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Amtsblatt für die königlichen und städtische» Behörden zu Freiberg und Brand Sonnabend den 17. Juli. 1875/ 163 Phropheten zu sein rühmen. Der arme Phrophet! Alle Welt weiß, daß er nur aus Nerger darüber, daß die um die Bekämpfung der Arbeiter unter einander, berufen sich die Hamburger darauf, die Gothaer die Prinzipien Lassalle'S verleugnet, während sie sich die unverfälschten und echten Anhänger des direkt Zwar hätten selbst Bestehende ins Werk zu setzen — ein Unterfangen, durch das er nur den Verdacht bestätigte, den man längst gegen ihn hegte, den Verdacht, ein ganz chamäleontischer und unberechenbarer Politiker zu sein. Will man aber auch einräumen, Lassalle habe wirklich in erhabener Selbst losigkeit durch seine reformatorischen Ideen die Welt zu beglücken vermeint, so scheint es uns doch sehr fraglich, ob er, wenn er die zweifelhaften Geister auf der einen wie auf der anderen Seite sehen könnte, die heute sein Panier hochhalten, nicht Scham und Widerwillen vor der Karikatur empfinden würde, zu der sich seine ursprünglichen Ideen verzerrt haben. Schließlich aber spielt die Ironie des Schicksals den Hamburgern noch einen Übeln Poffen. Sie wollen den Arbeitern davon abrathen, sich von den Gothaern führen zu lassen, sie sollen sich lieber der Hamburger Führung le Front gemacht, sie seien abermals ausgeschlossen und eine wirkliche Vereinigung also doch nicht vollzogen. Daher der Appell an die Arbeiter, sich nun mit den Hamburgern zu vereinigen, da sie die wahren Jünger Lassalle'S seien. „Sollte der Mann", heißt eS nach diesen Präliminarien, „welcher die uns für immer heilige Fahne mit seinem Körper, seiner Freiheit, seinem Leben Jenen gegenüber deckte, die ihm gleich kläffenden Hunden die Zähne entgegen- letschten. sollte der Mann für Eure, für unsere Sache, für die Sache der Enterbten gekämpft und gelitten haben, da mit sich diese nun selbst bekämpfen? Nein! das könnt, das werdet Ihr nicht wollen" ». s. w. Sehr schön gesagt! Nichtsdestoweniger aber find es doch die Hamburger selbst, die zu einer solchen Bekämpfung die Einladung ergehen lasten. Mögm sie immerhin als Zweck ihrer geplanten Versammlung eine Vereinigung aller Arbeiter hinstellen; sie wissen selbst sehr gut, daß dieser vorgebliche Zweck doch nicht erreicht werden wird, daß viel mehr besten Falles den vereinigten Gothaern nur einige tausend Anhänger abgejagt werden sollen. Es handelt sich also im Grunde trotz aller Phrasen erst recht und gan anvertrauen, denn ganz ohne Führer läßt sich nun doch mmal, wie es scheint, durch die sozialistische Gedanken wildniß nicht reisen. Und da rufen sie nun in die Welt hinaus: „Mitarbeiteri Der Kampf, den Eure Führer auS- echten, ist ein Kampf der individuellen Anmaßung, der persönlichen Eitelkeit und um die eigene Existenz I Laßt Euch dadurch nicht Eure Sinne verwirren, zeigt, daß Ihr Selbständigkeit und eigenen Willen habt, daß Ihr Euch nicht zum Spielpall einer Hand voll Leute mache» laßt!" Nun mag der Arbeiter zusehen, wie er sich zurecht findet. Da ist eine Hand voll Leute in Gotha und eine andere Hand voll Leute in Hamburg, zwei Hände Volt Führer. Diese Führer erklären ihm ganz offen, daß sie sich nur aus persönlicher Eitelkeit, und um ihr Dasein zu fristen, gegenseitig in den Haaren liegen, und die eine Hand voll warnt ihn, sich nicht von der andern Hand voll ins Schlepptau nehmen zu lassen. Angesichts dieser klaren Situation, klarer als sie je zuvor gewesen, wird der Herr Arbeiter, sollten wir denken, doch wohl nun endlich dahinter- kommen, daß es für ihn das Beste ist, die Hand auf die Tasche zu halten und sich mehr auf seinen gesunden Menschenverstand, als auf die Gothaer und die Hamburger zu verlassen. An und für sich kann uns übrige Menschenkinder dieser häusliche Unfrieden wenig interessiren; wir halten die Bestrebungen der Gothaer für ebenso verfehlt, wie die jenigen der Hamburger. Aber da man sich immer wieder mit hochtönenden Phrasen „Au die Arbeiter Deutschlands^ wendet, so glaubte» wir im Vorstehenden der Sache selbst etwas näher treten zu„sohen. " auhängen, wie: Reichslappen, Preßkosaken, Preßbengel, Lümmels" u. s. w. „Es ist wahrlich zum Ekel", sagen die Hamburger, „fortwährend solche Redensarten zu lesen, wir gehen also darüber hinweg zu untersuchen, wer der eigentliche Lümmel ist." — Wir auch! Nach diesem Pröbchen aber mag man urtheilen, wie der Streit geführt wird und was für die Arbeiter dabei heraus- kommen kann, ob sie sich auf diese oder auf jene Seite schlagen. Die Hamburger behaupten, die Gothaer Einigkeit sei den Teufel Werth. Sie selber seien es, die schon vor drei Jahren die Nothwendigkeit einer allgemeinen Ver einigung betont hätten; damals aber seien sie von den Führern des „Allgemeinen deutschen Arbeiter-Vereins", wie eS wörtlich heißt, „auf die niederträchtigste Art ver leumdet" und aus den Vereinen ausgeschlossen worden ; jetzt hab« in Gotha „das ganze Literatenkonsortium" gegen Der alte Unfrieden. Trotz ihrer Bereinigung auf dem Gothaer Kongreß herrscht in den Reihen unserer Sozialdemokraten der alte Unfrieden nach wie vor. Ein Berliner Blatt erzählt, daß die Spannung zwischen den Hamburger Sozialisten, welche jetzt eine Versammlung nach Hamburg vom 28. bis 31. August auSschreiben, und dem Berliner Hauptverein schon lange vor dem Gothaer Kongresse existtrte. Schon im Beginn dieses Jahres war der Berliner Kassirer angewiesen, keine Beiträge von den Hamburgern mehr anzunehmen, so daß diese nunmehr genöthigt waren, sich unter der Führung eines Herrn Bräuer, zugleich verantwortlichen Herausgebers des Hamburgischen „Sozial-Demokrat", als besondere Frak tion zu konstituiren. AIS nun der Gothaer Kongreß kam, wurde diese Fraktion an die Lust gesetzt und grundsätzlich von der Vereinigung ausgeschlossen, wie folgendes Dekret besagt: „Der Sozialisten-Kongreß zu Gotha hat beschlossen, daS Mandat der Bräuer'schen Fraktion nicht anzuerkennen. Im Austrage der MandatS-PrüfungS-Kommission: F. W. Fritzsche, Vorsitzender. G. Auer. W. Hasselmann. Vahl teich. Heinrich Rackow. August Geib." Diese Maßregel mußte, wie sich denken läßt, die Ham burger gewaltig wurmen, und seitdem bekämpfen sie in ihrem Organ „Sozial-Demokrat" die vereinigten Gothaer mit der wüthendsten Erbitterung. „Lügen, Verleumden und Todtschweigen", sagt die Hamburger Fraktion, „das Tagesschau. Freiberg, den 16. Juli. In Bezug auf die Reise des deutschen Kaisers und speziell seines Aufenthalts in München wird nachträglich noch ge meldet, daß nach dem Diner, welches der Kaiser auf dem dortigen Bahnhofe einnahm, die Prinzen Luitpold, Leopold (letzterer mit seiner Gemahlin Gisela), Arnulph und Ludwig zur Begrüßung erschienen. Ob Kaiser Wilhelm mit dem Könige von Baiern, der bekanntlich in seinen Entschlüssen, namentlich wenn es sich um Etiquette-Fragen handelt, un berechenbar ist, noch zusammentreffen wird, ist trotz früheren Angaben ungewiß. Fast möchten wir's bezweifeln; denn König Ludwig entfernte sich wenige Tage vor der angekün digten Ankunft des Kaisers von der in seiner Nähe befindlichen Reiseroute und alle Empfangsfeierlichkeiten wurden in letzter Stunde abgesagt. Um so intimer war die gestern in der haben Euer Gnaden gewiß mehr Zeit — oder nicht? Na, na, nur keine Hitze wieder! Ich bin schon zweimal der ! Botengänger von Fräulein Wally Werdenberg zu Herrn Ludwig Steinbach gewesen — das zweite Mal freilich ohne Erfolg, weshalb ich jetzt zu Ihnen komme." Nordheim befand sich in einem Zustande der peinlichsten Spannung, von welchem er sich durchaus nichts merken lassen wollte. Aber der Dorsfiedler war viel zu schlau, um den Zustand seines Hörers nicht zu begreifen. Warum, so sagte er sich, hört der sonst so sehr fein sein wollende ' Gnädige mich an, so geduldig noch dazu, wenn ihm nichts an der Sache gelegen ist? — „Ich will nicht bestreiten, daß Nachrichten über die beiden von Euch genannten Personen einiges Interesse für mich haben", sagte Nordheim- „Aber vermeidet möglichst alle Umschweife und geht so gerade als Ihr könnt auf den Kern der ganzen Sache los." „Auf den Kern, ja, gnädiger Herr — und der Kern ist, daß Fräulein Wally und Herr Steinbach sich gern haben möchten und nicht kriegen sollen, und daß Fräulein Wally und Herr Nordheim sich kriegen sollen, und wenigstens von einer Seite nicht gern haben möchten." „Meister Erler, wißt Ihr auch, daß Ihr außerordentlich frech seid?" fragte Nordheim, welcher ernstlich ärgerlich wurde. „Herr Steinbach", fuhr der Fiedler ohne Beachtung dieser Frage fort — „war zu gestern von Fräulein Wally nach dem Gloriett bestellt gewesen — und da sie nun selber nicht kommen konnte so hat sie mich an ihrer Stelle ge schickt. Was, ein hübscher Stellvertreter?" Er lachte über seinen eigenen Witz und machte eine kurze Pause. „Je nun, was konnte der arme Teufel thun, als sich in das Unvermeidliche finden — und ich fuhr dann hierher zum Erntekränze." Meister Erler, welchen eigentlichen Zweck hat Euer Besuch?" drängte Nordheim. „Hat den eigentlichen Zweck, Geld zu verdienen, gnädiger Herr." „Und auf welche Weise stellt Ihr Euch vor, daß dasselbe verdient werden soll?" „Ich kriegt Bezahlung von Fräulein Wally Werdenberg — das ist Nunimer Eins. Ich kriege dann Bezahlung von Herrn Steinbach — das ist Nummer Zwei. Vielleicht, dachte ich, kriege ich auch Bezahlung von Herrn Nordheim und das wäre dann — Nummer Drei. Oder ist Euer Gnaden an dem tollen Heinz und an alledem, was er wissen kann, nichts gelegen?" Nordheim schwankte, welche Antwort er auf diese ziemlich unverhohlene Anerbietung zum Verrath geben sollte. , Ich weiß schon, gnädiger Herr", nahm nach kurzer Pause der Geiger wieder das Wort. „Sie haben zu dem tollen Heinz, der hin und wieder ein Gläschen über den Durst trinkt, kein rechtes Vertrauen. Oho, Sie dürfen schon Vertrauen haben, Sie dürfen!" „Wenn ich Euch recht verstanden habe", sagte nun Nord heim, „so erbietet Ihr Euch, mir Kunde zu geben von den Botschaften , welche durch Euch von Fräulein Wally an Herm Steinbach und umgekehrt bestellt worden sind oder noch bestellt werden." „Ungefähr so, gnädiger Herr, ungefähr — obschon man manchmal dergleichen Dinge etwas — zarter zu bezeichnen pflegt." „Nun gleichviel, ich verstehe Euch und ich will aus gewissen Gründen auf Euer Angebot eingehen, Meister Erler." „Das habe ich ja erwartet, Herr, das habe ich schon gewußt. Die Bezahlung wird auch gar nicht schlecht sein, > das weiß ich ebenfalls." „Die Bezahlung soll und wird natürlich nicht ärmlich ausfallen, wenn anders Ihr der Bote zwischen Fräulein find die Kampfmittel der Gothaer", wogegen diese Hinwiedemm' Fortschrittspartei ihn fallen ließ, sich in seine agitatorischen im „Neuen Sozial-Demokrat" den Hamburg««, Ehrentitel Unternehmung«» stürzte, um eine Opposition gegen alles Feuilleton. Am Abgründe. Roman von Ev Werner (Fortsetzung.) „Nun, Meister Erler, da bin ich; was wünschet oder bringet Ihr?" Mit diesen Worten trat nach Verlauf von kaum fünf Minuten Max Nordheim bei seinem verkommenen Be sucher ein. „WaS ich wünsche? Was ich bringe? Je nun, gnädiger Herr, ich bringe eine Botschaft, die eigentlich für Sie keine Botschaft ist, denn ich habe sie nicht an den gnädigen Herm zu bestellen — und ich wünsche, daß Sie an dieser absonderlichen Art von Botschaft so weit Gefallen finden mögen, daß für mich ein annehmbares Trinkgeld dabei zu Tage gefördert wird. Das wünsche ich und bringe ich." „Meister Erler", entgegnete jetzt Nordheim ernst und entschieden, nachdem er den Angetmnkenen mhig hatte auSreden lassen — „in den räthselhaften und unbestimmten Ton, welcher Euch bei den Bauem und kleinen Leuten in ein gewisses Renommee gebracht hat und erhält, werdet Ihr mir gegenüber besser thun, nicht zu verfallen. Ich bin kein Bauer und liebe dergleichen nicht." „Nun, nun, gnädiger Herr — gar so scharf? Ich habe einmal so meine Weise und das ist mit mir alt geworden und nicht mehr abzuthun." „Wenn Ihr nur wollt, so könnt Ihr ganz vernünftig sprechen! Glaubt mir, ich durchschaue Euch und schätze Euch ganz richtig ab. UebrigenS habe ich für einen zweck- losen Streit mit Euch über Eure Eigenthümlichkeiten kaum Zeit. Also vorwärts, zur Sache." „Ja, zur Sacke, gnädiger Herr. Ich hab's vorhin schon gesagt, was die Sache ist: Wally und Steinbach. Dafür MmbergerÄMMW gaffe SSa. ll. Et. . Handlung, zu sende», und Tageblatt.