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reDerger Anzeiger und Tageblatt. Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter u. der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. 260. Erscheint i. Freiberg jed. Wochent.Ab. 6U. für den and. Tag. Jnser. werden bi« B. 11 U. für nächste Nr. angen. Freitag, 8. November. Preis vietteljährl. 20 Ngr. Inserate werdm di« gespaltene Zeil« »der deren Raum mit 1 Ngr. berechnet. ' 1872. -i- Freiberg, den 7. November 1872. Wie eigentlich jetzt noch eine Polemik über die Abgrenzung der deutschen und dänischen Bezirke in Nordschleswig in den Zeitungen austretm IM», ist nicht recht aufgeklärt. Genug, daß diese Pole- mÜ da ist und den Nationalhaß in den Nordmarken des deutschen Reiches lebhaft zu entflammen droht, oder eigentlich schon entflammt hat. Als Haß wird er - wie immer wo kleine Stämme ihr po litisch trocken gelegtes Gebiet aus dem großen Strome des Natio- nalprincips berieseln wollen - vorzugsweise von den Dänen ge nährt. Die Deutschen suchen nur auf die eine oder andere Weise einen klaren Rechtszustand herbeizuführen. Sie haben die wieder holten Versicherungen des Fürsten Bismarck, daß Preußen, also auch Deutschland, nichts von seinen Eroberungen herausgeben wird und daß der Artikel V des Prager Friedens eine rein innere Angele genheit zwischen den beiden vertragschließenden Mächten Preußen und Oesterreich sei, ohne für Dänemark irgend welche Rechtsansprüche zu begründen. Von Frankreich kann gar keine Rede sein, denn es hat in dem Friedenschluß von Prag keinen Platz, sondern stand damals blos hinter den Coulissen. Seiner früheren Weltstellung wurde die Conzession der Abstimmung nach Nationalitäten gemacht, was frei lich besser nicht geschehen wäre. Eine solche Abstimmung ist aber nicht zur Anerkennung als allgemein geltendes, völkerrechtliches Princip gelangt, und nachdem ihr Träger, das bonapartistische Frank reich, ein anderes geworden ist, hat es nicht mehr die Kraft und macht auch nicht den Anspruch auf Erfüllung jener diplomatischen Sünde aus der schwachen Stunde des Friedenschlusses. Zwischen Preußen und Oesterreich herrschen aber gegenseitig solche Beziehun gen, daß die national-dänischen Ansprüche auf Abtretungen über haupt keine, am wenigsten bis nach dem Sundewitt reichende Aussicht auf Erfüllung haben. Es läge also nicht blos in der Hand Preußens, sondern es wäre auch besten Pflicht als Vorort Deutschlands, die Gunst des Augenblicks für eine Streichung des betreffenden Artikels im Prager Friedenvertrag zu benutzen, inso fern nicht sachliche Gründe vorhanden sind, Dänemark eine neue Grenzregulirung vorzuschlagen, an welcher dann deutscher Seils auch definitiv festgehalten werden müßte. Seit längeren Jahren steht Schleswig-Holstein unter preußi scher Verwaltung Die Berliner Regierung hätte es als ihre Aufgabe betrachten müssen, eine etwaige Option für Deutschland so verlockend als möglich zu machen, damit die dänische Partei keinen Boden mehr zur Agitation gehabt hätte. Leider ist dies nicht geschehen! In den Provinzen Hannover und Kurhesten, in welchen Adel, Kirche, Beamtenthum, Localinteresten, Lieferanten rc. von den respectiven Höfen verwöhnt waren, richtete man Provin- zial-Fonds ein. Das sah aus wie eine Schonung berechtigter Eigenthümlichkeiten. Damit regte man den Neid und die Ansprüche anderer Provinzen an und wenn das Mißbehagen in Schleswig- Holstein lebhafter als in den alten Provinzen empfunden wurde, so erklärt sich das leicht aus den Leiden der beiden Herzogthümer, die allerdings nicht den Vorzug einer Depostedirten - Dynastie und durch sie verwöhnter Interessen besaß. Wohl aber waren sie durch ihre treue Anhänglichkeit an die National-Jdee und die für dieselben gebrachten Opfer zu Hoffnungen berechtigt. Es war ein Sturzbad, als man ihnen Scheel-Plesten zum Oberpräsidenten gab, den Fürst Bismarck zwar im Abgeordneten hause als einen „schneidigen Mann" vertheidigte, besten Vergangen heit aber das volle Gegentheil der schleswig-holstein'schen National treue gewesen war. Kein Wunder also, daß in Schleswig-Holstein auf dem Boden getäuschter Hoffnungen kein rechtes Vertrauen zur Regierung erwachsen will. Nur daraus ist es zu erklären, daß auch jetzt noch immer Agitationen wegen Abtretungen an Dänemark in Scene gesetzt werden können. TageSqeschichte. Berlin, 6. November. Die soeben erschienene halbofficielle „Prov.-Corr." widmet dem bevorstehenden goldenen Ehejubiläum des sächsischen Königspaares einen besondem Artikel, welcher mit folgendem Satze schließt: „Wenn es dem Kaiser MIHelm zugleich Herzensbedürfniß und die Erfüllung einer willkommenen politischen Pflicht ist, durch sein Erscheinen bei der Jubelfeier in Dresden dem König Johann den Ausdruck der Hochschätzung und des Dankes für seine Verdienste um die Sache des Vaterlandes darzubrtngen, so wird diese ehrende Kundgebung für den edlen Monarchen gewiß weit über die Grenzen Sachsens hinaus freudigen Wiederhall fin den." — Ferner meldet die „Prov.-Corr.", daß die Staatsregie rung damit beschäftigt ist, den Kreisordnungsentwurf unter wesent licher Aufrechterhaltung der mit dem Abgeordnetenhause vereinbar ten Grundlagen, jedoch unter Abänderung einzelner, erhebliche prac- tische Bedenken erregender Bestimmungen neu festzustellen. „Der Entwurf", heißt es dann, „geht zunächst dem Abgeordnetenhause zu, wo alle Aussicht zu wiederholter Annahme binnen kürzester Frist vorhanden sei. Bis dahin würden Maßregeln zur Sicherung des Gelingens der Reform auch im Herrenhause getroffen sein. Der Kaiser, sagt die „Prov.-Corr.", widmet der Durchführung der als unerläßlich erkannten Maßregeln die vollste Theilnahme und Entschiedenheit. Der Ministerrath wird voraussichtlich nach der Rückkehr des Kaisers von Springe zu einem Conseil unter dem Vorsitze des Kaisers berufen werden." — Die „Nordd. Allg. Ztg." sagt in Bezug auf die Kreisordnung: Es könne nie vergessen wer den, daß das Herrenhaus eine Gesetzvorlage wesentlich amendirte, nicht um sie in dieser Gestalt anzunehmen, sondern zu verwerfen. — Am 2. November wurde die marianische Congreaation der Studirenden an der Bonner Universität durch ministeriellen Erlaß aufgelöst. (Wahrscheinlich wird dies überall, wo derartige Con- gregationen bestehen, erfolgen.) Als Grund wurde angegeben, daß die gedachte Vereinigung eine „mit dem Jesuitenorden verwandte Congregation" sei — Es ist bereits früher mitgetheilt worden, daß Seitens der Staatsregierung der Arbeiterfrage näher getreten worden ist. Bei den von dieser Seite anzustellenden Ermittelungen ist es namentlich die Lohnfrage, welcher die Ermittelungen der Behörde zunächst gel ten. Infolge dessen hat das Handelsministerium sowohl die ver schiedenen Handels- und Gewerbekammern, als auch die Oberberg ämter aufgefordert, Ermittelungen über die in ihrem District vor kommenden Arbeitslöhne anzustellen. Kassel, 4. Nov. Die bereits gemeldete Entgleisung, welche gestern auf der Strecke Warburg-Liebenau der hessischen Nordbahn vorgekommen, gehört zu den bedauerlichsten Eisenhahnunfällen, die man seit den letzten Jahren zu beklagen hat. Dem „Fr. I." be richtet man von hier folgende Details: Kaum hatte der letzte Per sonenzug, der fahrplanmäßig um 8 Uhr Abends von Warburg ab fährt und um ^10 Uhr in Kastel eintreffen soll, die Station War burg verlasten und in schnellem Laufe den sog. Diemalsdamm er reicht, als die Locomotive aus einer zur Stunde noch nicht aufge klärten Ursache entgleiste und mit Tender, Packwagen und fast sämmtlichen Personenwagen — zwei Wagen 4. Klaffe blieben im Gleise — den Abhang hinunterstürzte. Der Locomottvführer ist von kochendem Wasser und glühenden Kohlen gänzlich verbrannt und bereits verschieden; der Heizer lebt noch, wird jedoch seinen Wunden jedenfalls erliegen. Der Zugführer ist am Arme und am Kopfe stark verletzt, desgleichen haben die Schaffner und meisten Bremser schwere Verletzungen davon getragen. Von den Paffagieren sind 4 getödtet und wohl 40 mehr oder minder erheblich verletzt worden. Unter den Todten befindet sich ein Recrut, der gräßlich verstümmelt unter den Wagentrümmern hervvrgezogen wurde, Die