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8*fei«t« und Tageblatt Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand «rKhrö-t kb« Ä»4«»t«a Rdrndt e Uhr für de« andern Lio. «rett »Krteljrkr. ckh u vtar« zweimomul. l Vtt. bü Al und ein- monatl. 7L Pk. Die Redaktion be- studet sich Rinuru- ,-ss» Ria. ll. <kt. ReiberaerMeiaerW 11S. Donnerstag, dm 27. Mi. 1875. Nochmals die Handelsgerichte. Nachdem wir selbst schon wiederholt unsere Mißbilligung über den Beschluß der Reichsjustizlommission ausgesprochen, die Handelsgerichte aufzuheben, geben wir nachstehend das Uriheil eines schlesischen Blattes. Dasselbe sagt: AlleRechtS- streitigkeiten über Vermögensverhältniffe zerfallen in zwei große Klassen; entweder ist es beider Parteien heiliger Ernst um das Recht und es besteht zwischen ihnen nur eine Meinungsverschiedenheit darüber, was im vorliegenden Falle Recht sei; oder die eine Partei weiß selber mit größerer oder geringerer Klarheit, daß sie im Unrecht ist und treibt eS nur au» Eigennutz, bösem Willen oder Zahlungsunfähig keit zum Prozeß. Dort liegt ein Fehler des Urtheils vor, hier ein Fehler des Willens. Dort muß eine erleuchtetere Einsicht der umschleierten Einsicht zu Hülse kommen ; hier muß ein stärkerer Wille den bösen Willen brechen. Dort muß der Richler seines Amtes walten, hier der Exekutor und der Richter hat weiter Nichts zu thun, als festzustellen, daß der Fall vorliegt, wo der Exekutor seine Funktionen beginnen darf. , Diesen beiden Klaffen von Prozessen steht der Staat in völlig verschiedener Lage gegenüber; der Staat ist der denkbar beste Exekutor, aber »in sehr schlechter Richter. Der Staat ist die Quelle aller Macht, und darum ist er in Kultvrstaaten nicht allein der beste, sondern sogar der einzig mögliche Exekutor. Aber der Staat ist nicht die Quelle alles Wissens, darum mutz er, wo er Wissenschaft nöthig hat, selbst bei den Wissenden borgen. Die Frage, ob A. dem B. 100 Thlr. schuldig sei, kann der Staat als solcher ebenso wenig beantworten, wie die Frage, ob die Odyssee einen einzigen Verfasser hat, ob die Venus einen Trabanten hat, oder welche Heilmethode beim Typhus anzuwenden ist. Wenn zwei Leute über Mein und Dein miteinander streiten, so müssen sie beide ihr Urtheil demjenigen eines Dritten unterordnen, weil dies der einzige Weg ist, Gewalt zu vrrmeiden, und daß die Gewalt in dem gegenseitigen Verkehr der Angehörige» desselben Staates vermieden werde, ist eine kategorisch« Forderung. Beide Parteien müssen ihr Ermessen darüber, was im vorliegenden Falle Recht sei, dem Ermessen eines Dritten unterordnen. Gewöhnlich glaubt man, dieser Dritte könne und solle in jedem einzelnen Falle ermitteln, was denn nun wirklich, eigentlich und objektiv „Rechtes" sei. Aber diese Vorstellung ist eine naive. Das wirkliche und eigentliche Recht liegt gewöhnlich so tief, wie das Gold der Zwerge. Wir haben keine Methode, diesen Schatz zu heben. Was ein einsichtiger Mann, der nicht allein den Kopf, sondern auch das Herz auf dem rechten Flecke hat, der im Stande ist, sich in die Lage der beiden Parteien zu setzen, und zwar mit gleicher Lebhaftigkeit in die Lage jeder der beiden, als Recht empfindet, das müssen wir hinnehmen, al» sei es wirklich das gesuchte Recht. Das Vernünftigste ist, daß jeder Streitfall durch Schieds richter geschlichtet würde, und wenn es möglich wäre, für jeden einzelnen Fall einen Schiedsrichter aufzufinden, zu welchem jede der beiden Parteien mehr Zutrauen hat, als zu irgend einem anderen Menschen, und wenn gleichzeitig dieser erwählte Richter immer Zeit und Muße hätte, sich dem Amte zu unterziehen, welche« man ihm überträgt, so würden die ordentlichen Gerichte feiern können. Diese Vor aussetzungen treffen aber nicht zu. Der Ausbruch eines Rechtsstreites pflegt zwischen zwei Personen ein größeres oder geringeres Maß von Mißtrauen und Erbitterung zu erzeugen, und daS hat die Folge, daß sie sich über Nichts mehr einigen können, auch nicht über die Wahl eines geeigneten Schiedsrichters. Ferner ist es ein zeitraubendes und undankbares Geschäft, sich um fremde Angelegenheiten zu bekümmern und der geeignete Schiedsrichter ist nicht immer der geneigte. Es erwächst also dem Staate die Auf gabe, für Bestellung von Personen zu sorgen, die von beiden Parteien das gleiche, und dabei «in relativ hohes Ver trauen in Anspruch nehmen können. Daß man seit dreihundert Jahren diese Personen aus schließlich aus einer geschloffenen Priesterkaste genommen hat, aus dem Stande der Rechtsgelehrten, hing zusammen mit der Verkümmerung, welcher unser öffentliches und politisches Leben verfallen war. Eavigny sprach vor sechszig Jahren das goldene Wort: „Das Recht ist kein Ding an sich, sondern das Leben selbst von einer gewissen Seite betrachtet." Diese Wahrheft hatte man bei uns lange verkannt und des großen Savigny kleine Schüler haben das Ihrige dazu beigetragen, sie so bald als möglich wieder der Vergessenheit zu weihen. Stumpf und feig hatte sich das Volk darein ergeben, daS Recht als ein Schicksal, als eine höhere Macht zu betrachten, die über uns, nicht in uns thronte ; hatte sich darein gefunden, daß man aus einem mehr als tausendjährigen Byzantinerwerke ihm das lebendige Recht zu sprechen versuchte, und da dieses Buch den Zunftjuristen ebenso ausschließlich zu gänglich mar, wie die Pharmakopoe dem Apotheker, so hatte man sich die gelehrten Gerichte, ihr Räuberlatein und ihre verzerrte Logik gefallen lassen müssen. Das Handelsgesetzbuch ist aus dem Volke heraus erwachsen und hat nur mit Hilfe von Männern de» praktischen Leben« formulirt werden können; nur auf demselben Wege wird es angewendet und fortgebildet werden können. Richt um eine Sonderung der Stände handelt eS sich bei der Einsetzung von Handelsgerichte«, sondern um eine Rücksichtnahme auf den Charakter de» Rechtsbuches. DaS gelehrt« römische Recht kann nur vo« gelehrten Richtern, daS aus dem Volke erwachsene moderne Recht nur unter Mitwirkung von Laien gehandhabt werden. Ein Rechtsstreit ist immer nur dann möglich, wenn die . Verabredungen der Parteien gekreuzt werden durch daS' Eintreten «ineS unvorgesehenen Ereignisses, auf welche» die Verabredung sich nicht bezog., Die Rechtsfrage lautet immer dahin: WaS würden die Parteien verabredet haben, wenn sie dieses Ereigniß vorauSgesehen hätten? Und diese Frage kann nur der beantworten, der selbst mitten im Verkehr steht. Wo die Geistesbildung des Mittelstand«» eine so gedrückte und die Fähigkeit des Ausdrucke» eine so beschränkte war, wie bei uns im vorigen Jahrhundert, konnte der akademisch gebildete Mann kraft seiner akade mischen Bildung den Anspruch erheben, er wisse besser, wa» die Kontrahenten eigentlich gewollt haben, als diese selbst. Heute, wo die Bildung des Kaufmanns, seine FSHiÄeit aufzufassen und sich auszudrücken, seine Kenntnisse i>er wirthschaftlichen Vorgänge, derjenigen des Juristen, — um uns glimpflich auHudrücken, — ebenbürtig ist, ist eft» solcher Anspruch unerhört. Der gelehrte Richter ist in sehr vielen Fällen außer Stande, sich ein klares Bild der wirthschaftlichen Motive zu entwerfen, die die Kontrahenten zum Abschlusse ihres Geschäfts veranlaßt haben und er ist daher nicht berufen, diesen Vertrag auSzulegen, d. h. das jenige zu ergänzen, was in demselben aus Mangel an ge nügender Voraussicht ««ausgesprochen geblieben ist. Will man daS Recht wieder auffaffen, als da», waS «S ist, als „das Leben selbst, von einer gewissen Seite be trachtet", so muß es auch von denen gehandhabt werden, die mit dem Leben vertraut sind. In dem Maße, wie di« Reform unseres materiellen Rechtes fortschreitet, wird auch das Bedürfniß steigen, die Laiengerichtsbarkeit in Civilsachen auszudehnen. Tagesschau. Freiberg, den 26. Mai. Der Kronprinz des deutschen Reiches verließ gestern mit seiner Gemahlin München, um einen Tag in Regensburg zu verweilen, von wo sie nach Berlin zurückkehren. Feuilleton. Rosa Lichtwart. Rovkllc »on S. «Sichert. Er legte ein kleines Päckchen mit fest zusammengerollten Kleidungsstücken auf den Tisch und warf den Mantel ab. „Beeile Dich," fügte er hinzu, „wir haben nicht lange Zeit. Der Anschluß an die Eisenbahn darf nicht versäumt werden — erst jenseits der Grenze sind wir ganz sicher." Rosa starrte ihn wie geistesabwesend a». Die Dunkel heit ließ kaum noch seine Züge erkennen ; er erschien ihr wie der böse Geist, der sie zu versuchen kam. Sie konnte frei sein, wenn sie die hilfreiche Hand ergriff, die sich ihr entgegenstreckte — frei! Wenn sie erst die Mauer des Gefängnisses hinter sich hatte, wer konnte sie hindern, ihren eigene» Weg einzuschlage»? Und es gab einen, auf dem sie auch Lergeskoi nicht einzuholen vermochte. Noch einmal Fortunata an ihr Herz drücken und dann — Aber nein l des Kindes wegen nicht. Ihrer Flucht aus dem Gefängniß mutzte eine Flucht aus dem Leden folgen, darüber war sie mit sich einig; und mutzte dann nicht ihre Schuld als erwiesen gelten ? Fiel dann nicht ein untilg barer Makel auf das Kind? „Sie vergessen Ihre eigene Drohung," antwortete sie unsicher; „vor der Strafe des Gesetzes, die eine für schuldig j Erkannte treffen soll, können Sie mich vielleicht schützen, § wenn »ch fliehe, wird man ein Recht haben, hinter mir herzurufen: „Eine Mörderin ist entflohen I" Er murmelte einige Worte in sich hinein, die sie nicht verstand, und dann schwieg er eine Weile. Wahrscheinlich überlegte er, wie er sich weiter zu verhalten habe, um ihr Bedenken zu beseitigen, und doch nicht seine eigene Sicher heit zu gefährden. Endlich trat er dicht an sie heran, stützte den Ellenbogen aus den Tisch und sagte leise, sich zu ihr überlehnend: „Und wenn ich nun im Besitz eines Beweis stückes wäre, das vor jedem Richter Ihre Unschuld unzweifel haft darthun muß — wie dann, Rosa? Ich könnte mich unter Umständen bestimmen lasse», es Ihnen zur Disposition zu stellen — unter Umständen." „Wovon sprechen Sie?" fragte das Mädchen, sich ängst lich zurückziehend. I» diesem Augenblick ging ihr der Ge danke durch den Kopf, ob sie nicht gegen Sergeekoi selbst gesicherter sei, wenn sie auf seinen Plan eingehe und in seinen Kleidern eiligst die Zell» verlasse. „Es ist Thorheit", erwiderte er ärgerlich, „daß wir hier die kostbare Zeit mit Hin- und Herreden verschwenden, statt zu handeln und später in aller Ruhe zu erörtern, was zu erörtern bleibt. Aber ich kenne schon Deine Hartnäckigkeit und weiß, daß ich dagegen den kürzeren ziehe. Gut denn — Höre mich an, ich will mich möglichst kurz fassen. „Nachdem der Freiherr von Diestelhorst mir im Duell eine Kugel durch die Brust gejagt hatte, lag ich lange Zeit fast hoffnungslos auf dem Siechbctte. Meine Qualen waren so groß, daß ich ost selbst zu sterben wünschte, und nur die Qual war noch größer, daß ich aus dem Leben scheiden sollte, ohne mich an ihm gerächt zu haben. Endlich gelang es der Kunst eines deutschen Arztes, die Wunde zu schließen, aber die Kugel war nicht entfernt, und unerträgliche Schmer zen peinigten mich bei jedem Witterungswechsel, wie er bei uns im Norden so häufig eintritt. Auch die Lunge hatte gelitten, und die Doktoren erklärten übereinstimmend, daß ein längerer Aufenthalt im Süden dringendes Erfordernitz sei, wenn ich mich nicht unrettbar verloren geben wolle. Ich ging auf ihren Rath nach Madeira ; meine Rachepläne glaubt« ich ausschieben zu müssen. Aber ein Zufall gab denselben eine ganz unerwartete Richtung. Ich traf dort die Ba ronin. Sie war eine schöne und liebenswürdige Frau. Aber wenn cS den Anschein hatte, daß ich mich bald völlig in ihre Fesseln schmieden ließ — und sie selbst glaubte daran —, so waren nicht Schönheit und Liebenswürdigkeit die Mächte, denen mein Herz unterlag; daß sie sein Weib wär, reizte mich. Die Beleidigung, die er mir angethan, konnte nicht empfindlicher gerächt werden, als wenn ich ihm an der Stelle vergalt, wo er selbst sündigte. Er hatte mir eine Geliebte entrissen, ich forderte dafür sei» Weib. Es fehlte wenig, daß ich triumphirte ; nur meine Voreiligkeit verschuldet« «S schließlich, daß die Baronin zur Besinnung kam, und sich nlir entzog. Sie reiste ab — ich folgte ihr mildem näch sten Schiffe, uin bier meine Bewerbungen sortzusetzen. Der alte Jonas, der seinem Herrn feindlich gesinnt war, hatte sich gewinnen lassen; er verschaffte mir an jenem Abend heimlich Eintritt in das Haus. Ich überraschte die Baronin und bestürmte sie mit Bitten, sich von ihrem Gemahl zu tremien und mir zu folgen — aber sie widerstand. Ich drohte, ihn aus dem Wege zu räumen, wenn die Achtung vor Rechten, denen er keine Pflicht entgegenzusetzen für nöthig fand, sie zum Leiden verdammen sollte, und zog gleichsam zur Bekräftigung aus meiner Brieftasche eine kleine Papierhülfe, deren Inhalt sie erratben mochte. Sie entriß mir dieselbe und gab ihren Abscheu vor jeder Gewallthat zu erkennen. Wie der Freiherr auch an ihr gehandelt habe, und welche Kränkungen ihr noch bevorstehen möchten, sie sei entschlossen, auszuharr n. Ich mußte einsehen, daß jedes weitere Andringen nur meine Partie verschlechtern könnte, und zog mich mit der Erklärung zurück, daß ich die Hoff nung nicht aufgebe, sie meinen Wünschen geneigt zu machen.