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:.-,7 Tageblatt Amtsblatt deS Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. GerichtsämLer und -er StadLraHe zu Freiberg u. Brsn-. Preis vierteljährl. LS Ngr. Inserate / werden die gespaltene Zeile oder deren / I 1» UD Raum mit 8 Pf. berechnet. / U ä?7« Dienstag, den 26. März Erscheint l. Freiberg jed. Wochent. Ab. 6U. für den and. Tag. Jnscr. werden bi« V. 11U. für nächste Nr. angen. bieten lassen, wie eS jetzt dem Ministerium Auersperg tagtäglich aus Prag geboten werde. Selbst in den Tagen des tiefsten Verfalls habe man solche in Formen deS Gassenbubenthums gekleidete Heraus forderungen nicht ungestraft hingenommen. Wie ein fauler Fleck greife das Beispiel hochadeliger Attentäter gegen Verfassung und Gesetz um sich und erzeugen in den Massen eine Verachtung gegen die Behörden. WaS die Aristokraten auf politischem, würden die Plebejer bald auf privatrechtlichem Felde thun, ganz abgesehen davon, daß die feudal-ultramontane Agitation schon längst sich bis zum Diebstahl an Staats- und Privateigenthum und zur Gefährdung an Leib und Leben der Oesterreicher verirrt Habe. — Wahrlich keine schöne Schilderung, die das Wiener Blatt von den eigenen Landes« zuständen entwirft. — Auch in Ungarn dauert der Parlaments« rische Wirrwarr noch fort, über dessen Ergebniß sich vor der Hand gar keine begründeten Vermuthungen aufstellen lassen. Man weiß jetzt eben nur, daß die Deakpartei die eigentliche Wahlreform d. h. die Einführung eines Census preisgeben will, wenn die Linke die fünfjährige MandatSoauer anzunehmen geneigt wäre. Daran denkt die Linke nicht und deshalb sind alle VermittelungSversuche zwischen ihr und der Deakpartei abgebrochen worden. Die italienische Deputirtenkammer hat mit bedeutender Majorität das vom Finanzminister Sella kürzlich verlangte Ver trauensvotum beschlossen. Im weiteren Fortgang der Berathung ergriff darauf der Ministerpräsident Lanza das Wort, um die kürzlich vom Papst gethane Aeußerung, daß in Rom nicht zwei Gewalten in Freiheit neben einander bestehen könnten, zu wider« legen. WaS die Aufmerksamkeit anlangt, welche man auch in Frank« reich auf die religiöse Bewegung in Deutschland richtet, so ist es besonders die royalistisch-klerikale Partei, bei der dieselbe in be- achtenSwerther Weise hervortritt. Pa die Führer dieser Partes damalige Papst hatte der französischen Regierung gewisse Rechte bei Ernennung der Bischöfe, Pfarrer u. s. w. einräumen müssen. Bekanntlich verstand zu jener Zeit Napoleon I., wo es ihm auf die Feststellung staatlicher Rechte ankam, keinen Spaß. Nun befand sich in dem Concordate ein Passus, nach welchem die Rechte bei Ernennung der Bischöfe durch eine neue Convention geregelt wer den sollten, falls einer der Nachfolger Napoleons Nichtkatholik wäre. Dieser Fall ist im Jahre 1871 eingetreten, denn Kaiser Wilhelm ist zum großen Leidwesen der römischen Kurie Protestant. Cardinal Antonelli beeilte sich also, das höchst unangenehme Concordat aus der Welt zu schaffen und schrieb demnach jenen Brief. Selbstver ständlich mußte dadurch die Regierung des deutschen Reiches — so nahm man wenigstens in Rom an — in Verlegenheit gesetzt wer den und sich ihrerseits auch beeilen, der römischen Kurie in der neuen Convention alle möglichen Zugeständnisse machen. Aber merkwürdiger Weise kam die Sache ganz anders, die deutsche Re gierung erklärte nämlich so ruhig und trocken: „sie nehme die „Kündigung" an. Ganz wohl, dachte Antonelli; aber wo bleiben dann die Zugeständnisse und die neue Convention? Ja, darüber schien nun Fürst BiSmarck seinerseits ganz sonderbare Gedanken zu hegen; er blieb einfach bei der Annahme der Kündigung, fügte aber kein Wort weiter hinzu. Da mochte wohl in Herrn Antonellj die Idee auftauchen, er habe — WaS man so im gewöhnlichen Leben sorgen, daß die Bäume römischer Herrschsuchtsgelüste sicht in des Himmel wachsen. So stehen die Sachen gegenwärtig. ES ist fatal, daß trotz der Unfehlbarkeit die römische Curie diesmal von ihrer traditio nellen Schlauheit so arg im Stiche gelassen wurde. Aber ste Hat ja selbst die Geschichte eingerührt und kann nun die Früchte ihrer eigenen Unvorsichtigkeit genießen. Im preußischen Abgeordnetenhaus ist die Berathung der neuen Kreisordnung zu Ende gebracht und dieselbe am 23. b. ange nommen worden. Waren die letzten Stunden der Verhandlung auch einigermaßen peinlich, indem darin die Frage zur Entscheidung stand, ob die Zustände in der Provinz Posen eS möglich machen, auch auf sie die Wohlthaten deS neuen Gesetzes auSzudehnen, so kann doch auf die Gesammtheit der Verhandlungen nur mit großer Befriedigung zurückgeblickt werden. In Würdigung der thatsäch- lichen Verhältnisse gingen die Parteien ihren Zielen nur in einer solchen Weise nach, daß sie bis zu einem gewissen Grade auch die Mitwirkung sonstiger Gegner zu gewinnen vermochten. Diese gegen seitige Versöhnlichkeit ist eine Bürgschaft, daß die eingeleitete Re form dem Lande zum Heile gereichen und den Ausgangspunkt eines dauernden Fortschritts bilden wird. Dagegen sind die Nachrichten aus Oesterreich auch Heute we» nennt — einen dummen Streich gemacht, und er schrieb flugs einen zweiten Brief an den Bischof von Straßburg, in welchem er erklärte: eS sei ihm nicht eingefallen, das Concordat zu „kündigen", sondern er habe bloS gemeint, durch die Einverleibung des Elsaß ins deutsche Reich sei das Concordat „außer Kraft gesetzt." Es mag Juristen überlasten bleiben, den Unterschied auszu- düfteln, der zwischen den Ausdrücken: Gin Vertrag ist „gekündigt", und: Sin Vertrag ist „außer Kraft gesetzt" besteht. Wir wollen uns darüber den Kopf nicht zerbrechen und Fürst BiSmarck scheint dies auch nicht zu thun; ja wir glauben sogar, daß er weder auf „Friedensruhe" im Lauenburg'schen noch in Berlin wenig darüber nachgegrübelt hat und nachgrübeln wird, was Car dinal Antonelli mit seinen beiden Briefen gemeint oder nicht gemeint hat. „Gekündigt" oder „außer Kraft gesetzt" — so viel ist sicher: das Concordat ist gelöst und zwar durch die Kurie selbst. Die deutsche Regierung kann aber in aller Ruhe der Dinge warten, die da weiter kommen sollen. Wenn man jedoch die clerikalen Blätter liest, dann hat Fürst BiSmarck die Rechnung ohne den Wirth gemacht; denn nach ihrer „unfehlbaren" Meinung tritt nun daS canonische Recht an Stelle des ConcordatS. WaS ist canontsches Recht? Ja nun, das selbe hat mit dem Civilrecht, dem Strafrecht u. s. w. die sonder bare Siqenthümlichkeit, daß seine Bestimmungen von verschiedenen Rechtslehrern verschieden auSgelegt werden. Gesteht man Rom, zumal als Sitz der Unfehlbarkeit, das Auslegungsrecht allein zu, so würde es sich in dem allbekannten Satze verdeutlichen lassen: Rom befiehlt und die Welt gehorcht! Indessen, Fürst BiSmarck ist glücklicher Weise nicht der Mann, in dessen Programm ein sol cher Grundsatz paßt. So hat er denn auch einfach gefolgert: Ist das Concordat gelöst, so ist für die Regelung der kirchlichen Ver hältnisse im Elsaß nicht daS canonische, sondern daS preußische StaatS recht maßgebend. Gefällt daS dem Papste nicht, so mag er um einen neuen Vertrag bitten, und wir werden schon dafür 4- Freiberg, 25. März 1872. Die Leser erinnern sich wohl noch des Briefes, in welchem Cardinal Antonelli dem Bischof von Straßburg anzeigte, daß durch die Bereinigung des Elsaß mit dem deutschen Reiche das Con cordat von 1801 „außer Kraft getreten sei." Das betreffende Concordat war nämlich der Kurie nicht ganz angenehm, denn der nig erfreulicher Natur. „So kann eS nicht länger fortgehen" — ruft halbverzweifelnd ein Wiener Blatt auS. Kein Tag vergehe, an dem nicht aus Böhmen irgend eine dreiste Herausforderung der StaatS« autoritär, irgend eine freche Verletzung der Gesetze berichtet würde. Bald sei ein gerichtliches Actenstück entwendet, bald ein amtlicher oder privater Brief eröffnet, bald ein Telegramm gestohlen und jetzt wären gar kurz hintereinander zwei Briefpackete beraubt wordea. Männer, die durch ihre Geburt dem Throne nahe ständen, bezeich neten die Mitglieder des Kaiserhauses als „Fremde" in Böhmen. Keine Regierung, welche auf ihre Würde halte, dürfe sich ähnliches UN-