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KtilitMrAiychcr und Tageblatt Amtsblatt für die königlichen nnd städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. V 208. Mittwoch, den September. 1875. Inserate werden bis Vor mittags 11 Uhr für nächste Nr. ange nommen u. die ge spaltene Zeile oder deren Raum mit - 10 Ps. berechnet. Inserate sind stets an die Expedition, Frotscher'sche Buch handlung, zu senden. jeden Wochentag Abends 6 Uhr für den andern Tag. »wennonatl. 1 Mk. bü Ps. und ein» monatl. 7b Ps. Die Redaktion be findet sich Rinnen» gasse 96-.. ll. Et. Vic ÄPoftel des ewigen Friedens. Wer heute vom hohen Olymp herabblicken könnte auf das Thun und Treiben der Erdbewohner, dem müßte das Menschengeschlecht als eine wunderliche Gesellschaft erschei nen. Im Südosten Europas schlägt man sich die Köpfe blutig, währe,id zu gleicher Zeit im Westen, im friedlichen Haag, Gelehrte und Delegirte der Völkerrechts-Vereine zusammen sind, um durch ihre Beschlüsse die Segnungen eines ewigen Friedens uns näher zu rücken. Welch' erfreu liche Perspektive eröffnet sich da! Ein internationaler Areopag wird errichtet, welchem die edelsten und weisesten Männer ihrer Zeit ohne Rücksicht auf die Nationalität als Mitglieder augehören. Vor diesem höchsten Tribunal verhandeln die Völker und Staaten ihre Streitigkeiten, mag es sich handeln, worum es nur immer will. Das hohe Tribunal entscheidet nach Recht und Billigkeit, entweder auf Grund des Völker- Kodex, oder, falls er die Richter im Stiche läßt, nach dem Vernunftrecht, dessen Quellen unversiegbar sind. Natürlich müßte, wie die „Deutsche Zeitung" sehr richtig einwendet, dafür gesorgt sein, daß die Sprüche des Tribunals durch ihren inneren Werth ohne Exekution sich Geltung verschaffen. Sollte aber dennoch ein Krieg ausbrechen, dann darf er nur, laut der vorjährigen russischen Deklaration, nach bestimmten Regeln geführt werden. Freilich, was geschieht, wenn ein verzweifeltes Volk, um seine Freiheit zu erobern oder seinen heimathlichen Boden zu vertheidigen, die Regeln der Dekla ration übertritt — das wissen die Weisen nicht und kümmern sich auch nicht darum. Doch sehen wir der Sache etwas ernster in die Augen. Men Respekt vor den edlen Bestrebungen, die auf die Ent wickelung des Völkerrechts im Frieden wie im Kriege, auf die Humanisirung des Kriegsrechtes, auf die Regelung der internationalen Beziehungen der Staaten und Völker ge richtet sind. Sie haben schon manchen Segen gebracht und manchen Erfolg erzielt. Ehre den Männern, die sich durch die noch viel zahlreicheren Mißerfolge nicht abschrecken lassen, das mit Eifer anzustreben, was sie für gut und recht halten! Mein es liegt die Gefahr nahe, daß diese Bestrebungen auf ganz unfruchtbare Bahnen gedrängt werden, indem sich die Völkerrechts-Vereine das allzuhohe Ziel setzen, den Frieden auf der ganzen Erde zu sichern. Wer da weiß, wie langsam, unter welchen Schwierig keiten und nach wie langwierigen diplomatischen Verhand lungen sich selbst die allerbescheidensten Fortschritte im Völker rechte Bahn gebrochen haben, wie schwierig es beispielsweise war, das Privateigenthum im Seekriege zu sichern, der muß sich billig darüber wundern, daß mit dem Gegenstände so wohl vertraute Männer, wie die Mitglieder des Kongresses im Haag, unerreichbaren Idealen nachjagen, anstatt sich dem Näher liegenden und bei einiger Ausdauer Erreichbaren zuzuwenden. Schiedsgerichte zur Beilegung internationaler Streitigkeiten werden immer nur von Fall zu Fall und immer nur in Fragen, welche die Lebensintercssen der Völker nicht berühren, möglich sein, und um solcher Fragen willen entbrennt heutzutage ohnehin kein Krieg. Allgemeine und dauernde Anerkennung wird die Institution wohl kaum finden, so lange die Menschen keine Engel an Sanftmuth und Geduld und die Völker für die Ideen der Macht, des Ansehens und der Ehre der Staaten, welche sie bilden, begeistert sind. Kein Schiedsgericht der Welt hätte den Streit beilegen können, der vor fünf Jahren mächtig auf loderte, als unser deutsches Volk durch den frechen Ueber- muth des Napoleoniden sich in seinen heiligsten Gefühlen verletzt sah. Und daß das schiedsrichterliche Verfahren auch nicht geeignet ist, die Völker mit einer tyrannischen Herrschaft dauernd zu versöhnen, das dürften die Diplomaten bei ihrer Friedensmission in der Herzegowina demnächst erfahren. Ebensowenig wird eine Kriegsrechts-Ordnung verhindern, daß bei Vertheidigung des heimathlichen Bodens die im Frieden festgesetzten Kriegsregeln verletzt werden. Diese Thätigkeit des Kongresses ist daher im höchsten Grade unproduktiv und geeignet, die Institution in Miß kredit zu bringen. Und doch kann Niemand leugnen, daß derartige Bestrebungen von dem wohlthätigsten Einflüße sein können, wenn sie auf erreichbare Ziele gerichtet sind. Allerdings liegt der Schwerpunkt ihres Erfolg versprechen den Wirkens nicht so sehr im eigentlichen Völkerrechte, als im internationalen Privatrechte. Es ist nur zu bedauem, daß gerade diese Seite am wenigsten gepflegt wird. Wir begrüßen es als eine dankenswerthe That des völkerrechtlichen Kongresses im Haag, daß derselbe sich neuerdings für einen internationalen Kodex über Wechsel briefe aussprach und sehen mit gespannter Erwartung dem Entwürfe entgegen, den die eingesetzte Kommission binnen Jahresfrist vorzulegen verspricht. Damit hat der Kongreß das Feld betreten, auf welchem er mit Erfolg wirken und den Dank wie die Anerkennung der Völker erwerben kann. In unserer Zeit, wo der Handel zu immer riesigeren Dimensionen anwächst, ist die Verschieden heit des Wechsel- und Obligationsrechts in verschiedenen Staaten ein Hemmniß, dessen Beseitigung jeder im inter nationalen Handelsverkehr thätige Kaufmann mit Freuden begrüßen wird. Ebenso bedarf das internationale Prozeß recht dringend einer durchgreifenden Regelung. Insofern die Bestrebungen der Völkerrechts-Kongresse dieser Aufgabe gelten, arbeiten sie den Ideen des Welt friedens vor, welche sie durch hochtrabende Resolutionen nimmermehr verwirklichen können. Je mehr sich die Völker in Sitte und Recht nähern, desto tiefere Wurzel schlägt die Friedensidee, desto seltener werden die Anläße zu blutigen Kämpfen. Tie jetzige Generation wird zwar kaum die Früchte solcher Friedensbestrebungen ernten, denn zu viel Zündstoff ist angehäuft, zu zahlreich die Gegensätze, deren blutiger Zusammenstoß vertagt, aber nicht verhütet werden kann. Bei aller Anerkennung der wohlwollenden Absichten jener Männer, den ewigen Frieden zu begründen, muß man daher sagen, daß Krupp in Essen seine Zeit besser versteht, als die Friedensapostel auf dem Kongreß im Haag. Tagesschau. Freiberg, den 7. Septbr. Ueber die italienische Reise des Kaisers gerathen die Mittheilungen wieder einmal in Widerspruch. Die Einen behaupten, das Reiseprogramm sei bis in's Einzelne hinein genau festgestellt, die Anderen halten Vorsicht für nöthig und meinen, daß erst nach den Manövern definitive Bestimmung werde getroffen werden. Möglicherweise haben Beide Recht In den Wünschen und Absichten des Kaisers hat sich nichts geändert, schon vor Monaten sind die Dis positionen zur Reise vom Hofmarschallamt entworfen und vom Kaiser genehmigt worden. Daß aber bei alledem immer die Aerzte das letzte Wort zu sprechen haben, ist andererseits selbstverständlich. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre ist von den Anstrengungen der Manöverzeit für die Gesundheit des Monarchen aber nichts Ernstes zu befürchten und man betrachtet es daher als ausgemacht, daß unmittelbar vor der Abreise des Kaisers nach Baden-Baden in dem italienischen Reiseprogramm das Datum der einzelnen Reisetage ausgefüllt und dann sofort die Anmeldung an den italienischen Hof ergehen werde. Ob Fürst Bismarck sich dem Gefolge des Kaisers anschließen wird oder nicht, ist noch immer offene Frage; alle bestimmten Meldungen darüber sind verfrüht. Man vermuthet, daß der neuliche Feuilleton. Zu klug. Novelle von G. v. Moser. (Fortsetzung) „Ja gewiß," sagte nun Hedwig ernst, „wenn Sie es wünschen, Komtesse, so werde ich mich zur rechten Zeit einfinden." „O bitte — Sie müssen es gern thun" — sagte Adele und in ihrem Ton lag eine so aufrichtige Bitte, daß Hedwig nicht umhin konnte, ihre Zustimmung in weniger ernstem Tone zu wiederholen. Adele erhob sich, um zu gehen doch als sie ihren Muff von einem Tischchen am Fenster fortnehmen wollte, wurde ihr Blick von einem Bilde angezogen, das über demselben, von üppigem Epheu umrankt, seinen Platz gefunden hatte. Es war halb Portrait, halb Genrebild, und das Motiv, trotz seiner Einfachheit unendlich fesselnd. Ein kleiner See, von hohem Schilf umgeben, auf dem ein einfacher Nachen sich schaukelte — darin ein Mädchen im weißen Kleide — das Ruder lässig in der Haud und so in Sinnen verloren, daß es die düstere Wolke, die am Himmel aufgezogen ist, wahrscheinlich nicht bemerkt. Am Ende des Sees sieht man den Sturm schon Schilf und Wellen heftig bewegen, während auf das Mädchen im Kahn und das andere User noch jener grelle Sonnenstrahl füllt, der im Kontrast mit den dunkeln Wetterwolken oft so über raschende Lichtefekte hervorbringt. Es war nur ein kleines Bild — aber in der Ausführung so meisterhaft, daß Adele frappirt darauf hinblickte. Zu ihrem Erstaunen trug wohl wesentlich der Umstand bei, daß das Mädchen im Kahn die Züge Hedwigs trug. „Welch köstliches kleines Bild, und wie ähnlich!" rief Adele aus. „Wer hat das gemalt?" wandte sie sich zu > Hedwig. Daß diese bei der Frage leicht erröthete, und einen Moment zögerte, sie zu beantworten, gewahrte die kleine Kunstenthusiastin nicht, denn ihre Augen hingen schon wieder an der Malerei. „Mein Lehrer," sagte Hedwig, ohne einen Namen zu nennen. Noch immer bewundernd, war die Komtesse zufrieden mit der Antwort, und schien fast zu vergessen, daß sie überhaupt gefragt hatte — dann sich aber von dem Gegen stand abwendend, erinnerte sie Hedwig noch einmal an ihr Versprechen, zum l 1. Mai zu kommen und nahm Abschied, da sie mit ihrer Mutter am anderen Tage abreisen wollte. Hedwig geleitete die Komtesse zur Treppe, welche Felix so eben emporstieg. Er grüßte artig. Adele eilte schnell an ihm vorüber, bei seiner Kousine aber forschte er, wer die blonde Schöne gewesen sei. Der 11. Mai war seit ein paar Stunden angebrochen. Es war noch sehr früh, so daß der Himmel nicht verrieth, ob er ihm strahlen und leuchten würde, als Hedwig ihre Toilette beendigt hatte und im Reiseanzug an das Bett der Tante trat, dieselbe noch einmal zärtlich küßte, obgleich sie am Abend vorher schon Abschied genommen hatte. Das Mädchen meldet an, daß Alles zur Abfahrt bereit sei und leuchtet ihr die noch dunkle Treppe hinab; unten aber stellt sie die kleine Lampe auf den Treppenpfeiler und wischt mit der Schürze die hervorstürzenden Thränen ab. „Leb' wohl, Emilie," sagt Hedwig gefaßt, beinah heiter, „und pflege mir ja die Tante recht gut," und der Weinen den die Hand reichend, fügte sie hinzu: „sollte hier irgend etwas passiren, so könntest Du mir Nachricht geben." „Das will ich gerne thun, Fräulein Hedwig," erwidert schluchzend das Mädchen, und hilft der Davongehenden in den Wagen. Noch einmal fliegt das Auge hinauf zu den Fenstern, hinter denen sie so lange friedlich gelebt, und dann geht es hinein in den dämmrigen Morgen — in die gleich unge wisse Zukunft. Am Bahnhof erwartet sie Felix und besorgt ihre An gelegenheiten, bis sie endlich sicher im Koupee sitzt; eine Aufmerksamkeit, die sie kaum erwartet hat, aber die sie deshalb um so höher aufnimmt. Es ist Felix nicht gleichgiltig, daß die Cousine weggeht; man sieht es seinen Äugen an, die sonst so strahlenden, sehen heut so trübe drein, und er macht seinem Unwillen Luft, indem er in die Worte ausbricht: „Warum kann ich nun nicht eine kleine halbe Million haben! Es ist ein elendes bischen Leben hier, wo die Glücks güter so ungleich vertheilt sind. Da solltest Du mir gewiß nicht Dein Glück in der Ferne suchen müssen, Hedwig." „Laß gut sein," erwiderte diese, „vielleicht blüht es mir gerade da; es thut mir freilich leid, die Tante so allein zu lassen — sei Du ein recht guter Sohn, Felix." „Verlaß Dich darauf," versichert der Husar mit einem letzten Händedruck. Ein schriller Pfiff und langsam setzt sich der Zug in Bewegung, der Hedwig der alten Heimath entzieht und einer neuen entgegen führt. Daß noch einmal Alles an ihr vorüberzieht, was sie hier erlebt, besessen und nun zurückläßt, wird Jeder be greifen, der selbst einmal einen ähnlichen Tag erlebt hat. Es ist diese Rundschau ein moralischer Umzug, ein Auf räumen ; man packt liebe Gefühle und Gedanken sorgfältig in die tiefsten Winkelchen des He>zens und des Hauptes, um den neuen Eindrücken Platz zu machen, welche die Zu kunst uns aufdrängen muß. Hedwigs Erinnerungen galten zuerst ihrem Onkel — er hätte das lebhafte, talentvolle Kind mit väterlicher Liebe in sein Herz geschlossen und sich mit besonderer Freude und Sorgfalt ihrer ersten Studien angenommen. Ihr ernstes bestimmtes Wesen hatte ihm mehr zugesagt, als des Sohnes Lebhaftigkeit und Herzensqüte, und so war es von selbst