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FreibergerÄMger und Tageblatt Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Braud. 1875. Dienstag, den 11. Mai. § „Du hast Wahnwitze Phantasien, Rosa." rief der» siehst Gespenster bei Hellem Tage. Cäcilie ist gut und fromm. Freiherr zornig. „Uni HimmclSwitlen, bedenke, was Du Wenn sie wägte —" Feuilleton. sprichst, wen Du beschuldigst! Wenn Du die Frau kenne» würdest, die Du verunglimpfst, auf deu .iknieen wurdest Du ihr LaS Unrecht abbitten. Und bin ich nicht znr Aussicht da, wen» sie'S wirklich an Sorgfalt fehlen lassen sollte? Lehe ich das Kind nicht jeden Tag, früh nnd spät? Glaubst Du, dast ich auch nur die geringste Vernachlässi gung nngerügt lassen würde? Was könnte mich bestimmen, zum Schaden des Kindes nachsichtig zu sein? Wem zu Liebe? Cäcilie weist, dast nur Freundschaft zwischen uns denkbar ist, und Freundschaft verblendet nicht wie Liebe. Wenn Du ihr nicht Vertrauen schenkst, Rosa, warum woll- Rosa trat dicht vor ihn hin. „Sage ihr das! Ich will nicht anders vor ihr erscheinen, als ich bin, und wenn ihr Hast dann offenkundig wird — um so bester für uns Beide und für Dich. Mein Kind aber" — sie trat in's Kabinet und hob eS aus den Arm — „mein Kind bleibt bei mir. ES steht nicht unter väterlicher Gewalt Denn seins Mutter ist frei. Niemand hat Gewalt darüber, als ich! Wehe dem, der uns antastet! — Still, still, mein süsteS Kind; laß Deinen Schlaf nicht stören. Die Zeit der Prüfung tvird vorübergehen, so schwer sie ist, und dann tvird Dein kleines Herz Ruhe haben an meinem Herzen, und wenn Du erfahren wirst, dast es ängstlich sür Dich geschlagen hat, wirst Dn lächeln und mir init einem Kust lohnen. Komm — komm." Sie zog das Tuch über dem kleinen Gesicht zusammen, drückte das Köpfchen an ihre Brust und ging nach der Thürc. — „Wohin, Rosa?" rief der Freiherr erschreckt. Sie wandte sich noch einmal zurück. „Ich vergast Ab schied zu nehmen," sagte sie in ganz verändertem Tone, indem sie auf Frau Brausewind zuging, die sprachlos vor Verwunderung über diesen Austritt am Fenster stand. „Ich hätte Ihnen mein kleines Mädchen gern gelassen — Sie haben eS so treu gewartet — aber ich weist ja, dast ich Ihnen nicht länger lästig fallen darf — Sie haben andere Pflichten —„ „Aber Kind," siel ihr die alte Frau ärgerlich in die Rede, „das sind ja Dummheiten. Wer wird denn ein Wort im Elfer gleich so ernst nehmen? Was ich da vorhin gesprochen habe — es war ja nur, Sie auf andere Gedanken zu bringen, und wenn ich einmal Herausplatze, da sollten Sie' mich doch schon kennen. Reden nnd Thun, das steht auf ver schiedenem Brett. Ich sage nochmals, das sind ja Dumm heiten, und ich leide nicht, dast Sie so aus und davon gehen. Inserate »erden di« »orS mittag« II Uhr sür nächste Ar. ange nommen u. di« ge- spaUene geile »der deren Raum mit 10 Ps. derechnet. Inserate Pa» stet, an die tchwedition, Frotscherstche Buch. Handlung, za sendem «meimonatl. I Ml. v<> Ps. und ein- monatl. 7k» Pf. »ie «ed°«»n d«. findet sich Hiinnen- »ass« II. tit. Rosa Lichtwart. Novelle von tL. Wichert. lgorlsetzuna.) Rosa zuckle zurück. „Soll ich's noch deutlicher sagen, tast mich Deine Zumuthung empört?! Mein Kind ihr d anvertrauen — der Frau, die allein aus der Welt Grund I hat, ihm seindlich zu begegnen? Warum stehen Sties- i Mütter in dem Ruf der Lieblosigkeit? Weil eS in der I Natur begründet ist, dast sie nicht lieben können, was eine I Andere geliebt hat, die einst ihre Stelle im Herzen des I Vaters einnahm. Der Vater, der sein Kind liebt, liebt in »ihm immer noch die Frau, die eS ihm schenkte und so »zwingt die Eifersucht zum Hast. Je zärtlicher die Neigung, Idesto peinigender daS Gefühl, theilcn zu müssen, wo nur Mvolle Hingabe beglücken kann. Und dort schliesst ein Grab Ijede Hoffnung und Furcht der Rückkehr aus ; nur der blasse »Schatten einer Todten tritt störend zwischen die Gatten. ^Pteine Pflicht ward verletzt, kein Recht zertreten, keine Hoff- Uung getäuscht. Hier aber ich lebe, und auch jetzt l Doch sagst Du mir, sagst Du Cäcilie, dast Du mich liebst, lÄSie must es glauben. Und doch sollte sie meinem Kinde Werecht werden können?! Meinem Kinde?! Natürlicher »Wär's, wenn sie es verwünschte, wenn sie es hungern und »ürsten ließe, wenn sie es peinigte, so ost di- Pein ihres ihr Mitleid überwältigt«. Das arme, hilflose Ayeschöpf, daS nicht einmal klagen kann! Und wenn eS wenn eS stirbt — was weiter? Ein unglücklicher UHufall. Dann werden die schönsten Rosen nicht zu kostbar den kleinen Sarg zu schmücken, und man wird ihn Anaustragen m,t allem Pomp, der dem sreiherrlichen Hause Md wenn die Thüren sich geschloffen haben, wird Au Gesicht tr>umph,rend lächeln —" test Du es mir verjagen?" Die Muskeln in ihrem Gesichte arbeiteten konvulsivisch, die Adern aus. der meisten Stiru pulsirten sichtlich. „Und wenn Du ArguSaugen hättest," eulgegnete sie mit einer Wildheit, die chm Schrecken einflöstte, „Du könntest betrogen werden! Gicbt es nicht Benpicw? Und woraus gründet sich denn Dein eigenes Bertranen, Du Blinder? Wie ist plötzlich Alles ganz anders geworden! Diese Frau wird ein Engel der Milde und Barmherzigkeit, Deines freundschaft lichen Vertrauens werlh. Auf welche Veranlassung hin? Nachdem Du ihr die ärgste Schmach angethan, die ein Weib ertragen kann! Norbert — Norbert! Dn bist auch jetzt nicht ehrlich gegen mich, wie Du auch früher nicht ehrlich warst. Das Unmögliche willst Du mir zumuthen, zu glauben ; mein gesundes Gesiihl und meine klare Ver nunft soll ich verleugnen und daS Widersinnigste sür das Erhabenste erklären. Nachdem Du mich sür Dich verloren stehst, soll ich mein Kind opfern dem Nachegelüst der belei digte« Frau. Offen oder versteckt — sie fordert es von Dlr als den Preis Eurer Versöhnung." Diestelhorst stampfte unwillig mit dem Fuße aüf. „Das ist Tollheit," murmelte er verbissen in sich hinein. „Du je»«« Wochentag «bend» S Uhr sür den medern Lag. qesetz zu Ende. Fiel auch das Votum des Hauses zu Gunsten des Kabinets Minghetti-Venosta aus, so herrscht doch die Ueberzeugung, daß das Verhältnist zwischen dem Vatikan und der Regierung eine Veränderung ersahren must; denn die jetzigen Zustände sind nach beiden Seiten hin unerträglich, ränge hat man sich gescheut, diese Ueber zeugung offen auszusprechen, nachdem aber einnial der Anfang gemacht ist, gewinnt die Agitation gegen das Gesetz einen solchen Umfang, dast die Regierung in kurzer Zeit wird nachgeben müssen Die Interpellation deS jugendlichen Abgeordneten Petruccelli della Gatina, welche man verlachte, hat wie die Formel des Goethe'fchen Zauberlehrlings gewirkt. Auf Petruccelli folgte Laporta, auf Laporta Mancini und hinter diesem stehen mächtige Parteien, welche nicht Willens sind, sich mit einigen allgemeinen Erklärungen abspeisen zu lassen. Ueber die inneren Verhältnisse Frankreichs entwickelt das Pariser „Sü-cle" Ansichten, welche zu bezeichnend sind, als dast man sie übergehen könnte. Das Blatt sagt: „Eine sonderbare Zeit, in der wir leben! Es giebl keinen Glauben mehr und keine politischen Prinzipien irgend welcher Artl Die Parteien geben ihre ältesten und theuersten Ueber- zeugungen auf ; wir haben Royalisten gesehen, welche die Erbrechte der von ihnen vertheidigten Dynastien gegen einen ganz kieinen und prekären Platz in der Sonne der Republik vertauschten, wir haben Republikaner die nationale Souve ränität verleugnen sehen, indem sie dem Laude eine Regierung mit Hülfe einer Assembler gaben, der sie vier Jahre vorher jede konstituirende Gewalt verweigerte». Die «insachsten und elementarsten Begriffe sind verwirrt und verkannt; unsere gute alte französische Sprache selbst hat ihre sprüch- ' wörtliche Klarheit verloren. Das große und schöne Wort : „konservativ" hat seinen natürlichen und historischen Siim : etngebüstt. UnterKouservatwmr verstand man sonst Personen, : welche fest entschlossen waren, die groben Prinzipien, ohne . welche überhaupt keine geordnete Gesellschaft möglich ist, zu > achten und zu verlheidige», nämlich: die Familie, das Eigen- Ihum und die Gewissensfreiheit. Zukünftig tvird derjenige konservativ heisten, welcher für die augenblicklich vorhandenen Zustände eintritt, möge ihre Entstehung oder ihre Kon sequenzen sein, welche sie wollen." Dies offene Bekenntnist macht in Paris viel böses Blut, wo alle Welt sich konservativ nennt, selbst ein grosser Theil der Republikaner. Namentlich verdriesst die Behauptung, daß in Frankreich der Glaube fehle, iu einem Lande, wo man die Frömmigkeit doch so ostensibel zur Schau trägt. Die Verhandlungen der belgischen Deputirtenkammer über den deutsch-belgischen Notenwechsel finden die Leser weiter unten. Wir glauben kaum, dast init dieser belgischen Vornehmthnerei die Sache abgemacht sein wird. Auch ver öffentlichen Brüsseler Blätter ein angeblich vom Professor Bluntschli herrührendeS Schreiben, worin ausgeführt wird dast die deutsch-belgische Differenz einen ernsten Hintergrund Ueber die Reisedispositionen des Kaiser« Wilhelm nach » den, Aufenthalte in Enis tvird gemeldet, dast der Kaiser in t den ersten Tage» des Juli nach Gastein zu gehen, Anfangs ! Auanst aber wieder aus Schloß Babelsberg eiuzutreffen äedenke Wahrscheinlich würde der Kaiser dann der Mitte August stattfindenden Enthüllung des HerrmannS-Denkmais beiwohnen. Das Königsmanöver werd« den Kaiser in den ersten Tagen des September in die Nähe von Liegnitz führen und wenn, was immer mehr an Aussicht gewinne, die italienische Reise »och zur Ausführung gelangen sollte, dürste diese Reise zwischen die Zeit des Königsmanövers und des Geburtstags der Kaiserin sallen, den der Kaiser, wie gewöhnlich, in Baden-Baden zubringen werde. Ter Fürstbischof Ur. Förster von Breslau ist nicht bloS mit einer Hand-Kasette, wie ursprünglich gemeldet wnrde über die Grenze gegangen, sondern er hat zuvor alle weientlicheu V-rmögensob,ekte, Geld, Dokumente >c. in Sicherheit gebracht. ' Auch soll er nicht beabsichtigen, von seinem österreichischen Schloß aus die Verwaltung der preußischen Diözese fortzuführen oder -ineng-heim-nDelegat-n damit zu beauftragen, um di- hieraus sür den Klerus heroor- gehenden Schwierigkeiten zu vermeiden. Ein schreckliches Unglück wird aus Hamburg gemeldet. Der Postdampfer „Schiller" ist, von New-Bork kommend, vorigen Freitag Abend auf den Klippen bei Bishoprvck an der Küste von Wales gescheitert nnd total untergegangen. Am Bord befanden sich 59 Passagiere in erster, 7b in zweiter Kajüte und 120 im Zwischendeck. Die Bedienungs mannschaft des Schiffes bestand aus 100 Personen. Außer dem enthielt cs die San Francisko cingelangte Post von Australien uud Neu-Seeland, sowie 300,000 Dollars in Baar. DaS Schiss liegt jetzt auf der Seite unter Wasser. Der Kapitän und der zweite Offizier fanden ihren Tod in den Wellen, ebenso der. größte-Theil der Paffagiere und der Bedienungsmannschaft. Von Letzterer sind bis jetzt gerettet: Charles Lemke, HanS Balling, Harn- Hillers, Max Gouldberg, Hemy WalliS, HanS Petersen, Peck und ein Zwlschendecksteward Von den Passagieren sind als gerettet ermittelt: Ludwig Reidercr aus Würtemberg, Henry Stern aus New-Aork, Karl Kühn aus St. Galle», Perle ailS Philadelphias Frank ünd Schellenberg aus New-Uork. Zwei Personen wurden todt au'S Land gebracht. Von den Gerettete» werde» diejenigen, welche »ach Frankreich und Deutschland zu reiien beabsichtigten, von dem in Plymouth erwarteten Hamburger Pondampfer „Pomerania" nach Cherbourg uüd Hamburg übergeführt werde». (Vergleiche Vermischtes) AuS B aicrn kommt die Nachricht von dem am vorige» Somiabend erfolgten Tods der Prinzessin Alexandra von Baiern. Sie war am 28. Angnst 1828 geboren und ver schied plötzlich infolge eines Gehirnschlages. Die italienische Depiitirtenkammer führte vorigen Sonnabend di-mehrtägige Debatte über das Garantie- Tagesschau. Freiberg, den 10. Mai. Am Berliner Hose wird heute der russische Kaiser zn einem dreitägigen Besuche erwartet. Besondere außer einer selbstverständlichen militärischen Mc» nicht in Aussicht genommen sein, vielmehr gilt der Besuch lediglich der Familie des deutschen Kaisers nnd wird daher auch nur innerhalb derselben gefeiert werden. In Berlin geht das Gerücht, Kaiser Alexander wolle von dort ans ein Manifest an die Mächte Europa s richten, nm eme all gemeine Abrüstung zu empfehlen. Wenn wir dieses Ge rücht hier erwähnen, so geschieht dies nur, uni zu zogen, zu welchen Phantasiegebilden sich auch der vlelgcruhmte „Berliner Witz" in Politisch trockenen Zeiten verirren kann U-berhaupt ist es ganz merkwürdig, wie jetzt wieder ein mal das Gebiet der „Erfindungen" kulttmrt wird. So fanden wir schon Ende voriger Woche einen Artikel m der „Times", in welchem Deutschland die gehässigsten Plane gegen di- Ruhe und den Frieden Europa's aiigedichtet und unsere Staatsmänner beschuldigt werden, u^r Frankreich hersallen zu wolle». Was das Londoner Wellblatt mit diesem Lügenqewebe sür einen Zweck verbindet, ist une positiv unverständlich, nnd zwar uni so mehr, als dasselbe bisher einer dcutsch-sreundlichen Politik das Wort redete. Tie National-Zeiiung tritt in ihrer letzten Nummer d>-wn Verdächtigungen energisch entgegen und wir find ganz ihrer Meinung, wenn sie am Schluß ihrer Abwehr sagt: Deutsch land will den Frieden — es will ihn mit dem Bewußt sein stark genug zu sein, den Friedensstörer zu Boden zu schlagen, gegen den es die Gewalt des Aufschwunges wie- dcrfiudcu würde, der vor vier Jahren unsre Heere von Sieg zu Sieg trug. Deutschland liebt den Frieden mehr als jemals; je mächtiger cs geworden ist, desto mehr suhlt es, daß cs außer seinem Blute auch seine Ehre vor unzeitlger Kampfbegierdc zu behüten hätte. In diesem Gedanken weiß es sich eiilig mit seinem Kaiser wie mit dessen erstem Rath geber; in den Stimmen derjenige», welche der deMsche» Nation ihre Führer und Leiter als blinder Kriegslist nach- bäugend verdächtigen, erkennen wir, wie z. B. in den jüngsten Timesarttkeln, die niederträchtige Verlänmdnng tödtlichcr Feinde. Tie Nation weiß, daß, wenn ihr Kaiser sie wiederum zum Kriege aufforderte, er »mer dem Zwange bitterer und unabwendbarer Nothwcndigkeit handeln würde und aufs Nene würde sie ihm begeistert und vertrauensvoll folge». Darum bleibt unser Vertrauen m die Zukunft unerschüttert, nicht wir werden den Frieden brechen; dafür bürgt uns die Weisheit nnd Menschlichkeit unserer Führer, - bürgt Uiis die Friedensliebe der Ration, die wir laut und l feierlich betheneru können. Denjenigen aber, welcher die lHand nach dcm Palladimn Europas, «ach dem Frieden laüch nur ausstreckte, würde das deutsche Schwert treffen, Iwir hoffen noch schneller nnd wuchtiger, als er selbst eS »sich träumen ließe.