Volltext Seite (XML)
Erscheint jeden Adcnds N Uh: jur den andern Tag. Preis vierteljähr lich ^iark 2b Pf., »wennenatl. 1 Mk. SV Pf. und ein- nnnail. 75 Pf. Die Redaktion be finde: sich Rinnen- gafse II Et. und Tageblatt. Znscraie werden bis Vor mittags 17 Uhr für nächste Nr. ange nommen u. die ge spaltene Zeile oder deren Raum mit lv Pf. berechnet. Inserate sind stet» an die Expedition, Frotfcher'schc Buch handlung, zu senden. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand 1875 Donnerstag, den 18. November 269 Thale, dort wollte er den die Mahnung des Staatsanwalts nicht vergessen, daß ihr Wahrsprnch das Echo der Stimme der Gerechtigkeit sein möge, denn sie sprachen vorigen Sonnabend ihr „Schuldig" über die Angeklagten: Luciani, Frezza, Armati, Farina und Morelli aus, welche sämmtlich vom Gerichtshöfe zu lebens länglicher Zwangsarbeit verurtheilt wurden. Den Namen Sonzogno aber wird die italienische Nation gewiß stets als einen ihrer treuesten Söhne in Ehren halten. Möge aber dieser Prozeß auch die italieuische Regierung in dem Muthe und der Festigkeit bestärken, auf der einmal betretenen Bahn politischen und religiösen Fortschritts unbeirrt zum Heile des Landes weiterzugehen. Ein Stuck italienischer Kulturgeschichte. Dieser Tage meldete der Telegraph aus Rom das Ur theil in einem Prozesse, der ganz Italien seit mehreren Wochen beschäftigte, ja der für das politische, religiöse und Kulturleben jener Nation von größter Bedeutung ist und auch im übrigen Europa das regste Interesse wachrief: der Prozeß Sonzogno! Der Inhalt der Anklage, worauf wir vorgestern bei Mittheilung des Urtheils zurück- zukommen versprachen, war in gedrängtester Kürze folgender: Sonzogno, der Redakteur der „Kapitale" in Rom und einer der radikalsten Abgeordneten der italienischen Deputirten- kammer, ein Volksmann im besten Sinne des Wortes, wurde in den ersten Tagen des Februar dieses Jahres in seinem Redaktions - Büreau erdolcht gefunden. Die Hand, die den Mordstahl in die Brust des edlen Mannes stieß, handelte im Auftrage eines Dritten, den persönliche und politische Motive dazu veranlaßten, den populären Sonzogno aus dem Wege zu räumen. Der Mörder heißt Frezza und der intellektuelle Urheber des Mordes ist der Rivale des Gemordeten, Luciani, nach der sehr treffenden Bemerkung des Staatsanwalts „ein Charlatan im Gewände des Tribunen". Die Motive zu der Schandthat waren der Ehrgeiz, der Neid auf die Stellung Sonzogno's, ja wahr scheinlich sogar außerdem noch ein Ehebruch, sowie die Be deutung der „Capitale", mit der Luciani in beständiger Fehde lag. Die Verhandlungen des Prozeßes gegen Mörder und Mordgesellen, auf deren Wiedergabe wir des großen Um fangs wegen, verzichten mußten, boten nun ein wahrhaft dramatisches Gemälde menschlicher Leidenschaften und politischer Verbohrtheit. Das nächste Interesse beansprucht die Thatsache, daß der Mord vermeintlich im Namen Garibaldi's begangen wurde. Luciani hatte Frezza, der nur sein blindes Werkzeug war, durch die Vorspiegelung aufgestachelt, Garibaldi wünschte den Tod Sonzogno's. Wenn uns die Geschichte aller Völker unzählige Beispiele für die Thatsache liefert, daß aus Begeisterung für eine Sache und deren vornehmste Träger Leute in den Tod gehen oder Anderen den Tod geben, so darf uns dies bei den heißblütigen Italienern — welche die Geschichte nach dem Ausspruch des Staatsanwalts ja schon so gezeichnet hat, als wenn jeder Italiener unter seinem Mantel eine Mordwaffe trüge — am wenigsten Wunder nehmen. Und doch war Alles eitel Lug und Trug! Hatte doch Sonzogno selbst durch eifriges Bemühen die Wahl Garibaldi's in Rom durchgesetzt und gehörte er ja zn dessen begeistertsten An hängern und entschiedensten Parteigängern! Allein auch das ist in Italien nicht neu, daß ein berühmter Patriot des Sein Leben war ein Taumel von Vergnügen, Luxus und Verschwendung gewesen, nun aber hatten die Ver bindlichkeiten eine Höhe erreicht, welche Flucht bedingten. Er floh nach Irland, dort Mordes verdächtigt, oder daß eine solche Unthat auf seinen Namen getauft wird. Mit Recht hat man aus diesem An läße auf eiu ähnliches Ereigniß der neueren italienischen Geschichte hingewiesen. Als nämlich Mazzini und das ,junge Europa" in den dreißiger Jahren rumorten, fand sich bei drei heimtückisch gemordeten Italienern ein TodeS- urtheil Mazzini's vor. Letzterer wurde damals verhaftet, mußte aber bald freigelaffen werden, da Todesurtheil und Unterschrift sich als gefälscht erwiesen. Luciani, der Charlatan im Gewände des Tribunen, hatte sich an Garibaldi anzuschließen gewußt und wollte durch dessen Namen und Freundschaft jene politische Rolle spielen, zu der er sich berufen dünkte und um deren Willen er selbst vor dem Morde eines Mannes nicht zurückscheute, der ihn wie ein Bruder liebte und dessen Gattin der Schurke ent führt hatte. Der Ausdruck „Charlatan" ist für einen solchen Verräther noch viel zu schwach. Mag er auch nach der Ver sicherung seines Vertheidigers in der Mitte der Tiberjäger und der Freiwilligen Garibaldi's bei Aspromonte, Mentaue und in Tyrol noch so tapfer gekämpft haben — das Schand mal des feigen Verraths und Mordes wird er doch stets an der Stirne tragen. Bot so der mehrwöchentliche Prozeß ein trauriges Bild der Niedertracht, der Stupidität und der Verworfenheit, so gewährt er auf der anderen Seite nicht unerfreuliche Be obachtungen für den Kulturgrad des italienischen Volkes, seine wachsende politische und religiöse Reife. Ein nicht zu unterschätzendes Moment in diesem Prozeße war nämlich die gewiß außerhalb Italiens mit allgemeiner Verwunderung aufgenommene Thatsache der Eidesver weigerung seitens der meisten Zeugen, sowohl der aus gebildeten Ständen, wie der einfachsten Landleute. Sie alle motivirten ihre Weigerung mit dem Grunde, daß ihrem Gewißen die gegenwärtige Eidesform nicht genüge. Ei» schlichter, alter Mann erklärte zitternd: er werde unter keiner Bedingung schwören und auch nicht einmal die Hand auf das Evangelium legen, wie es ihm der Präsident des Gerichtshofes vorgeschlagen, weil jenes Buch ihn nnr an die Pfaffen erinnere, die ihn sechs Jahre unschuldig im Kerker gehalten hätten. Dieser alte Mann ist gewiß kein muthwilliger, unbesonnener Frei geist, der durch seine Weigerung zu imponiren gedachte. Aber die Thatsache giebt zu denken und erinnert lebhaft an das Wort Oe. Martin Luthers: „Je näher ich Rom kam, desto mehr schwand mir die Achtung vor der Religion!" Es ist erklärlich, daß unter solchen Umständen dem Ausgange dieses politisch bedeutsamen Prozeßes mit größter Spannung entgegengesehen ward. Die Geschworenen haben Ihrer Ansicht nach eine Kleinigkeit, die Sie nicht einmal erwähnt wißen wollen. Komm, Carola, drücke dem Helden des gestrigen Tages die Hand. Mr. Rudolf O'Donnell, Lady Carola Clive." Zwei sanfte Augen suchten die seinen, eine kleine Hand bot sich ihm, eine leise Stimme flüsterte etwas, und des Jünglings Geschick war besiegelt. Er öffnete die halb aus den Angeln hängende schloßlose Thüre und entschuldigte lächelnd den baufälligen Zustand des Ahnenschloßes. „Tadeln Sie nicht uns, Herr Graf," sprach er halb heiter, halb traurig, „tadeln Sie Ihrer eigenen Landsleute Konfiskationen. Vielleicht sind wir ein unvorsichtiges Volk, aber als sie uns Land und Besitz nahmen, ließen wir das Uebriggebliebene verfallen. Wer Hunderttausende verliert, kümmert sich nicht mehr um einige Schillinge. Wollen Sie gefälligst Platz nehmen, schöne Aussicht wenigstens vermag ich Ihnen zu bieten." Ja es war schön. Meilenweit war der Horizont violett und purpurroth angehaucht, hie und da in goldige rubin- glänzende Tinten übergehende blaue Berge ragten in die blauere Luft und meilenweit im Sonnenglanz dehnte sich die azurne See. " ' Sie blieben fast eine Stunde. Der junge Besitzer der Schloßruine führte sie zum alten Thurm und verabschiedete sich entblößten Hauptes von ihnen. Und so wie die Sonne sein schönes Haupt beschien, ^ug Lady Carola Rudolf O'Donnell's Bild mit sich fort. Man weiß die Geschichte, ehe ich sie erzähle. Sie war Tagesschau. Freiberg, den 17. November. Heute nimmt der Reichstag nach fünftägiger Pause seine Plenarsitzungen wieder auf. Bei dieser Gelegenheit wollen wir der Arbeiten gedenken, die ihm noch obliegen. Außer einigen kleinen Vorlagen, als: Entschädigung der Inhaber von verkäuflichen Stellen im Justizdienste in Elsaß-Lothringen, Beseitigung von Ansteckungsstoffen bet Viehbeförderungen, Umwandlung von Aktien in Reichs währung und der Landeshaushaltsetat von Elsaß Lothringen für 1876 steht zunächst die Erledigung des NeichshaushaUs- etats für l 876 bevor, welche voraussichtlich mancherlei Kon troversen Hervorrufen und so viel Zeit in Anspruch nehmen dürfte, daß die kurze Spanne Zeit bis Weihnachten ziem lich ausgefüllt wird. Dann sind in letzter Zeit die Gesetz entwürfe bezüglich der Börsen- nnd Brausteuer dem Hause zugegangen, die umfangreiche Vorlage betr. die Konkurs ordnung ruht noch im Schooße einer Kommission, ebenso die Gesetze über die gegenseitigen Hilfskaffen und über die Abänderung des Postgesetzes — lauter Materien, welche mancherlei Hindernissen begegnen werden und einer ange messenen Zeit zur Erledigung bedürfen. Wenn daher von mancher Seite die Hoffnung ausgesprochen wurde, daß die Reichstagssession bis Weihnachten abgeschlossen sein werde, nachdem die Justizgesetze für später aufgehoben, so war dies eine Täuschung. Schon die bis jetzt vorliegenden Aufgaben lassen eine eben so lange Session wie im vorigen Jahre erwarten, ohne noch etwa dazukommende weitere Vorlagen in Rechnung z» ziehen. Unter dem Datum des 2. d. Mts. ist eine Allerhöchste Verordnung über ein neues Verfahren bezüglich der Ehrengerichte für dieOffiziereder kaiserlichen Bl ar ine ergangen. Die Wahl der Ehrenräthe für die Ehrengerichte über Kapitän-Lieutenants resp. Hanptlente und Snbalternosfiziere hat da, wo ein Ehrenrath schon besteht, erst am l. Dezember dieses Jahres oder an einem der nächstfolgenden Tage zum ersten Mal stattzufinden und sind diejenigen ehrengerichtlichen Untersuchungen, in welchem das förmliche Verfahren bereits angeordnet ist, möglichst be schleunigt da zu Ende zu führen, wo sie eiugeleitet wurden. Sollten in einzelnen Fällen über die Zuständigkeit der Ehrengerichte oder über die Auslegung und Anwendung sechszehn Jahre alt, und er hatte ihr Leben gerettet, ohne zaudernd der eigenen Gefahr zu denken. Sie bemitleidete ihn unaussprechlich, so stolz, so arm, von solch' edler Abkunft. Und er hatte einen Adlerblick, eine melodische Stimme und ein Lächeln, das ihr schöner dünkte, als die Sonne. Es war ein Erwachen der Liebe beim ersten Sehen, der schlaue Weltmann hätte es wohl wissen können, hätte er der Sache einen Gedanken geschenkt. Aber er war zu sehr mit den eigenen Verhältnissen beschäftigt, um sich um der Tochter Herzensangelegenheiten zu kümmern. Lady Carola bedauerte Rudolf O'Donnell, weil er arm war und wußte nicht, daß sie selbst es war. Nicht Vor liebe für das Land, nicht die Absicht, die Lage der Bewohner der Umgegend zu verbessern, hatten Graf Nnisland nach Irland gebracht. Bittere Armuth war es gewesen, und sollte ihn nun wohl einige Zeit dort festhalten. Feuilleton. Gehetmuitzvoll. Nach dem amerikanischen Originale der MrS. May Agnes Fleming frei bearbeitet von Lin- Freifrau von Berlepsch. (Fortsetzung.) 10. Kapitel. Eine irische Idylle. Kleine Ursachen haben große Wirkungen. Ein Pferd ohne Eisen änderte O'Donnells ganzes Geschick. Er ging weder ins Gebirge, noch in den Mond, weder nach Ballynahaggard noch zur schwarzen Höllenmajestät. Als er am folgenden Morgen sein Leibroß zu satteln befahl, fehlte ein Hufeisen. Lanty führte das Pferd fort, und bevor er wiederkehrte, erschien der Graf und seine Tochter. Rudolf O'Donnell war stumm vor Staunen und Aerger. Er hatte nicht im Entferntesten gedacht, daß sie sobald kommen würden, und da waren sie. Flucht war unmöglich und er verbeugte sich wie ein Furst vor den Fremden. Graf Nuisland kam ihm mit ausgestreckten Händen und dem süßesten Lächeln entgegen. „Oh, Mr. O'Donnell, gestern flohen Sie schmählich, was Donnell nicht gleich sieht, selbst wenn man nur der Dankbarkeit entrinnt. Sehen Sie nicht so bestürzt mewer' Docktet h Niemand danken. Sie retteten meiner Tochter Leben ans Gefahr des eigenen, das ist war Torryglen im lauschigen Sturm aowarten. Aber zum ersten Mal im Leben war seine Tochter auf ihn ange wiesen. hatte er sie bei sich. Bei ihrer Geburt und dem Tode der Mutter war sie in Kost gegeben worden, im dritten Jahre brachte man sie zu einer Tante nach Paris, von wo aus sie mit Papa gelegentlich den alten Baron Tregenna besuchte, wo mau ihr sagte, daß, wenn sie ein gutes Mädchen bliebe, sie einst Arthur's Braut werden dürfe. Und die Kleine lachte dazu, hupfte fort und dachte