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IreDerger Anzeiger und Tageblatt. Amtsblatt der Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. GerichtSLmter u. der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. Z60. Erscheint t.yrel!xrg yd. Wocheat.«b. 8 U. kür den an». Tag. 3nsn. werten bi«>V. 11 U. für nächste Nr. angen. Sonntag, 14. März. Urrt, vtittelsLhlt. r Rart. Zns«<ir« werben »t- gestalten« Zell« a»er »nm Reum mit 10 Pfg. dnechnN. 1875. Lage-geschichte. I« preußischen Herrenhause wurde am 12. da» Gesetz betreffend die Abtretung der Preußischen Bank gegen den lebhaften Wider spruch des Grafen Udo zu Stolberg-Wernigerode unverändert ge nehmigt. Der Vorstand der Berliner Lltkatholiken veröffentlicht di» au- vollster Seele dem patriotischen Aufrufe der Grafen Frankenberg zustimmend« Erklärung, welche hervorhebt, daß dir Altkatholiken di« Nothwendtgkeit, muthig und offen den Anmaßungen der römischen Kurie entgegen zu treten, längst erkannt hätten und dies« Erkenntniß bethätigen würden. Alle treu zu Kaiser und Reich stehenden Katholiken werden avfgefordert, unter Abwerfung aller Halbheit sich aus den Standpunkt de- Altkatholicl-mu- zu stellen und von diesem au- die Organisation aller nationalgesinnten, reich-treuen Katholiken zu beginnen und zu fördern Der EnbiSthumSverwes«r Weihbtschof Kübel in Freiburg (Breisgau) ist wegen gesetzwidriger Ausübung kirchlicher Functionen «u einer Geldstrafe von 500 Mark, enventuell zu 10 Wochen Se- fängntß verurthetlt worden. Weihbtschof Kübel war persönlich erschienen und protestirt« gegen die Competenz de» Gerichtshofes. Ein recht bezeichnendes Bild von den Früchten der Priester- Herrschaft bieten die Prüfungen für den einjährig-freiwilligen Militärdienst in Bayern. Bekanntlich zerfällt das Königreich Sayern — die Pfalz nicht mit eingerechnet — in drei große Stämme, die Altbayern, die Franken und die Schwaben oder Allgäuer. In dem Lande der Franken, dessen Hauptstadt Nürnberg, zugleich Eentrum des bayerische Protestantismus ist, herrscht am meisten Licht; bei den alljährlich stattfindenden Prüfungen für den einjährigen Dienst erscheint nur ein geringer Procentsatz von Solchen, welche zurückgewteseu werden müssen. Diese günstig« Erscheinung nimmt in demselben Maße ab, in welchem man sich den Diversen Bamberg und Würzburg nähert. Dem protestantischen Franken ziemlich gleich steht das katholische Allgäu, besten Be wohner sich von klerikalem Einflüsse fern zu halten wußten. Ganz andere Resultate treten aber in den von der Klerisei ganz be herrschten Provinzen Ober- und besonders Niederbayern hervor, in denen bis zu 90 Procent der sich -um einjährigen Dienst Mel denden al- unreif abgewtesen werden muhten. In diesen Tagen find in der Hauptstadt Bayern- von 40 Examinanden 28 durch gefallen, und selbst die 12 für reif erklärten konnten nur unter großer Nachsicht von Seiten der Examinatoren mit dem Fähig- keit-zeugniß versehen werden. Die Klerikalen find naiv genug, di« Schuld an diesen Mißständen dem „Liberalismus" in die Schuht zu schieben, ohne zu bedenken, daß diese enorme Unwissenheit in der Bevölkerung nur noch von dem katholischen Frankreich über troffen wird. Wie „W. T. B " au- Wt«n meldtt, wird di« Mitthtilung, daßKaistr Franz Joseph bei Gelegenheit seiner Reise nach Dalmatien gleichzeitig dem König Vic tor Emanuel in Venedig einen Gegenbesuch abzustatten beabsichtige, dem „Telegraphen-Korre- spondenz-Bureau" von kompetenter Seite bestätigt. — Kaiser Franz Joseph würde damit den Besuch erwidern, welchen ihm der König von Italien im Herbst 1873 in Wien abstattrte Die „Neue Freie Presse" will wissen, daß Kaiser Franz Joseph am 6 April in Venedig eintreffen und bis zum 8. dort verweilen wird. Die Eventualität eines Besuches de- deutschen Kaisers in Italien wird wohl nun in erhöhtem Maße in den Vordergrund treten. Der Prozeß Ofenheim wird wahrscheinlich nochmals vor die Schranken des Gericht- kommen, falls die österreichische Regierung den Muth besitzt, nochmal- «inen Kampf auszunehmen. Der dazu Veranlassung bietend« Fall ist folgender: Hofrath Max Marta v. Web«r war vor 5 Jahrrn au« dem sächsischen Staatsdienst t« da- österreichisch« Ministerium g«tret«n, um dort al- technisch« Conlultnt zu fungtrrn. Im Prozrß Ofenheim macht« « al- Zeuge Aussagen, welche den Angeklagten sehr entlaste» mußte»; di« Regierung wurde dadurch stutzig und erneuert« d«n Kontrakt mit Hofrath v. Weber nicht. Jetzt bringt nun ein, de« verfassungs treuen Ministerium ergebene- Blatt, di« „Graz« Tagespost," eine furchtbare Anklage gegen Hofrath v. Web«. E- sagt an hervorragender Stelle, daß die günstig» Au-sag« v. Web«'- im Ofendetm - Prozesse auf folgenden Umstand zurückzusühren sei: ES set Ofenheim bekannt gewesen, daß Hofrath Web«, welch« im Auftrage de- Baron- Hirsch ein Gutachten über den Zustand der türkischen Eisenbahnen abgegeben habt, dasselbe gegen ein Geschenk von 150,000 Gulden zu Gunsten seine« Auftraggeber- formulirt hätte. Ofenheim habe dem Hofrath v. Web« mit der Veröffert» lichmig dies« Thatsache und mit d«m, in seine« Händen befindlichen Beweis gedroht, wenn « seine ZeugenauSsag« im Prozess« nicht im Sinn« d« Verteidigung abgeb« 1 Hofrath v. Web« wird also öffentlich in einem Regierungsblatt» d»r Bestechung, der Abgab« »ine- beeinflußten Gutachten- und d« Ablegung falsch«« Zeug nisse-, resp. de- Meineid- geziehen. Niederschmetternder kann »in» Anschuldigung kaum erfolgen, und man ist gespannt, wi» d« öffentlich mit Schmach Beladene seine Ehre Wied« Herstellen wird. Kann er die« nicht, so ist die österreichische Regierung berichtigt und verpflichtet, den ersten Wahrspruch umzustoßen und «in nuttS Verfahren einzuleiten; denn ein Urtheil, da- auf falschen Zeugen aussagen bafirt, kann für ehrlich« L«ut« doch nimmrrm«hr Rechtt- krast ann«hm«n und auf Gültigkeit Anspruch «rh«b«n. Das neu« französisch« Ministerium hat bereit« di« Ge schäfte übernommen. Der Marschall Mac Mahon war am Donn««tag in Paris und stattete dem bisherigen Minister des Innern, General Chabaud-Latour einen Besuch ab, bet welchem er dem General für die Resignation dankte, womit derselbe da- lange Interim er tragen habe. Da- von den meisten Journalen veröffentlicht» Programm de- neuen Kabinett soll hinsichtlich de- Wahlgesetze« ungenau sein, da- Ministerium wäre durchaus nicht entschlossen, den jetzigen Wahlmodu« beizubehalten und würde im Gegentheil die Wahl der Deputirten nach Arrondissements Vorschlägen. Di» Aufnahme, welches da« neue Kabtnet bet der M<che der Bevölkerung gefunden hat, ist keine enthusiastische, aber allgemein doch rin» günstige, weil die Krisis endlich gelöst ist und ausschließlich ge mäßigte Männer zu Ministern emannt worden sind. Sogar di« Bonapartisten sind im Hinblick auf die Ausschließung de« Herzog- von Audiffret PaSquier aus dem Kabinet zufrieden gestellt. D« Herzog von Montpensier wollte nach Madrid reisen, voraussichtlich, um daselbst die Jntrigm« dn ModeradoS zu unterstützen. Ein formeller Befehl de- König« Alfon- hat aber den Herzog veran laßt, seine Reise aufzugeben. Aus Madrid wird der „Köln. Z." gemeldet, daß Marschall Serrano dem König» seine Aufwartung gemacht hat. Da nun auch die Partei Sagasta durch wiederholte Erklärungen ihrer Organe dem neuen Königthum ihr« Huldigung dargebracht und ihre Unter stützung verheißen hat, so find wenigsten- anscheinend in diesem Augenblick, mit Ausnahme der Carltsten, all» monarchisch«» Parteien des Landes um den Thron geschaart. Wie der „Agence HavaS" unter dem 8. d M. au- Madrid mttgetheilt wird, war die Gräfin Gtraenti an diesem Tage daselbst etngetroffen und bei ihrer An kunft an der Sette de» König- enthusiastisch begrüßt worden. Di» angeordnet» Aushebung von 70,000 Mann soll, derselben Quell« zufolge, „im ganzen Königreich" ohne die geringste Schwierigkeit stattgefunden haben.