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Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand 127 Soaimlmd, den 5. Juni. 1875^ ungefähr eine Ahnung von den thatsächlichen Borg erhält, bringt der „Staatsanzeiger" wieder nur eine nicht allzu hoch anzuschlagen und auf ein einfaches Partei manöver zurückzuführen. Die jetzt am Ruder stehenden Tories wollen ganz einfach den Liberalen möglichst viel Anhänger abstfchen, indem sie Gladstone'» eigensinnige Nichtinterventionspolitik als Verrath an der Nationalehre aber Frankreich betreffe, so habe der Artikel nützlich gewirkt. Flugs schrieben darauf die „Preußischen Jahrbücher": Frankreichs Rüstungen können nicht geduldet werden; falls man sie nicht einstellt, so werden Bismarck und Moltke den Zeitpunkt festsetzen, wo wir losschlagen. Endlich erschien die „Times" mit dem Ausspruch: Deutschland wolle Frank reichs Rüstungen nicht dulden und spreche davon, selbst los zuschlagen, wenn dieselben nicht eingestellt würden- Und nun fragen wir nochmals: was that die Reichs regierung diesem Kriegslärm gegenüber? Sie hüllte sich in undurchdringliche Reserve; wochenlang sah sie mit vornehmer Gleichgültigkeit diesem Treiben zu, welches unserm Vater lande einen Schaden zufügte, der vollständig nie wieder gut gemacht werden kann. Bis dahin erfreuten wir uns des Rufes, daß von Deutschland eine frivole Bedrohung des Weltfriedens nicht ausgehen kann, daß nur die Pflicht, das Vaterland zu vertheidigen, uns das Schwert in die Hand drückt. Es wäre Pflicht der Regierung gewesen, jenen frechen Ruhestörern sofort und energisch entgegenzutreten, aber wie lange ließ sie warten, bevor nur bas angebliche Rundschreiben an die Mächte wegen der französischen Kriegs- rüstungen im „Reichsanzeiger" offiziell dementirt wurde! , einmal fleht man den russischen Kaiser in Berlin wie den ä'Beschützer Deutschlands begrüßt. Hymnen erschallen zu I seinen Ehren, als wenn ihm allein die Ruhe der Welt zu I verdanken sei. Es gewährt uns wahrhaftig keine Freude, I das große, starke deutsche Reich derartig wieder in die I russische Freundschaft gerathrn zu sehen ; wie einst in Nikolaus I so im jetzigen Czaren wieder den wahren Freund, den „Vater", I den Protektor Deutschlands gefeiert zu wissen, mit dessen I Wohlwollen wir mächtig, bei dessen Unzufriedenheit wir aber I nicht mächtig seien. Es gewährt uns noch weniger Freude, I die Sprache der englischen Blätter zu vernehmen und durch I fortwährende Interpellationen im Unter- und Oberhause Izu hören, wie sich aus gegenseitigem Mißtrauen zwischen I Deutschland und Frankreich die drohenden Kriegswolken I aufgethürmt und ohne das Dazwischenkommen des „englischen » Löwen" (wie die „Times" in ihrer Bescheidenheit sagt) und I des „russischen Aar's" verheerend über das ahnungslose I Europa entladen hätten. Wir wissen sehr wohl, was dieser Lärm zu bedeuten dem Lande denunziren. Allein der tolle Spektakel wäre überhaupt der Welt erspart worden, wenn unsere deutsche Reichsregierung eine andere Haltung einnahm. Was that ie denn, als die Berliner Offiziösen so plötzlich die Kriegstrommel wirbelten? Wir erinnern an den Artikel der „Köln. Ztg.", der den Reigen eröffnete und worin e» sieb: Dit Zusammenkunft der Monarchen von Oesterreich und Italien habe Besorgnisse erregt; so lange Andrassy am Ruder bleibe, seien dieselben unbegründet; wenn dieser aber falle, dürfe man Oesterreich nicht mehr länger trauen. Dann kam die „Post" mit der Frage: Steht der Krieg in Aussicht? und gab darauf eine bejahend« Antwort, denn die Haltung von Frankreich, Oesterreich und Italien sei besorgniherregend. Die offiziöse „Nordd. Allg. Ztg." erklärte schleunigst: die „Post" sei etwas zu weit gegangen, wenn sie zuvor. Das Neugierig-Erwartung-voll«, welches sich in scheuer Zurückhaltung in dem Antlitz deS Mädchens zeigt, war dem ruhigen, gesättigten Ausdruck gewichen, den Vie auch nur zur Sistirung der Armee-Reorganisation an die französische Regierung zu richten. Wie sind nun diese wider sprechenden Aeußerungen in Einklang zu bringen? An diesem einen Beispiel kann man schon erkennen, wie wünschenswerth es ist, daß unsere ReichSregierung mit. mehr Offenheit das deutsche Volk über Handlungen auf-.- kläre, von denen das Wohl und Wehe der ganzen Ratio«, abhängt. Durch die gelegentliche Abfertigung eines zu vor lauten Offiziösen wird die Wahrheit ebensowenig ihrer Schleier enthüllt, als durch die zeitweilige Suspendirung. des ominösen Preßbureau's. Die Mameluken des Reptilien- fonds erscheinen jetzt nur als die Sündrnbücke, über welche sich der Zorn ihres Jupiter ergossen. Nur Vertrauen erweckt Vertrauen, darum: mehr Offenheit! Mittheilung, welche ausklären soll, aber nicht geeignet iß, volles Licht zu verbreiten. Während der englische Minister unumwunden anerkennt, daß „daS Publikum ein Recht dazu hat, von dem Kenntniß zu erhalten, waS die Regierung gethan", beschränkt man sich bei unS, auf indirektem Wege Mittheilungen ins Publikum gelangen zu lassen, welche nicht geeignet sind, bei irgend Jemand eine feste Ueberzeugung zu erwecken. Jetzt sind selbst, wie auch die „National-Ztg." mit Recht hervorhebt, die Berichtigungen des „Staatsauzeigers" nicht mehr im Stand«, die so verwickelten Fäden der verschiedene« Mittheilungen ins Klare zu bringen. So heißt e» z. B. in der Erklärung Lord Derby'S, daß der deutsche Botschafter sich dahin ausgesprochen habe, „so wenig auch Deuffchland den Krieg wünsche, es doch nothwendig sein würde, dich. Frankreich seine Armee reduzire, um den Frieden zu sicher«" Dem gegenüber bemerkt nun der „StaatSanzeiger", daß Mehr Offenheit! Wie über den Lichtstreifen des erwachenden Morgens prosaische Wolken ziehen und den kommenden Tag momentan verdunkeln, so lagerten sich in letzter Zeit trübe Schatten über die herzige Vertrauensseligkeit des deutschen Volkes in die Führung der inneren Politik. Es wäre thöricht, diese Thatsachen hinwegleugnen zu wollen. Mehr oder minder waren wir Liberalen ja mit Lasker einverstanden, als dieser 1871 sagte, wir wollen nun einmal ruhig und froh uns deS Erworbenen freuen. Dian hat dies gethan und ver trauensvoll auf Alles geblickt, was da wurde. Wollte man zuweilen etwas mehr als die Regierung gab, so beruhigte man sich doch leicht durch den FreundeSrath, immer langsam zu gehen und sich an Geduld zu grwöhnen. Die letzten Vorgänge in unserm deutschen Vaterland» stellten aber diese Geduld auf eine doch etwas harte Probe. Wie ein Wetter in die heitere Mittagsruhe, so brach plötz lich durch die Preßkosaken in Berlin wirrer Kriegslärm in den Frieden. Ohne Grund ist diese Erscheinung nicht her- vorgetreten, und gleichviel welcher Grund — dieses Rühren mit dem Dreizack hat das Vertrauen zu Demjenigen, der es gethan, weder im Auslande noch im eigenen Volke ge kräftigt. . Der Sturm ging ohne Kriegswetter vorüber und au bei der Reichsregierung zu keiner Zeit die Absicht bestandest ihr Mißtrauen auf Oesterreich und Italien ausdehne; was I habe, eine Aufforderung zur Reduktion der Streitkräfte, oder Und nachdem Lord Derby im englischen Oberhause den hat. Namentlich ist das Brüllen des englischen Löwen' Schleier ein wenig mehr gelüftet, so daß das Publikum Verjchwörung gegrollt, die Absolution als Hochzeilsgeschenk. Ihre Liebe, von der man sich Märchen erzählte, und ihre Vermählung, die bevorstand, ließen ihre Nachlässigkeit in der letzten Zeit entschuldigen. Es war so eine überreiche Ernte, welche Fortnnato und Violanta an der Markscheide dieses Lebensabschnitts hielten, an Geld wie an Ehren und Beifall, und in der That, es schien als hätte Furtunato seinem Geigenspiel noch einen neuen Zauber, Violanta ihrem Gesäuge mehr Seele, mehr Adel, mehr Schönheit verliehen. Vierundzwanzig Stunde» später lvaren sie Mann und Frau und bereits aus der Eisenbahn nach Mailand. Hier ließen sie die Mutter Violanta's zurück und eilten dem Ziel ihrer Hochzeitsreise, dem Comersee, zu. Am Comer See und Flitterwochen — welch ein größeres Glück konnte man sich erträumen? Das junge Ehepaar genoß es in vollen Zügen: es lebte in Sonne und Rosen duft und die Nachtigallen sangen ihm ihre Lieder der Liebe. Kein Wölkchen am reinen Himmel, das drohte; kein Windstoß, der die glatte und klare Fläche des See's in Unruhe setzte. Fortunato hatte ein kleines Haus mit Garten in Can- denabbia gemiethet. Da wollte er sein erstes Glück in stiller Abgeschiedenheit von aller anderen Welt genießen, und eifer süchtig, wie der Glückliche ist, hielt er sich von der übrigen Gesellschaft fern. Was können ander« Menschen dem auch bieten, der in sich selbst zufrieden ist? Und Fortunato wär es in einem so hohen Maße, daß er keine Möglichkeit -asi- nahm, wie es einmal anders sein könnte. Violanta war schöner, blendender, verfühterischer denn Neuem in Entzücken setzen. Denn er liebte sie von Tag .u Tag mehr leidenschaftlicher, gewissermaßen künstlerischer, nsofern er in sie hineinlegte, was er in ihr Alles wünschte und mit der Ueppigkeit seiner Phantasie sie mit all dett Eigenschaften schmückte, die sie zu seinem Ideal machest' konnten. Violanta ließ sich von ihm »mschmeicheln, weil, olche Musik ihr neu un? reizvoll war. Es war schöner lerheirathet zu sein, als sie sich vorgestellt, da alle Jllu- ionen übertroffen wurde», die sie sich als Mädchen gewacht.. Caudenabbia liegt an der westlichen Küste des Sees, wrt, wo er seine volle Schönheit e»tfaltet. Auf der Halb- nsel gegenüber ist Bellaggio mit dein prächtigen B^rg- garten der Villa Serbelloni, mit den in südlichen BlunstN- sarben prangenden Eldorados der Villa Melzi und GiML. So weit das Auge reichen kann, überall entzückt es die grandiöse Anmuth der Natur, wie sie die barinonische Ver einigung von Wasser, Gebirg und Üppigste Vegetation hervorzubringen vermag. Auf der weiten, klaren, dunkel grünen Fläche des Sees spiegelt sich in seiner keuschen Bläue der Himmel, in seinem reichen Kleid Vas überall aufsteigende Gestade. Terrassen, von Weinläuben beschältet, mit uralten Kastanien-, Zedern-, Myrthen- und Magnolien- bäumen, ziehen sich zwischen den Ortschaften dahm , die überall in friedlichem Glück au den Ufern gebettet such. Bis weit hinauf, wo die Kuppen der gewaltig^» Alpest riesen, lange noch in blendenden Schnee gehüllt, im Hinter grund herüberragen, ist der grüne Sammt der Felsen mit svsi^schimmernden Billen, Kirchlein und BauernhastSch^st Das junge Paar genoß in täglichen Ausflügen, wa» hier so verschwenderisch die Natur empfänglichen Sexlea. bietet. Bald stieg FortuNato mit seinem Weibe hinäps auf die Felsen und lagerte sich hort im Rasen, zu Füßen ief unten den See, lwcr dey eist Dampfet seine Furchest sog und wo die Barken pur noch wse dunkse Punrte M Feuilleton. Der Bettelmufikaut. Novrlle vo» Schmidi-WeißenfelS. (Fortsetzung.) So nahte, mit Ungeduld von Beiden ersehnt, der Tag der Hochzeit. Sie sollte ein stilles Fest nur für sie allein sein, denn fast eifersüchtig suchte Fortunato seine Braut selbst den Blicken der Welt zu entziehen und sie vermißte nichts und wollte nichts Andere». Fortunato besaß schon einiges Vermögen. Er wollte eine kleine Villa kaufen, irgendwo in dem Paradies von Italien, wo Violanta es ßvünschen würde; dort wollte er Monate lang zurückgezogen wo» der Gesellschaft einzig dem Glück der Ehe sich widmen, ßnit der Kunst feiernd, um der Liebe zu leben. Wie schön, entzückend, mit wie immer neuen Reizen sie sich dieses Mück der Flitterwochen ausmalten! Die Mutter sollte und wollte nach ihrem lieben Mailand zurückgehen, wo sie Freundinnen und bekannte Familien hatte, in denen es Mlch ihrer Weise schlicht und einfach zuging; denn die Atmosphäre, in welche sie mit dem aufgegangenen Glück Mrer Tochter gerathen war, hatte etwas Beklemmendes für und sie wünschte sich herzlich aus der Region der Kunst Md ihrer vornehmen Beschützer fort. War Violanta ver- ßirathet, dann hatte sie ihre Rolle als langweilige und vH selbst langweilende Duenna endlich ausgespielt. A «ML ihrer Verlobung hatte weder Violanta noch For- Mato Bin Konzert gegeben, ja sie waren den Salons und Drsouen, in deren Gunst sie sich sonst gesonnt, durch ihre Mrückgezogenheit in die Selbstsucht der Liebe fast fremd geworden. Am Vorabend ihrer Vermählung gaben sie Der Beide zusammen ihr Abschiedskonzrrt in Floren, und M Sgal faßte nicht die Menge der Zuhörer. Man gab. Frau gewinnt. Ihr« Augen »varen schwärmerischer gewor- Michsam den Lwblmgen, mit denen man wegen ihrer'den; ihr schmachtender Blick konnte Fortunato immer von Tagesschau. Freiberg, den 4. Juni. Es ist eine alte Lebensregel, wcht ruhig zuzusehen, wenn eS im Hause des Nachbars brennt oder zu brennen beginnt. So etwas unheimlicher Brandgeruch strömt jetzt von Preußen herüber. Das Herrenhaus hat nämlich an der Provinzialordnung, wie sie das Abgeordnetenhaus im Einvernehmen mit der Regierung festgestellt, eine Reihe von wichtigen, prinzipiellen AenderpM» yorgenomnM-. Man strich beispielsweise die den Städten gewährte Bevor- MmheMAMMU - . / . — . ' Handlung,zusmdfü.- und Tageblatt. —