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»tn andern Tag. Brei» vicrtrljkhr. «ch 2 Mar, 2. Pf., zweimonatt. 1 E vü Pf. und eia- monatl. 7b Pf. Die Redaktion ve- findet sich Rinnen« Freil>ergerÄ.n)eiger und Tageblatt. Inserate werden b", Kor» mittag- 1' Uhr für * nächste Rr. ange nommen u. dir ge spaltene geile oder deren Roum mit IO Ps. berechnet. Inserate sind stet» an die Spedition, Frolscher'sche Buch handlung, zu senden. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Braud. 1875. Freitag, deu 16. Juli. ? 162. Lle I-Mde Zhitten-- I» l-tzl-r IM v-rgkg !»>> <«« Tag, an W-Ich-M mchl Nachrichten von einer tiefgehenden Aufregung m SiMen eintrafen. Die Ursache gab das von den Italien,scheu Kammern genehmigte Sicherheitsgefetz. Diese Aufregung führte sogar Ende vorigen Monats, namentlich in Palermo, zu blutigen Zusammenstößen mit den Truppen, denen täg lich neue bedrohliche Demonstrationen folgten. Die italienische Regierung sah sich deshalb veranlaßt, be deutende Militärkräfte nach der Insel zu dirigiren. Erst vor wenigen Tagen wurde wieder ein Eisenbahnzug mit Bomben beladen nach Taranto geschickt, um auf den nach Sizilien gehenden Schiffen eingeschifft zu werden. Nicht diese Unruhen find es jedoch, die das allgemeine Bedauern erregen, sondern jene höchst traurigen und be- klagenswerthe Zustände in Süd-Italien, welche diese Auf regung bedingen. Lägen nicht die schreiendsten Thatsachen vor Augen, so würde man es nicht für möglich halten, daß ein ganzes Land, eine ganze Bevölkerung sich für das vrganifirte und systematische Räuber- und Mörderthnm durch die Wuth gegen ein Gesetz zu erheben vermöchte, das dazu bestimmt ist, die Sicherheit des Lebens und Eigen thums in Schutz zu nehmen. Man könnte es nicht glauben, wäre es nicht Thatsache, daß selbst sizilianische Deputirte im Namen der „Freiheit" für den Bund der Räuber und Meuchelmörder offen aufzutreten wagten. Es wird behauptet, das sizilianische Volk sei so tief ge sunken, daß es sich in seiner Gesammtheit nur für Räuber- und für Diebeshöhlen qnalisizire. Der Landmann, der Bürger, der Großgrundbesitzer, der Aristokrat, der öffentliche Beamte, kurz Alles, was auf Sizilien lebt, gehöre einer von den beiden Klaffen an. Derartige Annahmen und Behauptungen müssen entschieden auf Uebertreibung beruhen, denn ganz abgesehen von anderen Gründen kann es nur da Räuber und Diebe geben, wo es auch Beraubte und Bestohlene oder zu Beraubende und zu Bestehlende giebt Die Zahl der Letzteren muß doch mindestens im Verhältnis; zur Zahl der Ersteren — der Muber und Spitzbuben — stehen. Wir sind daher der Ansicht, daß eben, weil die Zahl der Banditen und ihrer Helfershelfer auf Sizilien eine sehr große ist, auch die ehrlichen und rechtschaffenen Leute zahlreich sein müßen. Um so mehr muß man sich darüber wundem, daß alle Sizilianer, gute und böse, das Sicherheitsgefetz verdammen und auch die gesammte Linke des italienischen Parlaments ein Feind desselben ist. Diese Linke besteht durchaus aus Männern, die man nicht mit den sizilianischen Banditen usammenwerfen kaun, auch Garibaldi hat Alles ausgeboten, das Gesetz zu Fall zu bringen. Diesen Widerspruch ver mögen wir uns nur dadurch zu erklären, daß dieses Gesetz, welches eventuell auf ganz JtaVen angewendet werden kann, bei den Liberalen und Radikalen im Verdacht steht, es solle gelegentlich auch gegen die freiheitlichen Bestrebungen verwendet werden. Sei dem, wie ihm wolle, fest steht doch, daß die Zu- tände auf Sizilien grauenerregend geworden sind und unter allen Umständen beseitigt werden müssen. Ein großer Theil der dortigen Bevölkerung ist ohne Zweifel sittlich vollständig verkommen. Diese höchst bedauemswerthe Thatsache darf man aber keinenfalls als ein Produtt der Neuzeit betrachten, denn damit ginge man fehr fehl. Vielmehr ist Alles ver schuldet worden unter der sehr bigotten Regierung der bourbonischen Könige, durch ein Regierungssystem, das in seiner Schwäche und Jämmerlichkeit mit den Räubern selbst verhandelte, sich der Banditen zu politischen und polizeilichen Zwecken bediente und mit ihnen förmliche Verträge wie mit einer souveränen Macht abschloß. Was die Sizilianer jetzt sind, das wurden sie unter der Leitung von Priestern und Mönchen. Der römische Stuhl selbst fand es für angemessen, mit den Räubern und ihrem Raub zu paktiren. Hat doch selbst der jetzige Papst, freilich vor seiner Unfehlbar keit, im Jahre 1866 eine „Loli, äi Om osiiioov" erlassen, die jedem Grundsätze, den die christliche Moral über di Pflicht der Rückerstattung unrecht erworbenen Gutes fest hält, schnurstracks zuwiderläuft und einen Halbpart zwischen dem Dieb resp. Mörder und der Kirche gestattet. Die Bull enthält gewissermaßen einen Preiskourant für alle möglichen Verbrechen und es wird dem Dieb oder Mörder durch Er legung der bestimmten Summe volle Absolution erthejlt. Unter solchen Umständen muß natürlich das Rechts- bewußtsein und Gewißen des Volkes todtgeschlagen werden. Für Sizilien ist es ein wahres Glück, daß es jetzt dem Königreich Italien angehört, dessen Regierung sich endlich zum erste» Versuche aufrafft, durch das Gesetz die moralische Ordnung wieder herzustellen. Es ist freilich keine leichte Auf ¬ gabe, diesen entsetzlichen Augiasstall vollständig zu reinigen. Aber schließlich wird sich doch zeigen, daß ein gutes und streng gehandhabtes Gesetz ein weit festerer Boden für die allgemeine Sittlichkeit im Staate ist, als mit Räubern und Mördern paktirende Beichtväter und päpstliche KompositionS- Bullen. Tagesschau. Freiberg, den 15. Juli. ' Gestern Mittag verließ Kaiser Wilhelm Karlsruhe, ' passirte Nachmittags im strengsten Inkognito München, wo er trotzdem von der zahlreich anwesenden Bevölkerung auf dem Bahnhofe enthusiastisch begrüßt wurde, und traf AvendS 9 Uhr in Salzburg ein. . Nach einer neuerdings ergangenen Verfügung sind bei Aufstellung der Wählerlisten für den Reichstag Personen, welchen der Vollgenuß der staatsbürgerlichen - Rechte wegen politischer Vergehen und Verbrechen entzogen ist, in die Wählerliste aufzunehmen, falls die außerdem erkannte Strafe vollstreckt oder durch Begnadigung erlassen ist ; ferner sind die Offiziere der Reserve und Landwehr, die Seeoffiziere der Reserve und Seewehr, sowie die Mannschaften der Reserve, Land- und Seewehr, sofern sie überhaupt wahlberechtigt sind, d. h. sich nicht gerade bei , der Fahne befinden, in die Wählerlisten aufzunehen. Die Bemühungen der Reichskommifsion für die Weltausstellung in Philadelphia sind insofern von einem Resultat begleitet, als sich eine nicht unbedeutende Anzahl . Großindustrieller jetzt für die Beschickung der Ausstellung ! entschieden hat. Dennoch wird die Industrie des deutsch« Reiches in Philadelphia kaum in einer ihrer würdiges . Weise vertreten fein, denn nach der bisher so lau betriebenen Agitation tonnten in so kurzer Zeit natürlich noch. keine großen Resultate gefördert werden. Die Antipathie der Industriellen gegen derartige Ausstellungen im Allgemeinen datirt von der Wiener Weltausstellung her, welche den von Seiten der Aussteller auf sie gesetzten Hoffnungen in keiner . Weise entsprochen hat. Die vom Staate bewilligten 500,000 Mark können auch nicht im Entferntesten als Aequivalent für die aufzuwendenden Kosten der Beschickung > angesehen werden und die Zeitverhältnisse sind nicht dazu ' angethan, für weitausstehende Spekulationen große pekuniäre Opfer zu bringen. So viel steht deshalb schon jetzt fest, daß die Anzahl der Aussteller eine verhältnißmäßig geringe sein wird. Die vom 18. bis 36. September in Mecklenburg stattfindenden Kaiser-Manöver werden dadurch noch be sonders an Glanz gewinnen, daß sich ihnen eine große Floitenrevue anschließt. Das große Panzergeschwader, , u^öer noch m der Hand, in welcher er den Kopf weitere Entwickelung der fatalen Angelegenheit der Zeit gestutzt hatte, saß er so nachdenklich allein auf seinem Zim-I anheim gegeben werden müße. Vielleicht nun, so meinte „Die Antwort war leider nicht von der unzweifel haften Deutlichkeit, welche mir erwünscht gewesen wäre. Er nahm Kenntniß von meiner Erklärung, war so höflich, dieselbe zu bedauern und meinte im Uebrigen, daß die schmack; aber er setzte sich doch hin und schrieb einige Briefe. Er nahm auch die von Herrn Weidenberg ihm mitgegebenen Zeugnisse zur Hand, welche er jetzt zum ersten Male dnrchlas und welche glänzend waren. Als Ent- laßungsgrund waren Familienverhältniße angegeben. „Familienverhältnisse!" seufzte Ludwig und kämpfte mühsam die Aufregung nieder, die sich auf's Neue seiner bemächtigen wollte. Dann griff er nach den Zeugnissen und schrieb sie so ruhig als er konnte ab, schrieb sie so oft ab, als er ihrer zum Beilegen in seine Bewerbungs briefe um anderweitige Anstellung bedurfte. Diese ruhige, rasche Thäligkeit wirkte äußerst heilsam auf feinen erregten Geist ein und er dachte jetzt sogar darüber nach, ob nicht zufällig in der Nähe eine Stellung frei sei oder demnächst frei werde, ob er nicht sich irgendwo persönlich vorstellen könne. Vielleicht ließe sich dadurch ein Hinausziehen weit in die Ferne vermeiden. Brendlinger Bauern nicht in einen Topf geworfen wer den durfte. Aber was ließ sich nun, nachdem der Bote Wally's die Stadt wahrscheinlich bereits verlassen hatte — oder nachdem er sich selber durch übermäßigen Genuß geistiger Getränke zum Ausrichten seiner Botschaft unfähig gemacht — was lieh sich nun weiter thun, um das Versäumte gut zu machen? Abwarten, sich gedulden! „Es ist schwer, unendlich schwer; aber ich will mich selbst überwinden und meine Männlichkeit auch in dieser Probe bewähren", dachte Ludwig. „Den Kopf an der Wand sich zerschellen zu wollen, das wäre thöricht; nicht minder thöricht ist es für einen mittellosen Menschen, der ich nun einmal bin, die Zeit im schnöden Nichtsthun zu vergeuden. Arbeite, Ludwig!" Er suchte die Zeitungen durch nach Angeboten von Stellungen, welche er ausznsüllen vermochte. Eigentlich war nichts von alledem, was er fand, nach seinem Ge- FeuiUeto«. Am Abgrunde. Roman von So Werner (Fortsetzung.) „Vormittags war ein Mann da, ein etwas ab gerissener, schäbiger Mensch von Brendlingen," wurde ihm gesagt. „Er fragte dringendst nach Ihnen und kam eimge Male wieder zurück, weil er Sie durchaus sprechen „Und hat dieser Mensch gar nichts für mich zurück gelaffen?" fragte Ludwig, welcher die Person des Boten errieth. „Nichts; er erklärte, mit Ihnen selber sprechen zu müßen und wollte auch nicht seinen Namen nennen " „Den wetß ich schon — aber er muß doch wohl wiederkommen. Wann war er zum letzten Male hier?" „Gegen zwölf Uhr Mittags mag es gewesen sein. Er schien damals etwas stark getrunken zu haben." mer und ließ in Gedanken alle größeren Güter in der Umgebung der Residenz vor seinem Geiste passiren — da pochte es. „Herein!" rief Ludwig und sprang voller Erwar tung auf. Die Thür öffnete sich und im Rahmen derselben erschien ein hoher, schöner Mann, höflich aber scheu grüßend — Nordheim. Starr vor Staunen, kaum fähig, seinen Gruß zu erwidern, blickte Ludwig auf diesen unerwarteten Besucher. „Cie sind augenscheinlich betroffen davon, mich bei sich eintreten zu sehen, Herr Steinbach," hob Nordheim an, indem er die Thür wieder in's Schloß drückte. „Ich habe das erwartet, denn in der That, nach jener Szene auf dem Gloriett " Und nun begann er gegen Ludwig dasselbe zu ent wickeln, was er Tags vorher gegen Wally entwickelt hatte. Er sagte, daß er vor dem Erscheinen auf dem Gloriett bei dem alten Werdenberg um Wally's Hand angehalten, daß er dann sich aufgemacht habe, um sie zu suchen und daß, als er sie so fand wie es geschah, er sich selber untreu geworden sei. Jetzt aber sähe er das Unrecht seiner Handlungsweise ein und habe er darum Herm Werdenberg, sowie auch Wally, gesagt, daß er von seiner Werbung zurückirätc. Ludwigs Blick blieb mißtrauisch. Er konnte in diesen Menschen nun einmal keinen Glauben setzen. Er hörte nur schweigend zu — aber als Nordheim sagte, er habe Wally's Vater gegenüber seinen Rücktritt erklärt, da fragte Ludwig: „Und welches war Herrn Werdenbergs Antwort auf diese Erklärung?" Ludwig machte sich Vorwürfe, durch seinen sinnlosen Gang nach dem Walde das Zusammentreffen mit dem tollen Heinz — denn kein Anderer konnte jener Mann gewesen sein — selbst vereitelt zu haben. Es war zwar aus des manchmal wie nicht recht vernünftig sich betragen den Menschen Aeußerungen am Tage vorher nicht recht zu entnehmen gewesen, ob das, was er bringen würde eine Botschaft Wally's sein sollte, oder nicht. Indessen war die Wahrscheinlichkeit wohl mehr für den ersteren —-»de"" was hätte der tolle Heinz ihm, dem bis herigen Verwalter von Brendlingen, einem gesellschaftlich hochgestellten Manne, von sich selber mitzutheilen gehabt? Sinnlose Phantastereien und verschleierte Weis sagungen von derselben Art, wie er sich ihrer gegenüber Dorfpublikum bediente? Gewiß nicht, denn der verkommene Bursche war doch wohl immerhin noch schlau genug um emzusehen, daß Ludwig Steinbach mit den