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. - .... 1 and Tageblatt >»dm< r«,. »irrtchibr. "> Pf. und ein. ^«vmiL ?S M.. K« R-d-!U».i-. x»d«t sich «inne», »-ff- S«^U. Lt. MMeMAmeiaerW Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. > .Ha 87. Sonnabend, den l7. April. 187A> Unsere Handelspolitik. „Deutschland ist i» seinem wlrthschaftliche« Lebe« krank, sehr krank!" Mit diesen Worten begann Herr v. Neuster, einer der bedeutendsten Industriellen Baiern« und «ine Autorität in national-ökonomischen Fragen, in einer der letzten Sitzungen der bairischen ReichSrathSkammer die Motivirung eine« von ihm etngebrachten Anträge«, welcher bezweckte, beim BundeSralh eia« ilenderung der bisherige» deutschen Handelspolitik und vor Allem eine Revision unse res Zolltarife« anzustreben. Die Motive, welche Herr v. Neusser sür seinen Antrag beibrachte, sind allerdings ge eignet, in die emsteste Erwägung gezogen zu werden. Rach den sür offiziell geltenden übereinstimmenden MiNheilungen haben di« Handelsbilanzen Deutschlands in den letzten Jahren mit ungewöhnlichen Ausfällen abge schlossen. Solche betrugen im Jahre 1872 nicht weniger als 325 Millionen Thaler, während sie im Jahre 1873 nach Ausscheidung der Einfuhr an Münzen und Edelmetallen sogar die Summe von 485 Millionen Thalern beziffern, also in diesen beiden Jahren eine Mehrausgabe von 810 Millionen Thalem oder 3037 Millionen Franks ausweis«». Dar Jahr 1874 soll, nach dem ersten Semester zu schließen, sich ebensalls nicht viel bester gestalten. Sucht man nun nach den Ursachen dieser höchst be trübenden Thatsachen, so kann man sich der Wahmehmung nicht verschließen, daß wir ungeachtet der Anwendung künstlicher, srüher nicht gebrauchter Düngemittel auf dem laudwirthschastlichen Gebiete in der Produktion zurückgehm und wett mehr Roggen und Weeizrn «in- al« aurführen, sonach unsern eigenen Bedarf nicht decken, ganz abgesehen von den jüngsten geringen Erntejahren. Such in der Thier- produltion machen wir seit Jahren nicht unbedeutende Rück schritte, wie die« au« d«n hierüber erschienenen Zusammen stellungen zu ersehen ist. Mußte doch im Jahre 1873 zur Bestreitung von Nahrungsmitteln Deutschland die Summe von 94,032,679 Thalern auswenden. Aus dem Gebiet« d«r Jndustri« geht e« uns nicht bester; den» während Deutschland, wie sich im Reichstag eine ge wichtig« Stimm« ausgesprochen hat, für alle Länder der Welt als Reservoir dient, schließt sich die ganze Welt durch Schutzzölle von Deutschland ab, und Deutschland ver liert ein Absatzgebiet nach dem anderen. Selbst Amerika, sonst ein guter Markt sür uns, pflegt heute die Industrie sorgfältig und macht sich von Jahr zu Jahr unabhängiger. Als Beweis, wie sehr manch« Zweige leiden, mögen einige Beispiele dienen; so zunächst die Gruppe Erze, Erden u. s. w., welche im Jahre 1872 eine Mehreinfuhr von 2s Millionen Zentner Erzen, im Jahre 1873 sogar von über 7 Millionen Zentnern aufweist. An Eisenbahnschienen wurden im Jahre 1872 über 234,000 Zentner, im Jahre 1873 aber nicht weniger als 892,000 Zentner eingesührt. Die Textilbranche übertrifft indessen alle übrigen; denn während im Jahr« 1868 an Baumwollengani nur 341,879 Zentner ein- und 98,886 Zentner ausgesührt wurden, sind 1873 netto 436,000 Zentner «in- und 98,000 Zentner aus gesührt worden. Kuq, wohin man auch sein Auge wendet, mit geringer Ausnahme überall Rückgang. Diese unwiderlegbaren That- sachen fordern daher sicher zum ernsten Nachdenken auf. Sie legen klar, daß wir di« seit dem französischen Handels vertrag« verfolgte Handelspolitik verlaffen und dem System der hierin dominirenden Staaten, nämlich bei allen Zweigen vermittelnd und schützend einzutreten, kür welche die Ver hältnisse nicht so günstig als in den konkurrirenden Ländern liegen, folgen müssen, wollen 'wis nicht in kurzer Zeit unsern Wohlstand einbüßen, die Hauplzweige unserer Industrie verlieren, vom Ausland« wieder vollständig ab hängig werden und der Verarmung entgegengehen. Dagegen kann und muß das zu großer Macht gelangte deutsche Reich uns schützen. Oder sind wir vielleicht von Klima und Boden mehr begünstigt, als Frankreich, besser fituirt, als England? Niemand wird «in» solch« Behauptung wagen. Hab«» wir doch an Frost und Hagelschlag fast regelmäßig zu leiden, während diese Naturereignisse in jenen Ländern zu den Ausnahme» gehör«» und viel weniger intensiv austreten. Oder haben wir, wie England und Belgien, Bodenflächen, welche oben Erze, unten Kohlen liefern? Wie sollen wir bei solch' ungleichen Verhältnissen eine gesunde Konkurrenz ertrag«» könne»? Es gehört dies zu den Uncköglichkeite». Ueberdies war in diesen großen Länder« die Industrie seit Jahrhunderten geschützt, ihr Gebiet nicht, wie in Deutschland, zersplittert. Durch die Ausdehnung der Eisen bahnen mit ihren billigen Frachten sind wir gewissermaßen noch übler daran, als vor zehn Jahren, d«M diese er möglichen jetzt Bezüge aus Ländern, di« v«rmöge ihrer Fruchtbarkeit ungeachtet der Frachten unsere Produktion dennoch überflügeln. Und indem durch die erleichterte Einsuhr der Anbau feiner Gewächse, z. B. Gemüse und Obst, bereits sehr beeinträchtigt ist, wird, wie beim Wein, die Zuströmung fremder Erzeugnisse immer umfangreicher und die Frage nicht ohne Berechtigung bleiben, ob solch« Zustände, abgesehen vom wirthschaftlichen Schaden, zum Frommen der Gesammtheit dienen können? Die Erfahrung,, welche die alten Völker hierin gemacht haben, spricht dagegen. Der Trost, den kürzlich ein officiöser Nationalökonom spendete, indem er behauptete, Deutschland besitze so viA Kapital, daß es die Handelsbilanz mit Kupons ausgleichen könne, ist lediglich eine durch nichts bewiesene Bravade. Dagegen steht als Thalsache fest, daß der Konsum aus- ländscher Artikel — Wein, Kaffee, Gewürze, Tabak w. — in riesigen Proportionen steigt. Die fremde Wolle hat' unsere einheimische, die Baumwolle die Leinwand verdrängt ; selbst unsere Beleuchlungsstoffe liefert nicht mehr dje heimische Landwtrthschast, wir senden jetzt dafür ungeheure, Summe» nach Amerika. Dagegen wird da», wa« wir auszusühren haben, im Autlande mit vernichtenden Zöllen belegt. Das sollte denn doch wohl zum Nachdenken darüber auffordern, wie wir dem Verfall unserer Industrie begegnen. Tsgrsschau. Freiberg, den 16. April. ES fehlt in Preußen nicht an Stimmen, welch« ihre Bedenken gegen die beabsichtigte Verfassungsänderung erheb««. Die Scheu vor solchen Aenderungen am Staat»,ruudgefttz« ist ebenso begreiflich, »l- natürlich. Ma», befürchtet, daß sich im Laufe der Mrchtnkonfliktes da« Verein«- und Vere sammlung-recht, di« persönlich« Fr«ih«lt, di« PreßsreiM al- gtfährdet erweisen und so »ü sagen ein« Auß«rkours- setzung der ganzen Verfassung «tntreten möchte Die Be rechtigung dieser Befürchtung soll für den Moment zuge standen werden, aber doch bleibt vor Allem »u.hch-nk«^ daß zur Nealisirmg dieser Aenderunaen die Zustimmung der VolkSvertret»ng gehört, die unmöglich di« ganz« modern« Entwicklung des ElaaleS und ihr eigene« Dasein in Frag« stellen wird. Soda«» kann man der jetzigen Regierung gewiß nicht nachsagen, daß sie von reaktionär«» Gelüste» durchdrungen sei. Man darf überhaupt in der Politik nicht allein mit den Möglichkeit«« rechne», daß die platt« Absur dität siegen könnte, sondern man muß auch dem gesunde» Menschenverstände s«i» Recht lassen und der Regierung zu- tqauen, da« Gute und Ersprießlich« zu wollen. Wer ist beim der Gegner, welcher zu solchen Maßnahmen drängt? .lhein anderer als der UltramontaniSmus, der mit Hilfe der schwererrungenenVersassungsrechtedenmodernenGesellschaftS- verband zersprengen will. In diesem Stande der Rothwehr kann man Von Preußen nicht verlangen, daß eS sich rein Ein Schauer schien sie zu überlaufen; die Schultern > mehr, Dich länger in Unwissenheit zu lassen; und wenn ittelten sich «in wenig. „Bist Du zu Ende?" sragte auch die Wahrheit schmelzen mußte, es ist doch zugleich schüttelten sich ein wenig. „nimm von dem Kiude Uhschied!" , , „Abschied von d«m KIM»?" rief er, und die Gluth, dj« vqrhin während des Sprechens aus keinen Wangen flammte, trat plötzlich zurück. „Was heißt daS, Rosa?" Es war, als ob .sie zu lächeln versuchte, gher die Muskeln folgten nur gezwungen und verzerrte» de» Mund. „Ich verlasse Dein Haus," sagte sie, „und es versteht sich ja wohl von selbst, daß ich mein Kind niit mir nehme." „Aber es bedarf dl«s«r Eile nicht, Rosa —" sie, da er eine Weile schwieg, mit einer wahren Grabes stimme. feinigen begegnete, aber ihr Auge sondern heftet« sich nach kurzem Echt auf ihn. , „Wir scheiden", sagt«,sie dann scharf, und ihre Wort« > klangen ihm wie die Verkündigung eines Richterspruches, etwas Heilkräftiges in ihr, wenn sie an eine starke Natur herantritt, wie die Deinige, Rosa. Ich fühl's in mir selbst, haß ich ein Besserer bi», seit ich lein Geheinmiß mehr vor Dir habe. Und so weißt Du nun, weßhalb Du dieses Haus verlassen sollst, Rosa, aber zugleich auch, daß nichts zwischen »ns tritt, das nicht vorher schon zwischen uns stand, daß diese Trennnug nur eine scheinbare ist, daß wir einander angehören sür das ganze Leben, weil unsere Liehe mächtiger ist, als jeder äugere Einspruch. Es wird die Zeit kommen, wo uns nichts mehr hiudert, unsere Hände auch vor dem Altar zusammenzulegen — ich hatte sie näher geglaubt, aber was ist denen eiu Aufeuthalt, hie an die Ewigkeit glaub«»? Sag« mir, daß Du mich liebst, und ich weiß, däß Du verzeihst!" . Er legte seine Hand auf ihre Schulter und beugte sich der, q»j ihre Antwort lauschend. Roja erhob sich langsam Md wandte ihm «in bleiches, kaltes Gesicht zu, das IN ssiuer starren Strenge fast den Andruck einer TodtenmaSk« Macht«. Sie schien zurückzuschrecken, als ihr Blick dem i« irrte nicht scheu ab, necken nur um so fester „Höre noch dieses Letzte," bat er, „und ermiß di- Pein, unter der ich mich seit Wochen krümme. Ein Brief meiner Frau überraschte mich nüt der Nachricht, daß sie au« Gründen, die auch mich berührten, und die sie doch zum Besten aller Betheiligten verschweigen wolle, -S vorgezoge« habe, Madeira zu verlassen. Eie fühlte sich so weit ge- krästigt, daß sie den Versuch wagen könne, »ach der Hei- math zurückzukehren, und sie sei bereits unterwegs, wen» dieser Brief mich erreiche. Er ist in einen: Tone geschrie ben, der sehr abweichend ist von allen früheren, und gerade das erschreckt mich am meisten. Hier — lies selbst de« Brief, Rosa." . sh Er zog das Blatt aus der Brieftasche und reichte «» ihr hin, indem er sich zugleich bemühte, ihr in'S Auge zu sehen Aber sie stieß seine Hand zurück und MNelte energisch den Kops. Er zerknitterte das Papier zwischen den Fingern und ballte darüber «in« Faust. „In den nächsten Tagen steht ihre Ankunft zu^hrcharle»," sagt« er ingrimmig, „und ich darf der Freifrau von Diestelhorst mein Haus nicht verschließen Hätte ich gewußt, wohist ich einen Brief an sie adressiren solle, ich würdesiege- warnt haben, die Reise sortzusetzen. Jetzt blieb mir NW< übrig, al» Dich vorzubereiten, um Dir ein peinliche».Zu sammentreffen zu ersparen. Vielleicht hätte e» noch AUS- kunftsmittel gegeben, Dich hinzuhalten — ich hält« Dir eine Reise nach einem meiner Güter Vorschlag««, von dort auf kurze 'Zeit allein nach der Stadt zurückkehren und hier meine Angelegenheiten ordnen könne«, so gut es ging. Aber die Rückßcht überwog doch zulttzt, Dich vor der Gefahr einer zufälligen, oder von anderer Seite absichtlich herbei geführten Entdeckung Preis zu geben. Ich hatte kein Recht Feuilleton. I Rosa Ltchtwart. Novelle von E. Wichert. tForlsetzung.s „Da meine Tbätigkcit", fuhr der Freiherr fort, „einen öfteren Wechsel des Aufenthalts nöthig machte und ihr Nervenleiden die Unruhe solcher Vcränhcrimgcn unerträg lich sand, so hatten wir schon vorher ost lange Zeit von einander getrennt gelebt. Es konnte uns nicht schwer werden, unser häusliches Zusammensein jetzt ganz auszu- gcben. Bor mehr als süns Jahren ging meine Frau, hem Rath der Äerztc gemäß, nach Nizza, und von dort vor etwa drei Jahren nach Madeira, das als besonders heil kräftig geschildert wurde. Ein spärlicher Bricswcchscl, ost nur geschäftlichen Inhalts, war Alles, was noch an unsere Zusammengehörigkeit erinnerte. Ich war überzeugt, sic nicht wicdcrzuschcn. Ihre Krankheit hatte ich allen Grund sür unheilbar zu halten — und sür mich war sic ja ohne hin längst todt. Es hätte mich kaum überrascht, wenn mir die Anzeige zugckommcn wäre, daß sic auSgclitten. Ich wurdc nach Petersburg geschickt, und was dort geschah, ist Dir bekannt, Rosa. Das aber kannst Du Dir erst jetzt erklären, wie mein Herz nach Liebe bangte und mit welcher Seligkeit cs Dir zufiel! Wäre ich frei gewesen, keinen Augenblick hätte ich gezögert, Dir meine Hand zu bieten. Rang, Stand, amtliche und gesellschaftliche Be ziehungen — cS hätte mir nichts gegolten gegen Deinen Besitz. Ich war unabhängig durch meinen Reichthum, nicht nur dem Namen nach ein Freiherr, sondern auch in der That ein freier Herr, wenn ich's sein wollte. Aber nein — in dem Einen war ich gcbundcii, in dem Einen unstet. Vielleicht nicht mehr lange — das war meine Hoffnung!" "