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Erscheinen: Dienstag, Donnerstag, Sonnabend. Vierteljähriges Abonnement: am Schalter t M., durch den Boten ins Haus 1 M. 25 Pf., durch die Post 1 M. 25 Pf., durch die Post frei ins Haus 1 M. 50 Pf. <-— Gl-Ochaim Inserate für die am' Abend vorher auszugebende Nummer werden bis früh 9 Uhr angenommen und Gebühren für solche von auswärts, wenn dies der Einsender nicht anders bestimmt, durch Post- Nachnahme erhoben. 7DL Ämkbllck für äie königkicktm unä stääPten Lelwräen zu Druck und Verlag von Herrmann Starke (Plasnick L Starke) in Großenhain. Für die Redaction verantwortlich: Herrmann Richard Starke. Mlytz. Donnerstag, den 8. September 1887. 75. Jahrgang? AeuWand und Rußland. Nachdem das Project einer Zusammenkunft Kaiser Wilhelms und Kaiser Alexanders II. in Stettin die europäische Tages presse durch eine Woche hindurch beschäftigt hat, dementirt jetzt die „Nordd. Allg. Ztg." die bezüglichen Meldungen in kategorischer Form mit dem Hinzufügen, daß auch die Gerüchte von einer Erneuerung des im September ablaufenden deutsch russischen Vertrages bloße Conjecturen seien, denn ein solcher Vertrag existire gar nicht. Die kategorische Form des De mentis und der Ort seiner Veröffentlichung läßt nicht daran zweifeln, daß dasselbe den tatsächlichen Verhältnissen entspricht. Nur daß es jetzt erst erfolgt, ist einigermaßen auffällig und scheint dieser Umstand darauf hinzudeuten, daß der Plan einer Begegnung beider Herrscher vielleicht doch bestanden hat, aber infolge noch unbekannter Einwirkungen und Verhältnisse nicht zur Verwirklichung gelangt ist. Es wird nicht an Stimmen fehlen, welche aus dem Nicht zustandekommen der Begegnung Kaiser Wilhelms mit dem Czaren, welche schon so lange und wiederholt die öffentliche Meinung Europas beschäftigte, auf eine abermalige Ver stimmung zwischen Deutschland und Rußland schließen möchten. Dies wäre jedoch mindestens gewagt, denn seit der Unter redung, welche Fürst Bismarck vor Antritt seiner Kissinger Badereise in Berlin mit dem Botschafter Schuwaloff hatte, ist ein offenkundiger Umschwung in den bisherigen gespannten Beziehungen zwischen Berlin und Petersburg eingetreten und dieser spiegelt sich namentlich in der Behandlung der bul garischen Angelegenheit wieder. Deutschland hat sich hierbei auf den denkbar loyalsten Standpunkt gestellt und erst jüngst wieder präcisirte das Organ des Kanzlers die Stellung der deutschen Politik den bulgarischen Dingen gegenüber in einer Weise, die in Petersburg nur den günstigsten Eindruck machen kann. Thatsächlich liegen auch von der Newa officielle Kund gebungen vor, daß man in den leitenden russischen Kreisen die loyale Haltung Deutschlands in der bulgarischen Frage anerkennt, rind da dennoch die wiederhergestellte „Entente" zwischen Deutschland und Rußland fortdauert, so sind die Schlüsse, die man hie und da aus der Nichtverwirklichung der Kaiserentrevue in gegentheiliger Richtung ziehen will, einfach müßig. Es fehlt nun auch bei uns in Deutschland nicht an patriotisch sein wollenden Leuten, welche die bulgarische Politik unseres Reichskanzlers „unbegreiflich" finden, und die meinen, Fürst Bismark unterstütze besonders im Hinblick auf Frankreich die Stellung Rußlands in den bulgarischen An gelegenheiten; ja, hat doch sogar ein Blatt wie die „Kölnische Zeitung" letzthin die Besorgniß geäußert, daß der angebliche deutsch-französische Wettbewerb in „Wettkriecherei" ausarten könnte. Nun, einer solchen halb lächerlichen, halb empörenden Auffassung gegenüber braucht wohl nur einfach betont zu werden, daß der Lenker unserer auswärtigen Politik noch allzeit bemüht und entschlossen gewesen ist, die Ehre und Würde des Reichs und der Nation aufrecht zu erhalten, und wenn er in seiner bulgarischen Politik Wege zu wandeln scheint, die nicht den ungetheilten Beifall der Nation finden, so braucht demgegenüber wohl blos hervorgehoben zu werden, daß eben die großartig und tiefdurchdacht angelegte Politik des Fürsten Bismarck nicht eine Sache für Jedermanns Ver- ständniß ist. Was aber die immer wieder auftauchende Be sorgniß anbelangt, das deutsch-russische Einvernehmen könne möglicherweise die deutsch österreichische Allianz erschüttern, so weiß man in den maßgebenden Wiener Kreisen am besten, daß das deutsch-österreichische Bündniß auf Grundlagen be ruht, welche auch durch ein bedingtes Zusammengehen Deutsch lands mit dem Czarenreiche nicht zu erschüttern sind und zu guterletzt ist man an der Spree, wie an der Donau und der Newa darüber einig, daß es trotz aller Trübungen noch immer hochwichtige Interessen giebt, die den drei Kaiserreichen gemeinsam sind. Tagcsmchrichttn. Deutsches Reich. Dem Vernehmen nach sind die Aeuße- rungen der Bundesregierungen über die Grundzüge der Alters- und Jnvalidenversorgung nunmehr eingegangen und werden gegenwärtig im Reichsamte des Innern geprüft, was voraus sichtlich im Laufe des Monats beendet wird. Die eventuell umzuarbeitenden Grundzüge sollen alsdann neben der Begut achtung durch einzelne besondere Sachverständige zur gutacht lichen Aeußerung dem Volköwirthschaftsrathe vorgelegt werden. Erst nach dieser Prüfung wird die allerhöchste Genehmigung zur Ausarbeitung eines förmlichen Gesetzentwurfs erbeten. Der Kronprinz und die Kronprinzessin sind mit den Prin zessinnen Töchtern am Montag früh nach 7 Uhr von Hamburg in Frankfurt a. M. eingetroffen und machten am Nachmittag einen Abstecher nach Homburg. Die Reise nach Tirol sollte am Dienstag zunächst nach München fortgesetzt werden. Daß Se. Majestät der Kaiser nur mit lebhaftem Bedauern auf die Reise nach Königsberg und Danzig verzichtet hat, geht aus dem an die Oberpräsidenten von Ost- und West preußen gerichteten Erlasse hervor, in welchem der Monarch erklärt, daß eben nur der ihm zugestoßene Unfall der Grund gewesen ist, weshalb er auf den Besuch beider Provinzen verzichtete; ausdrücklich bekundet der Kaiser, wie er selbst schmerzlich bewegt wegen dieses nothwendigen Verzichtes sei, und giebt zu erkennen, daß seine Vertretung durch seinen Neffen, den Prinz-Regenten Albrecht, den Provinzen die per sönliche Theilnahme des Kaisers zum Ausdrucke bringen solle. — Prinz Albrecht traf am Montag Vormittag auf dem festlich geschmückten Ostbahnhof in Königsberg ein und wurde daselbst von dem commandirenden General, dem Oberpräsidenten, dem Oberbürgermeister und dem Polizeipräsidenten empfangen. An der Ehrenpforte, woselbst 50 Ehrenjungfrauen den Prinzen begrüßten, hielt der Bürgermeister Hoffmann eine Ansprache an Se. königl. Hoheit, worauf der Prinz für den ihm be reiteten Empfang herzlich dankte und sagte: „Noch gestern Abend hat Se. Majestät der Kaiser mich beauftragt, der Bürgerschaft Königsbergs das tiefste Bedauern darüber aus zusprechen, daß es Ihm nicht möglich gewesen ist, wie Er bestimmt gehofft, die Stadt zu besuchen, mit welcher Ihn so viele trübe wie freudige und herzliche Erinnerungen verknüpften." An der Tribüne auf dem Kantplatze, wo der Magistrat und die Stadtverordneten Aufstellung genommen hatten, begrüßte Stadtverordnetenvorsteher Weller den Prinzen mit folgender Ansprache: „Königl. Hoheit! Unser Schmerz, Se. Majestät unsern allergnädigsten Kaiser und Herrn heute nicht begrüßen zu können, wird dadurch gemildert, daß Se. Majestät Eure k. Hoheit mit allerhöchstdero Vertretung beauftragten. Eure k. Hoheit wollen mir gnädigst gestatten, Sie im Namen der städtischen Behörden hiesiger Residenz- und Königsstadt ehr erbietigst begrüßen zu können und diesem Gruß dadurch die rechte Weihe zu geben, indem ich rufe: Se. Majestät unser allergnädigster Kaiser und König lebe hoch!" Der Prinz, welcher im Namen des Kaisers nochmals für den wunder schönen Empfang dankte, nahm alsdann die Parade über die Ehrenwache am Schlosse ab; hierauf zog der prächtige Festzug der Gewerke und Corporationen an dem Prinzen vorüber. Am Nachmittag deS 5. Septbr. schoß eine Schildwache der Garde-Pioniere bei den Schanzen am Kreuzberge (unweit Berlin) auf einen Arbeiter, welcher den Posten trotz wieder holter Warnung provocirte. Der Arbeiter soll der Verwundung erlegen sein. Der Deutschenhaß der Franzosen erstreckt sich auch auf die Radfahrer. Herr Westphal vom Verein „Wanderlust" hatte eine Tour von Berlin nach Paris unternommen; aber die feindselige Haltung der Bevölkerung zwang ihn, auf der Rück reise die Bahn bis zur deutschen Grenze zu benutzen. Atan sieht die deutschen Radfahrer in Frankreich für Spione an. Als eine Episode vom Katholikentage in Trier wird er wähnt, daß der Bischof von Luxemburg unter jubelndem Beifalls den Bischof von Trier aufforderte, recht bald den „heiligen Rock" zu zeigen. Bischof Korum antwortete in dessen auf diese Aufforderung — ausweichend. In Bonn und der Umgegend wurde am Sonntag Nach mittag ein leichtes Erdbeben wahrgenommen, das von einem dumpfen unterirdischen Rollen begleitet war. Bayer«. Der Besuch, den vor Kurzem die Minister v. Lutz und v. Crailsheim dem irrsinnigen König Otto ab statteten, hat nur aufs Neue die Thatsache bestätigt, daß der Zustand des Kranken unverändert und eine geistige Besserung nicht zu erwarten ist, während das körperliche Wohlsein nichts zu wünschen läßt. Oesterreich »Ungar«. Der Kaiser traf am Sonntag aus Mähren zu Neutra in Ungarn ein, um hier den weiteren Manövern beizuwohnen, und empfing am Montag eine An zahl von Huldigungsdeputationen; Abends fand zu Ehren des Kaisers eine Serenade und allgemeine Illumination ftait. Frankreich. Ueberall herrscht eine gehobene Stimmung darüber, daß die Probemobilisirung des 17. Armeecorps so günstig verläuft. Daß das genannte Corps und die betreffen den Departements schon Wochen vorher unterrichtet waren und demnach alle Einzelheiten so sorgfältig vorbereiten konnten, daß eigentlich Alles klappen mußte, daran denkt man heute natürlich nicht mehr. Die Blätter aller Parteirichtungen stimmen wahre Jubelhymnen an, daß die Mobilmachung so „klappt", und es begreift sich, wenn ein Theil der radicalen Presse bereits anfängt, eine stolz herausfordernde Sprache gegen Deutschland zu führen. Die neuesten Pariser Zeitungen begleiten die Berichte über das deutsche Sedanfest mit wüthen- den, ja drohenden Glossen; die Regierung wird der Feigheit beschuldigt, weil sie eine solche Provocation unbeantwortet lasse. England. Nach einer Meldung aus Ennis in der irischen Grafschaft Munster hat das von der Nationalliga auf ver gangenen Sonntag einberufene, vom Vicekönig verbotene Meeting, während der dafür ursprünglich in Aussicht genom mene Platz von der Polizei und von Truppenabtheilungen besetzt war, an einem in entgegengesetzter Richtung, jedoch in der Nähe von Ennis gelegenen Punkte stattgefunden. Die irischen Deputirten Dillon, Sullivan, O'Brien und Cox, sowie der englische radicale Abgeordnete Philipp Stanhope hielten Ansprachen an die Versammlung, bis die Ankunft der Polizei und einer Abtheilung Militär das Auseinandergehen der Versammlung herbeiführte. Die Theilnehmer an derselben suchten darauf in Ennis selbst das Meeting fortzusetzen, lei steten aber, als die Polizei zur Räumung der Straßen schritt, der Aufforderung der Deputirten und der Geistlichen, keinen Widerstand zu leisten, Folge und gingen ruhig auseinander. Ruhland. Aus Petersburg wird der „Köln. Ztg." von ihrem Berichterstatter geschrieben: „Die öffentliche Meinung und die Presse zeigen sich mißgestimmt über die Möglichkeit, daß Deutschland die Vermittlerrolle in der bulgarischen An gelegenheit übernehmen könnte. Man fürchtet, daß die Ver mittelung des ehrlichen Maklers, selbst wenn sie in russen freundlichem Sinne erfolgt, mit dem Aufgeben der selbststän digen Politik bezahlt werde, die Rußland seit einigen Jahren verfolgt hat. Dieses Mißtrauen beherrscht alle Kreise." NeurAe Aachrichten. Königsberg i. Pr., 6. September. Heute Vormittag 10 Uhr 40 Min. begab sich Se. königl. Hoheit Prinz Albrecht zu Wagen nach dem großen Exercirplatz, um die Parade über das 1. Armee corps abzunehmen. In den festlich geschmückten Straßen, in denen die Schulen Königsbergs und zahlreicher benachbarter Gemeinden Spalier bildeten, wurde Se. königl. Hoheit von der dichtgedrängten Menschenmenge mit brausenden Hochs begrüßt. Bei der gestrigen Illumination, die sich auf die ganze Stadt bis in die entlegensten Gassen erstreckte, waren zahlreiche Kaufhäuser und Privatgebäude mit den Büsten des Kaisers, der Kaiserin und der Prinzen und Prinzessinnen des königlichen Hauses, mit Blumen und anderem Schmuck geziert. Der von sämmtlichen Capellen und Tambours des Armeecorps ausgeführte Zapfenstreich war von großartiger Wirkung. Die Ordnung wurde nirgends gestört. Heute Nachmittag findet im königlichen Schlosse Paradediner, am Abend im Theater Festvorstellung statt. Wilhelmshaven, 6. September. Das Offensivgeschwader ist heute früh zum Beginn der Manöver in See gegangen. Prinz Ludwig von Bayern, der während seines Aufenthaltes hier der Reihe nach alle Marine-Etablissements eingehend besichtigt hatte, befand sich an Bord des Panzerschiffes «Kaiser". London, 6. September. Unterhaus. Die Bill, betreffend den Erwerb kleiner Grundstücke durch Bauern, wurde in dritter Lesung angenommen. Mit 117 gegen 42 Stimmen wurde beschlossen, daß die Bill für Schottland und Irland keine Geltung haben sollte. — Nach einer Meldung aus Exeter brach gestern Abend in dem dortigen Theater während der Vorstellung eine Feuersbrunst aus, welche das Gebäude gänzlich in Asche legte. Der Verlust an Menschenleben ist erheblich größer, als anfänglich angenommen wurde. ES sind bereits 130 Leichen aus den Trümmern hervor gezogen, meist von solchen Theaterbesuchern, welche ihre Plätze auf oer Galerie hatten und die sich, da nur ein einziger Ausgang vor handen war, nicht rechtzeitig retten konnten. Von den Besuchern des Parguets, Parterres und der Logen retteten sich die meisten, ehe die Flammen um sich griffen; doch trugen viele in dem Gedränge schwere Verletzungen davon. Das Theatergebäude ist gänzlich aus gebrannt. Von dem Theaterpersonal ist Niemand verunglückt. Locale, sWsche rc. Nachrichten. Großenhain, 7. September 1887. —s. Der diesmalige Jahrmarkt ist nicht ganz ohne Taschen diebstähle vorübergegangen. Auf dem Lindenplatze wurde am Dienstag einer Frau von hier ein Geldtäschchen mit 5 M. 25 Pf. Baarschast aus der Kleidertasche entwendet, doch gelang es auf der Stelle, die Diebin in der Person eines anständig gekleideten Frauenzimmers, das aus Böhmen stammen will, zu ermitteln und festzunehmen. Außerdem sollen dem Vernehmen nach auf dem Hauptmarkte zwei Frauenspersonen, Mutter und Tochter, vom Lande Geldtäschchen mit 12 und 15 M. Baarschast, theils aus der Hand, theils aus der Tasche, gestohlen worden sein. —2. Die bisherigen Untersuchungen betr. die Reblausseuche in den Weinbergen im Elbthale haben leider ergeben, daß mehrere nach Wahnsdorf gehörige Weinberge, sowie die Besitzung des Herrn Pochert und der Weinberg zum Pfeiffer stark inficirt sind; auch in den ausgedehnten Weinbergen der Hoilößnitz hat man das massenhafte Auftreten der Reblaus constatirt, jedoch den Umfang noch nicht feststellen können. An den Untersuchungsarbeiten be- theiligen sich fünfzehn sachverständige Herren, welche in drei Sec- twnen arbeiten und unter der Leitung des königl. Garteninspectors Herrn Lämmerhirt stehen. Die bloßgelcgten Wurzeln der zu