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Erscheint jeden Wochentag Abends 6 Uhr sür den andern Tag. Preis vierteljähr lich 2 Mark 25 Ps., zweimonatl. 1 Mk. SO Ps. und ein- monatl. 75 Pf. Die Redaktion be findet sich Rinnen gasse 96z. ll Et. FmbngerMMger mrd TageblgLt. Inserate werde» bis Vor mittags 11 Uhr sür nächste Nr. ange nommen u. die ge spaltene Zeile oder deren Raum init Ik Pf. berechnet. Inserate sind stets an die Expedition, Frotscher'schc Buch handlung, zu senden. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. M 251. Donnerstag, den 28. Oktober. 1875. Abonnements - Einladung. Für die Monate November und Dezember eröffnen wir ei« neues , Zwei - Monats - Abonnement auf de» „Freiberger Anzeiger" zum Preise von 1 Mark 5» Pf. Bestellungen nehmen auswärts sämmtliche Postanstalten und in Freiberg die unter zeichnete Expedition entgegen. Vie kxpsöiiion lies „fl-sibengei'^nrsigsi'." (Frotscher'sche Bnchhandlnvg, Erbischestr. 609.) Lagesschau. Freiberg, den 27. Oktober. Ueber die italienische Kaiserreise werden nachträglich noch einige Details mitgetheilt, die wir unsern Lesern nicht vorenthalten wollen. Vor seiner Abreise aus Mailand ertheilte nämlich der Kaiser inehrere Audienzen, unter Anderem dem italienischen Senator Marquis Pepoli. Während der ungefähr halbstündigen Unterhaltung, die im herzlichsten Tone geführt wurde, erinnerte der Kaiser den Marquis an die von ihn« als italienischer Gesandter zu Berlin im Jahre 1866 geführten Verhandlungen über einen Allianz? vertrag zwischen Deutschland und Frankreich zur gleichzeitigen Herstellung der deutschen und italienischen Einheit nnd lieh sich über die Hindernisse, die jenem vom Kaiser Napoleon gefaßten Plane entgegenstanden, weiter aus. Er sprach dann sein Bedauern über den Ansbruch des Krieges von 1870 aus, welchen er nicht gewünscht habe, und fügte hinzu, daß, als man 1874 so viel von einem neuen Kriege sprach, seine Regierung gar nicht daran gedacht hätte. Er hoffe überhaupt, daß, weun der Friede noch zehn Jahre erhalten bliebe, Frankreich gleichfalls seine Idee eines Revanchekrieges gänzlich fallen kaffen werde; jedenfalls sei der Friede so lange gesichert, als die Freundschaft zwischen Italien und Deutschland dauert. Der Enthusiasmus mit dem er in Italien empfangen sei, diene ihm zum Beweis dafür, daß diese Allianz nicht nur die Folge einer diplomatischen Abmachung, sondern der Ausdruck der herz lichsten Sympathie und des gemeinsamen Interesses beider Völker sei. „Nicht ich bin es," sagte er wörtlich, „der die Hand dem Könige von Italien reicht, Deutschland ist es, das die Hand Italiens drückt. Wir können sagen, daß cs nach dem Kriege von 1870 keine Alpen mehr zwischen den beiden Ländern giebt." Der Kaiser kam auch auf die religiösen Zwistigkeiten zu sprechen, welche ihm sehr zu Herzen gingen. „Ich belästige nicht die katholische Religion," äußerte der Monarch, „aber ich will, daß alle Bürger ohne Ausnahme hem Gesetze gehorchen." Schon jetzt bemerke man auch eine Neigung zu friedlicher Verständigung in Deutschland und mit Freuden werde er die Unterordnung des Klerus nicht etwa unter die Willkür der Regierung oder die Wünsche einer Partei, sondern einzig und allein unter die Gesetze des Landes, begrüßen. Diese letzte Aeußerung des Kaisers von einer Neigung des Klerus zu friedlicher Verständigung wird durch eine aus Rom kommende und bereits gestern in einigen Exemplaren unseres Blattes mitgetheilte Nachricht bestätigt wonach einige deutsche Bischöfe mehrfache Gesuche an den Vatikan gerichtet haben, um darüber Instruktionen zu er halten, wie sie ihr Verhalten einzurichten hätten, um weitere Konflikte mit der Regierung zu vermeiden. Der Kardinal Antonelli habe diese Gesuche in einem Zirkularschreiben allen Bischöfen Deutschlands mitgetheilt mit der Aufforderung, ihre Meinungen über die Frage abzugeben, ob sich ein nwäns viv.-ncli .zwischen den Bischöfen und der Regierung Herstellen ließe. König Ludwig von Baiern soll bei der Annahme verweigerung der Kammeradresse die sarkastische Aeußerung gethan haben, er kenne den Inhalt der Adresse ja schon zur Genüge aus den Zeitungen. — Der Kultusminister v. Lutz veröffentlicht eine Antwort auf den offenen Brief des Regensburger Bischofs Senestrey, in der er seinen Ge währsmann zwar nicht nennt, die in Bezug auf die Be einflussung der Wahlen durch den Bischof Senestrey bei der Adreßdebatte aufgestellten Behauptungen aber aufrecht erhält und durch genaue Andeutungen und Hinweise auf die Verhandlungen in den betreffenden Pfarrerkonferenzen und unter Bezugnahme auf das Zeugniß der Ordinariats- Mitglieder als vollkommen richtig nachweist. Französische Blätter wollen wissen, daß sich der Graf von Chambord an einem Orte der schweizer Grenze befinde, um dort mit seinen Anhängern die in der nächsten Session zu befolgende Taktik fesizustellen. Auch von den Legitimisten wird zunächst die Parteistellung bei Entscheidung über das Wahlsystem in's Auge gefaßt. Man kann wahr nehmen, daß bis jetzt die Blätter der Partei sich bei Er örterung dieser Frage der äußersten Zurückhaltung befleißigen. — Mit der Gründung „freier", d. h. katholischer Universitäten wird eifrig fortgefahren, in den Diözesen des Nordens sollen schon 750,000 Frks. für die Universität Lille znsammen- gebracht sein, wie das„Univers" meldet. Durch zahlreiche Instruktionen bietet die hohe Geistlichkeit ihren ganzen Heerbann auf zur Eintreibung „freiwilliger" Beiträge; daß diese dem fordernden Priester nur selten verweigert werden, läßt sich bei dem Einflüsse derselben, die im Falle der Nichtbewilligung dem Katholiken argen Schaden bereiten können, nicht bezweifeln. Die Liberalen können nicht entfernt dieselben Mittel aufwenden und verharren dem ganzen Treiben der Ultramontanen gegenüber, ohne selbst das Wenige zu thun, wozu sie im Stande sind, in einer unbegreiflichen Apathie. In Neucaledonie n hat man eine Nickelmine von außerordentlicher Ausdehnung entdeckt; da auch Kupfer dort reichlich gefunden wird, verspricht man sich in Frankreich einen bedeutenden Aufschwung der Kolonie in Folge dieses mineralischen Neichthums. Eitle amtlich beglaubigte Nachricht aus der Türkei meldet, daß in Bosnien die Baschi-Bozuks mehrere Ort schaften mit christlicher Bevölkerung geplündert und die Bewohner derselben niedergemetzelt haben und daß in der Herzegowina mehrere Insurgenten, die sich bereits unter worfen hatten, auf Befehl der Obrigkeit gehängt wurden. Die türkische Regierung, welche über diese Vorgänge von dem Gouverneur Bosniens keinerlei Nachricht erhalten hatte, hat von demselben telegraphisch Aufklärungen über dieselben verlangt und falls sich diese Meldungen be wahrheiten sollten, die Einleitung von Untersuchungen und strenge Bestrafung der Schuldigen angeordnet. Sadyk Pascha ist zum Botschafter in Paris, Kabuli Pascha zum Botschafter in Petersburg und Mahmud Damat zum Handelsminister ernannt. — Anläßlich der letzten Ueber- schreitung der serbischen Grenze durch die Türken, soll der diplomatische Ageut Serbiens in Konstantinopel die leb haftesten Reklamationen erhoben und die Forderung gestellt haben, daß die Pforte sich über ihre Absichten gegen Serbien offen erklären möge, anstatt die serbische Regierung fortwährend zu reizen. Seidem sei keinerlei Grenzverletzung wieder vorgekommen. Deutsches Reich. Wie man hört, soll die dem Bundesrathe gemachte Vorlage wegen Aussendung einer deutschen Nordpölexpedition sich im Wesentlichen den Ideen anschlichen, die der bekannte Führer der österreichischen Erpedition, Wehprecht, auf dem Natur- sorscherlongresse zu Graz entwickelt hat. Dieselben liehen sich in Ler Hauptsache dahin rcsumircn, daß als Aufgabe einer neuen Reise nicht die für die Wissenschaft relativ unwichtige Auffindung LcS Nordpols in s Auge zu fassen sei, sondern vielmehr eine möglichst eingehende Erforschung der natürlichen Verhältnisse der arktischen Gegenden, da allein auf diese Weise manche noch unge löste Frage der Wissenschaft ihrer Erledigung näher gebracht werden könne. — Gestern fand in Berlin die feierliche Enthüllung des Stein-Denkmals statt. Freiherr v. Stein war be kanntlich der Schöpfer der ersten preußischen Slädteordnung, wie überhaupt der Mann, welcher das 1806 nicdcrgeworfcne Preußen durch seine Reformen wieder zu neuer Lhatkraft aufraffte. Der Enthüllung wohnte der Kronprinz in Vertretung des Kaisers bei, dessen Befinden zwar schonungsbedürftig, aber zufrieden stellend ist. Die Kaiserin Augusta ist gestern Nachmittag von Baden- Baden abgcrcist und hat sich zunächst nach Koblenz begeben. Feuilleton. Geheimnitzvoll. Nach dem amerikanischen Onginale der MrS. May Agnes Fleming frei bearbeitet von Lina Freifrau von Berlepsch. (Fortsetzung.) „Miß Dangerfield" — so fuhr Mrs. Vavasor fort — „begegnete in dem fieberhaften empfindsamen Alter von siebzehn Jahren, beeinflußt von Romanen und Gedichten, einem jungen feinen gutgekleideten Mann von ungewöhnlicher Schönheit. Es ist nur Gaston Dantree, ein guter Sänger und hungriger Literat, ihrer rosigen Phantasie aber erscheint er als Halbgott, nnd sie betet ihn an. So ist ihr Geschlecht. Er nimmt solche Verehrung als gebührenden Trihut entgegen, wie es Weise seines Ge schlechtes ist und fischt nach den achttausend Pfund Rente. Gut. Ich erscheine auf dem Schauplatz, finde das Fräulein hochaufgeschossen, schmächtig stolz und nicht hübsch. Ich sehe in ihr ihre Mutter, die ich jetzt noch Haffe, wie ich es vor zwanzig Jahren that. Sie ist gleich ihr resolut leidenschaftlich, eigensinnig und verzogen. Sie liebt und ist entschlossen zu heirathen. Der Geliebte ist arm. und liebt sie nicht, sein Herz hängt nur an ihrem Erbe. Miß Dangerfield läßt sich von der schwindelnden Höhe, auf der verzogene Erbinnen thronen, nicht zu mir herab. Sie haßt und verabscheut mich. Natürlich erinnert sie sich meiner nicht, weiß nicht welch' guten Grund sie hat, mir feind zu sein, aber sie haßt mich in ehrlicher, offener, rückhaltsloser Weise und bittet den Vater, mir Geld zu geben und mich aus dem Hause zu treibe». Wäre ich ihrer Mutter nicht alte Abrechnung schuldig, sie hätte mich selbst lu-zu ge zwungen. Für den armen Sir Robert war die Sachlage besonders hart. Er möchte recht nnd ehrenhaft handeln, Täuschung und Geheimniß sind seinem Wesen sremd — doch wie kann er? Er vergöttert das> Mädchen, weiß, daß die Wahrheit sie tödten würde, klammert sich verzweifelnd an sein Gehcimniß und bezahlt mir zehntausend Pfund, unter der Bedingung, zu schweigen und mich zu entfernen. Ich nehme das Geld — wer wiese je solches zurück? — und gehe, um — wiederznkehren. In Paris warte ich. Die Liebenden girren und kosen und ahnen nicht das Damoklesschwert. Eine Woche vor der Trauung erscheine ich still und unbemerkt in Castleford, begebe mich zu Peter Dangerfield, der sich nicht träumen läßt, welch' goldene Berge ihn er warten, und ändere, gleich einer guten Fee, mit einer Handbewegung die ganze Szene. Die stolze Erbin sinkt von ihrem Thron, er erfährt, daß Scarswood Park nach Sir Nobert's Tod auf ihn übergeht. Perlen und Dia manten entströmen meinem Munde, und in einem Anfall von Edelmuth verspricht er mir zehntausend Pfund, falls meine Angabe sich bewahrheitete. Am Hochzeitsabend treten wir aus unserer Verborgen heit. Mr. Dangerfield führt den Bräutigam durch Nacht und Sturm zu mir, und ich sagte ihm, daß Isabella so wenig Sir Nobert's Tochter und Erbin sei, als ich. Der arme Mann glaubt mir nicht, und ich bringe ihn hierher, nm es vor Ihnen zu wiederholen. Wagen Sie zu be haupten, Sir Robert, daß das Mädchen, das Sie Vater nennt, wirklich Ihre Tochter ist?" Sie hielt plötzlich inne und erhob sich. Eine Thüre hatte sich leise geöffnet und ein Schatten bewegte sich hinter der Portiere. Als Mrs. Vavasor za sprechen anfhörte, schob eine weiße Hand die schweren Falte» zurück und ein todtenbleiches Antlitz war sichtbar. Es war die Braut selbst mit dem schimmernden Gewand, dem Orangenzweig und dem duftigen Schleier; sie hatte jedes Wort gehört. 14. Kapitel. Dis» i r » s. Todtenstille. Aller Augen hefteten sich wie gebannt auf sie, Alle erhoben sich, als sie nahte Was würde sie in gewohnter Leidenschaftlichkeit thun? Sie schwebte heran wie ein Brautgespenst, farbloser als ihr Kleid, kalt, ruhig. Nie im Leben hatte dieses Mädchen eine Gemüthsbewegung unterdrückt, bei der Katastrophe aber blieb ihr Antlitz regungslos, wie aus Stein gehauen. Sie ging auf Sir Robert zu. „Ich habe Alles gehört," sprach sie und ihre Stimme bebte nicht, „ist es wahr?" Er bedeckte das Antlitz mit den Händen und stöhnte laut. — „Ist es wahr?" wiederholte sie langsam und schmerzlich, „laß mich das Schlimmste wissen." „Gott helfe Dir, Kind, ja, es ist Alles, Alles wahr." „Also bin ich nicht Deine Tochter?" „Nein. O, vergieb mir, Bella, hätte ich Dich weniger geliebt, so hätte ich den Muth gefunden, Dir die Wahrheit zu sagen." Ihr Antlitz glich noch immer einer Marmorbüste, die großen, weitgeöffneten Augen hefteten sich fest auf ihn. „Und das ist das Geheimniß, das Du mit dieser Frau theiltesi, das Du mir nicht sagen wolltest, so sehr ich Dich auch bat?" „Ja, Vella, verzeihe es mir." Sie ergriff seine abgemagerte Hand und küßte sie. „Zwischen uns darf kein solches Wort fallen, Väterchen. Jetzt erst erkenne ich, was ich Alles Dir schulde, wie un endlich gut Du gegen mich warst, — ach, und wie vergalt ich Dir. Ich wollte, ich Hütte Alles früher gewußt; Mr. Dantree," wandte sie sich nun zum ersten Mal an ihn und zum ersten Mal bebte die muthige Summe, „was haben Sie zu alledem zu sagen?" „Daß ich schändlich betrogen wurde vom Anfänge an," entgegnete er düster. „Aber nicht von mir. Lassen Sie mir wenigstens diese Gerechtigkeit widerfahren. Und jetzt," sie näherte sich ihm langsam, „wie soll es jetzt sein zwischen uns? Sie schworen mir Liebe, mir allein, jetzt ist tue Stunde gekommen, Ihrer Worte Wahrheit zu beweisen."