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— .— —— Erscheint jeden Wochen»«« Bldend« L Uhr jür den ander» lag. Brei« vierteljLdr. vch 2 «att Pf., »weimonatl. > «t. «, Ps. »ad eia. monatl. 7ü Ps. Lie Redaktion be« jiadet sich Rianen« »aß» VS». U. Et. KeibeMrAmeiaerU und Tageblatt. W Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zn Freiberg und Brand. 121. Sonnabend, den 29. Mai. 1875. - Abonnements - Einladung. Mr »e« Monat J««t eröffne« wir ei» Besonderes Abonnement. Bestellungen werde« „«SviirtS bet alle« Reichspostaustalte« z«m Preise bo« 75 Pfa. auae- «ommev, sür Freiberg ia der Sr-editio«, Frotscher',che Buchhandlung, Erbiet Straffe Nr. 609. Zwei bankerotte Sahnen. Der Fall ist durchaus nicht selten, daß eine industrielle Anlage in wenigen Jahren durch die Ungunst der Zeitver- hältniffe, durch schlechte Leitung oder auch infolge allzukost spieligen Baues, unzweckmäßiger Einrichtungen rc. in arge Be- drängniß geräth, vielleicht gar zum Stillstand gebracht wird. Daß aber großartige gewerbliche Unternehmungen, nachdem sie bereits weit vorgeschritten sind, unvollendet liegen bleiben und den Konkurs anmelden müssen, kommt doch wohl nur äußerst selten vor. Seit ungefähr zwei Jahren find ein Paar Eisenbahnen in diese klägliche Lage gerathen, an deren Erbauung sich zahlreiche große und kleine Kapitalisten durch Aktienzeichnung betheiligthatten.die pommersche Zentralbahn und die Berliner Nordbahn. Es liegt «ns fern, die Unter nehmungen selbst als Schwindel bezeichnen zu wollen, aber ihr Ursprung ist auf die Zeit des großen GründungSschwindels zurückzuführen. Daraus erklärt sich auch zum Theil die große Bereitwilligkeit des Publikums, womit man sich den beiden nrugebildeten Gesellschaften, nachdem sie die staatliche Konzession erhalten hatten, «»schloß und sein Geld zur Er werbung von Aktien hergab. Nicht blos in Pommern und Brandenburg, auch in anderen Gegenden war,'die Betheiligung eine sehr lebhafte. Es ist nicht unsere Absicht, den Ursachen nachzuforschen, welche den Zusammenbruch beider Unternehmungen herbei geführt haben. Gewiße finanzielle Fragen find schon an und für sich schwer zu beantworten.k^Wenn mau heute näheren Ausschluß darüber haben wollte, warum denn gegen wärtig so viel Eisenbahnaktien, die bisher ihren Besitzern eine ausgezeichnete Rente gewährten, einen erschreckend niedrigen Kurs haben und inimer tiefer sinken, so würde der Kausalnexus gewiß nicht leicht zu ermitteln sein. Lehr reich ist nur die Frage, wie sich der Staat solchen ins Malheur gerathenen Eisenbahnen gegenüber zu verhalten hat. Die pommersche Zentraleisenbahn-Gesellschaft wurde schon im November 1873 durch Beschluß des Berliner Stadtgerichts aufgelöst. Eine vom Konkursgericht versuchte öffentliche Versteigerung der Bahn blieb ohne Erfolg, da ich der Käufer hätte zur Vollendung der Bahn verpflichten müßen. Heute steht die Sache so, daß nur die Wahl zwischen der Alternative bleibt: Dismembration der gahnanlage mit allen dazu gehörigen Gegenständen, oder Ankauf durch den Staat. Ersteres wäre gleichbedeu- end mit dem Tode des ganzen Unternehmens. Die Berliner Nordbahngesellschast ist nicht gerade im Konkurse, aber auch sie befindet sich thatsächlich in einer kaum günstigeren Situation. Die Aktionäre beschloßen in besonderer Generalversammlung die Auslösung der Gesell schaft, nachdem alle Versuche erfolglos geblieben waren, zur Fertigstellung der Bahn die nöthigen Geldmittel herbei zuschaffen. Der Beschluß ging noch dahin, die Bahnanlage im Ganzen und mit allem Zubehör unter der Bedingung zu verkaufen, daß der neue Besitzer zur Vollendung und zum Betriebe der Bahn sich verpflichte. Da hierzu noch ein Kostenaufwand von etwa 81 Millionen Thaler gehört, so ist keine Aussicht vorhanden, daß sich ein Privat-Unter- nehmer finden wird. Darum hat das Direktorium eben falls den Ankauf durch den Staat beantragt. Nachdem das preußische Abgeordnetenhaus noch in voriger Session jede Betheiligung des Staates an diesen beiden Bahnen abgelehnt, ist ihm jetzt eine Regierungs vorlage zugegangen, nach welcher der Staat die pommersche Zentralbahn für 2,280,000 Mark, die Berliner Nordbahn für 6,000,000 Mark ankaufen will. Wir bemerken noch, daß die Kautionen beider Eisenbahngfsellschaften in Höhe von 2,028,000 resp. 1,296,000 Marl dem Staate ver fallen sind. Das Abgeordnetenhaus verwies diese Vorlage an die Budgetkommission und wie verlautet, wird letztere dem Hause die Annahme des Gesetzt- empfehlt». Geschieht dies, d. h. erfolgt die Annahme der Regierungs vorlage durch den Landtag, dann erhalten die Aktionäre keinen Pfennig, da mit dem Kaufgelde des Staates nur die Gläubiger für ihre noch ausstehenden Forderungen befriedigt werden könnten. Kein Wunder, daß die in Gefahr schwebenden Aktionäre das Abgeordnetenhaus mit Petitionen bestürmen, um günstigere Bedingungen für sich herbeizuführen. ES wiederholen sich in diesen Petitionen alle jene nur allzuwohlbegründeten Klagen über den unsäglichen Jammer, der durch die totale Entwerthung dieser Aktie» über unendlich viele kleine Geschäftsleute, Grundbesitzer und Beamten gekommen ist; so Mancher verliert sein ganzes mühsam erspartes Hab und Gut! ES wiederholt sich aber auch der Jrrthum, al» liege t" der vom Staate ertheilten Konzession zu einer Bah» gleichzeitig irgend welche Garantie für die Aktionäre. Die Petitionen gipfeln dann in dem Schlußsätze: ES sek eine Pflicht der Gerechtigkeit, entweder die Besitzer der Aktien auf eine billigt Weise als noch betheiligt an der Bahn nach deren Fertigstellung anzusehen, oder ihnen durch Erhöhung der Kaufsumme eine nach Befriedigung der Gläubiger zu vertheilende Dividend« zukommrn zu laßen. Die Negierung ist dagegen von dem Gesichtspunkte ans» gegangen: der Fiskus müße die Bahnen möglichst zu dem Preise erwerben, welcher bei einem eventuellen Einzelver kauf des Zubehörs z. B. der Schienen als altes Eisen rc. hrrauSkommen würde. Im Konkurse der pommersche» Zentralbahn ist deren Gesammtwerth auf ungefähr 7^00,000 Mark abgeschätzt; die Regierung normtrt ihn, wie schon gesagt, auf 2,280,000 Mark. Da- find in der That äußerst weit auseinander liegende Ansichten und man darf wohl gespannt sein, wie da- Abgeordnetenhaus sich zur Regierungs vorlage stellen wird. Eine moralische Verpflichtung der Staates, den bedrängten Aktionären beizuspringen, existirt allerdings nicht; ebensowenig ist der Staat berechtigt, zu Gunsten Einzelner, die aus salscher Spekulation sich Verluste zn- gezogen, über die Geldmittel der Gesammtheit zu dispvniren.. Man mag die Geschädigten noch so herzlich bemitleiden «H alles Mögliche zu ihrer Entschuldigung vorbringen — ihre Beteiligung an Aktienunternehmungei» von Privatleuten ist und bleibt eine Spekulation auf ihre eigene Gefahr. Dagegen meinen wir aber auch : e- zieme sich der Würde des StaateS nicht, auf die Noth der Verkäufer zu spekulier« und das VerkaufSobjekt tief unter seinem wirklichen Werthe zu erwerben, zumal es sich hier um gemeinnützige Unter nehmungen handelt, die eben nur der Staat fertig stellen kann. Möglich, daß das Abgeordnetenhaus in einer völlig unparteiischen gerichtlichen Taxe da- Auskunftsmittel erblickt, nach beiden Seiten hin Gerechtigkeit walten zu laßen. Tagesschau. Freiberg, den 28. Mai. Die Attentatsgelüste auf den Fürsten Bismarck scheinen unter den ultramontanen Fanatikern um sich zu greifen; Kullmann, Duchesne und der jüngst verhaftete Pole Dunin haben in dem Wiener Lohnschreiber Wiesinger einen Nachfolger gefunden. Unzweifelhaft sind die mit Die Luft in diesem Zimmer ist schwül, duinpf, mephitisch und es bedarf gar tüchtiger Lungen um sie zu verarbeiten. An diese Stube reihen sich einige kleinere Zimmer, in denen die Familie des Rendars*), das Hausgesinde, das Haus- > geflügel und jene Fremden wohne», die hier ihre wenig be- « ueidenswertheNachtruhe suche». Bürste und Bese» habe» lange ! diese Räume verschont, in denen die Spinne in ungestörtem > Frieden ihre Netze zieht und der Staub den Meuschen au seinen Ursprung und an sein Ende mahnt. Die Möbel verschie dener Farbe und Facon, altersschwach und baufällig, wackeln bei jedem Tritt eines etwas festeren Schrittes über die morsche» Dielen, an denen in lauschigen Winkeln, hinter Sopha und Bett der Pilz behaglich wuchert. Und doch, wie wohl thut es dem müden Reisenden, nach der langen beschwerlichen Tagreise hier einige Stunden der Ruhe zu pflegen! Man muß eben in Galizien gereist sein, mit Kutschern, die ewig durstig, mit Pferden, die nie satt sind und vor jedem Wirthshause an der Straße stehen bleiben, jene um zu trinken, diese um ihr Bündel Heu zu freßen — »lau muß vor primitiven Dorfschmieden, in denen die Erzeugung eines Hufeisens länger als die vou hundert Sensen durch steierische Cyklopen dauert, stundenlag die verlorene Geduld gesucht und im federlosen Wagen auf holperigen Wegen Marterqualen gelitten haben, nm die Wohlthat einer Rast selbst in solchen Wirthshäufern zu ermeßen. zwei Jahrtausenden an einem harte» Verhängnisse schleifend und arrs tausend Wunden blutend, ihren Weg durch die Weltgeschichte mit ungezählten Leichen bezeichnet, aber niemals ausstirbt, wie der Ewige Mann der Sage. „Habt ihr ein Zimmer über Nacht?" frug der Eine. „Vier, wenn sie wollen." „Um drei zuviel," versetzte der Geistliche, „dagegen müßen wir was zu eßen haben, wir hungern seit sechs Stunden." Einige heftige Schläge am Einfahrtsthor zeigen die Auku» verspäteter Reisender an. Sofort stürzen Wirth undWirthin diese einen brennenden Holzspan, jener ein Talglicht in WirthShauep^chwr. Feuilleton. 8i« Almosenier. Erzählung vo» L. Herzberg-Fränkel. ES ist in Galizien in einem an der Heerstraße gelegenen Gasthofe. Schranktische im schlanken Halse einer Flasche steckt. Auf dem großen, breiten Heerde glimmen noch einige Holzkohlen und brodelt es in ein paar irdenen Töpfen unbekannten Inhalts. DieNacht ist vorgerückt; der kleine Ort schläft, dieFenster- läden sind geschloßen; der Nachtwächter macht die Runde, seine eintönigen, von Hundegebell begleiteten Warnungsruse in die Nacht hinaustönend; der Regen rieselt in feinen Strahlen auf die triefeuden Dächer, auf den schlammigen Grund; keine Straßenlaterne erhellt die greifbare Finsterniß, kein Licht da unten, kein Licht dort oben, Selbst die Herberg im Markte hat ihr gastliches Thor geschloßen und blos durch schmale Ritzen dringt der matte Schein des Lichtes, das da drinnen noch waches Leben verräth. Und in der That sitzen noch einige verspätete Zecher uni den langen eichenen Tisch, die kleinen zinnernen Becher vor ihnen, während in der Nähe der Thüre, rund uni den großen grüne» Kachelofen, einige arme Reisende, im Chor schnarchend, die müden Köpfe au den leichten Bündeln schlafen, Männer die daheim nichts zurückzulaßen, auf die Reise nichts mitzunehmen haben und die im Leben keine andere Erholung kenne» als die kurze Nachtruhe auf dem harten Boden einer Gaststube. Am Schenktische sitzt ein Weib, dem Geplauder der Gäste zuhörend und sie bedienend; neben demselben der bärtige langlvckige EhegesponS, auf dem Kopfe ein schwarzes Sammet- käppchen, im Munde eine kurzstielige, erloschene Tabakspfeife, zuweilen einnickend, bis der schlafschwere Kopf an die Tisch platte stößt und «r, jäh erwachend, sich die müde» Augen rewt, einige kräftige Züge aus der kalten Pfeife zieht und wieder einschläft. Eine kleine Naphtha-Lampe an der Zim merdecke kämpft vergeblich, die Dunkelheit, welche alle Gegenstände wie in eine halblichte Wolke hüllt, zu besiegen; „Was Sie wollen, gnädiger Herr, Sie können Alles haben," knixte die freundliche Wirthin. Und die Reisenden treten ein. Die Wirthin leuchtet, der Wirth folgt, die Bauern er heben sich, trinken ihre letzten Becher und entfernen sich. In einem der anstoßenden Zimmer stehen zwei fertige, vo« einer langen Reihe von Reisenden bereits gebrauchte Betten und ein alterschwaches Kanapö, von deßen morschen, in Stroh gepackten Gliedern Fetzen herunterhängen und da- *) Lin mit Reifen überspannter und mit Lew rand zeltartig überzogener Wagen, der, mit Stroh oder Heu zur Half« gefüllt, für vier bi« seih« Personen Raum hat. ebenso erfolglos wie das dünne Talglicht, das auf deins der Hand, in den Flur, um die Gäste zu empfangen, welche ------ -- ex.ear.. - meinerlangen, schwerfälligen, knarrenden Budka *) herein- ahren. Und diese Leuchte thut noth, den» aus dem an- toßeuden, durch keinen Hof getrennten Stall fließt die Jauch« ns an die Schwelle der große» Gaststube, so daß man nur vorsichtig den Fuß vorsetzen kann, will man nicht durch den Unkenden Schlamin, der init seinen pestilenzialischen Dämpfen )as ganze Haus schwängert, waten. Zwei Männer steigen, an den Kleidern Strohhalme und Heu nachschleppend, aus dem Gefährte ; der Eine in derTracht eines katholischen Geistlichen, der Andere, obschon äußerlich vollständig germanisirt, trägt das Gepräge jenes Stammes, der „gefällt, zerschmettert, doch nicht verdorrt", seine Aeste über die ganze bewohnte Welt ausdehnt ; jener zahlreichen Familie, die, seit schier