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KeibergerAnMer und Tageblatt ttagS Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. 105. 1875. Sonntag, den 9. Mai. en, und Gebote «le« zu >s neues de unge- Bau an >ehältlich irdungen m liegen ten Vor- ach bei'm zur Ein- znng des tesn, wochsutag »bend« 6 Uhr für den andern Tag. Brei» Vierteljahr. I>ch 2 Marl 2d Ps., zweimonatl. l MI. «) Ps. nnd ein- rnanatl. 7ü Ps. Die Redaktion b» findet sich Rinnen- gasie SS^ ll. ikt. Inserat- Werden bi» Bo» mittag» II Uhr sür nächste Rr. ang» nomnmn u. die g» sPaltene geil« oder deren Roum mit 10 Ps. berechnet. Inserate sind stet» an die Expedition, Frosichersiche Buch- Handlung,zu senden- id. odc. i, Zahn- smerzen, umatis- nen sich ch jeder- cengung seitigeu. i l. Mai on früh Her. User i»«>, rn 8s. außer eichnele iei Be- tigung- ch, Herrn Tr. L ,s. am ll billigst rber 9. l Mai elle«- Ver- sct- bi^, s, I, isch ß ), unter I. bis izen-, wie Pilz, nanu ang. enen rden Feuilleton. wie es im Mittelalter war; wenn es nicht in allen Stücken i durchgesührt wird, so fehlt dem Papstthum dazu nicht der I gute Wille, sondern allein die Macht. Nach diesem Programm ist die römisch-katholische Kirche als unmittelbare göttliche Stiftung die einzige zu Recht bestehende ReligionSgesellschasr Alle übrigen, also auch die protestantische, sind TcuselSwerk und Lüge. Darum steht obenan aus dem römischen Pro gramm: Ausrottung aller Ketzerei, also auch Bernichtung des Protestantismus — jener Wahl spruch, den ja der Jesuitenorden mit vollster Offenheit aus seine Fahne geschrieben. Von diesem Programm ist bis aus den heutigen Tag auch nicht ein Tilelchen zurückgenommen worden. Wir hallen es sür eine absolute Nothwendigkeit, daß Katholiken und Protestanten solche Thatsachen kennen, denn nur dadurch werde» sie in den Stand gesetzt, die ab geschmackten, widersinnigen Klagen der Streiter Roms über angebliche Verfolgungen der katholischen Kirche richtig zu beurtheilen. Wenn das Papstthum überhaupt ein Ver- ständniß sür konfessionellen Frieden hätte, müßte es zuerst jenes Programm ändern, Syllabus und Emyklika wider rufen, den Jesuitenorden ausheben und die Gleichb erech- tigung aller Religionsbekenntnisse mit Wort und That anerkennen. Wir sind überzeugt, das katho lische Volk hat zum größte» Theile gar keine Ahnung davon, was seine Hierarchie will und anstrebt und wie himmelweit Falle jede staatliche Ordnung aushören würde, so muß der Staat, um die politische Gleichberechtigung aller Konfessionen zu schützen, die Grenzeu zwischen sich und den Kirchen allein bestimmen und darf keiner ein Vorrecht vor den anderen cinräumen. Von diesen, wie wir glauben, völlig unantastbaren Sätzen aus wollen wir noch mit einigen Worten zu dem Gedicht zurückkehrcn, mit welchem von der „Germania" das Priesterjubiläum des Breslauer Fürstbischofes angesungen ward. Die Person des Jubilars sowie seine Verdienst« um Kirche und Staat möge» dabei völlig aus dem Spiet bleiben. Tas Gedicht ist «in Produkt der Kaplanpresse, nach Form und Inhalt so schauerlich, daß es uns Ueber- windung kostet, Einzelnes daraus anzuführen. Die fleißige Anrufung der „Mutter Gottes" und des „heiligen Heinrich" ist katholischer Geschmack; aber wie kann ein Christ von „der Hölle Allgewalt" reden? Wie soll denn bei Religiöse Gleichberechtigung. Wer mit nur einiger Aufmerksamkeit die Verhandlungen des preußischen Landtags bisher verfolgte und sein Urtheil vor Parteilichkeit zu wahren wußte, der kann darüber nicht in Zweisel sein, daß die Legislative ihre Pflicht erfüllt, wenn sie mit aller ihr zu Gebote stehender Energie den kirchen politischen Kamps fortsetzt. Die Reden, welche Fürst Bis marck in beiden Häusern des Landtags gehalten, präzisiren ebenso bestimmt die Stellung der Staatsregieruiig zu der römischen Kurie und ihren maßlosen Ansprüchen, wie die Rechte des Protestantismus und anderer Religionsgesell- schasten gegenüber einer Kirche, die eine unmittelbare göttliche Institution zu sein behauptet und deshalb im alleinigen Besitz der Wahrheit sein will. Plan steht in der That vor einem psychologischen Räthsel, wenn man sieht, mit welchen Leckerbiffen der ultramontanen Kochkunst die Welt regalirt wird und mit welcher kindlichen Unbefangenheit solche Gerichte als äußerst schmackhaft der Zivilisation unsers Jahrhunderts aufgetischt werden. Das Tollste aber ist dabei, daß auch den Protestanten zugcmulhet wird, dergleichen Speisen wohlschmeckend zu finden, oder wenigstens sich des Urtheils zu enthalten und vor den Köchen ihre Reverenz zu machen. Mit Hohn und Ingrimm zieht der Ultramontanismus gegen die „Kulturkämpfer" los und möchte sie als offenbare Narre» hinstellen, die höchstes verspottet zu werden verdienen. Und gerade als wollte er dann beweisen, wie gerechtfertigt es sei, den Kamps - gegen Rom als einen Kulturkampf zu bezeichnen, erscheinen ' sofort kulturhistorische Proben in der Presse, vor denen man allerdings in staunender Bewunderung den Hut ziehen muß. Wer ein so geistreiches Kulturprodukt der jüngsten ! Tage kennen lernen will, der lese das Gedicht, welches die i „Germania" dem Fürstbischof von Breslau zu seinem ! bvjährigen Priesterjubiläum widmete. ES kennzeichnet dieser ultramontane HerzenSerguß recht s deutlich die Stellung, welche die katholische Klerisei der Staatsgewalt gegenüber festhält. Tie römische Kurie mit ihrem zu unbedingte» Gehorsam verpflichteten Klerus und die Staatsregierung — das sind doch unbestritten in erster U Linie die kämpfenden Parteien. Wie Viele oder wie Wenige 8 aus dem katholischen Volke aus wirklicher Ueber- Dzeugung sür de» Papst mitstreiten, das läßt sich schwer »übersehen. Dagegen unterliegt es keinem Zweisel, daß dieser Allgewalt der Hölle der „heilige Heinrich" des Bischoss „Thron" schützen können, den er neben Gottes Er- barmung auch durch des Papstes „Gnade" erhalten hat? „Er herrschte mild und weise" — also ein Nachfolger der Apostel herrscht in der Kirche, ist das ein christlicher Gedanke? Und derselbe Staat, dem er so treu gedient, stürzt ihn „vom Throne!" Fürwahr, eine kirchliche Korporation, welche derartige Vorstellungen von einem Diener der Religion hat, kann nun und nimmermehr anderen Konfessionen gleiche Berechtigung zugestehen, denn dazu hält sie sich selbst sür viel zu erhaben. Unsere Leser erlassen uns wohl eine weitere Blumen lese aus diesem ultramontanen Herzcrguß. Nur darauf möchten wir noch aufmerksam machen, welcher Hohn gegen den Staat darin liegt, den Fürstbischof gerade in dem Moment derartig poetisch zu verherrlichen, in welchem der Spruch des obersten Gerichtshofs für Kirchcnsachen über ihn zu erwarten steht. mindestens das ganze protestantische Volk hinter der Staals-! den Gehorsam verweigert. Entweder alle Religionsgesell- regierung steht. Schäften dürfen das, oder keine darf es. Da im ersteren Das Programm Roms ist heute noch genau dasselbe, entfernt sie davon ist, die religiöse Gleichberechtigung aus zusprechen. Dies die eine Partei im kirchenpolitischen Kamps« s Die andere, die preußische StaatSregierung, hält uner schütterlich an de» Grundsätzen fest, ohne welche konfessioneller Frieden in einer konfessionell gemischte Bevölkerung absolut unmöglich ist. Nicht eine Begünstigung der protestantischen Majorität, nicht eine Unterdrückung der katholischen Mino rität, nicht die Beschränkung der Glaubens- und Gewissens freiheit irgend welcher NeligionSpartei, sondern die Gleich berechtigung Aller, aber auch der Gehorsam Aller gegen die Staatsgesetze bildet das Programm der Regierung. Sie machte sich selbst die Durchführung dieses Programms unmöglich, wenn sie einer einzelnen Partei die Befugniß einräumcn wollte, einseitig zu entscheiden, was zum Gebiet des Glaubens gehört und was nicht, welche Gesetze also verbindlich sind »nd welchen man um des Gewissens willen Fremden durch unsre Thore strömen sehen, und denen, die uns zu den Pfingstfeisrtagen zu besuchen gedenken, steht jedenfalls ein ungewöhnlicher Genuß bevor. Es ist zu erwarte», daß bis dahiu die Baumblüthe sich voll entwickeln wird, und wer je zur Blüthezeit die B-rgg-lände zwischen dem Schoner- und Plauenschen Grunde besucht und sich unter dem Dach- dieser weißen Blüthenhaine ergangen, der weiß zu beurtheilen, was es mit dieser mit Recht hochge- rühntten Baumblülhe auf sich hat, und wie ungerechtfertigt der Spott ist über die Vorliebe des Dresdners für diese unvergleichliche Blüthenfülle, die sich alljährlich einmal in seiner Umgebung entfaltet. Am Sonnabend hat bei günstigem Wetter im Beisein eines nach Tausenden zählenden Publikums die viel be sprochene Korsofahrt im großen Garten stattgefnnden. ES l kann nach dem ersten Erfolge nicht angezweifttl werpen, , daß diese Art des Sports sich auch für Dresden als lebenS- l kräftig erweisen wird. In mancherlei Beziehungen blieb ! freilich der Verlauf hinter den gehegten Erwartungen zurück; , wirklich elegante Wagen »nd Geschirre waren nur in - sehr geringer Zahl vertreten, dagegen massenhast unsre gut- : herzigen Dresdner Droschkcngaule mit dazu gehörigen , schmutzigen Droschken. Das Zuiversen von Blumen nnd > Bouguets sand nnr sehr vereinzelt, nnd dann mit mwer- i frorner Ernsthaftigkeit und Steifheit statt und die Theil- i nähme des Publikums ging über ein theilnahmloses An- ; starre» gleichfalls »icht hinaus. Die königliche» Herrschaften, ! die sür kurze Zeit an der Rundfahrt thsilnahnien, schienen mir nicht sonderlich erbaut vom Gelinge» des Festes; : manches Mißtrauen indeß wird sich nach den nunmehr gc- ! wonnenen Erfahrungen abstellen lasten, i» erster Linie - würde das Komit- daraus bedacht sein müssen, daß diese ' Korsosahrlc» in Zukunft nicht gleichzeitig der widerlichen - Reklame eines hiesigen Wageufabrikantcn dienen. Die Eröffnung der Berlin-Dresdner Bahn hat nun abermals, und zwar bis zum ersten Juni, verschoben werden Dresdner Briese. in. Endlich hat er seinen Einzug gehalten, von Allen freu dig begrüßt, unter grünen Guirlanden, die er sich selbst geflochten, mit Blume» und Blüthe» in den, Haar, de» jugendlichen Boten der nachfolgenden gereiftcre» Schwestern. Erwacht aus langem Winterschlafe ist die Natur, wenige sonnige Tage haben vermocht, wie mit einem Zauberschlage i Millionen von Keimen z» erschließen, die schon längst in l stiller Erwartung des bräutlichen Kustes harrten. Der I Frühling ist da mit seiner ganzen, herzgewinnenden Lieblich- I leit, warmer, belebender Sonnenschein ruht wieder aus I Wald und Flur, die Lust erklingt vom Wiederhall des I tausendstimmigen fröhlichen Sängerchors, und der Mensch, I ein Kind der Statur und ihrer Einwirkungen, vermag nicht I zu widerstehen, und verläßt die dumpfe Stube und das I Haus, er vergißt draußen, inmitten der Frühlingspracht, I den Groll, den er die langen Wintermonate hindurch auf- I gespeichert. Zürnen Sie deshalb auch mir nicht, wenn der I Eingang mcmes heutigen Brieses diese glückliche erhebende, I Frühlingssiimmuug wiederspiegelt; ein milder Südwind I blättert schäkernd in deni lose aufgelegte» Papier, der Dust » eines blüthenbehangenen Kirschbaums strömt zum geöffneten fit Fenster herein und bannt den Schreiber dieser Zeile» in M einen Zauberkreis, aus besten Umschlingung er sich nur mit W schweren Herzen zu lösen vermag. M Und ist es denn nicht verzeihlich, wenn ein Dresdner »Korrespondent der Frühlingspracht gedenkt, mit der sich die WMmgebung seiner Vaterstadt bekleidet? Hängt nicht Ge- .Meihen und Entwicklung derselben eng zusammen mit der werrliche» Lage inmitten einer Natur, die in ihrer Lieblich- .^it und Frische keinen Vergleich zu scheuen braucht? In M"«n>g Tagen schon werden wir die gewohnte Fluth von Tagesschau. Freiberg, den 8. Mai. lieber die Organisation der vom Reichstage in's Lebe» gerufenen deutschen See warte wird neuerdings be kannt, daß dieselbe aus drei Abtheilunge» besteht, die erste hat maritime Meteorologie und Oceanographie in ihrer müssen; das Haupthinderniß soll in der unmöglichen Voll endung einer größere» Ueberbrückung bei Berlin liegen. Inzwischen ist hier in Dresden rüstig gearbeitet worden; der vorläufig aus fünf Jahre berechnete interimistische Personenbahnhof macht einen sehr gefälligen Eindruck, und die bereits begonnene Anlage von Promenaden in der Front desselben wird diesen Eindruck noch erhöhen. Auch der große Viadukt, welcher nach Ueberschreitung der Löbtauer- straße die Berliner Bahn mit der StaatSdahn in der Richtung der Tharandter Straße verbindet, ist beinahe voll endet, nur die Brücken über die Löbtauerstraßs und Weißeritz haben noch ihren Ausbau zu finden. Schlimmer sieht es dagegen hinsichtlich dec Verbindung des Bahnhofes mit der Stadt auS ; vorläufig wird man sich bis zur Fertigstellung der neuen Berlinerstrabe, welche an den Gärten der Schäferstraßc entlang führt, mit einem Durchbruche der Borwerkstraße begnügen müssen. Den Berlinern, die von dieser Seite zum erste» Male Dresde» besuchen, wird die Stadt keinen erfreulichen Anblick biete». Hinter schmutzigen Gartenmauer» hinweg führt der direkte Weg zur inneren Stadt zunächst vorbei an dem imposanten Gebäude der Schäferei, einem verschwärzten, räuchcrichen, fensterlosen, viereckigen Kasten, dessen ehrwürdiges Alter gleichen Schritt hält mit der Dreistigkeit, mit der er sich einer lebhaften Verkehrsstraße noch auf Jahre hinaus in den Weg legen wird. Der abscheuliche Kasten ist fiskalisch, enthält an Stelle der Schafe, so viel ich weiß, dis Futterböden des Ostravorwerkes, nnd bildet als solchen die fortwährende Quelle der Feuersgefabr sür die benachbarte Friedrichstadt. — Weiter führt die Straße vorbei an der Weißeritzprome nade — die Verbreiterung dieses Stückes ist mit der ge- wohnten rapiden Gcichwiudigkeit erfolgt, d h. man hat, trotzdem derselben nicht das Mindeste entgcgcnsteht, noch nicht damit begonnen — um nach Berührung der sogenannten Engelsburg, d. i. des Gasometers, die Krone des ganzen Straßentraktes, die städtische Arbeitsanstalt, die sich im-