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MWWWW 1875 H 189 (886 L« um zum Selbstmord zu treiben; wobei vorausgesetzt werden krankhaft geworden, oder von der Natur nicht die normale rl« M. Helt. vor dem n werden rllgebäud« icht as'S :t werden irstall- die ungebildetere Menge zu sich hinauf zu ziehen suchen. Lein wahrhaft gebildeter Mensch wird aus Gründen der humanen Sittlichkeit es billigen, den Selbstmörder keiner Pietät, keines Mitleids, keiner Achtung seines doch nur unvollkommen Menschlichen mehr für würdig zu erachten. Wer auf diesem Standpunkt steht, trägt nicht der Bildung Rechnung, welche die'höchste Sittlichkeit fördert, sondern jenem mittelalterlich kirchlichen Dogmatismus, der die Massen mit verderblichen Aberglauben und unwürdigen Vorurtheilen nur zu sehr erfüllt hat. Die wahre christliche Bildung kennt diese Rach- auf- den reise, e Wg. ir und chasts- ; von je 72» lck, ver- tterg. Widerstandskraft gegen solche Erscheinung erhalten hat. Und darin sollte wirklich eine Unehre liegen, so daß man selbst das todte Gebein, das offene Grab des Selbstmörders den Komilitonen als ein warnendes Zeichen der Sünde hinstellt? Nein, der Selbstmord an sich ruft ein Mitgefühl mit dem Unglücklichen auf, ja ein Nachdenken darüber, daß Lebensverhältnisse und Gefühlskräfte, denen eine Menschen natur erlegen, vielleicht auch Andere dahin strecken würden, hätte sie nicht eine glückliche Fügung des Himmels davon ent fernt gehalten. Es ist nur Theorie, daß Selbstmord eine Feigheit sein soll — in Wirklichkeit gehört großer Muth dazu, sich das Leben zu nehmen, denn sonst würden ver- urtheilte Verbrecher nicht mit dem Henker noch um den Rest ihrer Lebenshoffnungen kämpfen. Was zum Selbst- mth- ufen. al. a in der mord die Kraft giebt, ist die krankhafte Seelensttmmung, sein gepeinigtes Ich zur Ruhe zu bringen. Fast möchte man meinen, es habe in früherer Zett der Grimm roher Kultur sich an dem Selbstmörder dafür auS- lassen wollen, daß er durch seinen Tod sich vor der Zeit Peinigungen entzog, die durch Tortur, Räderung, Vier theilung u. s. w. genugsam von dem kannibalischen Zuge im Mittelalter Zeugniß ablegen. In diese überwundene Kulturepoche gehört es, über den Selbstmörder mit harte« Worten den Stab zu brechen. Dergleichen Verunglimpfungen sollte unsere Civilisation nicht mehr dulden. Me für de« Staat, so bleibt auch für die Kirche und ihre Diener die „sittliche Idee" das Höchste, was durch sie repräsentirt werde« soll. Die sittliche Idee verlangt aber, daßwirdieTodten Zu stände, welche die einzelne Menschennatur zur Selbst vernichtung führen; und da diese Umstände nicht von dem Willen des darunter Leidenden abhängen, so mildert sich auch das Urtheil des human Denkenden über den Selbst mörder, welcher im Kampfe mit den mächtigeren Ver hältnissen unterlag. Noth oder krankhafte Phantasie sind zumeist die Triebfedern des Selbstmordes. Hat doch die Wissenschaft längst festgestellt, daß auch äußere Natur erscheinungen auf das menschliche Gemüth so einwirken, oßen jedes men. ' in ehren, gleichviel ob sie arm oder reich, eines natürliche« oder unnatürlichen Todes gestorben sind. Jene Denkmale mittelalterlicher Vorurtheile muß unsere dem Genius der Aufklärung und der Toleranz huldigende Zeit zerstören^ Wir verabscheuen den Krieg gegen Lebende — wohlan, laßt uns ferner ihn nicht mehr gegen Todte führen! kL rkaufen: 209«. Der Krieg gegen Todte. Das Begräbniß des unglücklichen Bergakademiker Latinack hat im Laufe der vergangenen Woche zu einer Kontroverse in diesem Blatte geführt, der wir, weil damals abwesend, noch nachträglich einige Worte widmen müssen. Wir be kennen uns offen und unumwunden zu dem Grundsätze, daß jede willkürlich verschuldete Lebenskürzung unsittlich sei, weil das irdische Dasein des Menschen eine Bedingung seines höheren Vernunftlebens ist, auf welchem seine Würde beruht. Der Selbstmord stand daher auch in früherer Zeit ehrlosem Verbrechen gleich. Wie aber so vielfach derartige Grundsätze nichts bessern, sondern nur zu hartherzigen Be stimmungen Anlaß geben, so ist dies auch hier der Fall. Alle Gesetze gegen den Selbstmord vermochten denselben wederabzuschaffen noch zu vermindern, wohl aberhaben sie! die Selbstmörder in der Acht erhalten und aus der Art ihres Todes ihnen die Ehre als Mitglied der Gesellschaft sucht durchaus nicht; sie läßt auch dem Menschlichen in , seinen Gebrechen Nachsicht und Versöhnung zu Theil werden. Und wem aus dem geschloffenen Munde eines solchen Un glücklichen Röm. 7,5 ans innere Ohr dringt: „Gedenke nicht der Sünden meiner Jugend und Uebertretung rc.", dem ruft Christus selbst Ev. Joh. 8, 7 daS herrliche Wort zu: „Wer unter Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein rc." Dem allgewaltigen und unfehlbaren Gesetz der Natur, welches jedem Geschöpf das Leben giebt, widerstreitet es, daß der Mensch aus eitel Gefallen am Tode sich das Leben gewaltsam nimmt. Es muß also eine gleich hohe, ja eine noch gewaltigere MM die Herrschaft über ihn erlangen, wenn er dem Prinzip des Lebens sich zu entziehen sucht. Diese Macht, welche also verderbenbringend den Einzelnen ersaßt! — welche ist sie? Unleugbar die Macht der Lebenszustände, in die der Einzelne gezwängt ist und die auf irgend eine Art sich ihm als feindlich erweisen, ihn in eine Ver ¬ zweiflung treiben, deren größte Kraft den Werth des Lebens in seinen Augen raubt. Es sind sonach unnatürliche abgesprochen. Mit der bloßen Sittlichkeit reicht man also nicht aus, sondem eS müssen humanere Anschauungen den vielfachen Umständen gerecht werden, welche ein Leben zur Selbst- zerstörung treiben. Vor Allem darf weder der Staat noch die Kirche deshalb Rache an dem Einzelnen üben, weil derselbe nicht stark genug war, die Grundsätze der Sittlichkeit zu befolgen. Der Staat hat auch in dieser Erkenntniß mit den Vorurtheilen einer längst entschwundenen Zeit insoweit gebrochen, als er nicht mehr durch Verbot des allgemein üblichen Begräbnisses noch über den Tod hinaus Rache übt, unter deren Folgen doch am Ende nur muß, daß das Gemüth schon durch die Lebensverhältniffe die schuldlosen Angehörigen des Geächteten leiden. Die"— Kirche dagegen scheint sich noch nicht zu solchem Bewußtsein emporgehoben zu haben. Sie begreift offenbar nicht, welch' großer Fehler es ist, die niederen Anschauungen und die schlechten Vorurtheile der Masse zu stärken, statt zu beseitigen. Etündesieauf der Höhe der Bildung unserer Zeit, so würde sie Auch für Ludwig Steinbach brachte dieser Tag einen späten Feierabend und eine unruhvolle Nacht. Als ihn fein hartnäckiger Verbündeter, über dessen Inkognito sich der junge Mann übrigens gar nicht die Mühe nahm, nach- zndenken, ihn endlich verließ, hatte Ludwig es bereits er kannt, daß für he^te seine Absicht, die ersten Schritte zum Verderben des tödtlich von ihm gehaßten Viktor Werden- berg und zur Beschimpfung Erich's und seiner Tochter Wally zu thun, nicht mehr durchführbar sei. Aber er wollte seine Zeit nicht verloren haben und setzte sich auf der Stelle nieder, um seinen wohlbegründeten Revisions antrag fertig zu stellen und so für den morgige» Tag ein rschrank ' nd zwei g 6c. erkaufen mthal. Schreibtische Platz nehmend. „Ist es denn durchaus nöthig, daß er noch so endlos lange Stunden in der verzweifelten Stimmung verbringt, die ihn gewiß beherrscht? WaS meinst Du zu dem expressen Boten, Onkel?" „ES geht nicht, liebe Wally — er würde einen Boten, der einen Brief von Dir bringt, ohne daß Erklärungen vorangegangen sind, einfach zurückweisen. Habe nur noch diese kurze Spanne Zeit Geduld — morgen in aller Frühe, eher nicht." Seufzend fügte sich das Mädchen. Die gehörte Ent scheidung war trotz allen wirklichen Glückes doch ein Dämpfer auf ihre Freude. Sie begann zu schreiben und schrieb lange, ohne sich nach dem Onkel umzublicken, welcher be wegungslos in einem Lehnstuhle saß und von dem man, wenn seine Augen nicht weit geöffnet gewesen wären, hätte glauben können, er schlafe. „Fertig I" rief sie, endlich aufspringend — „da ist der Brief, Onkel!" „Ich danke Dir, liebes Kind, und nun gute Nacht und Lebewohl, Wally!" Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden z» Freiberg und Braud. Dienstag, den 17. August. den, andern Ta«, «reit vierteljihr- Lh 2 Mart 2b Pf., zwtimvnatl. 1 Mk. bv Pf. und ei», monatl. 7b Pf. Die Redaktion be. findet sich Rinneu- gassr SSL. II. Et. NeArgerAiyeigeM Handlung, zu senden. und Tagevlatt. Feuilleton. Am Abgnmde. Romeu von Ed. Werner (Fortsetzung.) „Nein, Kind, hier hinein nicht," sagte jetzt der Onkel, da Wally sein Schlafzimmer öffnete. „Zwar bin ich müde; aber ich darf jetzt noch nicht zur Ruhe gehen, sondern mutz noch arbeiten Ist nicht in einem der nächsten Zimmer ein Schreibtisch zu finden?" „Gleich hier nebenan, Onkel, und er ist nnt allen Ma terialien schon im Voraus zur Benutzung durch Dich ge nügend ausgestattet. Ebenso sind Deine Sachen hierher geschafft worden. Aber mußt Du denn wirklich noch arbeiten? Du bedarfst der Ruhe!" „Nicht so gar dringend, Kind, nicht so gar dringend — und wenn auch, ich muß. Da sind wir ja zur Stelle — hättest Du vielleicht gerade jetzt die nvthige Zeit, so könntest! Du Dich sofort an den Brief machen und er bliebe dann hier liegen. Morgen breche ich in aller Frühe auf und gebe ihn persönlich an Ludwig ab. Während Du schreibst, habe ich noch hinlänglich mit meinen Gedanken zu thun." „Onkel, HerzenSonkel!" fiel Wally dem alten Herrn nun um den Hals und schluchzte. — „Wie glücklich hast Du mich gemacht — ohne Dich wäre ich gestorben." Mühsam wehrte Viktor ihre stürmischen Liebkosungen ab. Er sah nicht aus wie einer, der sich freut. Er brachte W kaum zu einem trüben verunglückten Lächeln, und nur Wallys überglückliche Stimmung war Schuld daran, daß sie d»e erdrückende Traurigkeit nicht bemerkte, welche offen bar auf Vckwr's Seele lastete. e ich einen erpressen Boten noch in der Nacht mtt dem Briefe fort," sagte Wally, an dem sonnen und begonnen zu einer Zeit argen Druckes und böser Zerrissenheit, vollendet im Hellen Sonnenschein des geeinten deutschen Reiches, begrüßt und eingeweiht von Denen, die großentheils all die Kämpfe mitmachen mußten, welche dem neuen Frühling des Reiches vorausgingen. Kaiser Wilhelm traf gestern Nachmittag in Goslar ein und wurde daselbst vom Kronprinzen des deutschen Reiches, der schon am frühe« Morgen daselbst angelangt war, sowie von dem deutschen Botschafter in London, Grafen Münster, und den Spitze« der Zivil- und Militärbehörden am Bahnhofe empfangen. Unter Glockengeläute, Böllerschüssen und fortwährende« Jubelrufen der enthusiastisch erregten, Kopf an Kopf ge drängte» Volksmenge erfolgte der Einzug des Kaisers in die überall festlich mit Flaggen, Blumen und Tannengrün geschmückte Stadt. Auf die Feier selbst kommen wir noch zurück. Den preußischen Provinzialschulkollegien ist vo« Seite» des Kultusministeriums die Weisung zugegangen, langathmiges Protokoll unnöthig zu machen. Äußerdens entwarf er eine kurze Notiz für die in der Residenz erf scheinende Zeitung. Er kannte den Redakteur und wußtet daß derselbe eine Sensationsnachricht wie diejenige von einer bevorstehenden Revision des bekannten Steinbach'schen Prozesses und von einer angeblichen Schuld des Bruders des Brendlinger Gutsherrn nur gar zu gern in die Spalten seines Blattes aufnehmen würde. Äuf diese Weise sollte die Angelegenheit mit einem Schlage der Oeffentlichkeit übergeben werden. Trotzdem er — auch wegen des vielen Rennens auf dem Korridor — nur sehr wenig geschlafen hatte, stand Ludwig dennoch zu der ihm gewöhnten ländlich frühen Stunde auf und kleidete sich an. Die kleine Residenz, so viel als möglich die Gewohnheiten einer großen Stadt zeigend, lag noch im tiefsten Schlummer, und Ludwig be schloß, einen Spaziergang in's Freie zu thun. Nach dem Befinden Max Nordheim's erkundigte er sich nicht, aber eS ließ sich leicht schließen, daß der Zustand desselben gefähr lich genug sein mochte. Es war ein gar eigenartiges Gefühl in dem Jünglinge, welches ihn antrieb, für seinen Spaziergang die Straße nach Brendlinqen zu wählen. Er konnte, da er die Papiere, welche so entscheidend für ihn und sein Recht auftreten > sollten, bei sich trug, den Gedanken an Wally und an all' die süßen Stunden, die er mit ihr von Kindheit an verlebt hatte, nimmermehr los werden und wollte nun noch einmal nur, zum letzten Male, die Stätte sehen, wo er jung und — glücklich gewesen war. Zweifel stiegen in ihm auf, ob Wally wirklich aus freiem Entschlusse und mit Ueberzeugung ihn verlassen — aber er trug ,a ihren Brief bei sich und griff nach demselben und las ihn — und die eisige Kälte desselben wirkte auf's Neue auf sein Herz. i „Es bleibt bei der Revision des Prozesses!" murmelte Tagesschau. Freiberg, den 16. August. Ein freundlicher Himmel möge heute über dem kleine« Detmold schweben, wo sich festlich geputzte Schaaren. hohe und höchste Herrschaften am Fuße des Hermann-Denkmal einfinden, um auch ein „Ehret die Todten" zu begehen. Meilenweit hinaus über des Teutoburger Waldes saftig grüne Bergkuppen ragt das eherne Standbild, im Glanze der auf- und niedergehenden Eonue das riesige Schwert des Cheruskersürstenwie zum Schutze Deutschlands schwingend. ! DaS ist unser erstes, wirkliches National-Denkmal, auser-