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Lorelei“, Dichtung von Wolfgang Müller von Königswinter, für Soli Chor und Orchester von Ferdinand Filler. (Zum ersten Male.) Die Soli gesungen von Fräulein Fecker und Herrn Rudolph vom königl. Hoftheater in Dresden, die Harfenpartie ge spielt von Fräulein Heerman. Die Nixen. Lorelei. Die Wogeist hell und das Wasser ist lau, Es glänzt durch des Schlosses krystalle- nen Bau. Hervor auf grünlicher Welle Zu Tanz und Gesängen in sonniger Helle! Der Mai ist gekommen, der liebliche Mai, Er bringt uns das Opfer der Lorelei. Die Geister der Reben. Auf der Woge mag’ die Nixe sich ergeh’n, Lasst uns eilen, lasst uns nach der Rebe seh’n. Bald muss sie glüh’n, Bald muss sie blüh’n. Lasst uns bereiten die köstlichen Säfte, Lasst uns weben die göttlichen Kräfte, Auf dass die Kinder der Menschen uns preisen Und uns erfreuen mit lieblichen Weisen. Die Nixen. Rebengeister auf den Höh’n, Horcht, o horchet unser’m Fleh’n. Suchet uns die schöne Fei, Bringt herbei die Lorelei, Dass mit süsser Melodei Sie verschöne uns den Mai. Die Geister der Reben. Wir gehorchen eurem Wort, Suchen hier, und suchen dort. Seht sie schlafend unterm Dach Neu begrünter Bäume. Wunderbare Fee, erwach’, Scheuche fort die Träume! Aus den Tiefen, ' Wo sie schliefen, Rufen dich mit langen Tönen All’ die wunderschönen Wasserfrauen, Hell zu schauen. Komm herbei, Lorelei! Heute ist der junge Mai. Lasset, mich in Frieden, Abgeschieden Von der Welt, Die mein Dasein mir vergällt. Lasst mich träumen, Lasst mich schweigen; Zwischen schlanken Bäumen, Ueberwölbt von lichten Zweigen, Lasst mich träumen, Lasst mich schweigen! Die Nixen. Die Woge ist hell und das Wasser ist lau, Es glänzt durch des Wassers krystalle- nen Bau. Die Rosen und Lilien erblühen im Grund, Nun öffne den Liedersprühenden Mund, Du süsse Lorelei, singe! Wir wollen jetzt halten den Maientanz, Auf blonden Locken den schilfigen Kranz. O bring’ in den Fluss den Gespielen ge schwind, O sing’ uns hernieder ein Menschenkind, Du süsse Lorelei, singe! Lorelei. Ach! sie fordern meine Lieder, Und des neuen Opfers Gabe! Fänd’ ich doch die Töne wieder, Die ich sonst gesungen habe! Doch seit Liebe ich gefunden, Seit der Liebste mich betrogen, Ist mir Gift in’s Herz gegossen, Tod mir in die Brust gezogen. In das Auge drang mir der böse Blick, Und mein wilder Sang bringet das Geschick. Nein, nein, ich singe sie nicht wieder, Denn es tödten meine Lieder! Die Nixen. O süsse Lorelei singe, O sing’ uns hernieder ein Menschenkind