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1875. 155 - 'M nnt Rußland rechtfertigen. Sobald und so lange Rußland. ".i s Alexander selbst betrachten darf, gesichert. Bei dem Wider ¬ als anderswo, ist für Jeden, der die Geschichte dieses Staates kennt, sehr erklärlich, aber die bereits erzielten Reformen gewähren eine Bürgschaft dafür, daß die Rück schrittspartei schließlich ganz überwunden werden wird- Inzwischen mögen die Zustände freilich immer noch zu mannigfachen Klagen Veranlassung bieten, die sozialen Ber- die eben erwähnten Artikel veranlaßt haben soll, ist ein! entschieden Konservativer und Chanvmist. Auch der Kriegs- Minister Miliutin und Fürst Gortschakow werden als der konservativen Kriegspartei nahestehend betrachtet und die Seele der Letzteren sollen der russische Gesandte in Constan- tinopel, General Ignatjew, und General Timaschew sein- Als entschiedene Gegner dieser Partei werden dagegen be zeichnet : die Minister Graf Schuwalow und Walujew, Feld marschall Fürst Barätinski, General Fadejew u. A. Wie die Sachen heute liegen, ist die Friedenspartei in Rußland entschieden die stärkere. Damit zugleich ist vorläufig das Festhalten der Regierung an den liberalen Resormprojekten, als deren Träger man den Kaiser vorhanden, daß es selbst in nicht allzu langer Zeit ge lingen wird, die gegenwärtig wichtigste wirthschastliche Frage für das russische Reich, die Frage der Aufhebung der Feld gemeinschaft, in befriedigender Weise zu lösen. Ist dies erreicht, dann ist dem säbelrasselnden Konservatismus die Lebensader unterbunden und dann müssen nothwendiger Weise zahlreiche andere Neuerungen auf wirthschastliche« Gebiete folgen, welche in Gemeinschaft mit Reformen auf idem Felde der Staatsadministtation, bei der großen Pro duktionskraft Rußlands einen bedeutenden ökonomische« Aufschwung mit sich bringen dürsten. Tie Aussichten Rußlands für die Zukunft stellen sich mithin augenblicklich durchaus nicht ungünstig. Rußland ist nicht mehr das Land des finsteren Despotismus, sondern es ist in die Reihe der modernen, nach dem Fortschritte Grade überrascht wurde. Ein Eisenbahnnetz entstand, welches den Werth der russischen Arbeit und des russischen Bodenreichthums ungemein steigerte, indem es das bis dahin fast verschlossen gewesene Innere des Reiches mit dem Auslande in regelmäßige Verbindung brachte. Auch im Finanz- und Steuerwesen begannen Reformen und die Armee wurde neu organisirt, so daß Rußland 1870 bereits auf einem ganz anderen Standpunkte sich befand, als vor dem Krimkriege. Der Fortschritt wäre vielleicht ein noch schleunigerer gewesen, wenn demselben nicht in Rußland selbst einfluß reiche Widersacher entgegengetreten wären. Auch Ruß- Die konservative Partei erkennt das Drängen der Be völkerung und der Zustände nach liberalen Reformen sehr wohl, sie sieht auch die daraus erwachsende innere Un zufriedenheit, aber sie wiegt sich in dem verhängnißvollen Wahn, die Letztere durch Säbelgerassel einschläfern zu können. Die russischen Konservativen sind zugleich Chau vinisten. Die zeitweise in der russischen Petersburger Zeitung, in der russischen Börsen-Zeitung und im „Golos" das Wort „Fortschritt" auf seine Fahne geschrieben hat, wird die Aufklärung, die allgemeine Bildung seiner Völker, .wird sein Wohlstand und mit Alledem zugleich auch seine politische Macht nach Außen hin von Tag zu Tag wachse« Unter diesen Umständen erscheint das herzliche Einver nehmen der beiden Kaiser als eine für die Lage Europa'- ungemein bedeutungsvolle Thatsache; die Freundschaft des deutschen Reiches mit Rußland wird den Liberalismus hier wie dort stärken und die guten Beziehungen zwischen den Kabineten von Berlin und St. Petersburg müssen noth wendiger Weise zu einer Garantie für den Frieden werden. Für uns ist das gegenwärtige Verhältnis zu Rußland also jedenfalls sehr werthvoll und für Rußland hat es den Vor theil, daß es den Hoffnungen für die künftige Entwickelung desselben eine festere Grundlage giebt. begann nach und nach eine neue, durch die Regierung hervorgerufene Thätigkeit. Außer großen politischen und sozialen Maßregeln, wie die Aufhebung der Leibeigenschaft, regte Alexander auch bedeutende ökonomische Arbeiten an. deren einzelne Schattirungen sich von einander getrennt als allrussische, slawophile und panslaw.st.sche Partei kon- stituirt haben, ist hiernach selbst in ihrer Gesammtheit keine überaus zahlreiche, aber sie besitzt trotzdem großen Einfluß, der bis in die höchsten Kreise reicht. Ihr ist es gelungen, es dahin zu bringen, daß die auf dem Grundsätze der all gemeinen Wehrpflicht basirende Militairreform und die begonnene neue Agrargesetzgebung, das projektirte Gesetz über Lohnkontrakte u. s. f. vertagt wurden. Statt dieser liberalen Gesetze suchte der konservative Minister des Innern, General Timaschew, im Reichsrathe ein neues Preßreglement' durchzusetzen, worin er die Befugniß beanspruchte, sogar der zensurfreien Residenzpreffe die Besprechung gewißer wichtiger Fragen, sowie die Veröffentlichung und Kritik der Gesetz entwürfe zu verbieten. Selbst dem Reichsrathe, besten Majorität sich noch 1860 für die Beibehaltung der Leib- Rußlands Zukunst. Der letzte Besuch des Kaisers Alexander II. in Berlin und das dabei zu Tage getretene herzliche Einvernehmen desselben mit dem deutschen Kaiser muß naturgemäß auf die Frage hinleiten: Ist denn die Freundschaft Rußlands für uns wirklich so werthvoll, wie uns jetzt täglich in offi ziösen Blättern versichert wird, oder ist Rußland noch immer der kulturzerstörende Hort des Despotismus, für den man es mit Recht lange Zeit gehalten und der sich schließlich als ein Koloß mit thönernen Füßen erwiesen? Die Be antwortung dieser Frage erfordert einen Blick auf die gegen wärtigen russischen Zustände, deren neueste Entwickelung trotz'ihres wissenschaftlichen und praktischen Interesses bei uns oder überhaupt in ganz Westeuropa noch so gut wie unbekannt ist. Mit dem Regierungsantritte Alexanders II begann für das weite Czarenreich eine Periode der rationellen liberalen Reformen. Der Krimkrieg hatte die Schäden der früheren Verwaltung in zu grellem Lichte gezeigt, als daß der dem Fortschritte überhaupt geneigte Kaiser nicht sofort an um fastende Veränderungen der bestehenden Zustände hätte denken sollen. Ans allen Gebieten des staatlichen Lebens hältniste, die Volksbildung rc. mögen noch unendlich viel zu wünschen übrig lasten, indessen kann dies nicht mehr di» alte Abneigung gegen eine Freundschaft oder gar ein Bündniß Amtsblatt für die k-mglich-n und städtischen Behörden zu Freiberg und Braud. Donnerstag, den 8. Juli. land hat eine „konservative Partei", der die Neuerungen Alexander selbst betrachten darf, gesichert. Bei dem Wider- des Kaisers durchaus nicht angenehm waren und welche stände, ans den sie stoßen, werden die Fortschritte zwar ihre Stützen hauptsächlich im Adel hat. Diese Partei, langsam erzielt werden, aber es ist gegründete Aussicht In aller Stille wurde beispielsweise die Eisen- und Guß-' erschienenen kriegerischen Artikel werden dem Einflüsse dieser stahl-Jndustrie so gefördert, daß die Welt von den Produkten, Partei zugeschrieben. Der Chef der Preßverwaltuna der derselben auf der Wiener Ausstellung 1873 im höchsten " - - - - - - - - ... —> , ringenden Staaten getreten. Daß sich dem Letzteren aerade eigenschaft aussprach, Mg d.es zu wert, aber das Faktum, im russischen Reiche größere Schwierigkeiten entgegenstellen zeigt doch, wre starken Einfluß die konservative Partei selbst» »«rs neueih bei den Rathgebern des Kaisers zu üben vermag. sagte er ./ : u l >§ u. Am Abgründe. Rom^u von Er- Lerner. (Fortsetzung) „Ach, Cie sind noch hier, Herr Steinbach! gedehnt. „Was wünschen Sie." Das klang so kalt, so abstoßend — es war dem jungen Manne zu Sinne, als lege sich eine eisige Hand auf seine Brust und n ühsam nur fand er in einem Blicke der gleichfalls zitternden Wally die Kraft, um weiter zu sprechen. Als die Thür sich hinter der Geliebten geschlossen hatte' wollte Ludwig zu sprechen anfangen. Aber der alte Herr» sein stets so gütiger Pflegevater, machte ihm eine abwehrende Bewegung mit der Hand — und der Verwalter schwieg beklommen still. Es war eine drückende Stille in dem Gemach, eine schwüle Ruhe wie vor einem Sturm. Langsam und gleich förmig ging der Pendel an dem Regulator dort an der Wand, aber es war kein ruhiges Ticken, nein, es war als sei es ein unausgesetztes, peinvolles Hacken und der Klang that den Ohren weh, so hart und unschön war er. Außer dem kein Ton, als nur das schwere Athmen zweier Männer, welche sich so lieb gehabt hatten und die nun Einer dem Andern Schmerz bereiten sollten. Ludwigs Him arbeitete fieberhaft. Mußte es denn Sckimerz sein? Warum denn diese gewitterhafte Atmosphäre? Rein nein, vielleicht hält den Vater Wally's nur eine Ueberraschung gefangen und da er gut und lieb ist, io wird die-e entsetzliche Bangigkeit durch seine nächsten Worte ! schon zerstreut werden. Er wird Wally Hereinrusen, ge wiß — Da kam ihm plötzlich jene höhnisch gesprochene Ent schuldigung in den Sinn dort auf dem Gloriett aus dem Munde des jungen Nordheim — und im selben Moment vermischte sich damit die Erinnerung an den tollen Heinz, der aus dem Grabe hinter dem Rosenstrauch fiedelte und der ibn mit pythischer Rätselhaftigkeit auf seines Vaters verfallenes Grab hinwies — so namenlos bange wurde dem kaum noch so Glücklichen zu Sinne, daß er vor Schmerz hätte weinen können. Es war ein Gefühl der fürchterlichsten Augst, als müsse er ertrinken. Er hielt das Schweigen nicht aus und er sagte nun: „Herr Werdenberg, ich weiß nicht, ob Sie etwas und > was Sie gegen mich haben kö rnen; aber was es auch sei, i h bitte Sie, nicht länger zurückzuhalten, sondern sich offen auS heiterem Himmel, das war das direkte Gegenthril von dem, wie er die Wirklichkeit in seinen Träumen und Wün schen so gerne und bis zu diesem Augenblicke noch sich aus- ' gemalt hatte. Er preßte die zuckenden Lippen aufeinander > und cr mußte die Lehne des Armsessels fester umklammern, denn vor seinen Augen wollte es dunkel werden und seine Kniee begannen zu wanken. Allmählich wurde der bittende Blick Wally's zu einem ängstlichen. Sie bemerkte die in der äußeren Erscheinung des Vaters sich vollziehende Veränderung und plötzlich ließen ihre Arme den Geliebten los und sie eilte zu dem bleich gewordenen alten Herrn. „Papa, was ist Dir?" rief sie voller Angst. „Schnell Ludwig, schnell ein Glas Wasser!" Da raffte sich Werdenberg auf nnd machte sich sanft aber entschieden von Wally los. „Laß sein, Kind," sagte er, und das Zucken seiner Lippen und das Beben seiner Stimme bewies, daß die Ausregnng ihn doch noch beherrschte — „laß sein, ich be ruhige mich schon wieder. Aber Du könntest hinausgehen, denn ich muß mit Herrn Steinbach sprechen." Des Mädchens Blicke flogen von dem Vater zu dem Geliebten. Beide Männer waren bleich und düster — und die Luft im Zimmer schien so drückend und schwül. Ein Unglück war gewiß — und mit lautem Aufschrei aus angsterfüllter Brust warf sich Wally in des nur schwach wiederstrebenden Vaters Arme, sah ihn aus ihren über strömenden Augen flehend an und rief: „Vater! Vater! Was hat denn Ludwig Dir Böses gelhan?" „Ludwig!" fragte der alte Herr. „Ludwig nichts — aber geh' Du hinaus nnd laß uns allein." e geh'," bat nun auch Ludwig — und nenß sich die Hände vov das Angesicht und eilte hinaus. „Ich dachte, Herr Werdenberg, das, was Sie mit Wally zu verhandeln im Begriff standen, das gehe auch mich an. Oder sollte ich das nicht denken, da doch Wally heut Vormittag mit mir auf dem Gloriett zusammentraf und da wir uns sagten, daß wir uns lieben?" Wally, sag' Du selber — sprach ich die Wahrheit?" l Und das Mädchen sprang auf mit allem Muthe einer reinen, edlen Liebe, umschlang mit den weichen Armen den Hals des Geliebten, sah bittend den Vater an und i sagte, indeß große Tropfen an ihren Wangen hernieder rannen : s „Ja, Vater, er sprach die Wahrheit — und hättest Du nicht selbst das Gespräch darauf gelenkt, so wäre er jetzt Mch Tische zu Dir gekommen, das hatten wir unter ein ander ausgemacht. Jetzt weißt Du alles, Papa." Der Gutsherr hatte sich aus seinem bequemen Sessel, hl welchen er sich gewöhnlich zurückzog wenn der Kaffee Ham, ebenfalls erhoben, aber er stützte sich mit der einen Hand auf die Lehne desselben und schaute starr und er- sthrvcken auf das Bild dicht vor seinen Augen — auf seine Kochter, deren Anne den Sals des Sohnes des Mörders Dmfchlangen. Das war beinahe so viel wie ein Blitzschlag