Volltext Seite (XML)
Amtsblatt für die königlichen nnd städtischen Behörden zu Freiberg und Brand ,V172 Mittwoch, den 28. Juli. 1875 FcuUrN v -l. ht zu vn- el n Mundell«, ist sehr einfach. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sitzen um einen runden Tisch und dort werden in jeder Woche im Voraus die Löhne vereinbart. Eine Erhöhung oder Erniedrigung derselben muß einen Monat vorher beantragt werden. Unser System ist zu einem vollständigen Erziehungsprozeß für die Arbeiter geworden. Sie haben sich daran gewöhnt, die Wirkung des Fallens oder Steigens eines Rohprodukts ganz so wie wir in Erwägung zu ziehen. Einigungs- oder Lersöhnungsämter füllen zehn dicke Folio bände. Die Engländer gehen in solchen Dingen sehr ' gründlich zu Werke, ehe sie sich zu einer Maßregel ent- chließen, von deren Erfolg odev Mißerfolg das Wohl oder Wehe von Tausenden abhängt. Unter den über diese Frage vernommenen Sachverständigen erklärte z. B. Mundella, daß die Fabrikanten in Nottingham es waren, die, des Haderns und Strikens müde, die Arbeiter und Werkführer einluden, um den selbstmörderischen Charakter ihres Vor gehns in Erwägung zu ziehen. Die Fabrikanten setzten den Arbeitern auseinander, daß es nichts als ein Raub system sei, wenn beide Theile die jeweilige Konjunktur rücksichtslos ausbeuten. Anfangs waren die Arbeiter voll Verdacht, aber bald einigte man sich dahin, alle Streitig keiten einer Mittelsperson zu überweisen und deren Ent- reichische Regierung beabsichtigen, für solche Vereinigungs ämter selbst die Initiative zu ergreifen. Freilich wäre es besser, man nähme sich dabei das englische Muster zum m Verkauf lsdors. Art werden NarstaU- erblicken wir eine Institution, welche dem zügellosen Gebrauch dieser Freiheit ein wohlthätiges Korrektiv zur Seite stellt. Nur dadurch wird der Arbeiter sich gewöhnen, mit that- sächlichen Verhältnissen anstatt mit Phrasen zu rechnen. organ die Sache viel früher und mit weniger Verlusten auf beiden Seiten zu Ende geführt haben. Die Erfahrungen über die Wirksamkeit der englischen rst immerhin schon die staatliche Initiative ein Schritt zum Besseren. Jedermann wird einräumen, daß das jetzige Verhältniß zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein sehr unerquick liches ist. Die Koalitionsfreiheit wurde seiner Zeit als eine Errungenschaft begrüßt, aber wir haben auch ihre Schattenseiten kennen gelernt. Sie wurde in den Händen der Arbeiter zu einem zweischneidigen Schwert, mit welchen sie ihre Gegner, aber auch sich selbst verwundeten. Trotz dem wird es keinem Menschen einfallen, zum alten Stand punkte zurückkehren zu wollen; aber in den Einigungsämtern ivak uften )St. Er, .hren, )ruhr, richtig mit .a.m. mittag Nähe > Heiz- Küche, Boden- Ganzen massiv em em- Hinter- er Ein- rwaßer, astertem aum ic. u fügt gütigst Vorbilde und überließ die Organisation den betheiligten Parteien, wenn nicht zu befürchten stände, daß die durch die ozialdemokratische Phrase auf falsche Bahnen gelenkten Arbeiter selbst den besten Intentionen der Arbeitgeber ein freiwilliges Entgegenkommen verweigern würden. Darum Brust, und ein Seufzer hob dieselbe, und es war der erste Ton, welcher auf dem Friedhöfe erscholl, seit zwei lebende Menschen darin verweilten. Ludwig erschrak selber fast über diese Unterbrechung der einsamen Ruhe — aber nun bewegte er auch die Lippen und murmelte. „Das Räthsel meines Lebens I Wie doch das der unheimliche Mensch damals schon so gut wißen ... Ha, das ist er selber wieder!" Er hatte den ersten Satz unvollendet abgebrochen, denn plötzlich erklangen hinter ihm Geigentöne, das Lied von dem Reif in der Frühlingsnacht. Rasch hatte sich Ludwig umgcwendet und blickte nach der Richtung, von welcher her die Töne erklangen, in welcher das Grab lag mit der verloschenen Inschrift auf der ovalen Blechtafcl, mit dem buschigen Rosenstrauche, dessen Blätter die herbstlich kalten Nächte, die rauhen Winde bereits abzustreifen begonnen hatten. Dort saß er wieder, der fragwürdige Mensch, der Dorffiedler, dessen Spiel doch, zumal hier auf dem Friedhose, so tief er greifend sein konnte, vom bleichen Monde geisterhaft be schienen, und kehrte dem Sohne des Gerichteten den Rücken zu, wie an jenem Morgen — und fiedelte ktes, im chlr. sind n sich im >, sowie sbetriebe. Berthels- Mbb.j Blei werde" rstallgebäud« Das Ende des Lrmmer Zinkes. Weder einmal ist die Welt um ein Experiment, welches die moderne Sozialdemokratie in Szene gesetzt, reicher ge worden. Der Brünner Strike gilt als beendet. Ueberblicken wir das Resultat desselben, so haben die Arbeiter ihren Nomal-Taris fallen gelaßen und einige Fabrikanten ge ¬ standen eine theilweise Lohnerhöhung zu. Das nennt man M Kanonenkugeln nach Kirschen schießen, denn solche Er- Msse hätten sich auch auf billigerem Wege erreichen laßen, i Min dieser Strike ist immerhin nicht arm an lehr- nihen Momenten. Gerade diese massenhaften Brünner Mitseinstellungen haben die Aufmerksamkeit auf eine Mution gelenkt, die aus ähnlichen Anläßen in englischen Mstriebezirken ins Leben gerufen wurde und sich dort vortrefflich bewährt hat. Wir meinen die Institution der ! Jahr alt, er Lech in mit dem »irector ieuberz tzinigungsämter. ^st bei jedein Strike kann man die Erfahrung machen, ^««gelndes Verständnis; für die geschäftliche Konjunktur, von welcher die Höhe des Lohnes bedingt ist, den Ausbruch des Kampfes herbeiführt und denselben verschärft. Ebenso spricht die Erfahrung dafür, daß der Mangel einer zwifchen dm kämpfenden Parteien stehenden Autorität die Verstän digung erschwert und daß infolge dieses Mangels der Strike noch svrtdanert, wenn auch beide Theile von seiner Nutz- > lvsigkeit, ja von seiner Verderblichkeit überzeugt sind. Höchst wahrscheinlich hätte der Strike in Brünn gar nicht begonnen, wenn die Fabrikanten Gelegenheit gehabt hätten, den Arbei- I tern einen Einblick in die geschäftliche Konjunktur zu ge- I währen, die eine so großartige Lohnerhöhung, wie sie gefordert .wurde, im gegenwärtigen Augenblicke als ein wahnwitziges .Unternehmen erscheinen ließ. Auch würde ein VermiUlungs- Am Abgrunde. Roman von Eo Werner (Forljetzung) Bon dem düsteren Schatten des einen Kirchenpfeilers hatte sich eine hohe Gestalt gelöst und schritt langsam, unsicher, wie es aussah, zwischen den Gräbern dahin. Der Jann mußte den Friedhof durch den Haupteingang vorn der rorsstraße her betreten haben, nur um Sekunden Der, als der Fiedler an die Pforte kam, wo er noch Md. Während dieser sich prüfend umsah, umschritt der Were die Kirche und jetzt beschien der Mond voll und M seine Gestalt — es war Ludwig Steinbach, Nordheim's Verwalter. scheidung sich zu unterwerfen. „Unser Verfahren, erzählt . i. Wonnements-Einladung. Mr die Monate und «Mm wir ein neues Z Monats-Abonnement us den „Freiberger Anzeiger" znm Preise von 1-iar! 5V Pfennige. Bestellungen nehmen aus- »irtS sämmtliche Postaustalten und in Freiberg »ie mrkrzeichnete Expedition entgegen. Lrotscher'sche Buchhandlung, Erbischestrake Rr. «VS. Denken sie, daß die Dinge gut gehen, so verlangen sie an dem Gewinn durch eine Lohnerhöhung cheilzunehmen; wenn sie aber denken, daß das Geschäft-schlecht geht, sind sie mr niedrigeren Lohnsätzen zufrieden." Dieses Schiedsamts- System ist in vielen Gegenden Englands eingeführt und soll sich vortrefflich bewähren. Das englische Parlament gewann sehr bald die Ueber- zeugung, daß diese Einrichtung gut sei, aber es hütete sic vor der zwangsweisen Einführung der Einigungsämter, da es sehr wohl weiß, wie empfindlich der englische Volks charakter gegen Oktroyirungen ist. Bei uns liegt die Sache freilich etwas anders und ebenso in Oesterreich. Hier w dort ist man daran gewöhnt, den Impuls von oben zu erhalten. Es giebt wenig sozialpolitische Reformen, die aus der Mitte der Bevölkerung hervorgegangen, die nicht durch einen Akt der Gesetzgebung ins Leben gerufen wären. Angeregt durch den Brünner Strike, soll nun die öster- Erscheint jeden Wochentag Abends g uhr jur dB andern Tag. Peet» oierleljöyr- bch L Mar« 25 Pf., »weunvnatl. 1 Ml. vv Ps. und ein- monatl. 75 Ps. Die Redaktion be» »ndet sich Rinnen« gaffe Ri^. ll. Et. Tagesschau. Freiberg, den 27. Juli. In den letzten Tagen brachte die in Leipzig erscheinende „Deutsche Allgemeine Zeitung" eine recht lehrreiche Blumen lese aus Artikeln der „Neuen Retchszeitung" in Dresden, welche bekanntlich als Organ der neuen konservativen Partei in Sachsen gilt. Da war zuerst ein Artikel, worin von dem jungen Kreuzzeitungsableger die Rheinreise des Ministers vr. Falk und die ihm dabei gebrachten Huldigungen in einer Weise bespöttelt wurden, welche nicht gerade auf große Sympathien für den von der deutschen Regierung geführten „Kulturkampf" schließen läßt. In einem zweiten Artikel spricht die Reichszeitung ihren schlechtverhehlten Aerger über die neueste, den Karlisten ungünstige Wendung der Dinge in Spanien aus. Ein dritter und vierter Artikel athmen eine tiefe Verstimmung über den Sieg des Liberalismus in Baiern — den Sieg über wen? Ueber denUltramon- tanismus! Die „Deutsche Allg. Ztg." bemerkt dazu: „Es fällt uns nicht ein, mit den Redakteuren der „Neuen Reichs zeitung" über die Berechtigung des Kulturkampfes, die Vorzüge der liberalen oder der ultramontanen Partei in Baiern oder die karlistische Sache in Spanien streiten zu wollen, oder es ihnen zu verübeln, wenn sie in allen diesen und fiedelte wie selbstvergeßen und geistesabwesend — „es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht, er fiel auf die schönen Blaublümelein, sie sind verwelket, ver dorret. Was mochte das für ein böser Reif gewesen sein, und welches war das zarte Blaublümelein, das unter seinem eisigen Hauche sein Leben daran geben mußte? Das Blaublümelcin ruhte dort unter jenem Hügel, auf welchem der Fiedler saß, gewiß! Und der Fiedler selbst — war vielleicht auch in dem schönsten Theile seines Wesens von dem Reife hart und schonungslos getroffen worden — und nun war er der tolle Heinz. So schnell sich Ludwig umgewendet hatte, gewiß in der Absicht, sich dem Anderen zu nähern, der außer ihm allein noch in dieser Stunde auf der Stätte der Todten weilte, so hob er doch reu Fuß nicht auf und schritt nicht vorwärts, sondern blieb bewegungslos stehen. Es war die Magie der Töne, der Schwermuth, des über wältigenden Schmerzes gerade dieser Melodie, welche sich mit Allgewalt auf sein Herz legte und die er mit einem beinahe Wollust zu nennenden Gefühle auf sich wirken ließ. Ja, ja, das waren seine Gedanken, seine Gefühle, das war der Zustand seines Herzens und seines Gemüthes, der in diesen weichen klagenden Klängen hinauszitterte in den blassen Mondenschein, in die schweigende Nacht, über den Friedhof mit seinen Leichen, die den letzten Schmerz, der gewiß nicht der höchste war, allesammt schon über standen hatten. Thränen hatten sich in Ludwigs Auge gestohlen, Thränen, ihm selber unbewußt. Er weinte leise, ohne Schluchzen, wie manchmal Kinder weinen — und er hatte selber keine Ahnung davon — und das Lied erscholl weiter, von Strophe zu Strophe — und dann von Neuem angefangen — und der Fiedler wurde nicht müde — „es halt' ein Knab' ein Mägdlein lieb, sie liefen heimlich von Hause fort, es wußt's nickt Vater noch Mutter!" In krampfhaftem Schmerze griff Ludwig an das eigene I Der tolle Heinz schien nur wenig überrascht durch des Lüngen Mannes Erscheinen, unangenehm berührt war er Dadurch keinesfalls, im Gegentheil. Seine Augen funkelten, M seine dünnen Lippen zuckte es, indem er den Weg Ludwigs verfolgte. Ter unglückliche Liebhaber Wally's war langsam näher nommen, jetzt an der Pforte vorübergeschritten, und bald «rauf stand er seitwärts von derselben, dicht an der Kirch- »ssmauer, dort, wo seines Vaters Grab sich befand. -Jetzt wird die Rache erfüllt werden," flüsterte Erler ' »jetzt oder nie!" Ludwig drehte ihm und der Pforte den Rücken zu. eviß war er tief in trübe Gedanken versunken, denn als an dem Geiger vorbeikam, und während seines ganzen kges von der Kirche bis hierher hatte er den Blick auf «Boden gehestet behalten. Erler aber, seine Geige >er dem Arme, huschte lautlos durch den Mondenschein in, zwischen die älteren Gräberreihen hinein, nach der- «rn Stelle, wo Ludwig ihn an jenem Morgen auf dem vde unter dem Rosenstrauche überraschte. Hier nahm 5 Inserate M ' werden bis Vor« «lberaerMMger« (A Frotschcr'sche Buch« Handlung, zu senden. und Tageblatt. er, nachdem ein Blick zurück ihm die Gewißheit verschafft, i daß Ludwig seine Gegenwart noch nicht bemerkt, auf dem verfallenen Hügel Platz, wie er so oft schon auf dem- , selben Platz genommen hatte, und saß geraume Zeit still und regungslos. Auch Ludwig stand da wie mit dem Boden ver wachsen, als sei er eine Figur aus Stein. Er regte sich nicht, er bewegte kein Glied — nnd zu Boden starrte er, auf den Rasen hinab, unter welchem sein Erzeuger .schlief, ein Unglücklicher gleich ihm. Sollte denn auch an ihm das Wort zur Wahrheit werden von der Sünde jder Väter, die an den Kindern heimgesucht wird biss - in's dritte und vierte Glied? Ja wohl, es wurde wahr > — und des Vaters Sünde lag schwer, schwer auf seiner