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und Tageblatt Inserate werden bis Bor- mittags t1 Uhr für nächste Nr. ange- noninien u. die ge spaltene Zeile oder deren Raum mit 1V Pf. berechnet. Inserate sind stet» an die Expedition, Frotscher'sche Buch handlung, zu senden. Erscheint jeden Wochentag Abends N Uhr sur den andern Tag. Preis vierteljähr lich 2 Mark 2b Ps., zwcinionatl. 1 Mk. »0 Ps. und ein- monall. 7b Pf. Die Redaktion be findet sich Rinncn- gassc Ot-^. Il Et. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. „1« 261. Dienstag, den 9. November. 1875. eständniß scheint' haben, die orientalische Frage offen zu halten, derjenigen, Pendant zu der welche Oesterreich eingcflüstert haben, daß der Augenblick Verschiedene französische Journale erklären jetzt, daß Buffet mit einer Interpellation über seine Politik ein verstanden sei, wenn sie nur nicht vor der zweiten Lesung des Wahlgesetzes stattfände. Dieses Zugeständniß scheint aber doch mehr oder weniger nur ein s" die einem leider nicht unberechtigten Mißtrauen ihr Dasein verdanken. Die Führer der Sozialdemokraten haben es verstanden, sich eines großen Theiles der Kassenverbände zu bemächtigen und dieselben zu agitatorischen Zwecken zu verwenden. Würde null die Reichsregierung die Ver hältnisse der Hilfskassen gesetzlich regeln, ohne zugleich jenen Uebelständen einen kräftigen Riegel vorzuschieben, so würde man den Sozialistensührern nur den Gefallen thun, die Waffen, mit denen sie die gegenwärtige Staats- und Ge sellschaftsordnung bekämpfen, zu schärfen und kriegstüchtiger zu machen. Nach dieser Sachlage ist es wohl sehr begreif lich, wenn die Sozialdemokraten im Reichstage eine im Grunde doch dem Wohl des Arbeiterstandes dienliche Vor lage mit solcher Energie bekämpfen, wie es z. B. der Abg. Bebel in der letzten Sitzung des Reichstages gethan hat. Wie sich die Majorität des Hauses zu der Vorlage stellt, wird die weitere Behandlung der Entwürfe in der Spezial kommission und die zweite Lesung im Plenum darthun. Aus Breslau trifft die Nachricht ein, daß jetzt das Erkenntnis; des kirchlichen Gerichtshofes gegen den Fürst bischof Förster nunmehr dem Oberpräsidenten Grafen Arnim zuging, unter der Mittheilung, daß wegen der Be händigung desselben an den Fürstbischof das österreichische Gericht rcquirirt sei. Den neuesten Berichten aus D etm o ld zufolge hat der Fürst von Lippe bereits das Abendmahl erhalten und von seiner Familie Abschied genommen, so daß sein Tod stündlich zu erwarten sein wird. Das ultramontane „Rheinische Volksblatt" weiß von einem schottischen Lord zu berichten, der sich bereit erklärt habe, 20 bis 30 gesperrte deutsche Pfarrer unentgelvlich aufzunehmen und ihnen Unterricht in der englischen Sprache zu ertheilen. Bereits seien seit Anfang September 7 Pfarrer aus der Diözese Trier daselbst angekommen, welche auf dem Schlosse des Lords in Schottland wohnen, täglich in der Hauskapelle an zwei Altären das Meßopfer feiern, mit der Familie speisen, zwei Mal täglich Unterricht in der englischen Sprache erhalten, den der Schloßherr selbst ertheile und welche nächstens — wahrscheinlich in der Diözese Manchester in England, dessen Bischof man täglich erwarte — angestellt werden sollten. Wir wünschen den englischen Katholiken Glück zu dieser Acquisition. Die italienische und die österreichische Regierung stimmen in der Absicht überein, Verhandlungen wegen Trennung des Südbahnnetzes einzuleiten, wollen damit aber erst beginnen, wenn die Verhandlungen über den neue n Handelsvertrag zu Ende gediehen sind. Tagesschau. Freiberg, den 8. November. Von allen Seiten wird jetzt bestätigt, daß die deutsche Regierung dem zweiten Akt der türkischen Frage nicht ganz so theilnahmlos zusehen wird, wie dem ersten. Nur über den Umfang ihres Eingreifens gehen die Angaben auseinander. Die Einen versichern, Fürst Bismarck unter stütze die Bestrebungen Rußlands nur in so weit, als sie nicht über die österreichischen Auffassungen von der Garantie, die man der türkischen Regierung in Bezug auf die zugesagteu Reformen auferlegen müsse, hinausgingen. Denn vor Allem komme es dem Reichskanzler darauf an, die Frenndschast Oesterreichs nicht auf eine gewagte Probe zu stellen, lieber wolle er die Konsequenzen einer diplomatischen Intervention in der Türkei den Russen allein überlassen. Diese Haltung, so wird weiter hinzugefügt, sei dem deutschen Kabinette nicht nur wegen der Allianz-Bestrebungen Frankreichs, sondern auch Englands halber geboten, dessen eigentliche Absichten noch im Dunkel lägen. Die Andern aber behaupten, daß schon seit dem Augenblicke, wo die slavische Frage in den insurgirten Provinzen ihres revolutionären Charakters ent kleidet worden sei, für den deutschen Reichskanzler kein Grund mehr vorgelegen habe, der russischen Politik im Orient seine Unterstützung zu versage». Man dürfe daher gewiß sein, daß die russische Regierung, ohne sich in Ueberein stimmung mit dem Berliner Kabinet zu wissen, eine diplo matische Aktion gegen die Türkei nicht unternehmen werde. Natürlich aber sei dabei nicht ausgeschlossen, daß die öster reichische Regierung rechtzeitig von der Initiative Rußlands in Kenntniß gesetzt werde, um ihr jederzeit die Möglichkeit offen zu halten, sich den gemeinsamen Maßregeln gegen die Pforte anzuschließen. Der Abg. v. Minnigerode hat eine Interpellation ein gereicht, wann dem Reichstage Mittheilungen über die Ver handlungen der in der Eisenbahntariffrage niedergesetzten Enquötekommission und wann das Reichseisenbahngesetz vor gelegt werden solle. Die Interpellation ist auf die Tages ordnung vom Dienstag gesetzt. Prosessor Gneist hat sich in Folge seiner Ernennung zum Mitglieds des Oberverwaltungszerichts genöthigt ge sehen, sein Mandat zum Reichstage und Abgeordnetenhause niederzulegen. Hoffentlich wird ihn der Reichstag nicht lange vermissen, da sein schlesischer Wahlkreis ihn ohne Zweifel wieder mit der Vertretung betrauen wird. Die Hilfskassengesetzgebung, welche zur Zeit dem Reichstage vorliegt, verfolgt anscheinend nur deu Humanitären Zweck, in sämmtlichen Staaten des Reichs das System der Zwangskassen einzuführen, die den Arbeitern in Krankheits fällen ansreichende Hilfe gewähren sollen. Und dennoch enthalten die Entwürfe mancherlei Bestimmungen, in denen sich das Leben und Treiben unserer Zeit wiederspiegelt, Fabel vom Fuchs und den sauren Trauben zu sein. Wie die „Agence Havas" erfährt, würde die Regierung gleich wohl an dem gegenwärtigen Modus der Ernennung der Maires festhalten, in eine Aufhebung des Belagerungs zustandes nur nach Annahme des Preßgesetzes willigen und selbst hierbei einzelne größere Städte ausnehmen, in denen der Belagerungszustand fortdauern soll. — Die orientalische Frage beschäftigt in Paris plötzlich wieder lebhaft die Gemüther. Die englische „Pall Mall Gazetta" bemerkte nämlich bei Besprechung des Artikels im russische» Regierungsanzeiger, England werde Egypten besetzen, falls Rußland Konstantinopel okkupire. Das ist natürlich geeignet, die politische Phantasie der Franzosen aufzurege». So unwahrscheinlich die Sache auch ist, man glaubt allen Ernstes, daß Rußland wirklich beabsichtige, gegen die Türkei vorzugehen und daß England in Folge dessen alle Vorbereitungen getroffen habe, um sich Egypten's zu bemächtigen. Egypten, das man seit dem Zuge Napo leons l. und in der Neuzeit seit dem Bau des Suez- Kanals als ein Anhängsel Frankreich's zu betrachten ge wohnt war, Egypten sollte in englische Hände fallen, ohne daß Frankreich entschädigt würde? Es wäre gar nicht zu verwundern, wenn man jetzt auch für die große Nation ein Beutestück verlangte, z. B. Tunis und Tripolis. — Wir berichteten neulich über ein zwischen Frankreich und England erörtetes Projekt, einige Theile ihres west afrikanischen Kolonialgebiets auszutauschen. Wie die „Pall Mall Gazetta" nun meldet, traf in London eine von den tonangebenden Einwohnern von Gambia abgefaßte und unterzeichnete Denkschrift ein, in welcher nachdrücklich gegen die Abtretung dieser Kolonie an Frankreich protestirt wird. Nach einem Bulletin über das Befinden der Königin der Niederlande haben sich die Fieberanfälle nur in geringerem Grade wiederholt, dagegen haben die Brustschmerzen zu genommen. Die Nacht vom Sonnabend zum Sonntage verlief etwas günstiger, so daß die Gefahr ein wenig gemindert erscheint. I» dem Fort Wommelghem zu Antwerpen ist am Freitage ein im Ban befindlicher Offizierpavillon zusammen gestürzt; von den bei dem Bau beschäftigten Arbeitern sind 6 todt und mehrere andere schwer verletzt. Mehr als je beschäftigt man sich in England mit den orientalischen Wirren. Wie kommt es denn, fragt eine Korrespondenz der „Times", daß Rußland, welches gegen jede Intervention war, jetzt mit einem Male die Westmächte in de» Hintergrund drängt und erklärt, die orientalische Frage interessire hauptsächlich die drei Kaisermächte? Ist diese Umwandlung das Resultat des bloße» Willens oder des ungeduldige» Verlangens Rußlands nach der Türkei? Es ist das Werk derjenigen, welche ein Interesse daran Feuilleton. Geheimuitzvoll. Nach dein amentamjchen Originale der MrS. May Agnes Fleming srel bearbeitet von Lina Freifrau von Berlepsch. (Fortsetzung ) „Welche Beredtsamkeit! Wärst Du Lord statt Lady Clive, Du könntest eine» Sitz im Parlamente haben und es durch Deiner Rede Fluß elcklrisire». Sag' einmal offen, warst Du je verliebt?" „Wer war es nicht in Miseren Tagen I Doch die Zeit ist vorüber. Jemand sagte, die Liebe sei nicht für die Sa lons geschaffen, und ich stimme ihm bei. Ich bin nicht zvnisch, ich konstatire nur leider allzuwahre Thatsachen." Lady Chantilly's Morgengesellschaft war doppelt ange nehm, weil sie die letzte der Saison war. Major Frankland war anwesend und huldigte Lady Ginevra, wie immer. „Wir kehre» immer zur erste» Liebe zurück, nicht wahr, Lady Carola?" scherzte Mr. Delamar mit des Grafen Ruisland Tochter, „Frankland bleibt dem Ideale seiner Jugend so treu, wie der Magnet seinem Pole. Apropos, da wir von erster Liebe sprechen, wen glauben Sie, daß ich gestern im Theater traf?" „Da ich keine Somnambule bin, weiß ich eS nicht. Warum kamen Sie nicht in unsere Loge?" „Weil er nicht mitkommen wollte." „Wer? Nennen Sie diese» Frevler." „O'Donnel." „Wer?" fragte sie »och einmal. „Hauptmann Rudolf O'Donnell vom dritten Chasseur- Regiment." Carola erbleichte. War es nur der Reflex des weißen Sonnenschirmes? „Nicht wahr, Sie kennen Hauptmann O'Donnell?" „Ja, ich lernte ihn vor sechs Jahren in Irland kennen, glaubte aber, er hätte das längst vergessen." „Männer, die das Glück hatten, die bl kennen zu lernen, vergessen sie nicht so leicht. Ueberdies erinnern Sie sich ja auch noch seiner." „Ob ich mich seiner erinnere! Er rettete ja mein Leben." „Ihr Lebe»? Der Glücksvogel! Und er sagte, seine Bekanntschaft niit Ihne» sei unbedeutender Art." „Vielleicht bemaß Hauptmann O'Donnel seinen Dienst nach dem Werth der Geretteten. Und er ist in England? Ich glaubte ihn in Afrika." „Er kehrt auch bald dahin zurück. Die O'Donnel waren seit dreihundert Jahren Krieger und kannten kein schöneres Loos. Er will seine Schwester zu Verwandten nach Frankreich bringen und dann aus's Neue seinem Be rufe folgen." „Seine Schwester! Ist Rosa also hier? Wie sieht sie aus?" „Sie ist hübsch, aber umwölkt von Krankheit oder Kummer. Sie spricht wenig und ist sehr ernst, fast düster. Wie aber rettete O'Donnel Ihr Leben, Lady Carola?" „O, die Geschichte ist zu lang für eine Morgengesellschaft, ich erzähle sie Ihnen ein ander Mal." Die Sonne neigte sich zum Untergange, als Lady Dangerfield und Lady Carola heimkehrten. Ginevra befand sich in heiterster Laune, Lady Carola lehnte still und bleich in ihrer Ecke. „Und er ist in England," dachte sie, „und hält es nicht der Mühe Werth, eine solch unbedeutende Bekanntschaft zu erneuern!" Zu Hause angelangt, begab sie sich sofort in ihr Zimmer, trat an den Schreibtisch und nahm die darin aufbewahrten Reliquien heraus. „Ich werde jetzt thun, was ich schon früher hätte thun sollen." Der Wind blähte die Gardinen des Fensters auf. Sie betrachtete noch einmal das Bild, zerriß es dann und das Billet in Atonie, die der Wind sofort mit sich forlriß. „Man sagt, jedes Leben habe seine Romantik," seufzte sie, „die meine ist auf immer vorbei." Gegen 8 Uhr kam Graf Ruisland nach Hause und betrat den Salon. Die Zimmerreihe war leer und unerleuchtet. Des Mondes Silberlicht fluthete durch die Gardine». „Was zum Teufel thun sie alle im Finstern?" murmelte er, „prachtvoller Mond, wolkenlose Luft, man könnte sich in Venedig glauben, statt in London." Er hielt inne. Die Zimmer schiene» doch uicht leer zu sein. Aus den Gardinen des letzten Fensters tauchte eine Frauengestalt auf und näherte sich ihm. Was war das? Der lange Salon war in Licht- und Schattenstreifen getheilt. Einen Moment barg sie der Schatten, dann tauchte sie in des Mondes volles Licht. Wer war die dunkle hohe Frau mit dem majestätischen Gange? Der Graf stieß einen leisen Schrei aus und trat zurück. Die Fremde nahte sich. „Ich bitte um Vergebung", sprach sie mit melodischer Stimme, „ich wäre nicht hierher gekommen, Hütte ich die Zimmer nicht leer geglaubt." Die Worte brachen den Zauber. Der Graf alhmete tief auf. „Ich sollte mich entschuldigen, daß ich Sie überraschte, aber ich war in der gleichen Täuschung befangen, auch ich glaubte das Zimmer leer. Somames, bringe Lichter!" befahl er dem eiutretenden Bedienten, der sofort die Cande- laber «»zündete und die Gardinen zuzog. Die schwarzgekleidete Dame war verschwunden. „Wer war das?" fragte Graf Ruisland lässig. „Milad's neue Gouvernante, Miß Herncastle."