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? 2008 den Monarchisten und Radikalen so schlau zu halten, daß den erster«, der Mund geschloffen ward, während die letzteren sich nicht zu be klagen brauchen. Notiren wir hier gleich, daß Gambetta'S Vraa«, die „Rchublique franeaise", heute mit wahrer Gemüthlichkeit Thü«> ziemlich derbe Bemerkungen für Rechnung Gambetta'S hinnimmt und so auch ihrerseits ein Beispiel von Klugheit giebt. Da da- Erscheinen Thiers' gemeldet war, hatte die Commission sich sehr vollzählig versammelt. Sogar Changarnier, der bisher keiner ihrer Sitzungen beiwohnte, war anwesend Die „Agence HavaS" bringt folgenden resumirenden Bericht über die Sitzung: Herr GM führt den Vorsitz. Die Regierung ist durch die Minister Lest«» und v. Römusat vertreten. Herr Grsvy verliest eine Petition Einwohnern von Nantes hinsichtlich der Angriffe gegen die v« Lourdes zurückkehrenden Pilger und fügt hinzu, daß dieselbe an dir Assembler zu verweisen sei, indem die Commission nicht da- Ächt habe, Petitionen entgegen zu nehmen. Diese Behauptung wirb mm mehreren Seiten bestritten. In diesem Augenblicke erscheint Herr Thiers. — Herr de Witt reclamirt die Freiheit der Wallfahrer uch des katholischen Cultus überhaupt, um auch die des protestantischen, dem er angehört, zu wahren. —- Herr Tbiers erklärt, daß die Unter suchung über die Vorfälle in Nantes eingeleitet sei, bis jetzt ab« keine Thätlichkeiten gegen die Wallfahrer constatirt hätte. Man habe sich einfach herumgestoßen (bousouls); die Thatsachen seien übertrieben worden. — Herzog de la Rochefoucauld verlangt die Bestrafung des Präfecten und der Behörde von Nantes. Er spricht von dieser „sogenannten" lplswnäus) conservativen Republik. — Herr Thiers unterbricht ihn: „Diese sogenannte conservative Re publik hat eine furchtbare Jnsutrection überwunden." — General Changarnier tadelt Gambetta und seine Anhänger. — Herr Thier- stimmt ihm bei; doch stehe es nicht in der Macht der Regierung, private Versammlungen zu verhindern. Niemand dürfe die Assem bler angreifen, der er stets, obwohl nicht immer einer Meinung mit ihr, Achtung zu verschaffen wissen werde. Er bedauert, daß gewisse Republikaner die ärgsten Feinde der Republik seien, welche doch im Augenblicke die einzig mögliche Regierungsform sei. „Jede Agitation ist von Uebel, das Land braucht Ruhe. Seit zwei Mo naten haben wir 1400 Millionen eingenommen. Gegen Mitte det Jahres 1873 werden wir 2 Milliarden gezahlt haben, und die letzte Milliarde wird auch nickt lange auf sich warten lassen." - Herr Delpit ist überzeugt, daß die Worte des Präsidenten den besten Eindruck im Lande hervorbringen werden; er besteht jedoch daraus, daß die Regierung den Präfecten und die Municipalbehörden von Nantes zur Verantwortung ziehe. — Herr Thiers erklärt sich geaen ein solckes Verfahren. — Herr de Mornay lenkt die Aufmerksamkeit der Regierung auf einen Artikel der „Rvpublique franyaise", der ihm strafbar zu sein scheint — Herr Thiers bemerkt, daß er es sich zur Regel gemacht habe, die Angriffe auf seine Person zu ignoriren. — Herr Desjardins fragt, welche Maßregeln hinsichtlich des einjährigen Freiwilliqendienstes getroffen worden seien. — Herr Thiers erwidert, daß die Negierung eben beute diese Frage gelöst habe. — Herr Lucet spricht von den zahlreichen Auswanderern aus Elsaß-Lothringen und fordert die Regierung auf, durch alle möglichen Mittel ihn Ansiedelung in Algerien zu erleichtern. — Herr Thiers erklärt, daß er sckon ein Decret zu diesem Ende unterzeichnet habe, und daß er überhaupt Alles, was in seinen Kräften stehe, thuen werde. — Herr Thiers kündigt sodann an, daß er der Commission eine Mittheilung zu machen habe. Er betont, daß das Votum der Nationalversammlung, welches den Kaiser Napoleon des Throne- verlustig erklärte, ihm das Recht gebe, gegen die Mitglieder der exkaiserlicken Familie die nöthigen Maßregeln zu ergreifen. Er sei mit Mäßigung gegen sie verfahren, indem er der Prinzessin Mathilde den Aufenthalt in St. Gratien gestattet habe, sowie voriges Jahr die Durchreise des Prinzen Napoleon nach Corsica. Da dieser aber sich gegenwärtig ohne Erlaubniß in Frankreich aus halte, so habe er demselben den Befehl zukommen lasten, das Land unverzüglich zu verlaffen. Diese Maßregel sei im Ministerrach beschlossen worden. — Herr de Kergolay hätte gewünscht, daß die Regierung sich eben so tolerant wie voriges Jahr gezeigt hätte. Auch andere Mitglieder bezweifeln die Nützlichkeit dieser Maßregel. — Herr Thiers erwidert, daß er die Commission nicht consultire, sondern ihr einfach eine Mittheilung mache. Er habe auf seine Verantwortlichkeit hin im Interesse des Landes gehandelt und werde es von der Assemblee zu vertreten wissen. Zum Schlüsse der Sitzung wird die Petitton von Nantes an die Assembler ver wiesen. — Die Ereignisse des Tages sind die Rede des Herrn Thier- in der Permanenzcommission (die man als offenen Bruch mit Gambetta bezeichnet) und die Ausweisung des Prinzen Napoleon, welche letztere die bonapartistischen Blätter dramatisch aufputzem Daß die Prinzessin Clotilde ebenfalls ausgewiesen worden sei, m nicht begründet. Dieselbe reiste zwar mit ihrem Manne ab, am dehnt sich länger auS, al» anfänglich festgesetzt war. Die Berathungen, welche gestern bis zu später Abendstunde währten, werden heute fort gesetzt und vermpthlich zu Ende geführt. Die Heiden Minister ge denken heute Abend abzureisen. ' ' . Straßburg, 11. Octbr. Der „Karlsr. Ztg." schreibt manr Interessant dürste die Notiz sein, daß gerade im Landkreise Straß burg mit einer Einwohnerzahl von mehr als 80,000 Seelen die geringste Anzahl von Optionen vorkam. Es opttrten nämlich 210 Personen, die mit ihren Familien die Gesammtziffer von 447 Seelen auSmachen. Hiervon sind aber auch nickt alle ausgewan dert. — AuS Mühlhausen meldet man, daß die Rückwanderung schon massenhaft beginnt. Die Pfaffen verbreiten wieder das Ge rücht, daß diejenigen, welche nicht opttrt haben, gezwungen werden sollen lutherisch zu werden. Das Wunderbarste ist, daß sie bei gar zu Bielen Glauben finden. Genf, 13. Octvber. Der aus Frankreich ausgewiesene Prinz Napoleon ist mit seiner Gemahlin, der Prinzessin Clotilde, heute Vormittag hier eingetroffen. Rom, 5 October. Seit einigen Wocken schon beschäftigen die Sicherheitszustände in Süditalien und im Ravennatiscken die öffent- l'cken Blätter von Rom, Neapel, Mttland und Florenz in hohem Grade. Man erörtert die Ursacken, man schlägt Heilmittel vor, die Regierung ernennt neue Präfecten an den betreffenden Orten, die'e erlassen energiscke Manifeste, und in demselben Augenblick bluten neue Opfer, wie vor 14 Tagen die drei Gensdarmen in Santa Agata, bleiben die Thäter unbekannt oder, wenn bekannt, ungreiibar, wie der gesürcktete Ometto, der Schrecken und die Be wunderung der Romagna. Vor Allem wäre es nöthig, den Unter schied des n apolitaniscken biixaotqgeia und der ravennatischen r<-»ti <ji »-inxuo sich klar zu machen, ehe man über die wirksamsten Mit tel, die Uebel zu bekämpfen, einig werden könnte. Der briguntax- pw im Süden ist eine Art Institution ; er bildet die Gensdarmerie der Bauern gegen den Gutsherrn. Der Bauer nämlich ist Meier, tbeilt die Ernte zur Hälfte oder zum Drittel mit dem Eigentbümer der in der Stadt wohnt und hat natürlich das größte Interesse, daß sein Herr nicht auf die Güter komme, um den Stand der Ernte zu verificiren. Dazu dient ihm nun der Brigante, gewöhn lich ein junger Mann, der sich irgend eines Vergehens schuldig ge macht und sick der Justiz entzieht, oder ein Refractär, ost auch ein ausgedienter Soldat, dem das freie Leben besser gefällt, als das regelmäßige Arbeiten Jeder Bezirk hat seine Bande, welcke Auf sicht bält und für welcke die Beraubung der Fremden nur ein ge legentliches Nebengeschäft bildet. Jbr Hauptaugenmerk ist der wohl- babende Gutsbesitzer, gegen ihn ist der riontw systematisch organi- sirt; wagt er sick in die Nähe seiner Güter, so wird ihm aufgepaßt und er wird abgefangen. Er muß einen Brief nach Hause schrei ben und um Auslösung bitten; eine kleine Verstümmelung, ein ab- gescknittenes Ohr z. B, soll nötbigenfalls der Familie in Erinne rung bringen, daß die Bauernpolizei nicht mit sich spaßen läßt; im äußersten Falle geben, wie man weiß, die Dinge bis zur Er mordung der Uuglücklicken. Der Bandit aber entgeht leicht der Staatspolizei : er kennt die Sckleickwege und Verstecke seiner hei- matt'Iicken Berge besser, als der fremde Carabiniere; jeder Bauer, ja »-er -Bürgermeister jedes Oxts kommt ihm zu Hülfe, benackrich- i * ibn vom Herannaben der Gefa r, birgt ihn, wenn der Feind l st Natürlich mußte bei Ausdehnung des Königreichs die Gen- n ie vervierfacht werden; die unübertrefflichen piemontesiscken -in, ieri reickten nickt mehr aus; sie selbst der Spracke wie d>s a des unkundig, können hier nickt di? Dienste leisten, welche ' o in il rer Provinz leisteten; die aus dem Neapolitaniscken selbst neu recrutirteu Carabinieri haben nickt die Fertigkeit und die Tra ditionen ihrer piemontesiscken Kameraden. Man schlägt nun De rn Nation, äomicilin onntto (Zwangsaufenthalt mit polizeilicher Ueberwachung), Belagerungszustand und alles Mögliche vor. Paris, 12. October. Einem aus der ottomanischen, der fran- zö ick-bolländiscken, der französisch-italienischen Bank und anderen Bankhäusern bestehenden Consortium ist von der Regierung die aus schließliche Concession zur Fabrikation und zum Verkaufe von Zünd hölzchen aegen eine jährliche Abgabe von 16 Millionen Franks verliehen worden. Diese Abgabe erhöht sich um weitere 50 Proc., sobald der- jährliche Consum den Betrag von 40 Milliarden Zünd hölzchen übersteigt. Die gestrige Sitzung der Permanenzcommission war eine sehr interessante; man handelte von allen Fragen, welche in der lehren Zeit die Parteileidenschaften erregt haben, von der Pilgerfahrt nach Lourdes und Gambetta'S Reden und obendrein als Zugabe von dem Prinzen Napoleon. Die Art, in welcher Thiers alle an inn gerickteten Interpellationen beantwortete, ist zu bewundern. Er -, verleg diesmal seine gute Laune nicht Md wußte die Wage zwischen