Volltext Seite (XML)
WmbergerDyeigerW gaffe 96^ ll. Et. . Handlung, zu senden, und Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. 148 Mittwoch, dm 30. Jimi. 1875. Abonnements-Einladung. Wir bitte«, das Abonnement für das mit dem 1. Ault beginnende dritte Quartal 1875 des «1« « r" gefälligst recht zeitig ernener« z« wollen, damit wir vollständige Exemplare liefern können. Man abonnirt in Freiberg bei der unterzeichnete« Expedition; autzerhalb bei fSmmttiche« Postanstatte«. Der Abonnementspreis beträgt pro Qnartal 2 Mark 25 Pfennige. Der „Freiberger Anzeiger" vertritt in de« Krage« der ia«ere« Politik eine entschieden freisinnige Richtung, während er in Bezug auf die äufzerm und deutsche« Reichsaugelegeuheite« der nationalen Kahne folgt. Auch im «enen Qnartal wird das Kenilleto« dnrch spannende Novelle» und Erzählungen das Interesse der geehrten Leser zu fesseln suchen. Die sich von Woche zu Woche mehrende «nslage «vsereS Blattes sichert den Bekauutmachnnge» und Inseraten die wirksamste Berbreitnug nicht nur in Kreiberg «nd Umgegend, sondern im ganzen Lande und über dessen Grenze« hinaus. Wir empfehle» deshalb die Benutzung des „Freiberger Anzeiger" alle« Jasereuten z«r fernere« geneigte« Beachtuag. Die Expedition. ' (Krotscher'sche Buchha«dln«g, Erbischestr. Nr. 6M.) Freiberg-Mntde-Srnr. Die Wichtigkeit sowie die mannigfachen Interessen, welche die vorstehend erwähnte Eisenbahnlinie gerade mit unserer Gegend verbinden, rechtfertigen wohl die Wiedergabe einer Betrachtung, die wir in der letzten Nummer der „Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahn-Verwaltungen" finden. Sie lautet: Die Frage des Ausbaues der Freiberg- Mulde-Brüxer Eisenbahn wird in letzter Zeit sehr stark ventilirt und in den Zeitschriften von verschiedenen Stand punkten jedoch zumeist nur einseitig behandelt. Im Wiener Handelsministerium soll man bis heute noch nicht darüber einig sein, ob die Leipzig-Dresdner Bahn ihren Anschluß an den diesseitigen Bahntheil in Mulde oder in Klostergrab oder in Brüx finden soll, und doch sind wir der Ansicht, daß diese Frage, vom national-ökonomischen Standpunkte aus betrachtet, bei ihrer Lösung durchaus keine Zweifel übrig lassen kann, wenn man jene Faktoren in Erwägung bringt, die dabei maaßgebend sein können. Die dabei zu berücksichtigenden Objekte wären aber folgende: 1. Die Braunkohlen-Jndustrie des Brüx-Duxet Beckens; 2. der Anschluß und Verkehr über die Prag-Duxer Bahn; 3. der Anschluß und Verkehr über die Pilsen-Priesner Bahn. Als vierter Punkt könnten höchstens noch strategische Rücksichten aufgeführt werden, wird aber der Anschluß dieser Bahn blos allein ins Auge gefaßt, so bleiben diese Er wägungen ohne besonderen Werth und Wichtigkeit. Dagegen steht das Interesse der Braunkohlenindustrie in erster Reihe da im Treffen- Bekanntlich bedarf die Braunkohlen-Jn dustrie heute nicht nur der neuen Absatzgebiete, sondern auch billiger Tarife. Das Letztere kann ihr aber bei dieser Bahn nicht geboten werden, wenn der Anschluß an die Leipzig-Dresdner Bahn in Klostergrab oder in Mulde statt finden sollte; denn für so eine kurze Strecke wie Brüx- Klostergrab oder Brüx-Mulde, welche mit so großen tech nischen Betriebsschwierigkeiten verbunden ist, könnte man es der Prag-Duxer Bahn nicht verargen, wenn dieselbe ihre normalen Sätze und die volle Expeditionsgebühr einheben würde, weil sie hierzu durch die hohen Regiekosten des Be- : triebes gezwungen sein möchte. Anderseits würde aber die Schnelligkeit der Beförderung der Braunkohle wesentlich hierdurch leiden, wenn die von der Dux-Bodenbacher, der Aussig-Teplitzer und der Pilsen-Priesner Bahn kommende Kohle erst an die Prag-Duxer und von dieser an die Leipzig- Dresdner Bahn übergeben werden müßte. Anders aber und weit günstiger gestaltet sich das Verhältniß für die Böhmische Braunkohle, wenn der Anschluß an die Leipzig- Dresdner Bahn schon in Brüx stattfinden würde. Die Leipzig-Dresdner Bahn, welche dann die Kohle nicht nur von Brüx nach Mulde, sondern zumeist über Röderau nach dem Norden, dann nach und über Leipzig, also auf einer Länge von cirka 25 Meilen führen würde, wäre in der Lage, ganz andere billigere Frachtsätze zu machen, als sie dies im Vereine mit der Prag-Duxer Bahn zu thun im Stande wäre. Für die Uraunkohlenindustrie hat daher diese Bahn nur dann einen Werth, wenn der Anschluß an die Leipzig-Dresdner Bahn schon in Brüx stattfinden wird. Wie bekannt, hat auch der Gewerketag in Dux diesen Ver hältnissen Rechnung getragen und in dieser Richtung gewirkt. Was nun den zweiten Punkt, nämlich den Verkehr nach und über die Prag-Duxer Bahn anbelangt, so müssen wir hervorheben, daß die in einer Zeitung verbreitete Ansicht, als würde von dem Ausbau der Linie Brüx-Mulde durch die Prag-Duxer Bahn ihre Existenz abhängen, eine ganz irrige und falsche ist und nur den Zweck haben konnte, die Regierung in Betreff des Geldvorschusses zu Konzessionen zu zwingen. Den Hauptverkehr dieser neuen Bahn soll die Kohle bilden, diese wird aber nie es zu Massentransporten bringen, wenn die Strecke Brüx-Mulde in den Händen der Prag-Duxer Eisenbahn bleiben sollte, weil, wie wir gezeigt haben, ihr die Vorbedingung, die Möglichkeit billiger Fracht sätze und eines raschen Transportes abgehen würde, da die Rentabilität dieser Strecke Bedingungen fordert, welche bei der Verschmelzung dieser neuen Linie mit der Prag-Duxer Bahn nicht zu finden wären ; denn, eine Gebirgsstrecke in einer solchen schwierigen Anlage, welche nicht die anderen eigenen Linien wesentlich befruchten kann, bleibt für die Rentabilität des Gesammtunternehmens immer nur eine Last. Darüber Detailbeweise anführen zu sollen, halten wir für überflüssig; wem dies nicht genügt, der halte Nach frage bei der Buschtöhrader Bahn klüglich der Linie Komotau-Weipert und die Ziffern werden ihm unsere An sicht bestätigen. Wird aber die Strecke Brüx-Mulde durch, die Leipzig-Dresdner Bahn ausgebaut, so bleiben die Vor theile des direkten Anschlusses für die jetzige Linie der Prag- Duxer Bahn hierdurch ungeschmälert, vielmehr wird dieselbe durch die Ablösung der bisherigen Bauarbeiten in die Lage versetzt, ihre Geldverhältnisse leichter ordnen zu können. Für die Pilsen-Priesner Bahn ist «her ein direkter Anschluß an die Leipzig-Dresdner Bahn eine Lebensfrage; der An schluß kann daher von diesem Standpunkte betrachtet, nur in Brüx stattfinden. Wem es gegönnt ist, die Verhältnisse dieser Bahn in der Nähe zu betrachten, dem kann es nicht entgangen sein, daß diese Bahn, trotz aller Anstrengung^ nur deshalb in ihrer Prosperität kränkelt, weil sie bis heute " eines gesunden direkten Anschlusses entbehren muß, eines Anschlusses, der sie nicht nur mit Sachsen direkt verbinden soll, sondern sie auch berechtigt und in Stand setzt, die Konkurrenz nach Leipzig und dem Deutschen Norden über- > Haupt mit Erfolg aufzuuehmen Durch den Ausbau der Strecke Pilsen-Eisenstein und der Bairischen Linien Eisenstein-Rosenheim, die sämmtlich im vollen Baue sich befinden, sowie der noch auszubauenden Linien der Leipzig-Dresdner Bahn, Noffen-Riesa-Elsterwerda, wird die kürzeste Linie aus Italien über den Brenner nach Berlin, und dem Norden Deutschlands überhaupt hergestellt, und es ist sowohl die Pilsen-Priesner Bahn als auch die Leipzig-Dresdner Bahn berufen, bei diesem Weltverkehr eine wichtige Rolle zu spielen und auf die Tarifsätze wesentlich Einfluß zu nehmen. Dieser einzige Punkt sollte Oesterreichs Negierung genügen, sich für den Anschluß der Leipzig- Dresdner Bahn in Brüx auszusprechen, weil in einem anderen Falle die Konkurrenz erschwert wird und diese Transporte ihren Weg über Schwandorf-Eger-Leipzig wie bisher nehmen werden. Wir wissen nicht, ob die Pilsen- Priesner Bahn bei der Regierung deshalb Schritte gethan hat, dies ist jedoch gewiß, daß für dieselbe dieser einzig mögliche Anschluß eine Lebensfrage bildet; daß aber auch FeuMetüü. Blumen «nd Kugeln. Eine wahre Geschichte. (Schluß.) Für den Obersten waren schwere Zeiten gekommen. In der Stadt und auf Meilen in der Runde gab es keine Korporation, keinen privaten oder öffentlichen Verein, der nicht eine Deputation zu ihm entsendet hätte, um die Be gnadigung Bela's zu erbitten. Damen kamen, alt und jung, schön und häßlich — Telegramme trafen ein aus Nah und Fern, und immer handelte es sich um Bela's Begnadigung. Der Oberst, ein Ehrenmann durch und durch, der Kopf und Herz auf dem rechten Flecke hatte und selbst lange Jahre als Gemeiner und Unteroffizier gedient hatte, wußte vollkommen die Umstände zu würdigen. Er kannte die klein lichen Plakereien, denen ein Untergebener von Seite eines böswilligen Vorgesetzten so schutzlos ausgesetzt war, er hatte sich genau über Bela's Charakter und die Umstände infor- mirt, durch welche die beklagenswerthe That herbeigeführt wurde, er hätte so gerne das junge Menschenleben erhalten, das in dem kleinen Stübchen seine letzten Athemzüge that, — aber dem Allen gegenüber stand das Schreiben des koinmandirenden Generals und das Bewußsein, daß, wenn er in diesem Falle von dem ihm zustehenden Rechte der Begnadigung Gebrauch machte, seine eigene tadellose und unbefleckte militärische Laufbahn einen gar rüden Abschluß finden könne. Darum mußte er taub sein gegen alle Bitten und war endlich regelmäßig nicht zu sprechen, so ost an seiner Thüre eine Deputation von Herren oder gar von Damen erschien. Die Stunde der Exekution hatte geschlagen. Bela hatte mit einem langen Blicke Abschied genommen von dem Kruzifix, den Blumen und der Linde vor dem eisen vergitterten Fenster. Den Schildwacheu hatte er die Hand gedrückt. Der Mutter hatte er geschrieben einen langen, langen Brief und ihretwegen war es ihm leid, daß die drei Tage gar so rasend schnell vergangen waren. Er hatte ihr noch so Vieles zu sagen, aber draußen wartete auf ihn das Exekutions-Kommando. Die Luft war frisch und ein sonnefunkelnder Morgen ließ seine Lichter durch die Lindenzweige spielen. Es fiel ihm ein, wie gestern der kleine Vogel plötzlich fortgeflogcn war. Und auch er ging jetzt fort. Wohin? Ach, er war nicht frei, aber bald — bald sollte er es sein. Auf ihn warteten nur noch fünf Kugeln. Dann war er frei. Der Oberst schritt fieberhaft erregt in seinem Dienst zimmer auf und ab. Er hatte den Säbel umgeschnallt, ein Zeichen, daß er dienstliche Besuche erwartete, trotz der frühen Stunde. Er sah blaß und übernächtig aus, als ob auch er nicht geschlafen hätte, wie der arme Verurtheilte. Es schlug fünf Uhr, die Stunde, in welcher sich das Exekutions-Kommando in Marsch setzen mußte. Rian klopfte an der Thür. „Herein I" Zwei junge Offiziere des Regiments erschienen und thaten, was das Reglement für diesen Fall vorschreibt. Vor dem Fenster hielt ein Husar ihre Pferde. Sie baten „gehorsamst" um Pardon für den zum Tode verurtheilten Unteroffizier Bela. „Ich danke Ihnen, meine Herren", sagte der Oberst, „aber ich kann nicht. Kein Pardon." Die Offiziere verbeugten sich und gingen hinaus. Da lief ein seltsames Zucken über das schöne, ernste Gesicht des Obersten. Er öffnete rasch die Thüre: „Herr Lieutenant L., ich bitte noch auf einen Augenblick!" Der Angerufene kehrte auf der Treppe um und trat abermals in das Zimmer. Was der Oberst ihm da sagte, konnte Niemand hören. Zwei Minuten später ritten die beiden Offiziere im scharfen Galopp fort, um das Exekutions- Kommando einzuholen. Auf dem weiten Platze seitab der Landstraße stand das Quarrö, nach eiiler Seite offen. Bela hatte Abschied ge nommen vom Leben, von Freunden und Kameraden. Er war gefaßt. Ein tiefer eiserner Emst hatte sich starr über sein jugendschönes Gesicht gelegt, dessen Blässe nur hin und wieder von einer dunklen Gluth verdrängt wurde, die jäh aufschoß, wie ei>l Wetterleuchten. Die fünf Jäger, welche mit ihren Kugeln ihm den letzten Gruß zusenden sollten, schienen mehr ergriffen, als er selbst. Nicht minder der Offizier, der sie kommandirte. Der Regimentsprvfoß führt ihn vor die Erderböhung, wo er die Kugeln em pfangen sollte. Kein Pardon. Die beiden Offiziere, die für ihn beim Obersten gebeten, hielten hoch zu Pferde, ohne sich zu rühren. Da, in dem Augenblicke, in welchem der Profoß zurücktreten wollte, um den Raum vor dem Deliquenten freizugeben, da ertönt eilt schriller Ruf: „Halt! Pardon! Der Herr Oberst hat Bela pardonnirt!" Es kam wieder einmal der Zustand über Bela, den er schon nach Verlesung des kriegsrechtlichen Urtheils empfunden. Er wußte nicht genau, wie ihm geschehen. Er fühlte es nicht, daß Kameraden und Offiziere ihn jubelnd umringten, daß man ihm um den Hals fiel — ihn küßte. Er ging wie ein Automat inmitten der Truppe, die unter klingendem Spiel in die Stadt abzog. Er sah wieder nur die Mutter vor sich, wie sie ihm damals nach geblickt. Dann, gerade vor der Stadt, kam etwas Weißes