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Erscheint jeden Wochentag Abend» 6 Uhr für den andern Tag. Preis vierteUShr- Uch 2 Mark 25 Pf., »weimonatl. 1 Mt. vO Pf. und ein- monatl. 7b Pf. Die Redaktion be- fü»det sich Rinnen gasse 9«^. ll. Et. NeibergerAnzeiger und Tageblatt. Jnl-r-U- werden bl» Vor mittags l 1 Uhr für nächste Pr. angle- nommen u. die a^- spaltene geile o^r 10 Pf. berechnet, Inserate sind stetß an die Expedition, Frotscher'sche Buch- Handlung, zu sende«. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. 1875. Mittwoch, den 12. Mai 107 Be- Cagesschnu. Freiberg, den II. Mai. Kurze Zeil nachdem gestern derKaiser vonRußland, empfangen von den herzlichsten Begrüßungen des Hofes und den brausenden Zurufen der versammelten Bolksmeüge seinen Einzug in Berlin gehalten und die üblichen Besuche mit deu Majestäten ausgetauscht hatte, fuhr derselbe bei dem Auswärtigen Amte vor, um deu Fürsten Bismarck, welcher bei der Begrüßung aus dem Bahnhöfe nicht zugegen Ivar, seinen Besuch abzustatlen. ES zeigt sich in dieser Auf merksamkeit von Neuem die schon ost hervorgetretene Ver- ehrung, weiche Kaiser Alexander für die Person des deutschen Reichskanzlers hegt. Das Gefolge des Kaisers besteht außer den Sekretäre» und der zahlreichen Diener schaft aus elf Personen, nämlich dem Reichskanzler Fürsten Gortichakoff. dem Minister Grafen Adlsrberg, dem Geh. Rath v. Hamburger vom auswärtigen Ministerium, zwei Generaiadjutanten, zwei Generalen n l» -nü„, zwei ,Mge!adjutanten und dem Leibarzt. Außerdem ist auch der Mlitärbcvollmächtlgte Deutschlands am Petersburger Der Untergang des Dampfers Schiller. Ueber die traurige Katastrophe, welche am Freitage Abend 10 Uhr dm P?'stdampfer „Schiller" b°. den Sc.lly- rinseln an der Südwestecke Englands, also gerade an dem Punkte erreichte, wo die rmglückiichen Paßag--^ alt» Europa bättcn begrüßen kennen, bringen neuere Lei ^"bur'g',^ Marant' Aussage,d°S gerettete» Offiziers Pohlemann macht- man bei km°ch Boote slotü von denen 5 längs der Seite des SANS d sd den Seegang in Trümmer geschlagen wurde - D - sch See wars den Kapitän von der Kommandobrücke uler Bo^ Ebenso wurden auch die Passagiere m-fft-^ ub-^ spült, wenige ertranken in der Kaiutt. -"r Bcr nst Sckikks ist dnrck den Nebel h-rbeig-fuhrt, der drei Lage hindurch auhielt und während dieser Zeit alle Beobachtungen unmöglich machte. Tas Schiss ist '.A »"'n." "«ü Gegen dreißig Leichen sind -".'S Land 0°'^^ ° » Wrack befinden sich keine Leiche» mehr. Die SchtffSowznrc Hillers und Heintze werden zurückbleiben, um d>- autre d-nd- L-ichen zu idenlifizirm, Pohlemann und zwei «- -watts werden ihre Rückreise »ach Hamburg anlr-t-n. 77 dürch de» jetzt vorliegenden Meldungen sollen >m Ganz-i I >Pasi- g>er- und LU von der Nlaunschast g-r-tt-t s-"». L-V'°r° und 8 Pafiaqiere gehe» nach Plymouth, um dort den „Lesiu g »u envarten. da die „Pomn.erama" b-rettS °bgega»gen >N. , London, 10. Mai. Beu» Schiffbruch des „Schiller lind wie iedt sestgestcllt ist, von den an Bord befindlichen 254Passagiereu und 101 zur Mannichaft gehörigen Personell im Ganzen 812 umgekomme». Di« Geretteten wurden von dem Plymouther Agenten der transatlantischen Gesellschaft, Thomas Jones Stevens, in Penzance empfangen und jur alle Bedürfnisse derselben von ihm Sorg- getragen. — Nach einer dem „Standard" zugegangene» Nachricht hat der Kapitän das Möglichste gethan, um Verwirrung zu ver hindern und zuletzt sogar seinen Revolver über die Köpfe der Paffagiere weg abgeschoffen. Die Mannschaft scheine aber das Beispiel des Kapitäns nicht befolgt, sondern mehr an bieDettung des eigenen Lebens als au die Rettung der Frauen und Kinder gedacht zu haben. Plymouth, 10. Mai. Von dem geretteten Pasiagieren und Mannschasten des „Schiller" find gestern Abend 82 Personen hier eingetroffen und, da die „Pommerania" be reits Nachmittags 2 Ubr die Heimreise angetreten hatte, hier geblieben. Nach den Berichten der Geretteten war Kapitän Thomas drei Tage lang, bevor der Unfall sich er eignete, außer Stande, irgend welche astronomische Beobach tungen anzustelle» und deshalb unermüdlich mit Senkblei- Versuchen beschäftigt. Als man sich dem Lande näherte, befand sich der Kapitän aus der Brücke uud ließ mit halber Kraft fahre», er glaubt- sich jedoch mehrere Meile» von de» Scillymsel» e.itsernt. Der Nebel war außerordentlich Uniere Leser haben jetzt, soweit sie der Politik aufmerk sam folgen, Gelegenheit gehabt, sich sowohl über die ita lienische als auch über die deutsch-belgische Ange legenheit ein Urtheil zu bilde». I» Rom wie in Brüssel wurde» die betreffenden Debattenmitdankenswerther Offenheit gesührt und wir haben nicht versäumt, ihren wesentlichen Inhalt in kurz gedrängte» Auszüge» mitzutheilen. Um !« mehr wird es ausgefallen sei», daß ein gestern mitgeth«ilt«S Telegramm Friedensversicherungen enthält, als ob der Frieden wirklich irgendwo ernstlich gefährdet tväre. Leider ist es Thatsache, daß in letzter Zeit kriegerisch« Prophezeiungen so zu sagen an der Tagesordnung waren. Die Wiener Montagsrevue glaubt die Ursache solcher Er scheinung auf eine europäische Börsen - Baissepartei zurück- sühren zu sollen; doch lassen sich jedensalls noch ander« Gründe namhaft machen, die wir heute wegen Mangel an Rannt nicht näher erörtern, aber morgen einer besonderen Besprechung unterziehen wollen. Darin geben wir aber dem Wiener Blatt vollständig Recht, wenn es sagt, bei allen dieie» KriegSbesvrgnissen unterschätze man die Bedeutung des Dreikaiserbündnisses. Dieses Bündniß sei auf der Basis des europäischen Friedens aufgerichtet, seine Grundlage und jein Zweck seien, Europa vor uduen gewaltsamen Erschüt terungen zu schützen. Nichts wäre thörichter als die Annahme, daß Deutschlaird sich von Abmachungen lossagen sollte, die ihm den vollen ungetrübten Besitz der großen Errungen schaften aus deu Kriegsjahren und den friedlichen Ausbau. seines Staatswesens verbürgten. Für den vermeintlichen Ehrgeiz Preußens sei nicht das geringste Objekt und kein irgendwie erkennbares Ziel aufweisbar. Sollte andererseits jemals die Wiedsrerstarkung Frankreichs die Vergeltungs- g-danten in den Vordergrund drängen, dann werde sich das moralische Gewicht der politischen Verbindung der drei Kaiserreiche erweisen, um auch in diesem Falle Europa vor den Gefahren eines neuen Krieges zu bewahren. Dem Neichskanzleramte ist von Seiten des Bremer Senats ein Gutachten der dortigen Gewerbekammer über den Gesetzentwurf betreffend die Hülfs lassen für Ge sellen, Lehrlinge und Arbeiter zugegangen. Nach den Hanplbestimmungen dieses Entwurfs können bekanntlich Gesellen, GehMfen, Lehrlinge und Arbeiter angehalten werde», einer Kranken- und Sterbskasse beizutreten und die gesetzlichen Beiträge dazu zu bezahlen, auch können die Arbeitgeber durch Ortsstatut verpflichtet werden, bis zur Hälfte dieies Beitrags zur Unterstützung einzuzahlen. Die bremische Gewerbekammer stimmt den Motiven zum Gesetz- Hofe General v. Werder in Begleitung des Kaisers ein- getrofsen. Für heute ist die Parade der Potsdamer Gar nison verstärkt durch das Kaiser Alexander-Grenadierregt- meut festgesetzt, an die sich Nachmittags das offizielle Diner im Palais d-S Kaisers schließt, zu welchem das gauze diplomatische Korps Einladungen erhalten hat. dicht und das Schiff Mb auf Klippen, ehe irgend eine . Gefahr befürchtet wurde. ES wurden Vermche gemacht, - di- Boote flott zu machen, aber Mtt Ausnahme von zwei I Boote» di- auch di- Insel Tresco erreichten, wurde» di- üdriacn -utweder vo» dem heftige» Wellenschläge zerschellt öder umg-worf-n. Der erste Bootsmann, Simon Jansen, mack-Ie mit 4 Mann ein Boot flott und rud-rte landwärts, um sich über das User zu orientir-n, er gelangt- in das Lickt von Bishops-Leuchthurm, Hörl-die N-b-lglock- und kebrte da er sich von der Unmöglichkeit einer Landung überzeugte, nach dem gescheiterten Schiffe zurück. Aus dem W-a dahin wurde der zweite Steuermann und 10 Männer, iowie eine Person vom Wrack eines Schiffsrettungsbootes, das sich in sinkenden. Zustande befand, von dem Boote ausqenommeu. Mau ruderte seewärts, blieb dort bis Tagesanbruch und ruderte alsdann nach Tresko, wo gleich zeitig auck ein zweites Boot mit weiteren 10 Männer» ankam Kapitän Thomas wurde 3 Uhr Morgens von der Brücke über Bord gewaschen, «in Schornstein wurde Morgens um 4 Uhr jortgerissen, beide Masten standen noch, eine große Anzahl von Personen befand sich in den Rae». Um b Ubr Morgens wurde der Hauptmast sortgeriffen, zwischeu 6 uud 7 Uhr der Vordermast, aus dem sich der erste und vierte Steuermann besanden. Nachdem das Quarterdeck sortgeriffen war, ging das Schiff rasch in Stücke. Die gereiteten Passagiere spende» dem Kapitän hohes Lob wegen seiner sorgfältigen treuen Pflichtersüllung vor dem Eintreten des Unfalls und wegen seiner muthigen Be strebungen zur Rettung von Menschenleben, nachdem das Unglück geschehen war. — Von den Postbeutcln sind bis jetzt nur 50 geborgen worden. Feuilleton. Rosa Lichtwart. Novelle von (L. Wichert. (Fortsetzung.) Die Frau Professor räusperte sich und wartete eine kurze Weile aus eine nähere Erklär»,Ig. Da solch- ausblieb, ging sie nach ihrem Nähtische und nahm ein Papier heraus. Ihre Ungeduld kmmtt nicht schnell genug auf das eigentliche Ziel lossteuern. „Sie haben beim Weggehen diesen Bries ver loren," jagte sie; „es ist ja Wohl der Brief, der heut- durch einen Livrecbedienten überbracht wurde?" Rosa griff nach ihrem Busentuch, als ob sie noch „öthig hätte, sich zu überzeugen, daß der V-rwahrungSort sehr unsicher gewesen wäre. „Ich hatte ihn vergessen," ant wortete sie, „und -S ist gm, daß er hier im Hause verloren wurde." Sie nahm das Blatt und hielt cs zwischen beiden Händen, die Augen daraus geseukt, vor sich hin. Lie haben den Bries gelesen —?" sagte sie dann leise "und prüseud, kaum im Ton der Frage. Die junge Frau erröthete leicht und hielt das Taschen tuch vor den Mund, um ein Hüsteln, das ihre Verlegenheit verrieth, zurllckzuhalte». Dann schien eS ihr doch das Ge- rathenste, der Wahrheit ohne Umschweis die Ehre zu geben. „Ich habe de» Brief gelesen," antwortete sie entschlossen - „ich hielt mich dazu für befugt, da er offen liegen geblieben war, und es konnte mir nicht gleichgiltig sei,, —" Rosa iah mtt ihren großen Augen recht freundlich zu ihr auf, ihr ;ede w-it-r- Erklärung zu ersparen. „O! es ariW-- mA'A", Professor," sag,- sie mit dem Ausdruck das Sie so zufällig Einblick in de» ».in, überhebt mich einer langen und Ich batte wenigstens in der Hauptsache. Hane nur fest vorgenommen, Sie mit diese,, Vcrbätt nisjen bekannt zu mache», die Ihnen unmöglich länger ein die ihnen sehr verdächtig erscheinen mußten? Was hier ge schehen ist, ließ sich nicht mit wenigen Worten erklären. Sie mußten »sich erst kenne» gelernt haben, um mir glaube» zu können. Ich sagte Ihne» freilich, mein Bräutigam sei todt — für mich war er todt, iu meinem Herzen war er gestorben, Uud wenn Tie mm erfahren, daß die näheren Umstände, die ich angab, meine Erfindung waren, so hinter ging ich Sie doch nicht. Ich hatte wirklich ein Grab ge graben und all' meine Hoffnung darein versenkt." Das mitleidige H-rz der Professorin war leicht zur Milde gestimmt. „Sie könne» ynS nicht verdenken," be merkte sie gleichsam zu ihrer eigenen Rechtfertigung, „daß wir Verdacht schöpfen, wenn so sonderbare Umstände zu- jammeutreffe», Neulich der Vorfall auf dem Platze unten —" „Er steht außer Zusammenhang mit diesen letzten Be gebenheiten," versicherte Rosa. "2v? Also jener Fremde, der Sie so erschreckte, war mcht dieser Herr v. D., welcher den Brief geschrieben hat?" „Es war nicht Freiherr von Diestelhorst " „Freiherr von Diestelhorft — so, so! das ist ja eine vornehme Bekanntschaft." . .".Sie wisse» nun den Namen. Wollen Sie erlauben, datz ich auch noch weiter zur Aufklärung dessen, was Ihnen l Geheimnis bleibe» dursten. Nu» haben Sie aus den, Inhalt l IdieseS BricseS ersehen —" „Daß Sieunsmit Umvahrheite» zu hintergehen juchten," siel ihr die Projejsorm in'S Wort. „ES Hal mir jehr leid gethan, eine jo uitersreuliche Erfahrung machen zu müssen." Roja zuckte kaum ei» wenig mit de» Wimpern; ihr Blick blieb ganz offen auf die Frau gerichtet, di- ihr in vornehmer Haltung gegeniiberstand uud nun ihrerseits einige Mübe hatte, ihre wachsende Verlegenheit zu verbergen. „Nach dein, was Sie im» wissen," sag-.e sie, „konnten Sie wirklich erwarte», daß ich Fremde», di- sich »och nicht ein mal für mich entschiede» hatte», Mittheilmige» mache» sollte, »ach dem Briefe noch dunkel bleiben mußte —? Ah! ich hoffte, eine Bitte daran schließen zu können —" „Sehen Sie nur erst nach deni Knaben der schon sehr lange nach Ihnen verlangt bat," sagte die Professorin, ihr freundlich zunickend. „Ich will dann gern hören, was Sie mir anznvertraue» habe», wenn Sie glaube», mir diese Er öffnungen schuldig zu sein," Sie war innerlich recht froh, ihre Neugierb- aus so gute Weise befriedigt zu sehen, ohne sie verraihe» zu dürfen. — Rosa gab eine möglichst schmucklose und einfache Erzäh lung ihrer LebenSgeschlchte, so weit sie hier interessiren konnte, oft unterbrochen vo» der Professorin, die immer nicht genau gmmg in die Verhältnisse eingewsihl werde» konnte, die für sie de» Reiz eines spannenden Romans hatten. „Es ist wirklich gut, daß ich vorher den Bries gelesen habe," meinte sie, „der mir, wie ich ihn jetzt verstehe, Ihre Angaben be wahrheitet, Wer das so ohne Weiteres horte, könnte leicht ans den Gedanken falle», daß Sie sich etwas znsammen- r-im-n, was nur in der Phantasie Bestand hat, Armes Mädchen! ich bedauere Sie wirklich von Herzen, obschon ich es nicht billigen k. nn, daß Sie so unvorsichtig ihrer Nei gung »achgaben, ohne sich zu sichern, Aber -S mag wohl schwer sein, vom geraden Wege nicht abzuirren, wenn man so allein in der Welt steht und ihren Verlockungen ausgesetzt ist. In seinen engen bürgerlichen Verhältnissen hat man doch -— Gott sei Dank! kaum einen Begriff davon, wie es außen zugeht. Ich verstehe die Baronin nicht. Wenn mir io etwas begegnete — ich will mich nicht versündigen, es nur als möglich zu denke» —, ich glaube, ich legte mich in den Tod. lind nun will sie gar das Kind annehmen und als das ihrige, erziehen —? Das muß besondere Gründe habe». Ich kann Ibsen nur Recht gebe», wem. Sie sich stcmdhafl weigern, auf diese Pläne einzugehen. Keine Mutter, die ihr Kind lieb hat, könnte cs einer solchen Gefahr aus- setzen — um alle SchG« der Welt nicht I Wenn ich an meinen Knaben denke— der Himmel mag ihn vor dem