäter flüchtig geworden, wurde aber von einem Gendarmen auf der Pillnitzer Straße noch erreicht. Er hatte seiner Angabe zufolge seiner Geliebten seit mehreren Jahren Unter stützungen zukommen lassen, wodurch dieselbe nach und nach in bessere Verhältnisse gekommen wäre, und nun den Steinsetzer geringschätzig behandelt. Der Thäter ist erst 19 Jahre alt. - In Ansprung bei Zöblitz ist am 2. August eine Katze, nachdem sie Menschen und Thiere unter den Merkmalen der aus- gebrochcnen Tollwuth gebissen hat, erschossen worden. Die daran vorgenommcnc Sektion hat lcider als Resultat „Tollwuthvcrdacht' ergeben. Im Bade Marienborn-Schmeckwitz bei Kamenz er eignete sich am 7. L. M. ein höchst betrübender Unfall. Als Abends in der 8. Stunde die 73jährige Gattin des Kurgastes Herrn H. Gicrisch von Kamenz nach ihrer Stube gehen wollte, stürzte dieselbe in eine beim Scheuern offen gelasene Senkgrube in der Hausflur und fand hierbei ihren Tod. Vor einigen Tagen ist der Webermeister Uhlig in Lenge feld im Walde beim Suchen eßbarer Schwämme, die Heuer sehr reichlich gewachsen sind, von einer Otter in die Ferse gestochen worden, so daß er sehr bedenklich erkrankt ist, namentlich klagt er über heftige Schmerzen im Unterleibe. Landwirthschaftliches. Kornwurm. Vor 10 Jahren übernahm ich ein altes Ge bäude, in welchem durch vorheriges jahrelanges Lagern von Ge treide der schwarze Kornwurm — Oui-eulm Aranaiius — sich dermaßen cingenistst hatte, daß ich alles verkäufliche Getreide erst auf die Scheunentenne schaffen mußte, um dort unter Umschauseln, Bearbeiten mit der Windfege und namentlich Liegen an der Sonne die Würmer auskriechen zu lassen, metzcnweise wurden sie zu sammengekehrt und dem Federvieh gefüttert. Ich wendete dagegen ein mir in der Krim bekannt gewordenes sehr einfaches Mittel an, welches ich als durchaus probat empfehlen kann. Man bedeckt die Getreidehaufen einfach mit Schaffellen. Allerdings wurde ich vom Unglück begünstigt, indem ich durch Verhüten meiner Schafe zu großem Vorrath an Fellen kam. In wenigen Wochen waren die schwarzen Krebse derartig verschwunden, daß trotz allen Suchens kein einziger mehr gesunden wurde, wohin sie gekommen, weiß ich nicht. Da ich die Vorsicht gebrauche, alle Schaffelle — ohne die es in einer größeren Heerde ja me abgeht — auf die Getreidchaufen zu legen und im Frühjahre nicht zu verkaufen, so ist mein Haus bis heutigen Tages befreit von Kornwürmern. In Ermangelung von Fellen ist das öftere Durcharbeiten des Getreides namentlich mit der Windfege zu empfehlen, da der Kornwurm Störung und Wind nicht vertragen kann. Neue Vertilgungsart der Feldmäuse. Zur Ver tilgung der Feldmäuse empfiehlt Th. Bayer aus Colenczclewo bei Rokietnica in der Provinz Posen in der Posenschen „Landw. Ztg." ein Mittel, das auf eine Anwendung von Schwefeldämpfen basirt, die mittelst einer Räucherniaschine in die Baue der Mäuse getrieben werden. In eine Blechtrommel, die auf vier Beinen teht, werden Schwefel und alte Lumpen gethan. Die Trommel ,at eine Tülle oder einen Schlauch, der in das Mäuseloch gethan wird, welches man alsdann mit Erde fest bedeckt. Am andern Ende der Trommel befindet sich ein Blasebalg. Der Schwefel dampf wird mittelst des letzter» in die Mäufelöcher hineingeblafen und die Löcher, aus denen der Dampf herausdringt, nach und nach zngctrcten. Würde diese einfache Manipulation richtig ge macht, so würden die Mäuse sämmtlich getödtet werden. Inner halb weniger Tage könne man mit zwei geübten Leuten und 12 Kilo Schwefel auf Hunderten von Morgen die Hauptvlage beseitigen. Dolkswirthschaftliches. Die Meuselwitzer Braunkohlenbau - Gesellschaft Glück auf förderte in dem mit ultimo März d. I. abgelaufenen Geschäftsjahre l8,037 Hunde 5 5j Hektol. Kohlen. Verkauft wurden hiervon für 14,963 M., während 23,550 Hektol. für den eigenen Bedarf verwendet wurden. Der Bruttoertrag der Ziegelei bezifferte ich auf 36,756 M. Der Reingewinn stellt sich auf lü,888 M., welcher mit 5 A Dividende an die Aktionäre, je 172 M. an den Reserve- und Dispositionsfond, mit 368 M. Tantieme an die Direktion und 424 M. deSgl. an den BerwaltungSrath zur Vertheilung gekommen ist Die in der letzten Generalversammlung der Sächsischen Holz- Jndustrie-Gesellschaft beschlossene Ausgabe neuer Aktien in Höhe von 75,666 M. ist perfekt geworden und soll nach einer Bekannt- «achung dieser Betrag fünffach überzeichnet worden sein. Unter den etzigen Verhältnissen hat man wohl Ursache, einigen Zweifel in die Zuverlässigkeit der Ueberzeichnung zu setzen. Eine Vorversammlung der Aktionäre des Hainichener Stein, ko hlenbau - BereinS für die auf den 21. d. M. anberaumte außerordentliche Generalversammlung fand vor einigen Tagen in Dresden unter Vorsitz des Herrn Advokat LeSky statt. Anwesend waren 39 Aktionäre. Nach den Mittheilungen des Vorsitzenden be laufen sich die durch Entweichung de» Stadtrath Beck dem Vereine erwachsenen Verluste auf 276,666 M. und zwar 31,566 M. Reserve- sond, 31,266 M. Knappschaftskaffe, 36,660 M. in Effekten angelegte Kassengelder, 1 17,500 M. baare Kaffe und 50,006 M., welche von Beck ausgenommen sind, für die aber der Verein zu haften hat. Für die ersteren beiden Posten läßt sich eine Haftpflicht des Aus schusses feststellen, für die übrigen in nur sehr geringem Grade. Die Ansicht, in der Generalversammlung eine Kommission zu wählen, welche mit den Verwaltungsorganen im Vergleichswege unterhandeln soll, fand die Zustimmung der Versammlung. Der VII. GeschäftSauSweiS pro 1875 der Landwirthschaft- lichen Mobiliar-Feuer-VersicherungSgenossenschast im Königreich Sachsen konstatirt Pro Juli einen Zugang von 126 Versicherungen mit l,646,762 M. Versicherungssumme und mit 1418 M. bis Ende Dezember berechneter Prämie. Ende Juli ergab sich ein Bestand von 2485 Versicherungen mit 33,264,998 M. Ver sicherungssumme und 62,988 M. bi« Ende Dezember berechneter Prämie. An Schaden sind 33/1 M. angemeldet, wovon 2319 M. aus die Rückversicherer entfallen. Aus den deutschen Münzstätten herrscht eine große Tbätigkeit, welche sich auch auf die Herstellung silberner Fünfmarkstücke und Fünszigpfennigstücke erstreckt. Die Ausprägung der letztgedachten Münzstätte ist bekanntlich erst vor einigen Monaten vom Bundes rathe beschlossen worden. Die im laufenden Jabre für Rechnung des Reiches und zwar ausschließlich in Zehnmarkstücken auszubringende Goldmenge wird auf 66,060 Pfnnd fein belaufen. Vermischtes. * Der Sänger Mitterwurzcr aus Dresden, welcher vor Kurzem der Bühne Valet sagte und der als Sänger eine schöne Künstlerlaufbahn hinter sich hat, soll, wie man aus Wien meldet, geisteskrank geworden sein, und bereits Aufnahme in einer Privat irrenanstalt gefunden haben. * Vor Kurzem bestand in Heidelberg ein völlig tauber junger Mann, welcher cs durch Fleiß dahin gebracht, daß er das Gesprochene von den Lippen dcS Sprechenden ablcsen konnte, Las phylosophische Doktorexamen mit höchster Auszeichnung. * In Kis singen erregte ein dieser Tage vorgefallener Straßenraub und Mordversuch große Aufregung. Ein junger Mann begab sich am Sonnabend auf dem Wege über Nüdlingen und Münnerstadt nach Neustadt. Er traf mit einem Manne zusammen, der ihn mit einem Revolverschuß in die Hüfte schwer verletzte, ihm dann mehrere wuchtige Hiebe auf den Kopf versetzte, und ihm hierauf einen Betrag von 3200 Gulden und die Uhr raubte. Das Opfer dieses Verbrechens schwebt in Lebensgefahr. Nach dem Räuber wird noch gefahndet. * Im „Neuen Hofjäger" zu Berlin produzirte sich am vorigen Sonntage zum ersten Male eine Seiltänzerin Miß Vittoria. Bei ihrem zweiten Auftreten aber stürzte dieselbe bei ihrem letzten Ueberschreiten des Seiles mit dem Veloziped. Leider fiel Miß Viktoria unglücklichGveise jenseits des Seiles auf einen Tisch, sodaß sie, wie die „Nat.-Z." erfährt, trotz den Bemühungen mehrerer Aerzte an innerer Verletzung verstarb. * Schreckliche Ueberschwemmung., In der Nacht vom 4. zum 5. d. M. ist die freundliche Nahestadt Kirn Re gierungsbezirk Koblenz, von einer verheerenden Wafferfluth theil weise zerstört worden. Am oberen Laufe des Hahnenbachs, der in der Kirn der Nahe zuströmt, ging in der Stadt Rhaunen ein Wolkenbruch nieder, dessen Wasser zuerst im Dorfe Hahnenbach ganze Häuser fortritz und ganzen Familien ein nasses Grab bereitete. Zwischen 10—11 Uhr Abends, ohne das die Ein wohner die leiseste Ahnung gehabt, stand Kirn dann plötzlich unter Wasser, welches in wenigen Minuten biL an die Dächer der Häuser reichte, manche derselben mit ihren schlafenden Be wohnern sortriß, fast sämmtlicheS Vieh tödtete und entsetzliche Verwüstung anrichtete. Zwei Stunden lang staute sich daS Wasser vor der Nahe, dann verlief es sich und war bei Tages anbruch bereit? aus den Stadttheilen verschwunden. Mit dem grauenden Morgen sahen die Anwohner der Nahe bis Bingen Betten, HauS- und Feldgeräthe, Leichen rc. vorbeitreiben. Als nun der Telegraph die Schreckenskunde brachte, eilten von allen Seiten mitleidige Menschen mit Lebensmitteln rc. herbei, und heute sind bereits die Feuerwehren der Umgegend mit dem Fort schaffen des ertrunkenen VieheS (mehrere Hundert Stück) und dem Reinigen der Straßen beschäftigt. Die Einzelheiten, die man in der zerstörten Stadt gesehen und gehört, sind haarsträubend, das Elend gräßlich. Die Zahl von 32 Vermißten ist amtliche Schätzung, wenn auch eine endgültige Festellung den Umständen nach nicht möglich sein konnte. Bis gestern Abend find in Kirn bereits 19 Tobte im Schutt ausgefunden oder aus der Nahe gelandet worden, Ebenso ist nur zu wahr, daß in einem von mehreren Arbeiterfamilien bewohnten Hause, welches beim ersten Anprall der Fluchen vom Boden verschwand, von 19 Personen nur eine davon kam. Das Unwetter hat bereits am Nachmittage des 4. an der Mosel getobt. Die Stadt Trarbach und der Flecken Enkirch wurden unter Wasser gesetzt; viele Häuser find unterwühlt und drohen den Einsturz. Der Schotibach hat die Wassermasse in seinem gröhtentheils unterirdisch geführten Lauf durch Trarbach nicht mehr aufnehmen können und seinen Weg durch die Straßen oer Stadt genommen und dadurch großen Schaden verursacht. Auf den Chausseen des HundsrückenS sind mehrere Brücken weggerissen und viele Telegraphenstangen umge worfen. Der Verkehr ist an vielen Stellen für Fuhrwerk gehemmt. * Der Gesammtschaden, welchen der Wolkenbruch vom 26. Juni d. I. in Ofen und dessen Umgebung verursacht hat, beläuft sich auf 2,549,586 Fl. * Eine neue Barbara Ubryk ist in dem Dorfe Nächst- Neuendorf im Teltow'schen Kreise entdeckt worden. Berliner Blätter berichten darüber: Bereits vor 6 Jahren verschwand in dem genannten Dorfe die damals 16 Jahre alte, sehr hübsche, aber etwas geistesschwache Tochter Juliane der Eigenthümerin P. spurlos. Das Gerücht, das Mädchen sei verschollen, sand damals allgemeinen Glauben, bis vor etwa 2 Jahren der aus dem hannoverschen Dienst übernommene berittene Gendarm LipS nach Zoffen kam, zu dessen Distritt Nächst-Neuendors gehört. Ihm wurde Kenntnitz von dem Verschwinden des Mädchens gegeben, und nachdem er Erkundigungen über die näheren Umstände ein gezogen, wurde in ihm der Verdacht rege, daß daS Mädchen nicht verschollen, vielmehr versteckt gehalten werde. Durch die von ihm im Geheimen vorgenommenen Recherchen wurde Lieser Verdacht nur zu bald bestätigt. Lips machte, nachdem er Ver dachtsmaterial gegen die Mutter des Mädchens gesammelt, sofort dem zuständigen Amtsvorsteher Linke in Zoffen Anzeige, und beide Beamte begaben sich am Mittwoch früh nach Nächst-Neuendorf, um im Hause der P. eine Durchsuchung der Wohnung vor zunehmen. Schon beim Eintritt in das Haus machte sich ein so starker Modergeruch bemerkbar, daß sie sofort die Fenster öffnen mußten. In einer finsteren, etwa 5 Fuß hohen Kammer bot sich ihnen ein entsetzlicher Anblick dar. Auf einem alten Bett gestell, in welchem sich nur wenig ganz vermodertes, nasses Stroh befand, kauerte ein nacktes, zum Skelet abgemagertes Frauen zimmer mit eingezogencn Beinen. Von Kleidung war nicht eine Spur an dem schmutzigen von Ungeziefer wie besäten Körper der unglücklichen Person zu entdecken. Als die Beamten eintraten, sah dieselbe sie mit stieren Augen an; es war indessen nicht möglich, sich mit ihr zu verständigen. Es wurde nun von dem Amtsvorsteher die Reinigung des völlig blödsinnig gewordenen Mädchens und die Bekleidung desselben angeordnet und demnächst der Transport des Mädchens, sowie der Mutter nach Zoffen ver anlaßt. Der dort hinzugezogene Arzt ordnete sofort den unver züglichen Transport der bejammernSwerthen Person in eine Heil- Anstalt an, während die unnatürliche Mutter in Untersuchungs- arrest genommen worden ist. Auf Anordnung des LandrathS- amts deS Teltow'schen Kreises wurde noch am Mittwoch der Transport der Unglücklichen in die hiesige Charitee veranlaßt, wo dieselbe am Abend desselben TageS eingeliefert worden ist. * Heuschreckenbeförderung auf der Eise,nbahn. Wie Reisende, die mit dem Kourierzuge am 7. in Königsberg ein- trafcn, mittheilten, haben schon von Berlin an eine Menge der gc- sürchteten Heuschrecken an den Wagen gesessen und die Fahrt bis dorthin mitgemacht. Auf diese Weise wäre es also zu erklären, wie diese Thiere sich auf so weite Strecken hin und so schnell