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Erscheint jeden Wochentag «bends 6 Uhr für den andern Tag. Preis Vierteljahr« kch 2 Mark 25 Pf., »weimonatl. 1 Mk. ov Pf. und ein« monatl. 75 Pf. Die Redaktion be findet sich Rinnen- gafie SSL. II. Et. FreiliergtrAMiger und TaAeblatt. Inserate »erden bi« Lor» ««tags 11 Uhr für nächste Rr. ange nommen u. die ge spaltene Zeile oder deren Raum mit 10 Ps. berechnet. Inserate find stet« H an die Expedition, Frotschcr'sche Buch handlung, zu senden. 150. Abonnements-Einladung auf den „lk'-sivvrxsr Indem wtr nochmals z» recht zahlreicher ves .HM«»», E«' V«« «>r 2 »I- I-t« »-UN.!» »m >-» ..»«>»«,« -i.-,»»» MM-r- «»!- n»hmr bei»> PubMum ;u b«eitcn. r,il»iölrr und sittlicher vetiehung s»ll nnnntcrdrnchen mit größter Anfmcrtsamktit »ud S-rgMlt zehegt . M-s-n»», r-> «iS Mr L«e° »er -in her, Mr »>° »-^1-,«»-«-, Änr Stadt -M-m «"» »-- N-1-q.««« Md »-"»r«, Mtr S,°A I»Mr-,. hin, da» .„er« Str-»-- »t- -«>!«--»»»»>- «»'--M«»», »-« «-M-t« P-tlU-m- E I-H'm w-r»-. Die Expedition. (Arotscher'sche Buchhandlung, Erbischestr. Rr. ««».) Amtsblatt für die känialichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. Freitag, dm 2. Juli. 1875, Dänische Narrheiten. „Von Zeit zu Zeit seh' ich den Alten gern" — sagt Göthe im Faust, und von Zeit zu Zeit kann man auch einmal die Narrheiten mit ansehen und anhören, welche die Feinde des deutschen Reiches unaufhörlich ersinnen, sei es auch nur, um über den Blödsinn zu lachen. Die größte Virtuosität in tendenziösen Erfindungen besitzt unstreitig ein dänisches Organ, das „Dagbladet" in Kopenhagen. Seit langer Zeit bildet es die Kloake, in der sich alle die unreinen Wasser sammeln, welche die europäische Presse gegen uns und unser Reich ergießt. Neuerdings hat es angefangen, „Briefe aus dem deutschen Reiche" zu veröffentlichen, die an Verbissenheit und Haß das Mög lichste leisten. Der neueste derselben zeigt bei aller giftge schwollenen Bosheit aber eine so alberne Verkennung und Verdrehung der wirklichen Verhältnisse, daß man schlechter dings annehmen muß, er sei im Redaktionslokal des Kopen hagener Schandblattes selbst entstanden. Man höre! Die angebliche Enthüllung, welche vor einiger Zeit Herr v. Maltzhahn im preußischen Herrenhause zum Besten gab, daß nämlich der letzte Pairsschub nicht, wie man allgemein geglaubt, auf Betreiben des Fürsten Bismarck, sondern gegen seinen Wunsch erfolgt sei, soll ein neues Licht auf die Stellung des letzteren werfen und beweisen, wie neben dem gewaltigen Kanzler noch eine persönliche Macht vor handen sei, deren Wille nicht blos im Ministerium vor herrsche, sondern auch den Kaiser auf der Seite habe. Diese Macht ist Niemand anders, als — Graf Eulenburg. Fürst Bismarck, erzählt das dänische Blatt weiter, habe diesem Kollegen bei den Verhandlungen über die Kreis ordnung von ganzem Herzen eine Niederlage gewünscht, die aber nicht eingetreten sei; denn der Reichskanzler fürchte, daß Eulenburg zu seinem Nachfolger ausersehen sei. Undl in der That erscheine dieser Mann als der Retter der Zu- j kunft, da er es versteht, die konservativen Grundprinzipien mit den liberalen Tendenzen zu vereinigen. Doch lassen wir das „Dagbladet" einmal selbst sprechen. Es sagt weiter: „Hiermit gewinnen wir einen Einblick in die Jntrigue, welche dem armen Reichskanzler das Leben verbittert. Bismarck ist ein Aetna, unter welchem das Naturfeuer glüht und aus welchem von Zeit zu Zeit Flammen emporschlagen. Kann eine solche Natur sich mit Theorien plagen und mit Geduld umfassende Pläne ver folgen? Nein, ihre Kraft besteht gerade in Eruptionen, in geflügelten Worten. Bismarck imponirt durch den Aus bruch seiner Leidenschaft; wem» der Berg leise Klammen aussendet, vernimmt das erstaunte und geängstigte deutsche Volk wenigstens einen dumpfen Lärm im Innern und hört die geheimnißvollen Hammerschläge in der Werkstatt des Vulkans. Ein Staatsmann ist Bismarck nicht, da es ihm, wie gesagt, an Geduld fehlt und er sich zuletzt vor Denen beugt, die im Besitze dieser Eigenschaft sind. Darum fürchtet er die ausdauernden Menschen, welche der Leidenschaften ganz zu entbehren scheinen. Graf Eulen burg läßt sich niemals von den Leidenschaften übermannen, er versteht immer ein Kompromiß zu finden. Graf Eulen glänzt wie die Sonne, durch deren Strahlen die Frucht einer ermüdenden Arbeit — die Provinzialordnung — ge reift ist, während Bismarcks Naturfeuer nur die glühende und zerstörende Lava der Kirchengesetze über das geplagte Land ergossen hat. Eulenburg beherrscht die Situation, während Bismarck mit Urlaub auf „unbestimmte Zeit" nach Varzin flüchtet. Eulenburg ist der fteundliche Bach, welcher das Feld der organischen Gesetzgebung befruchtet, während Bismarck mit seinem fatalen Falk und seinen noch fataleren Kirchengesetzen nur das Land in Rauch ein hüllen und mit glühender Asche überschütten konnte. So verhält es sich mit den beiden Rivalen." Damit könnten wir die Blumenlese aus dem dänischen Blatt schließen, natürlich ohne jeden Kommentar, der unsere Leser höchstens beleidigen müßte. Allein der Schluß jenes Artikels ist interessant genug, um hier ebenfalls Platz zu finden. Nachdem noch des Längere» urw Breiteren über die Kirchengesetzgebung gefaselt woicheit» endet „Dagbladet": „Mit dem ersten Kirchengesetze war das Urtheil über Bismarck gesprochen. Jetzt ist das letzte dieser Gesetze erlassen und nun auch der Augenblick gekommen, Bismarck den letzten Stoß zu geben. Der Urlaub auf unbestimmte« Zett ist bedeutungsvoller» als alle bisherigen Krisen. Er hat endlich aufgehört, unentbehrlich zu sein. Das Feld der auswärtigen Politik, auf dem er früher eine so gute Ernte hatte, ist ganz verdorrt und das Volk für den Kulturkampf unempfänglich geworden. Die Hofpartei rechnet mit Recht darauf, daß mit den Katholiken leicht Friede geschloffen werden kann, sobald nurBismarck außerhalb derRegierung steht. Auf Grund dieser Berechnung sieht man den Stuhl des Reichskanzlers im Geiste schon leer. Der Aetna ist gedämpft, Rußlands Schnee hat sich darüber gedeckt und England hat Sand darauf geworfen.^ Gewiß ein hübsches Phantasiebild, «Mches man dm guten Dänen vorgaukelt. Welch' niedrigen BildungS- standpunkt muß „Dagbladet" aber bei seinen Lesern voraussetzen, um sie mit solchen albernen Märchen über das große Nachbarreich zu unterhalten! Und wie muß eS um die Redaktion selbst bestellt sein? Es würde vielleicht einiges Licht auf die Entstehung des Artikels werfen, wenn man wüßte, was der Verfasser zuvor gegessen hat. Feuitltl sn. Am Abgrunde. Roman von Es Lvcrner. (Fortsetzung) Wally stand hinter dem Vater. Ein Beben flog durch ihren schönen Körper. Sie hatte den eigenthümlich weichen, fast schmerzlichen Klang in Ludwigs Worten wohl unter schieden; er war ja fast während des ganzen Festes so er regt und bewegt gewesen. War es nur weibliches Mitge fühl am wenn auch unverstandenen Schmerze Anderer, daß sie Ludwig heimlich und wortlos ihre Hand reichte, als sie an ihm vorüberschritt? Aber diese Hand war so kalt und zitterte so heftig! Mit Leidenschaft erfaßte sie der junge Mann und flüsterte dabei dem Mädchen rasch einige Worte in's Ohr. Der Vater schritt in's Haus und hatte nichts gemerkt. Wally folgte ihm in's Wohnzimmer. Wie behaglich und angenehm war es hier! Nicht daß ein überreicher Komfort sich geltend gemacht und den Reich thum des Besitzers prahlerisch verrathen hätte; nein, wer den Besitzstand des Gutsherrn von Blendlingen kannte, der war eher versucht, die Einrichtung dieses Zimmers, sowie der Mehrzahl der Räume des Herrenhauses überhaupt für zu einfach zu erklären. Dafür aber machte Alles um so mehr den Eindruck der Wohnlichkeit und Gemüthlichkeit; ma" wurde von diesen soliden, wenn auch anspruchslosen Möbeln angeheimelt; man erkannte, daß der Zweck des wohner sei^ und die Bequemlichkeit der Be- k» sagte der alte Herr, in seinem Sorgen- und das gestickte Lederkäppchen, das sem Töchterlein ihm eigenhändig angefertigt hatte, Der alte Herr riß sich gewaltsam von dem Anblick* des Bildes los. „Du bist ein gutes Kind", sagte «. „Gott segne Dich, das vollständige Ebenbild Deiner seligen Mutter! Hast Recht, ich will den Kummer fahren lassen und lieber an Gegenwart und Zukunft, als an die Vergangenheit denken. Der junge Nordheim hat sich übrigens, um bald das Gespräch in andere Bahnen zu lenken, ganz hübsch entwickelt, finde ich. Ein kenntnißreicher, weitgereister Mann." Wally war wieder bei ihren Notenheften. „Ach ja", sagte sie. „Nebrigens habe ich noch kein Urtheil über ihn, da ich ihn heut zum ersten Mal sah." „Aber er ist doch gewiß ein ausgezeichneter Tänzer, so viel ich davon verstehe!" „Allerdings, er tanzt brillant — mehr weiß ich aber nicht von ihm." Ein Lächeln verschönte die Züge des alten Herrn. „Hab' ihn auch noch nicht näher kennen gelernt", be merkte er. „Sein Vater starb vor einigen Monaten, da kehrte er von seinen Reisen zurück und übernahm das Nachbargut, welches freilich etwas verwirthschaftet sein soll. Aber er scheint ja von der Landwirthschaft genug zu ver stehen, um das wieder in Ordnung zu bringen, was der Vater etwa vernachlässigt hat." „Ach Gott, Papa, die Blumen in meinem Zimmer!" fiel Wally ein. „Die habe ich heut ganz vernachlässigt. Bitte, bitte, entschuldige mich für einige Minuten." Damit hatte sie auch schon die Thür gewonnen und das Zimmer verlassen. Papa sah ihr pfiffig lächelnd nach. „Was das mit achtzehn Jahren leicht Feuer fängt!" murmelte er. „Aber wahrhaftig, er ist auch ein schöner Mann — und ihr Herz hat von Liebe bisher noch nichts auf dem ergrauenden Kopfe zurechtrückend, „nun, Kind, jetzt sage mir's einmal offen und ehrlich: wie gefällt Dir's in der.so lange gemiedenen Heimath?" Wally war eben erst hereingetreten in's Zimmer und hatte sich auf der Stelle daran gemacht, die auf dem Pianino unordentlich umherliegenden Notenblätter zu sammenzuräumen und an ihren gehörigen Platz zu bringen, wobei sie dem Vater den Rücken zukehren mußte. Sie drehte sich auch nicht um, als ec sie anredete, sondern erwiderte: „Ist es denn meine Schuld, Papa, daß ich die Heimath so lange meiden mußte? Hab« ich Dich nicht im Gegen theil stets gebeten, mich mir ja nicht so lange in der Pension zu lassen? Aber Du bliebst einmal hart und grausam genug, mir meine Bitte konsequent abzuschlagen und ich konnte Gott danken, daß ich nach vierjähriger Trennung mein liebes Blendlingen endlich Wiedersehen durfte!" „Nun, nun, so schlimm tst'S wohl nicht gewesen! Wenigstens ab und zu einen Ferientag durftest Du doch zu Hause zubringen und Alles in Allem mußt Du doch zugestehen, daß ich nicht gut anders konnte. Ja, hätte die Mutter noch gelebt!" Er mußte seufzen, als er an die ihm viel zu früh verschiedene Gattin dachte, deren Bild gerade vor ihm, von einem Kranze getrockneter Blumen umrahmt, an der Wand hing. „Papa, laß' das Grämen!" sagte Wally weich und einschmeichelnd und ließ ihre Noten plötzlich liegen. „Du hast Recht, ich mußte fort, um meiner Ausbildung willen. Aber jetzt bin ich wieder daheim und ich will Dir auch eine recht liebe Tochter sein und so viel in meinen Kräften steht, Dir die gute Mutter ersetzen."