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Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand Mittwoch, den 17. November. 1875 Sricfe aus dem Reichstage Prioritäten, deren Unterbringung sie übernommen hatte, und vielleicht auch andre, die sie in ihren Effektenschränken liegen hatte, dem Jnvalidenfonds verkaufte. Miquel soll nun seinen Einfluß beim Neichskanzleramte, das früher die Ankäufe besorgte, benutzt haben, um dasselbe für das Geschäft zu gewinnen. Windthorst wollte die Sache untersucht wißen. Nun kann freilich aus der Untersuchung durchaus nichts Gravirendes herauskommen; denn in dem ganzen Geschäft, wenn es auch jetzt die Verwaltung des Jnvaliden- fonds in einige Verlegenheit gebracht hat, liegt doch durchaus nichts Unehrenhaftes. Selbst wenn Herr Miquel dem Reichskanzleramt die Diskontogesellschaft empfohlen hätte, so hat er das doch nur als Privatmann gethan und ist also nicht härter zu beurtheilen, als wenn ein Ver- waltnngsrathsmitglied irgend einer Aktienbrauerei einem ihm bekannten Restaurateur das Bier seiner Brauerei empfiehlt, das nachher dem Publikum nicht schmeckt. Der Reichstag in seiner Mehrheit schien auch so zu denken, wenigstens fand Windthorst mit seinen versteckten Angriffen keinen Beifall. Die Untersuchung der Geschäftsgebahrung des Fonds wurde zwar beschloßen, aber, wie Richter (Hagen) bemerkte, es wird aus derselben kaum Etwas hervortreten, was einen Schatten auf die Reichsregierung und die Verwaltung des Fonds zu werfen geeignet ist. Die Schuld an der Deroute der Eisenbahnpapiere liegt eben an unseren wirthschaftlichen Verhältnissen, deren sich Unter den in der abgelaufenen Woche erledigten Be- rathungsgcgenstünden war unzweifelbaft der wichtigste die Novelle zu dem Gesetz über den Reichsinvalidenfonds, durch welche die Verwaltung des Fonds die Ermächtigung er halten soll, die im Fonds zur Zeit befindlichen deutschen ungarantirten Eisenbahnprioritäten, die nach den Be stimmungen des Gesetzes bis zum 1. Juli 1876 veräußert werden sollen, ncch 4 Jahre länger zu behalten, und außerdem gelegentlich ausländische Staatspapiere und Schatzanweisungen anzukaufen. Schon längst war die Be legung des Fonds in einem gewißen Theile der Preße der Gegenstand von Angriffen und Verdächtigungen ge wesen, und der Abg. Windthorst unternahm es, denselben im Reichstage gewissermaßen ein Echo zu geben, wenn auch in einer vorsichtigeren und maßvolleren Weise. Kein Name wurde zwar genannt, aber Jedermann wußte es, daß der Wortführer der Ultramontanen Niemanden anders treffen wollte als den Abg. Miquel, dem als früheren persönlich haftenden Gesellschafter und jetzigen Verwaltungsraths Mitglied« der hiesigen Diskontogesellschaft ein maßgebender Einfluß auf die Prioritätenkäufe des Fonds zugcschrieben wird, natürlich ein Einfluß, der für die Diskontogesellschaft nicht ohne Nutzen gewesen wäre. Von den sächsischen Bundesbevollmächtigten v. Nostitz-Wallwitz wurde bestätigt, daß fast sämmtliche Prioritäten, die der Fonds heut besitzt, über 170 Millionen Mark, wenige Monate nat Erlaß des Jnvalidensondsgesetzes bereits angekauft waren und man erklärt dies so, daß die Diskontogesellschaft in Verbindung mit mehreren andern Bankfirmen die neuen u. kl. Berlin, 15. November. der, wenn er es für nothwendig erachtet, seine Parteigenossen I durch Zirkular oder durch den Telegraphen herbeiruft; als dann erscheinen die Polen plötzlich, um am andern Tage ebenso plötzlich wieder zu verschwinden. Keine eigentliche Gruppe bildet die Fraktion Löwe-Berger, ein Häuflein von Abgeordneten, die früher der Fortschrittspartei angehörten, sich aber von derselben wegen ihrer Haltung in der Militärgeietzsrage trennten. Die Fraktionen haben Vorsitzende und Schriftführer und halten ziemlich häufige Versammlungen, in denen man die an den Reichstag gelangenden Vorlagen einer vorläufigen Besprechung unterzieht, um wo möglich ein einniüthiges Vorgeben der Partei zu erzielen. Auch die Redner die im Plenum in irgend einer wichtigen Frage den Standpunkt der Partei vertreten sollen, werden in der Fraktioneversammlung bestimmt. Ist eine Vorlage der Art, daß sie in einer Kommission vorberathen werden muß, !o weiten in den Fraktionen die in die Kommissionen zu wählenden Mitglieder ernannt. Doch — wird man mircinwenden — dieWahlen für die Kommissionen finden jain dcn Ablheilungen statt! Offiziell allerdings, inWirklichkeit aber nicht. Um i ämlich eine sachgemäße und der numerischen Stärke der verschiedenen Parteien angemeßene Zusammen setzung ter Kommissionen zu erzielen, hat man sich dahin geeinigt, daß die Miiglieder der Kommissionen schon vor her gewählt werden und die Abtheilungen nur pro snim» ihren Segen dazu geben. Wie bekannt, ist die Zahl der Kommisnonsmitgluder eine solche, daß die Zahl 7 darin aufgebt: >s g ebt K> mmissionen von 7, 14, 21, 28, ja sogar ^"'«Uekeru, in welche jede der 7 Abtheilungen, in Neichsiag durch das Loos zerlegt wird, 1,2, 3, 4 die nationaU^ hat man gefunden, daß die natwnallrberale Partei annähernd drei Siebentel der Reichstagsmitglieder enthält, das Zentrum zwei, die Fortschrittspartei mit der Gruppe Löwe-Berger ein und die beid.n konservativen Parteien zusammen ebenfalls ein Siebentel. Im Hinblick auf dieses numerische Verhältniß hat man sich dahin geeinigt, daß zu den Kommissionen drei Abtheilungen immer Nationalliberale, zwei Ultramontane, eine Fortschrittsmänner und eine Konservative ernennen. Die Liste der Kommissionsmitglieder wird vorher in einer Zusammenkunft von Vertrauensmännern aller Fraktionen, die man den Seniorenkonvent nennt, festgestellt, indem der Vertreter jeder Fraktion die Namen Derjenigen angiebt, welche sich in der Fraktion zum Eintritt in die Kommission ! bereit erklärt haben oder von der Fraktion ernannt worden sind. Wenn die Abtheilungen zur Wahl zusammentreten, finden sie schon auf Zetteln die Namen Derjenigen, die sie wählen sollen, und auf diese Weise wird die Wahl mit chluße der letzten Geschwindigkeit vollzogen. Die Kommissions- Niemand, anch die Reichsregierung nicht, entziehen kann. Am Beginn der vergangenen Woche trat auch der Rest derjenigen elsässischen Abgeordneten, die in den früheren Sessionen den Reichstag besucht hatten, in das Haus ein. Natürlich mußte das alte Spiel wieder ausgenommen, die alten Klagen und Beschwerden wieder vorgebracht werden. Man scheint sich aber jetzt im Reichstage zu der weisen Taktik entschloßen zu haben, die Elsäßer ihre Monologe rnhig halten zu laßen; wenigstens fand eine vom Abg. Simonis in der Mittwochsitzung über die Entschädigung der Inhaber von früher verkäuflichen Stellen im Justiz dienst gehaltene Rede kein Wort der Erwiderung, nicht einmal von den BundeSkommisiar Herzog, der früher nie eine derartige Rede, und mochte sie noch so absurd sein, unbeantwortet ließ. Tagesschau. Freiberg, den 16. November. Das dem Reichstage zugegangene Gesetz, betreffend die Erhöhung der Brausteuer schlägt an Stelle der rüheren Besteuerung des Malzschrotes mit 2 Mark für den Centner folgende Bestimmungen vor: Die Brausteuer wird von den nachbenannten Stoffen, wenn sie zur Be reitung von Bier verwendet werden, zu den folgenden Sätzen erhoben: von Getreide (Malz, Schrot rc.) mit 4 Mark, von Reis (gemahlen oder ungemahlen rc.) mit 4 Mark, von grüner Stärke, d. h. von solcher, die min destens 30 Prozent Waßer enthält, mit 4 Mark, von Stärke, Stärkemehl (mit Einschluß des Kartoffelmehls) und Stärkegummi (Dextrin) mit 6 Mark, von Zucker aller Art (Stärke-, Trauben- rc. Zucker), sowie von Zuckeranflvsungen mit 8 Mark, von Syrup aller Art mit 6 Mark, von allen anderen Malzsurrogaten mit 8 Mark, für jeden Zentner. Der Bundesrath ist jedoch ermächtigt, vorbehaltlich der nachträglichen Genehmigung des Reichs tags, für andere als die unter Nr. 1 bis 6 bezeichneten Stoffe nach Maßgabe ihres Brauwerths den Steuersatz von 8 Mark zu ermäßigen. — Das neue Börsensteuer gesetz unterwirft alle Schlußnoten, Schlußzettel, Ab schriften aus Geschäftsbüchern, Schlußscheine, Schlußbriefe oder sonstigen Schriftstücke, welche sich auf Kauf, Rückkauf, Tausch, Lieferungs- oder Differenzgeschäfte über Wechsel-, Aktien-, Staats- und andere Werthpapiere beziehen, wenn das Geschäft einen Gegenstand von mehr als 300 Mark betrifft, einer Stempelabgabe von 0,,^ Mark. Ferner müssen Urkunden über Lombarddarlehne im Betrage von 300 Mark und mehr einen Stempel von einem Fünftel von Tausend zahlen. Fe-ner ist von allen nach dem >. Januar ausgestellten inländischen Aktien, AktienantheilS- scheinen und auf den Inhaber lautenden Renten- und Schuldverschreibungen eine Stempelabgabe von einhalb von Hundert zu entrichten. Während die allgemeine Volks- und Gewerbezählung erst am 1. Dezember stattfinden wird, soll schon am 25. No vember die Vertheilung der Zählkarten erfolgen. Aber schon vorher dürften die Zähler mit dem Publikum in Be rührung kommen, auf dessen bereitwillige Unterstützung bei dem schwierigen Geschäft in erster Linie gerechnet wird. Sie haben unter Benutzung der vorhandenen Hänser- und , Wvhnungsverzeichniße und nötigenfalls mittelst besonderer l Aufnahme an Ort und Stelle die im Zählbezirke vorhan- i denen Wohngebäude und Wohnstätten, die darin befindlichen Nachdem der Reichstag in den ersten Tagen der ver gangenen Woche das sämmtliche Material, das ihm äuge - dlicklich vorlag, aufgearbeitet hat, ist eine fünftägige Panse in seinen Plenarversammlungen eingetreten. Die Mitglieder, welche Kommissionen nicht angehören, unter ihnen de Präsident, haben der Weltstadt den Rucken zugekehrt, um ihr diätenloses Dasein am heimischen Heerde auf eine minder langweilige und kostspielige Weile hlnzubnngen, als es ihnen hier möglich ist. An unwilligen Worte» gegen die Reichsregierung, die den Reichstag viel früher einberufen hat, als sie ihn ausreichend beschäftigen konnte, hat es dabei nicht gefehlt: erst am — „ - Sitzung ersuchte der Abg. Windthorst den Präsidenten, die Mitglieder behalten natürlich auch Fühlung mit ihren freie Zeit zu benutzen, um zu erfahren, warum der Reichs- -^Mionen: sie erstatten über die Kommissionsverhandlungen tag zu einer Zeit einberufen worden sei, wo man ihm das Blickst in den Fraktionsversammlungen, nehmen Wünsche, Budget noch nicht vorlegen konnte. Die Sache ist indes; Aufträge oder direkte Instruktionen entgegen, die dann in bei Weitem nicht so gefährlich, als nian vielleicht nn per Kommission zur Geltung gebracht werden. Auf diese Publikum glaubt, lieber die philiströse Anschauung, daß Weise ist eine Angelegenheit, wenn sie vor das Plenum der Fleiß einer parlamentarischen Körperschaft nach der kommt, in der Regel so gut vorbereitet, daß die endliche Zahl ihrer Plenarsitzungen zu bemeßen sei, ist man hier Abwickelung j„ »wlen Fällen nur eine Formalität ist. längst hinweg, und d" die Re^ Bei den Plenarverhandlungeu ruht die ganze Macht in Diäten beziehen, so sind ße auch u -D^pnbernaes l der Hand des Präsidenten, der daher auch vollständig un- als wollten s'°Jut^ muß. Eine'Rednerliste giebt es nickt, der d,e Sessionen verlange^ Kommissionen die bis Präsident ertheilt vielmehr nach dem Wortlaute der Ge- arbtiten um so ^'^g"ä)e z h . . funslichäftsordnung demjenigen Mitglied« das Wort, „welches Tage'dAdie Kommiffioucn theils geschaffene, theils noch "ach Eröffnung der Diskussion oder nach Beendigung der zu schaffende Arbeit nach der Quantität bemißt, so dürste vorhergehenden Rede zuerst darum nachsucht/' mit anderen dieselbe dock vielleicht bedeutend größer ausfallen als diel Worten , wie sich die sache gestaltet hat. er giebt unter Summe alles dessen, was an vier Plenarsitzungstagen von! Denjenigen, die sich vorher schriftlich oder mündlich bei den Kommissionen und vom Plenum zusammengeschaffen! Gm oder emem der Schriftführer gemeldet habeil, das worden wäre. Ueberhaupt wird die meiste Arbeit beim I Wort, wem er will. -Leine Aufgabe ist es dabei, darauf Reichstage nicht in den Plenarsitzungen, sondern außerhalb i" achten, daß Licht und schatten möglichst gleich vertheilt, derselben gethan. In den Plenarsitzungen beschäftigt sich daß Gegner und Vertheld^ger einer Vorlage m gleicher der Reichstag eigentlich nur mit der Reinschrift, Unter-1 Weise gehört werden und Sprecher aus allen Parteien zum siegkluntz und Kouvertirung dessen, was im Konzept schon I Worte gelangen Weiter hat er darauf zu halten, datz eine vorliegt. Die Stellen, wo die eigentliche Arbeit gethan Dlskusston nicht benutzt wird zu unnutzen Es wird, sind die Fraktionen und die Kommissionen. Es kommen daher Redner in der Regel nur bei solchen Fragen dürste vielleicht interessant sein, einen Blick auf das hinter z»m Wort, zn deren Behandlung sie eine gewiße Legitimation den Koulissen sich abspielende Treiben dieser Körperschaften haben. Ueber Fragen sozialpolitischen Inhalts werden da zu tbun her auch Sozialisten, über elsag-lothringischen Landesan- 74- Aktionen babeu durckaus keinen iraendwie Gelegenheiten Elsäßer gehört werden, wogegen man ihre Mriellen^ Charakter- trokden find sie der eigentliche ^ulaßung znm Wort zu vermeiden suchen wird, wenn man IVoraussicht, daß eine Rede nur gehalten werden soll für gewissermaßen aktive Fraktionen, nämlich die konservative, ^ Dranßenste^ die deutsche Reickspartei, das Zentrum, die nationalliberale P"vlaments, sur die alsdann ui dem Parteiorgan die Rede Fraktion und die Fortschrittspartei. Daneben giebt es noch eine polnische Fraktion mit 14 Mitgliedern, die jedoch .? ^rstutzt wird der bei diesem Bestreben bei der R-ichstagsarbeit nicht in Betracht kommt, da ihre! bu^'e Lchlußmacher von denen ich spater Mitglieder nur dann erscheinen, wenn sich Gelegenheit nn.st fehlen, bietet, ihren negierenden und protestirenden Standpunkt baß aftdann von den Bertretern solcher Minoritäten die geltend zu machen. Für gewöhnlich ist nur ein einziger "vs b'esem Gruiide nicht zum Worte gekommen sind, uver Pole gewissermaßen als Vorposten im Reichstaqe anwesend, Bergewaltigung, Unterdrückung der Redefreiheit u. s. w. " - - ------ ''geschrien wird; im Ganzen aber ist der Reichstag mit der gegenwärtigen Einrichtung sehr zufrieden und das deutsche Volk kann es ebenfalls sein. — KNeibtraerAMimK Die Redaktion be- O Frotscher'sche Buch- findet sich Rinnen- Handlung, zu senden, und Tageblatt.