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und Ta-eblatt Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand ? 154 1875 Mittwoch, den 7. Juli. FeuiUNon der Landwirthschaft so dringend geforderte Beseitigung der muß gefaßt sein auf eine Uebergangszeit mit manchen Eisenzölle bis zum Jahre 1877 hinaus. Will man jetzt Unbequemlichkeiten, der muß gerüstet sein, den nicht immer genau berechenbaren Gefahren, welche die unvermeidliche Gährung mit sich bringt, jederzeit zu begegnen. Gerade diesen Punkt scheinen die tadelnden Kritiker ganz zu über sehen. Uns dünkt, eine sehr große Zahl von Industriellen hat an die Gefahren erst ernstlich zu denken angefangen, eine vollständige Umkehr von dem bisher befolgten Wege von ihm verlangen, so müßte man doch wenigstens voraus- setzen können, daß er durch die inzwischen gemachten Er fahrungen eines Besseren belehrt worden sei. Das ist jedoch nicht der Fall; vielniehr ist die Mehrheit des Reichstages icher sein, als die theilweise Befehdung eines System-, welches man, will man's überhaupt haben, in seiner Total ität nehmen muß, und welches andererseits noch viel zu urze Zeit in Wirksamkeit steht, als daß die Frage übeih etwa nothwendige Verbesserungen bereits spruchreif sein könnte. erschwert, lediglich eine Begünstigung Einzelner auf Kosten der Gesammtheit bedeutet und als!; verwerflich ist. Was speziell die gegenwärtige ungünstige Situation der Eisen- Industrie betrifft, so liegt klar auf der Hand, daß dieselbe eine Folge der Ueberproduktion der voraufgegangenen Jahre, nicht aber der Herabsetzung der Zölle ist. Aber nicht in der Eisenbranche allein, sondern auf dem ganzen Felde der Industrie macht sich viel fach ein Liebäugeln mit den aufgegebenen Institutionen und eine mehr oder minder tadelnde Kritik der gesammten neueren wirthschaftlichen Gesetzgebung bemerklich. So sagte unlängst die Handelskammer zu Halle in ihrem Jahres bericht: „Man kann es wohl einen übertriebenen Huma nismus und Idealismus nennen, wenn die Gesetzgebung sich in der Gewährung von Freiheiten, die mit Recht im Einklänge mit unserm modernen Rechtsstaate stehen, zu „Diese Bezeichnung dürfte nicht zutreffen, Herr Werden- berg; ich möchte mein Anliegen am wenigsten geschäftlich behandelt sehen." Wieder traf ihn einer der forschenden Blitze aus den Augen des Gutsherrn. „Also nicht geschäftlich; nun, sei's was es sei — her aus mit der Sprache, Herr Nachbar." ,Jch liebe Ihre Tochter Wally, Herr Werdeuberg ich liebe sie mit einer verzehrenden Leidenschaftlichkeit!' Er rief es mit wirklicker Leidenschaft, und er war da bei von seinem Sitze aufgesprungen, sein Angesicht glühte sammentraten, als die Koalitionen der Arbeitnehmer den Lohn bereits zu unnatürlicher Höhe hinaufgeschraubt halten? Es ist ja kein Zweifel, daß die Entfesselung der Arbeit, wie sie durch unsere wirthschaftlichen Gesetze erfolgte, den verführerischen Vorspiegelungen sozialdemokratischer Agita toren ein weites Feld öffnete. Es ist ferner kein Zweifel, daß diesen Vorspiegelungen dauernd wirksam nur durch er höhte Bildung und Aufklärung der Massen entgegen ge wirkt werden kann. Aber wir fürchten, eine Statistik über die Betheiligung der Arbeitgeber an diesen Bildungs- und Aufklärnngsbestrebungen würde darthu», daß dieselben bis her nur in auffallend geringer Bruchzahl ihre Pflicht und Schuldigkeit gethan haben. Möchten die maßgebenden Faktoren der industriellen Welt nur immer von Neuem und mit aller Kraft zur Lösung dieser Aufgaben an feuern! Wir glauben, es würde praktisch ungleich ersprieß- „O, bitte Herr Werdeuberg! Was mich zu Ihnen führt, ist etwas sehr Ernstes." Prüfend und forschend, dabei halb verständnißvoll, sah ihm der alte Herr in's Auge. „Etwas Ernstes? Hm — wollen Sie mit mir ungestört bleiben?" „Es würde mir angenehm sein, Herr Weidenberg, wenn man uns nichl störte." „Dann kommen Sie nach den Wohnungsräumen, junger Freund." Eine Wendeltreppe führte aus dem Komptoir direkt hinauf in die Familiengcmächer. Diesen Weg nahmen die beiden Männer, und oben angekommen rief der Besitzer von Blendlingen nach seiner Tochter Wally. Aber Wally war nirgends zu finden. Eine Dienerin sagte aus, das Fräulein habe vor einer Weile den Stroh hut genommen und sich in der ausgesprochenen Absicht entfernt, spazieren gehen zu wollen. Die Erfrischungen, welche Papa Weidenberg durch die Tochter hatte wollen auftragen lasten, wurden jetzt von der Dienerin gebracht. „Nun sind wir ungestört", sagte der alte Herr — „nun heraus mit Ihrem Geschäft." «L» 6 Uhr für andern Tag. Vie Virthschaftliche Krisis. Schon neulich wiesen wir auf die reaktionären Be strebungen hin, die sich gegenwärtig auf wirthschaftlichem Gebiet geltend zu machen suchen. Bekannt ist die in den Kreisen der Eisen-Industrie in Blüthe stehende Agitation, welche auf direkte Rückkehr zum Schutzzoll hinarbeitet und zu diesem Zwecke sich sogar nicht gescheut hat, den Kaiser mittelst Petition um eine verfassungswidrige Handlung zu ersuchen. Auch im preußischen Abgeordnetenhaus ertönten bereits Klagerufe der Schutzzöllner, aber Herr v. Camp hausen fertigte dieselben kurz und bündig mit der Erklärung ab, daß eine Rückkehr vom Freihandels- zum Protektions system auf alle Fälle einen Ministerwechsel zur Vorbedingung haben würde. Wir glauben, nicht einen Ministerwechsel allein, sondem auch einen radikalen Wechsel in der Volks vertretung. Man kann dem deutschen Reichstage wahrlich nicht nach sagen, daß er auf die Eisen-Industrie keine Rücksicht ge nommen habe; schob er doch noch vor zwei Jahren die von Am Abgrunde. Roman vou Es -Werner. (Fortsetzung ) Er war aufgestanden als der Tag erst graute und war hinausgeeilt in den Wald — um ruhelos wiederumzu kehren. Die Stunden schlichen so langsam dahin und mühsam zügelte er seine Ungeduld — bis er endlich sich sein Reitpferd durfte satteln lasten. Nun auf und vor wärts, gen Blendlingen, heute noch die Entscheidung her beizuführen. Aber er kam noch immer zu früh in dem Dörfchen an. Er wollte nicht eher in dem Herrenhause erscheinen, als bis der Nebenbuhler fort sei. Nun hatte er durch des tollen Dorffiedlers Vermittelung ihn gehen gesehen und nun machte er sich ebenfalls auf, sinnend und gedankenvoll, und schritt die Dorsstraße hinab. „Es ist Zeit", murmelte er, nach der Uhr blickend — . „sie wird ebenfalls bald aufbrechen." Der Gedanke schnürte ihm die Brust zusammen; aber ter bot all' seine Selbstbeherrschung auf und suchte sich ^äußerlich zu fassen, äußerlich den Schein glatter Ruhe zu bewahre», denn er stand vor dem großen Gutshofe. L „Herr Weidenberg zu Hause?" fragte er einen ihm in Gen Weg kommenden Diener. R „Gewiß, Herr Nordheim; Sie treffen unsern Herrn in Kmem Komptoir." M Der alte Herr sah den Besucher freundlich, aber un- Mrholen erstaunt an. Gunsten unseres für solche Neuerungen noch nicht reifen Arbeiterstandes förmlich überstürzt und dadurch den jetzigen Zustand mit herbeigeführt hat." Ein solcher Vorwurf wiegt nicht leicht, aber es dürfte unsers Erachtens sehr schwer sein, ihn überzeugend zu begründen. Die liberale Partei ist weit entfernt, für ihre Wirth- schaftspolitik die Unfehlbarkeit zu beanspruchen; sie wird auch nicht bestreiten, daß das gegenwärtige System mit der Zeit an diesem und jenem Punkte verbesserungsbedürftig werden kann. Aber dem Borwurf der Ueberstürzung gegen über muß sie sich darauf berufen, daß die wirthschaftliche Reform ein zusammenhängendes Ganze bildet und als solches auch ausgeführt werden mußte. Eine schrittweise Einführung der Neuerungen hätte zu einem unseligen Flick werk geführt; man wäre in ein System zaghaften Experi- mentirens gerathen und das wäre doch wahrlich die ver kehrteste Weise gewesen, eine so tiefgreifende Umgestaltung der Formen des wirthschastlicheit Lebens anzufasten. Eine große Reform kann nur im großen Styl und mit kühnem Muth durchgeführt werden. Wer sie unternimmt, der KellleraerTmeigerU Handlung, zu senden. »etmonatl. t Mk. 0 Ps. und ein» monatl. 75 Ps. die Redaktion be» indet sich Rinnen» ^asse 11. Et. und der Unentbehrlichkeit des Petroleums habe leiten lasten; denn daß sie prinzipiell und m erster Linie das Licht zu besteuern beabsichtigt hätte, wird ihr doch — so Seltsame- man auch sonst aus dem Lande der Obotriten zu hören V" gewöhnt ist — selbst der Boshafteste nicht nachsagen wollen.. - Aber man niuß es aufs Tiefste bedauern, daß ein solches Projekt überhaupt im deutschen Bundesrathe noch ernstlich . vertreten werden kann. Kein Verständiger macht sich - - . sionen über die enormen Schwierigkeiten, welche zu mW; Wie wäre es sonst erklärlich, daß die Arbeitgeber zu! ' ' -- - hohe Zölle die Konkurrenz des Auslandes mit denselben!gemeinsamer Wahrung ihrer Interessen erst dann zu-s „Ei ei, Herr Nordheim, sobald schon wieder bei uns?" steter. „Welchem Umstande verdanke ich wohl die Tagesschau. Freiberg, den 6. Juli. Ueber die Steuerprojekte für das deutsche Reich, velche im Anschluß an den bekannten weimar'schen Antrag im Bundesrathe aufgetauch» sind, werden immer neue An gaben laut. Von all' den Vorschlägen, die in der Ver- ammlung gemacht sein sollen, muß am unangenehmsten derjenige Mecklenburgs wegen einer Eingangssteuer auf Petroleum berühren. Und dies hauptsächlich des»; wegen, weil man mit einer solchen Steuermaßregel in di« schlimmsten Bahnen jener unseligen Zeit zurücklenken würde, in welcher man jeden zum Lebensbedürfniß gewordenen Konsumtionsartikel für gut genug hielt, um ihn mit einer Staatssteuer zu belegen. Es ist kaum denkbar , daß die mecklenburgische Regierung sich bei ihrem Projekte durch eine andere Erwägung als die des umfassenden Verbrauchs direkt ins Gesicht schlagen. O Mecklenburg! o Mecklenburg! Dem Vernehmen nach ist in nächster Zeit das Ueber- führen einer größeren Menge von Goldmünzen in den Verkehr zu erwarten. Die Manipulation wird sich ziemlich eng an die Einziehung der Banknoten und Kassenscheine anlehnen und ein um so größeres Berhältniß annehmen, ja schneller die Einziehung von Statten geht. Es hat nicht den Anschein, als ob man das Gold in den Regierungskasten bis zu dem Zeitpunkte zurückhalten werde, an welchem die Reichsgoldwährung definitiv eingeführt werden soll. Diesen Zeitpunkt verlegt man in gut unterrichteten Kreisen auf den 1. Januar 1876, so daß also die kaiserliche Verordnung spätestens am und seine Stimme zitterte. Aber den Blick des alten Herrn ertrug er nicht; er schlug seine Augen nieder. „Nun null, nicht gar so ängstlich und zaghaft' , er widerte lächelnd und doch auch bewegt der Vater Wally's. ..Weshalb sollten Sie denn so außer sich gerathen? Ver suchen Sie's doch mit dem Mädchen versuchen Sie's in Gottes Namen " , Sie würden also den verschuldeten Nordheim nicht ab weisen, Herr Werdeuberg? Sie würden nicht heimlich dem kränkenden Gedanken Raum geben: ich möchte nur auf den reichen Besitz der Erbin von Brendlingen es abgesehen haben?' „Herr, was sprechen Sie da ? Haben Sie mir schon Veranlassung gegeben, von Ihnen so niedrig und schlecht zu denken?' , Nein gewiß nicht — aber der Gedanke läge doch so verzweifelt nahe und die Furcht vor demselben hat mich namenlos gefoltert und gequält. Ich hielt's nicht länger aus Herr Werdenberg, ich mußte fort sowie der Morgen am uird mußte mir Gewißheit holen Gewißheit über diesen einen Punkt — und dann noch über einen — über einen andern!" Er sprach die letzten Worte stockend und unsicher ustd er wurde dabei gauz bleich im Gesicht. „Noch einen andern Punkt?" fragte neugierig der alte Herr. ..Bitte erklären sie sich." „Wenn Wally's Herz nicht mehr frei wäre, Herr Werdenberg — wenn — wenn ..." „In diesem Punkte glaube ich Sie wirklich einigermaßen beruhigen zu köiinen", siel ihm mit fröhlicher Miene und fröhlicher Stimme der Gutsherr in's Wort. „Sollte Wally's Herz wirklich nicht mehr frei sein so glaube ich, daß für. - Sie keine Gefahr darin liegt." : Betroffen von diesen Worten deren Linn er nicht faßte, ! winden sein werden, um das deutsche Reich mit seinen Ein zu- > nahmen auf ein rationelles Steuersystem zu stellen; Niemand wird daher auch verlangen, daß jedes Mitglied des Bundes- rathes einen radikalen Umgestaltungsplan vorbringen soll; aber man te doch sicher sein, nicht mehr das Zurück- greifen au, Praktiken angerathen zu sehen, die nicht nur der modernen Doktrin- schnurstracks zuwlderlaufen, sondem auch den wichtigsten und edelsten praktischen Interessen ganz unzweifelhaft auch heute noch der Ansicht, daß eine als sie bereits mit voller Macht hereingebrochen waren. Beschützung von Industriezweigen, indem der Staat durch bobe Rölle die Konkurrenz des Auslandes mit denselben!