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101 ' - — Zur Berichtigung deS, daS Erhängen deS Bergarbeiters R. in Friedeburg betreffenden Referates in Nr. 12 geht unS Nachstehendes zu: Obschon bei Himmelfahrt Fdgr. (wo R. anfuhr) die Grubenwasser infolge des Aufschlagewassermangels bereits rund 100 Meter oder von 11. bis z9. Gezeugstrecke auf gegangen find, hat dennoch bis dato nicht die geringste Ar beitseinschränkung stattgefunden, indem nämlich die durch die aufgegangenen Wasser verdrängten Arbeiter, um solche nicht brodloS werden zu lassen, in den höheren Gezeugstrecken und Erz- bauen mit untergebracht worden sind, wo sie noch dieselbe Anzahl Schichten verfahren, wie vorher, und zwar die Häuer wöchentlich bis 10, die Zimmerlinge zum Theil sogar noch mehr. Was spe- ciell den Bergmann R. anbetrifft, so hat derselbe z. B. im letzt- verflosseuen Quartale laut Lohntabelle 127 Schichten verfahren, somit inclusive Nebenarbeit und TheuerungSzulage 4 Thlr. 9 Ngr. 1 Pf. wöchentlich im Durchschnitt verdient; demnach ist zur Be ruhigung anzunehmen, daß Armuth und Dürftigkeit nicht die allei nigen Motive waren, die R. zu dem vollbrachtem Schritte drängten, sondern daß Schwermuth und Furcht vor der Zukunft die Haupt beweggründe bildeten, die That so unerwartet zu vollziehen. R. war übrigens ein braver und fleißiger Arbeiter. -s-Dresden, 16. Januar. Bei der heute fortgesetzten De batte über die Verwaltungs-Reorganisation, zu welcher sich auch Kriegsminister v. Fabrice eingefunden hatte, ergriff zu nächst das Wort der Abg. v. Einsiedel: Je größer die AmtShaupt- mannschaften abgegrenzt würden, destomehr stärke man die Kraft der Selbstverwaltung. Schaffe man aber nicht größere Kreise, als der Entwurf will, dann sei die Bevölkerung schon in pecuniärer Hinsicht den Anforderungen einer gesunden Selbstverwaltung nicht gewachsen. Man möge bei Abgrenzung der Bezirke nicht allein auf die Bevölkerungsziffer, sondern besonders auch aus die Produe- tivität und Leistungsfähigkeit des betreffenden LandeStheileS achten. Auch sei zu befürchten, daß die Beamten in zu kleinen Bezirken auf Kosten der Selbstverwaltung ihre Thätigkeit auszudehnen suchen würden, um ihre Arbeitszeit auSzusüllcn. — Redner vertheidigt hierauf die Exemtion der Städte Dresden, Leipzig und Chemnitz und ist der Ansicht, daß diese Exemtion sich auf noch mehrere Städte erstrecken könnte, sofern sie ihre Leistungsfähigkeit nach weisen und um diese Sonderstellung bei der Regierung nachsuchen. Nachstdem bespricht derselbe die Thätigkeit der KreiShauptmann- schaiten und Kreisausschüsse, wobei er die 'Nothwendigkeit ver KreiS- hauptmänncr durch die segensreiche Wirksamkeit der Krelsdirectionen begründet. An diesen Provinzialbehörden möge er nicht rütteln. Aber gegen den KceiSausichuß habe er das doppelte Bedenken, daß er 1) zu unbeweglich sei und 2) durch seine Zusammensetzung nicht die nöthige Garantie als Recursbehörde biete. ES fehle ihm die höhere Qualifikation dem Bezirksausschüsse gegenüber; auch sei das Laien-Elcmcnt in ihm zu überwiegend. Letzteres gehöre überhaupt nicht in eine zweite Instanz. Er wünsche deshalb eine größere Ausstattung des Ausschusses mit Beamten und Verminderung der Laien, empfehle übrigens auch Oeffentlichkert und Mündlichkeit seiner Verhandlungen. Abg. Sachße: Die am jrüheren Landtage laut gewordenen Forderungen wegen Trennung der Justiz von der Verwaltung und Selbstregierung der Gemeinden hätten den Ent wurf zu Wege gebracht. Er halte die Mitte zwischen fortschritt lichen Wünschen und den Bedürfnissen des Landes. Allein die Aushebung der kollegialen Mittelbeyörden werde nur zur Folge haben, caß nach Erlahmung der Kreisausschüsse eine Menge kleiner Fürsten in den Kreishauptleuten erstehen. Uebrigens sei die Tren nung der Justiz von der Verwaltung nicht streng durchgesührt, denn nach Z 2 bleiben den Gerichtsämtern s) die gerichtliche Polizei im bisherigen Umfange und b) Zeugenabhörungen, Vereidigungen rc. Im Allgemeinen müsse er sagen, die Vorlage entspreche nicht, was man von ihr erwartet, denn sie führe die Trennung der Justiz von der Polizei nicht durch, gebe keine Selbstverwaltung, sondern drohe nur Autokraten in's Leben zu rufen und jühre auch keine Verminderung der Beamten herbei. Vicepräsident Streit verthei digt zunächst die Kreisausschüsse gegen die v. Einsiedel und Sachße erhobenen Einwände und sagt, gerade die Kreisausschüsse machten die Kreishauptleute erträglich und annehmbar. Was die Exemtion der großen Städte betreffe, so sei es nicht möglich, diese Exemtion auf kleine Städte zu erstrecken, denn man müßte dann von ihnen mehr fordern, als sie zu leisten sähig sind. Die Ansprüche an sie würden dieselben sein, wie an den Bezirksverband; in den Motiven heißt es aber: Für die Zusammensetzung der Bezirks versammlung kann der Umstand nicht außer Betracht bleiben, daß der Wirkungskreis und die Thätigkeit der Letzteren mehr dem wirthschastlichen, als dem politischen Gebiete angehört. Der Be zirksverband verfolgt mit vereinten Kräften Zwecke, welche die ein zelne Gemeinde lediglich auf ihre eigenen HilsSmittel angewiesen, picht, oder nicht in genügender Weise zu erreichen im Stande ist. DaS sei auch aus mittlere und kleine Städte anweüdöar. AuS^ nähme lasse er allerdings für wohlhabendere größere Mittelstädte gelten, denn diese könnten versuchen, ihren größeren Schwestern gleich sich auf eigene Füße zu stellen. Abg. Barth (Stenn) l«s mehrere kurze Bemerkungen, die au die Adresse von Vorrednern gerichtet waren, unter theilweiser Heiter keit des HauseS ab. — Abg. Penzig: Im Allgemeinen mit der Vor lage einverstanden, möchte er doch eine Verringerung der- Bezirks und KrciShauptleute empfehlen. Ihre Stellung soll gut dotirt werden, damit nicht nur Personen mit Vermögen in dieselben be rufen würden. Redner geht nun mit Kürze noch aus viele Specia- litäten ein. Namentlich schildert er dabei die Stellung eines Schönburg'schen AmtShauptmanneS als ein noa plus ultra aller Begriffe von Beamtenthum. Als StaatSdiener sei er Vorgesetzter seiner Dienstherrschaft und doch stehe er in anderer Beziehung wieder unter derselben. Redner zieht hieraus die Consequeozen. Abg. Petri: Auch er müsse bedauern, daß eine vollständige Trennung der Justiz von der Verwaltung im Entwurf nicht durchgesührt sei. Namentlich wünsche er die Beseitigung der in tz. 2 bereit- im Laufe der Debatte angezogenen Bestimmungen (Zeugenabhörung, Vereidigung durch Gerichtsämter). Nächst dem zählt Redner noch eine große Menge Punkte auf, deren Motification er befürwortet. Dem Abgeordneten von Einsiedel gegenüber, welcher da» Laien« Element in den KreiSauSschüssen vermindern möchte, führt Redner die Gcschworengerichte an, gegen deren Urthetl keine Appellation stattfände und die fast lediglich auS Laien zusammengesetzt würden. Schließlich empfiehlt Redner der Regierung, die Verträge mit dem Hause Schönburg endlich zu lösen. Abg. Zumpe verbreitet sich über die Zahl der AmtShauptmannschaften und tritt dem Abg. Biedermann in der Meinung bei, daß die Zahl derselben auf 20 zu vermindern sei. Im Uebrigen spricht er sich in einer für die Vorlage günstigen Weise auS. Abg. Fahnauer motivirt seine Ab stimmung gegen den Entwurf, weil er vollständig den Standpunkt des Abg. Haberkorn thcile. UebrigenS ist der Redner auf der Tribüne schwer verständlich und den an ihn gerichteten Ruf seiner Collegen, lauter zu sprechen, beantwortet er: Mözen sich doch die Herren ruhiger verhalten. (Heiterkeit.) Die Debatte wird kurz nachher hier abgebrochen und da noch 20 Redner angemeldet sind, aus morgen Vormittag 10 Uhr vertagt. * — In ihrem Jahresbericht von 1870 spricht sich die Dresdner Handels- und Gewerbekammer betreffs der Eisenbahnen abermals für Einsührung einer strengeren Haftpflicht für richtige Ablieferung der anverirauten Güter nach Quantität, Qualität und Lieferzeit auS. Sie erinnert daran, daß fie schon 1860 in Verbindung mit Chemnitzer Industriellen der Autonomie der Eisenbahnen entgegen zu arbeiten gesucht haben. Das, waS fie damals gesagt, sei heute noch richtig, und die vorausgesagten Befürchtungen seien nur zu vollständig eingetroffen, die Besorgnisse wegen der Differenzialtarife seien in Wirkungen noch überboten worden. Die Ursache dieser Uebelstände findet der Kammerbericht in dem Fehlen ver freien Concurrenz und darin, daß der Staat selbst Eisenbahnunternehmer ist. Deshalb wünscht die Kammer, daß die Erbauung neuer Eisen bahnen nicht an erschwerende Bedingungen geknüpft, sondern so viel als möglich gefördert werde, und daß der Flußschifffahrt wie der Anlage von Canälen möglichst aufgehalten werde. Ferner spricht der Jahresbericht der Fortführung deS CorrectionswerkeS der Elb- fahrtstraße innerhalb SachsenS die verdiente Anerkennung aus und knüpft daran die Hoffnung, daß die Gründung deS Elb-Spree- Canales allseitig die verdiente Beachtung finden werde. Die „B. B.-Ztg." kann hinzusetzen, daß die sächsische Regierung die Lrlaubniß zu den Vorarbeiten ertheilt hat. — Aus Dresden vom 15. Januar berichtetdaS „Dr. Jour": Als gestern früh gegen 8 Uhr die Quartierwirthin eines erst seit einigen Monaten auf der Christiaustraße hier wohnenden jungen Polen demselben, wie alltäglich, den Kaffee überbracht und sich als dann wieder in ihr Zimmer zurückbegeben hatte, kam ihr Plötzlich der junge Mann nachgeeilt, erfaßte sie am Halse, drückte sie zu Boden und feuerte unter dem Ausrufe: „Was haben Sie in meinen Kaffee gethan?" mittelst eines Revolvers einen Schuß aus sie ab. Glücklicherweise vermochte die Frau die von ihrem Verfolger ge brauchte Schußwaffe noch so abzuwehren, daß fie mit dem Leben davon kam und nur am Halse und an der linken Hand von dem Schüsse gestreift wurde. Nach verübter That entfloh der junge Mann, wurde aber noch gestern Abend in Niederau, wohin er sich zu Fuße begeben hatte, ergriffen und anher tranSportirt: Derselbe soll geistig gestört sein. — ckt. Chemnitz, 15. Januar. Den kirchlich-statistischen Nachrichten für die Stadt Chemnitz auS dem Jahre 1871 zufolge, sind in diesem Jahre 704 Paar getraut worden; wie 1870. Geboren wurden 3664 oder 325 weniger al- 1870. Gestorben find 2885,