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und «mtsblaü des Kgl. BejirkSgerichtS zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadträthe zu MS. ^-36 Sonnabend, den S. März Erscheint i. Freiberg jed. Wochen«. Ab. SU. für den and. Tag. Ins«, werden bi« V. N U. für nächste Nr. angm. yrei« vierteljährl. 20 Ngr. Inserate w«den die gespaltene Zeil« »der deren Raum mit S Pf. berechnet. Freiberg, 8. März 1872. Zur Genüge ist eS bekannt, wie sehr da- französische Volk in der Schulbildung gegen daS deutsche zurücksteht. Bisher waren eS die nordöstlichen, jetzt zum Theil wieder deutsch gewordenen LaodeStheile Elsaß, Lothringen, Franche-Comt«, welche durch die verhältuißmäßige Schulbildung ihrer Bewohner allen anderen De partements weit voranstanden. Das Departement Niederrhein hatte im Jahre 1866 nur kaum 1^z Proc.der Berheiratheten aufzuweisen, welche ihre Namen nicht schreiben konnten; Maas, Vo gesen, Ober-Marne, Meurthe, Oberrhei», Mosel, Doubs, Jura folgen darnach mit wenig höherem Procentsatz. Dagegen ist die Unbildung am meisten in den Departements der Bretagne verbreitet, noch mehr in den der ober« Vienne (Hauptstadt Limoges), wo 74'/, Proc., also drei Viertel der Berheiratheten ihren Namen nicht schreiben und 56'/, Procent der Conscribirtm, also weit über die Hälfte, nicht lese» konnten. Auch das Seine-Departement mit Paris steht im Lesen wie im Schreiben gegen den germanischen Nordosten zurück; eS nimmt unter den besseren Departement- erst die vierzehnte Stuse ein. Unzweifelhaft spielen also auch hier die natürlichen Neigungen und Abneigungen der beiden Race« eine große Rolle. Der Schul zwang al- Pflicht de- Staates findet bei den Franzosen nur ein sehr geringe- Verhältnis wie in allen katholischen Ländern, wo die Küche die Schule unbedingt in der Gewalt haben will, H 1 deS vou JuleS Simon der Versailler Nationalversammlung vorgelegten UoterrichtSgesetzeS enthält die Forderung de- allgemeinen Schul zwanges. Die Commission hat diesen Paragraphen verworfen und die klerikal-royalistische Mehrheit der Deputirten wird jedenfalls und mit Freuden das Gleiche thun. Nachdem die Franzosen selbst ihre Niederlagen dem Mangel an Bildung zuschreiben, ist dieser Vorgang gewiß um so erstaunlicher. In Deutschland kennt man diese Abneigung gegen den Schulzwang kaum mehr, nicht nur, weil der Deutsche für geistige Arbeit empfänglicher ist, al« der Romane, sondern auch weil der StaatSbegriff hier durch größere Sittlichkeit imponirt. Den Franzosen ist dies letztere völlig unbekannt. Seit saft zweihundert Jahren find sie gewöhnt, von ihren Herrschern lieblos und schlecht regiert zu werde» und so nehmen sie denn auch Alles, wa- diese Regierungen wollen, um so mißtrauischer auf, je mehr e» in ihre Familie greift. Ferner ist in Deutschland da- Cemeindeleben immer freier und selbstständiger gewesen, als in Frankreich. Die deutsche Schule ist deshalb mehr Gemeindeange- legenheit geworden, die dem Volke immer näher liegt, wie die Staatsangelegenheit. In Frankreich jedoch besorgt Alles der Staat und die Gemeinde muß ihm nur die Steuer» bezahlen. von jeher graute dm Franzosen vor einem „Staat der Schulen und Kasernen", wie Preußen von ihnen bezeichnet wurde. Armee und Schulen galten als Strafanstalten, die der Staat neben dm Gefängnissen unterhielt. So waren denn im Jahre 1832 unter 1060 Menschen nur 59 Schüler, während 1847 schon 99 und 1863 bereits 116 Schüler auf je 1000 Seelen kamen. Das Kaiserreich Napoleons HI. widmete sich mit einer ge« Mtn Sorgfalt dem Schulwesen. E« vermehrte die Volksschulen derartig, daß heut' fast nirgends mehr die factische Unmöglichkeit vorhanden ist, den Unterricht genießen zu können. Schon im Jahre 1864 hatte Frankreich mit etwa 37,000 Gemeinde» 37,874 Schulen, die allerdings durch die Eiatheilung in Anstalten für Knaben und für Mädchen den Bedürfnissen nicht ausreichend entsprachen. Ja 818 Gemeindm fehlten die Schulen noch gänzlich. Da der Schul zwang nicht existirte, so war auf dem Lande der Besuch so unregel mäßig, daß man sehr gut ein Drittel sämmtlicher Schulkinder weg- streichm kann, weil sie eS doch weder zum Lesen noch zu« Schreiben brachten. Im Senat wurde noch 1867 gegen den obligatorische« Schulunterricht gedonnert. „Man spricht uns immer von Deutsch land", sagte da z. B. Herr Neuland, „allein wir find nicht in dem feudalen Kaseraenprenßen; da« wäre ein schlimmer Vergleich. Die Preußen sollen bei ihrem eintägigen Glücke, bei ihrem Triumph über Oesterreich, bei ihrer ZwangSschule und ihre« AündnähMe- wehre bleiben ; Frankreich verbleibt in seiner Macht, dem» seine Macht liegt in ihm und ist bedingt durch sein Genie, durch seine Sitten und seinen natürlichen Antrieb." In derselben Tonart ruhmredeten andere Sprecher; Bischof Troplong schloß mit dm Worten: „Selbst heute noch ist der französische Soldat, auch Wenn er durchaus nicht« weiß, der am meisten gefürchtete, und er braucht nicht in der Schule gewesen zu sein, um vor dm blutigen Helden« thaten de« ZündnadelgewehrS keine Furcht zu haben." Nach 1870 sollten die Franzose» etwas anders denkm. Aber eS ist dies kaum anzunehmen, wie ja die Verwerfung des Zwangs« Unterrichts beweist. Die Einsicht ist bei diesem Bolte noch z« schwach, als daß eS sich aus seiner nationaleitlen Zerfahrmheit emporheben könnte. Deshalb weist e» den ZwangSanterricht auch jetzt von sich. Es heißt dies nicht» Anderes, al- auf die Anwendung geistiger und moralischer Mittel zur Regeneration de« Volke« verzichten. Tagesgeschichte. Berlin, 7. März. Wie officiöS mUgelheilt wird, hat sich au« de» in Posen stattgehabten Untersuchungen die überraschende That« fache ergeben, daß der Erzbischof von LedochowSki vom Papste zu« Primat von Polen ernannt worden ist und derselbe den ihm ver liehenen Lharacter angenommen hat. L» handelt sich dabei offen- bar um mehr, als um eine« bloßen Tttel. Di« Würde eine« Prima- setzt gewissermaße» die Existenz eine- Königreich» Pole» in seiner alten Ausdehnung uud mit der alten Verfassung voran«, Mit dem Amte find nicht nur Attribute der geistlichen Würd« verbunden, sondern nach der polnischen Verfassung ist der Prituas der Stellvertreter de- König« und der Träger der politischen Ge walt, wenn der Thron erledigt ist. Ma» ist daher zu dem Schluß berechtigt, daß von LedochowSki sich den national-polnischen und deutschfeindlichen Bestrebungen «»geschlossen und «fit seiner frühere« vermeintlichm Loyalität für da« preußische Königthum i« entschie denen Widerspruch gesetzt hat. — Da« Herrenhaus erledigte die GeneraldiScusfion de« Schul- aufficht-gesetzeS, wobei Goßler, Beruuth, HtnschiuS, Mewisse» für die Gesetzvorlage, Senff-Pilsach, Krvcher, Meyer (Celle), Kleist (Kleetzow) dagegen sprachen. Im Laufe der DiScusston hebt Fürst Bt-marck hervor, er habe i» gestriger Rede nicht die Theorie de« beschränkten UnterthanenverstandeS re-ettviren, sonyer» nur henzr^m