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möeiM Anzeiger Tazeblatt Amtsblatt deS Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. Preis vierttljähU. A Ngr. Jnstrate Preis mermMN. rv vrgr. Jnstrate werden die gespaltene ZÜIe oder deren I V Raum mit 8 Pf. tnechntt. LOG Dienstag, den 80. Februar Erscheint i. Freiberg jed. Wochent. Ab. 6 U. für den and. Tag. Jnser. werden bis B. 11 U. für nächste Nr. angen. 4- Freiberg, 19. Februar 1872. Wie einst der tapfere Feldherr der Römer die Schiffe ver brannte und sich und seinem Heere den Rückzug abschnitt, als eS den Kampf gegen den Feind an der afrikanischen Küste galt, so hat auch der Staatsmann des deutschen Reiches jetzt, wo eS den Kamps gegen den inneren Feind des Reiche« gilt, durch eine offene bin dende Erklärung sich jedes Zurückweichen abgeschnitten und „Siegen oder im Kampfe unterliegen" lautet für ihn die Parole. Er will, wie er der conservativen Partei zurief, mit jedem konstitutionellen Mittel die Angelegenheit mit dem Schulaufsichtsgesetz zum Abschluß bringen. Welches sind nun diese constitutionellen Mittel, welche Fürst Bismarck gegen den störrischen Factor in der Gesetzgebung zur Anwendung bringen kann? Entweder die Umgehung deS Herrenhauses und die Erreichung deS vorgestreckten Ziele- durch die Reichsgesetzgebung oder ein Peersschub. DaS erstere Mittel scheint uns nicht anwendbar, da da- vor liegende Gesetz nicht zur Competenz des Reiche- gehört und also auch von der Reichsvertretung nicht beschlossen werden kann. Hätte man im BundcSrathe dem vom Reichstage über die Erweiterung der ReichScompeteuz aus die gesammte Civilgesetzgeburg seiner Zeit gefaßten Beschlusse zugestimmt, dann wäre jetzt die Schwierig keit für Preußen minder groß. Allein der BundeSrath that dies nicht und augenblicklich läßt sich Geschehene- nicht ungeschehen machen. Wie die Dinge nun einmal liegen, wird eS wohl dem Fürsten BiSmarck am rathsamsten scheinen, einen PeerSschub vorzunehmen, d. h. eine ihm hinreichend erscheinende Zahl von neuen Herrenhaus mitgliedern bewirken, die seiner Politik geneigt sind. Diese- Mittel ist in England sehr gebräuchlich und wird von der Regierung be nutzt, um sich im Oberhause eine Majorität zu verschaffen. Ein solcher PeerSschub hätte in Preußen gegenwärtig noch mehr andere Vortheile, die nicht leicht wiegen. „Nicht nur, daß damit die An nahme de- SchulausstchtsrechtS ermöglicht wird, sondern man legte auch die anderweitige Opposition damit aus eine Weise lahm, die das Herrenhaus schon seit geraumer Zeit gegen alle zeitgemäßen Fortschritte auf dem Gebiete der Gesetzgebung erhebt. Nicht selten, besonders in jüngerer Zeit, erwies sich daS Herrenhaus al- der Hemmschuh, der die Sessionen ziemlich resultatlos verlaufen ließ. Ein solcher PeerSschub würde etwas frischeres Blut in die feudalen Adern dieser Körperschaft gießen und somit eine Reform derselben bewirken, die ebenso nothwendig als nützlich ist. Noch in dieser Woche dürste der Kampf im Herrenhause beginnen und es ist eine sehr berechtigte und erklärliche Spannung, mit der man ihr ent- gegenfieht. Die Schallwellen der jüngsten parlamentarischen Debatten im Abgeordnetenhaus« reichten übrigens über Deutschland hinaus bis Rom, denn die Spitzen der klerikalen Fraction und einige andere katholischen Mitglieder find vom Papste mit Orden belohnt worden. Auch das ist nicht uninteressant, was Berliner Blätter über In- triguen erzählen, die zu jener Zeit im kaiserlichen Palast spielten- Indem Fürst Bismarck gegen den Abgeordneten Windhorst bei der Debatte bemerkte: daß der Pfeil, den derselbe abgeschosseu, al- er ihn de« Abfall- vom monarchischen Princip angeklagt, an dem Punkte, wohin er gezielt sei, machtlos abpralle, und wenn er später mit rätselhafter Anspielung bemerkte, der bitterste Feind einer be stimmten Monarchie dränge sich nicht selten unter der Matzke der Freundschaft an den Monarchen heran, um Rathschläge zu ertheilen, die höchst gefährlich find, so hatten diese Vorgänge eben auf Palast. Jntriguen Bezug. Herr Windhorst soll nämlich einen Versuch ge- macht haben, der de« Sturz des Reichskanzler- bezweckte. Sein Helfershelfer war der streng ultramontane Fürst Padziwill, welcher durch JugendbeziHungen im engen persönlichen Verhältnisse zum Kaiser steht. Daß der Versuch kläglich mißlingen mußte, hätte sich Windhorst bei unbefangener Erwägung der Sachlage selbst sagen können Er ist zwar ein seiner Kopf, aber allzu scharf macht schartig und der Reichskanzler versteht bekanntlich in solchen Dingen keinen Spaß. Darum brachte er in der Debatte auch an- Tages licht, was diese Herren im Geheimen gegen ihn geplant und gesponnen In Oesterreich find die öffentlichen Angelegenheiten seit voriger Woche nicht vorgerückt. DaS Ministerium Auer-Perg be« theuerte seine Verfassungstreue und fordert zum Vertrauen auf, welche- auch, was dessen besten Willen betrifft, vollständig gerecht fertigt ist. Aber wird eS seine Absichten ausführen können? Mit Ach und Krach ist denn ein Entwurf zur Befriedigung der Pole« in Galizien ausgearbeitet worden. Die deutschen Blätter lasten sich mit Beifall darüber aus und hoffen jetzt von der Möglichkeit sprechen zu können, daß der Ausgleich mit den Polen wahrscheinlich sei. Vorsichtiger kann man sich gewiß nicht auSdrücken. Leide« aber handelt eS sich ja nicht darum, die Deutschen zu befriedige«, sondern die Polen, und diese erklären, au- ihrer Resolution wäre« ihnen die Hauptpunkte gestrichen. Mit den nebensächlichen Zuge ständnissen könnten sie sich nicht befriedigt erklären. Ferner handelt e- sich um da- Nothwah'gesey, denn zu einer gründlichen Wahl reform ist jetzt noch keine Möglichkeit vorhanden, da die nöthige Zweidrittel-Mehrheit noch nicht abzusehen ist. Die polnische« Abgeordneten haben bereits erklärt, nicht für den Regierung«- entwurf stimmen zu können Die altkatholische Bewegung macht auch in Oesterreich Fortschritte. Sie findet dort einen günstigen Boden. Das Conkordat von 1855 ist zwar für nicht mehr gültig und bindend erklärt, doch hat eS eine tiefe Mißstimmung in de- Gemüthern hinterlassen, welche durch das allgemeine Concil und die Unfehlbarkeits-Erklärung noch erhöht wurde. Ein neuere- Tele gramm aus Wien meldet, daß dem Abgeordnetenhause der Entwurf einer neuen Strafproceßordnung nebst dem dazugehörigen Ein« führungSgesetze, sowie ferner ein Gesetzentwurf zugegangen ist, die zeitweilige Einstellung der Wirksamkeit der Ge« schwornengerichte betreffend. In Bezug auf letztere« hob der Justizminister vr. Glaser hervor, daß die StaatSregierung die Anwendung des vorgelegten Gesetzes zur Rettung de« ganzen Geschworenengerichts-Institute- überall da für nothwendig erachte, wo die Geschworenen sich nicht von ihrem Rechtsgefühl und ihrem Gewissen, sondern lediglich von ihren politischen Leidenschaste« leiten ließen. Bekanntlich haben die czechischen Schwurgerichte Großartiges geleistet. ' Im ganzen Königreich Italien ist e- politisch still, der König weilt in Neapel und die Volksvertreter genießen «och di« EarnevalSferten. Aber Rom selbst ist durch ein für diese Stadt unerhörtes Ereigniß in Aufregung versetzt, nämlich durch eine öffentliche Disputation protestantischer und katholischer Theologe« über die Romreise des Apostel PettuS, welche von ersteren als ürle Fabel bezeichnet wird. DaS Redegefecht begann in einem -roh« Saale vor zahlreichem Publikum und soll fortgesetzt werde», Am letzten Ende wird natürlich jede Partei sich den Sieg zufchreibeu. Der Protestantismus findet in Rom wie in ganz Italien äußerst wenig Berständniß und Sympathie; wer kein Blindgläubiger ist, begnügt sich mit der bürgerlichen Freiheit und weiß nichts vvu der Nothwendigkeit einer religiösen Reform. Der Lonflict der neu- ernannten Bischöfe mit der Regierung dauert fort, doch hat, um allen Mißverständnissen vorzubeugen, der Justizminister noch einmal öffentlich erklärt, daß den bestehenden Gesetzen gemäß jeder von der Kurie ernannte Bischof frei seine geistlichen BerufSMchtLu au-« Mn dürfe, aber seine Temporalien nur dann beziehen könne, wen« er sich vor der Regierung durch Einreichung des Ernennung-« Dekrets beglaubigt habe.