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Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand 1875. Freitag, den 23. Ink. war das. Branntwein 2879 M-, Telegraphenverwaltung 29,823 W., usammen Mindereinnahme 13,542,391 Mark. HierDi Rübenzuckersteuer mit 12,891,923 M., Salzsteuer 259,954 * M., Tabakssteuer 358,412 M., Uebergangsabgabe von Ausfall in Sicht ist, sofort mit Hilfe der Steuerschraube die bisherige Fülle wieder hergestellt werden soll. Eine Kasse zu verwalten, bei welcher der Kassirer auf dem bequemen Wege des Verschreibens weiterer Summen stets die denkbar höchsten Beträge sich baar beschaffen kann, ist eine recht bequeme, keineswegs aber schwierige Aufgabe. Herr Camphausen hat seit Jahren eine nicht unähnliche Stellung insofern eingenommen, als theils durch die ein gehenden Steuern, theils durch die Zufuhr der französischen Milliarden die Reichskaffen sehr wohl gefüllt waren. Nach dieser Richtung ist er jedenfalls auch von seinen Kollegen in den übrigen europäischen Staaten sehr beneidet worden. Da macht sich denn nun der überaus schlechte Geschäfts gang, der mit seinem geringen Verdienst in fast allen Er- werbszweigm besteht, auch insofern bei den indirekten Ab gaben geltend, als einige Posten gegen das Vorjahr einen kleineren oder größeren Mtnderertrag liefern. Sofort be ginnt auch das Jammern der Offiziösen und man zieht — wohlverstanden nur als Probirmittel für die guten Preß kosaken — die Börsen- und Braumalzsteuer aus dem Heydt'schen Bouquet als Deckungsmittel hervor. die Mehreinnahme abgezogen, bleibt ein Ausfall von nur 333,489 Mark übrig. Dieser Ausfall kann jedoch schon in den nächsten Monaten wieder eingebracht werden und wäre dies auch nicht der Fall, so reicht er doch nimmermehr zur Begründung zweier neuen Steuern hin. Wozu also neue Steuern, die jetzt doppelt lästig fallen müßten? Unser Handel und unsere Fabrikthätigkeit stockt; trotz gesteigerter Preise kommt die Landwirthschaft auf keinen grünen Zweig, weil ihre Betriebsausgaben in wett höherem Maße gestiegen sind; die ungleich besseren Löhne nützen auch den arbeitenden Klaffen wenig, denn alle Lebensbedürf nisse, Wohnung, Kleidung, Nahrung rc. sind theurer ge worden. Und ist etwa Aussicht auf baldige Besserung vor handen? Aus allen diesen Gründen wird der Reichstag, sollte die Frage an ihn herantreten,. auch diesmal sagen müssen: Nein, Herr Finanzminister, keine neuen Steuern! Es war nicht mehr derselbe Ludwig Steinbach, der mit dem Vater seiner Wally dieses Gemach betreten hatte. Es war ein ganz anderer aus ihm geworden. Die freundliche Offenheit seines Angesichts war verschwunden, sie war ihm geraubt worden zusammt dem Seelenfrieden und dem Ver trauen auf die Menschen, und finster und böse sah er da rein, als habe er Schlimmes im Sinne. Die Stirne bös und düster, die Augen dämonisch funkelnd, um die Lippen Einnahmen des Staates nicht zur Deckung seiner Ausgaben finreichen. Die Wahrnehmung jedoch, daß einige Monate die eine oder andere Steuer einmal hinter den Vor anschlagungen zurückbleibt, darf keinesfalls Veranlassung bieten, sich sofort nach neuen Steuem umzusehen. Es mag ehr angenehm sein, stets mit gefüllten Kassen zu wirth- chaften; aber darin ist doch wahrhaftig keine tiefe stegierungsweisheit zu erblicken, wenn, sobald ein kleiner erwecken. Doch wozu wären die Offiziösen überhaupt vorhanden, wenn sie nicht spionirten und rekognoszirten? Dann erst, wenn sie ihre Schuldigkeit gethan, betritt der wahre Akteur das Terrain in Gestalt des Finanzministers, oder betritt es auch nicht, je nachdem die Vorposten vom zahlenden Publikum ausgenommen sind. Selbstverständlich wird sich Niemand, der es mit dem Vaterlande ehrlich meint, der Pflicht entziehen, sogar erhöhte Steuern zu zahlen, wenn es durchaus nothwendig ist. Allein gerade über diese Noth wendigkeit haben die Herren Finanzminister oft recht eigen- thümliche Anschauungen. Wir erinnern, daß Herr v.d. Heydt einst mit einem siebenfachen Steuerbouquet vor den norddeutschen Reichstag trat und dabei ein Gesicht tiefster Bekümmerniß über den unvermeidlichen Ruin des Reichshaushalts aufsteckte. Was geschah? Scharfe Augen unter den Abgeordneten entdeckten, daß statt des ein gebildeten Defizits ein sehr beträchtlicher Ueberschuß von mehreren Millionen Thalern vorhanden war; die Folge davon, daß Herr v. d Heydt sich ins Privatleben zurück zog und Herr Camphausen seine Stelle einnahm. Wie es scheint, ist aber das siebenfache Steuerbouquet des Herrn v. d. Heydt im Berliner Finanzministerium stehen geblieben und mit ihm für Herrn Camphausen der Reiz, von Zeit zu Zeit ein paar Blumen herausznzieheu und sie an die Offiziösen mit dem Auftrag zu übergeben: seht zu, ob jetzt das Publikum Gefallen daran findet! Nun, wir denken, in getrocknetem Zustande sind diese Blumen eben nicht schöner geworden. Doch lassen wir das Bild bei Seite. Nach unserm Dafürhalten giebt es nur ritten Grund, der die Einführung »euer Steuern recht fertigen könnte, nämlich die sichere Voraussicht, daß die Nene Sienern? Seit einiger Zeit strecken die Offiziösen ihre Fühlhörner aus, um zu erforschen, wie das deutsche Publikum über neue Steuern denkt. Bekanntlich giebt aber Niemand gem GeW für Steuern aus, selbst wenn er nicht am irdischen Mammon hängt. Unseres Wissens ist das m der ganzen Welt nicht anders, denn in England, Frankreich, Oesterreich, Nordamerika u. s. w. wird der Steuertermin ebenso wenig mit Freuden begrüßt, als bei uns. Und nun gar noch neue Steuern! Da könnten die Offiziösen sich wohl selbst sagen, daß ihre Fühler überall nur Kopfschütteln klang ein dumpfes, unheimliches Schluchzen und Stöhnen — wie wenn Sturmwind durch den Eichwald braust, so war es, da der unendliche Schmerz des starken Mannes sich in Thränen, den ungewohnten, Luft zu machen suchte. Verloren! Verloren! Der letzte Halt, der letzte Trost grausam und unerbittlich geraubt, mit raffinirter Berechnung jegliches Mittel ihm gestohlen, um die Verzweiflung fern zu halten. Ha, Schande über Dich, der Du Dich ihren Vater nennst und solches Glück am wenigsten verdienst! Schande über Dein ergrauendes Haupt, daß Du den Sohn des Gerichteten in Dein Haus genommen, ihm Wohlthaten erwiesen, ihn gebildet, damit er auch fähig sei, die Tiefe der Wunde zu ermessen, die Du jetzt ihm schlägst! Dein Geschenk war ein verderbliches, und glücklich der Beschenkte, wenn er es jetzt Dir zurückgeben könnte. O, wie zufrieden könnte er leben, hätte er in niederen Lebenskreisen sich stets nur bewegt! Dann hätte er den Blick zu einer Höhe er hoben, die Du bislang ihm nicht verwehrt und die nun Plötzlich als doch zu hoch für ihn erscheint! Armer, armer Mann!" Lange, lange Zeit lag er so da, weinend wie nur ein Mann im tiefsten Seelenschmerze weinen kann, ohne Ge danken für Anderes, als nur das ihn bewegende Weh. „Ja ja, wir sind quitt mit einander, was meine Pflicht zur Dankbarkeit anbelangt", murmelte er. „Mein Glück, meinen Frieden, meine Ruhe hast Du mir gestohlen, mit satanischer Berechnung ganz und gar gestohlen — Du hast nun keinen Dank von mir zu fordern!" Da schoß ihm der Gedanke durch den Sinn, die Hei- math zu fliehen für immer. Das würde das Beste sein, meinte er, damit wenigstens Wally wieder zu Frieden und Ruhe gelangen könne, und er selber spare den Schmerz, das Dorf und das Brendlinger Herrenhaus täglich in naher Ferne vor sich zu sehen, täglich den Namen Werden- berg, gar den Namen der Geliebten aussprechen zu hören. „Es ist besser, ich höre und sehe von ihr nichts, gar nichts mehr," dachte er. „Ich will und werde ihr die und j in jeder Bewegung. „Ich könnte ihm fluchen fast!" klang es tonlos von seinen bleichen, zuckende» Lippen — „fluchen, obschon er ihr Vater ist und obschon er mir ein Vater war. Ha, das ist höllische Bosheit, höllische List, zu welcher er mit Glück seine Zuflucht genommen hat. Wally, Wally, un glückliches, beweinenswerthes Mädchen! Hättest Du mich, hätte ich Dich niemals doch gesehen!" Dann schwieg er wieder und trat an das Fenster und preßte die glühende Stirn an das Glas, um Kühlung zu finden. Tagesschau. Freiberg, den 22. Juli. Zu der auf den 16. August definitiv festgesetzten Uebergabe des Hermannsdenkmals an das deutsche Volk hat der die Ausführung handhabende Detmolder Verein nunmehr eine Einladung an Kaiser Wilhelm erlassen. Der „Reichs- uud Staatsanzeiger" veröffentlicht die Annahme dieser Einladung. Der Kaiser wird im Schlosse des Fürsten von Lippe Wohnung nehmen. Bei dieser Gelegenheit müssen wir eines Schriftstückes erwähnen, das nicht nur interessant durch seine Fassung, sondern auch durch den Ort sein dürfte, aus welchem es stammt. Die „freie Bereinigung" in Münster hat in Bezug auf das Fest folgende Adresse an den Kaiser ge richtet: „Kaiserlich königliche Majestät! Die Blicke sämmtlicher deutschen Stämme sind heute auf den Teutoburger Wald gerichtet. Eurer Majestät Weihe des demerster Befreier Deutschlands vom römischen Joche errichteten Denkmals begrüßt mit lautem Jubel das glücklich geeinte Vaterland. Geruhen Eure Majestät bei dieser Feier auf rother Erde auch von den unter zeichneten Bewohnern der Hauptstadt Westfalens die Ver sicherung fester Treue und Hingebung entgegen zu nehmen und denselben zu gestatten, dem ehrfurchtsvollen Danke Ausdruck zu geben, den sie Eurer Majestät als erhabenem Endlich aber erhob er sich doch, schwer, und mühsam, und stand aufrecht im Zimmer. Prüft man indessen die Verhältnisse näher, so ergiebt sich nach dem vom Reichskanzleramt veranstalteten Zusammen stellungen der Einnahmen an Zöllen, Steuern und anderen Einkünften im deutschen Reiche, daß den wirklich vorhandenen Ausfällen mitunter sehr beträchtliche Mehreinnahmen gegen überstehen und die Gefahr eines Defizits kaum vorliegt. Vom 1. Januar bis I. Juni 1875 wurden nämlich gegen die gleiche Periode des Vorjahres mehr eingenommen: an Eingangszoll 6,285,102 Mark, Branntweinsteuer 2,834,908 Mark, Brausteuer 160,991 Mark, Uebergangsabgaben von Bier 11,615 Mark, Wechselstempelsteuer 17,922 Mark, Post- und Zeitungsverwaltung 2,449,745 Mark, Reichseisenbahn verwaltung 1,459,619 Mark, zusammen Mehreinnahme: 13,209,902 Mark. Dagegen haben in derselben Zeit Ausfälle ergeben die Aber so sehr er sich auch mit dem Aufsuchen von Mög lichkeiten Mühe gab, er fand keine hinreichende Deutung für diesen räthselhaften Besuch Werdenbergs bei Nordheim, und er konnte sich nur dabei beruhigen, daß jedenfalls nicht die Aussöhnung Beider stattgefunden hatte, welche er bei des alten Herrn Eintreffen, als dieser Ludwig zu sprechen begehrte, allerdings stark fürchtete. Feuilleton. Am Abgründe. Roman von Eo. rüerner (Fortsetzung.) Ohne auch nur ein einziges Wort mehr zu sprechen, verließ Werdenberg das Zimmer. Er war selber aufs Heftigste bewegt und er war froh, nun endlich fortzukommen, weil er auf die Dauer gewiß nicht im Stande gewesen wäre, den Regungen des Mitgefühls und der Theilnahme an dem so unschuldig Leidenden zu widerstehen. Fort, fort drängte es ihn von dieser Stelle, fort so schnell als möglich. Das war ja derselbe junge Mann, den er so lange um sich gehabt hatte, von dem er in früheren Jahren bisweilen „Vater" genannt worden war — und der, hinausgestoßen aus seinem Hause, jetzt noch vollends in sich selbst gebrochen Ward! Armer Ludwig! Eine nur um zwei Minuten längere Dauer der Ueberlegung hätte ihm vielleicht den Sieq ver schafft. Aber vielleicht war es besser so. Vielleicht würde ein solcher Sieg nicht von Dauer gewesen sein, vielleicht auch hätten beide Theile an demselben keine rechte Freude ge habt. Finster und ohne Gruß schieden sie nun von einander und Wally's Vater erwiderte nur flüchtig den Abschiedsgruß Nordheims, der am Portal des Herrenhauses ihn mit Span nung erwartet hatte, stieg in den noch bereit stehenden Wagen — ein leiser Pfiff von des Kutschers Lippen, und davon flogen die prächtigen Renner, gen Blendlingen. Nordheim stand im Portal des Herrenhauses und blickte dem davoniagenden Wagen kopfschüttelnd lange Zeit noch „Daraus werde nun einmal Jemand klug!" murmelte haltHitte! — —wenigstens einen ganz kleinen An- Sobald Werdenberg sein Zimmer verlaffen hatte, Ludwig zusammengebrochen. Lautlos sank er auf ... „ ,, . , Sopha hin, wie geknickt und zerborsten, und lag so eine lein Zucken wie Grimm und Hohn — und scheue Vorsicht halbe Minute lang — dann ging ein Schütteln 1 ' ' Rütteln durch seinen kraftvollen Körper, und ruckweise er- s UmbeMrAMWr M " ° und Tageblatt