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100 unzweideutige Thaten bewiesen, daß Preußen- Errichtung im Beginn de- vorigen Jahrhundert-, in der Zeit de- Verfalls Deutschlands nach dem 30jährigen Kriege und noch unter der Herrschaft de« französischen Ludwig XIV., ein auch nach vielen Abirrungen und Stockungen bedeutsames Ereigniß für Deutschland bildete, dessen Wiedererrichtung ihm nun zugefallen und ihm doch vor Allem zu verdanken ist. So mußte sich das Wort erfüllen, daß Preußen Hinfort in Deutschland aufgehe: Der 18. Januar ist deß zum Zeugen. Und so möge denn, um mit den Worten des Kaisers zu schließen, die Aufgabe der deutschen Nation im wiedererstandenen Reich fortan darin bestehen, sich in dem Wettkampfe um die Güter des Friedens als Sieger zu erweisen. LageSgeschiHte. Berlin, 15. Januar. Die „N. Pr. Atg." beginnt den po litischen Theil ihres neuesten Blattes Mit folgender Mittheilung: „Mit Bezug auf den Rücktritt des CultuSministers v. Mühler, den wir in unserem letzten Blatte als möglich bezeichneten, erfahren wir heute, daß derselbe wahrscheinlich erfolgen wird. Gin Nach folger in diesem höchst wichtigen Amte ist, wie wir hören, noch nicht ernannt." Die „Nat.-Ztg." schreibt in derselben Angelegenheit: Der Rücktritt des Ministers v. Mühler kann jetzt als gewiß an genommen werden. Den letzten Anstoß, um dieses Ereigniß herbei- zusühren, sollen nach einer in Abgeordnetenkreisen als glaubwürdig geltenden Version die Verhandlungen im SraatSministerium über den von Herrn v. Mühler ausgearbeiteten Entwurf des Unter« richtSgesetzcS gegeben haben. Dieser Entwurf hätte im StaatS- ministerium einen lebhaften Widerspruch gefunden, welchen Herr v. Mühler aus verschiedene Weise vergebens sich zu beseitigen be mühte; er habe sich dann schließlich bewogen gefühlt, seine Ent lassung nachzusuchen, welche angenommen worden ist. Ueber die Person dcS Nachfolgers scheint noch nicht entschieden zu sein; in erster Linie wird der geh. Oberjustizrath Or. Falk genannt, ohne daß jedoch seine Ernennung bereits erfolgt ist. Nach der „Schl. Zlg." hätte Ur. Falk die Ernennung zum CultuSminifter bereits erhalten. Derselbe, ein Sohn deS früheren ersten Predigers und EonsistorialrathS an der BreSlauer Hoskirche, jetzigen Pastors Falk in Waldau bei Liegnitz, Altpreuße, bearbeitete als StaalSanwalt in Glogau die von dem Präsidenten v. Rönne herausgegebene vierte Auflage deS FünfmännerbuchS, welches seinen Ursprung in dem zu Breslau erfolgten Zusammentritt von Gräff, Koch, Wentzel, Rönne und Heinrich Simon, behuss Sammlung der Ergänzungen zum Allgemeinen Landrecht hatte. Durch diese Arbeiten und seine sonstigen Leistungen bekannt geworden, wurde derselbe in das Justizministerium gezogen und hat hier eine hervorragende legiS- latorrjche Thäligkeit entwickelt. — Von den Delegirten des Vereins der Privateisenbahnen wurde dem Fürsten v. Bismarck der Salonwagen übergeben, welchen sämmtliche Privatbahnen im deutschen Reich für ihn haben bauen lassen. Auf ausdrücklichen Wunsch des Reichskanzlers ist der Wagen, unbeschadet der Bequemlichkeit, höchst einfach construirt und auS- gestattet. Mit sichtlicher Freude nahm der Fürst alle Theile des Wagens und dessen mancherlei zum Comfort dienende Einrichtungen in Augenschein und bemerkte, daß er ihn nächstens benutzen werde, um auf einige Tage Ruhe zu suchen. In der Münze in München werden gegenwärtig die bayeri schen FriedenSthalcr geprägt. Die allegorische Darstellung deS Frie dens ist eine gut classische Arbeit von Voit in Rom, während daS auf der Vorderseite befindliche wohlgetroffene Porträt deS Königs vom Münzgraveur RieS modellirt ist. RegenSburg. Am 13. d. M. Abends sand hier eine große Katholikenversammlung statt, um gegen die aus morgen anberaumte Altkatholikeuversammlung zu protestiren. Der Reichstagsabgeord nete Schels beleuchtete die politischen Endziele der Agitation in einer längeren Rede. Die Versammlung schloß mit Hochrufen auf Papst PiuS IX. und König Ludwig. — Trotz der Gegenagitation fand anderen TageS die Altkatholikenversammlung unter großartiger Betheiligung statt. Unter großem Beifalle sprachen Zirngibl über die Vorgänge beim Concil und die Haltung der deutschen Bischöfe, Huber wider die verderblichen Tendenzen der Jesuiten, ReinkenS über das Christenthum und die Bischöfe. ES zeigte sich nicht die geringste Opposition, nicht die geringste Störung. Wien, 16. Januar. Der Triester Statthalter DepretiS wurde Finanzmmister. Aus Paris, 13. Januar, schreibt man der „K. Z ": In Mont pellier hat der dortige Aufenthalt Cathelineau'S, der früher in den Diensten des Papste- stand und dann eine Freischaar während des Krieges befehligte, zu Unruhen Anlaß gegeben. Einige Stundeü nach seiner Ankunft zogen zwei Studentenbanden vor seinen Gast hof, und drohten, ihn mit Gewalt aus der Stadt zu verjagen, wenn er sich nicht sofort auS dem Staube mache. Zugleich stimmten sie den Ruf an: „Nieder mit den Quinquisten! Reeder mit den Legitimisten I" Des Abends stellte sich eine dritte Bande ei». Dieselbe gerieth in Streit mit Demonstranten, au« Clericalen be stehend, die aber verjagt wurden. Cathelineau zeigte sich während des ScandalS auf dem Balcon und wollte sprechen. ES wurde aber mit Steinen nach ihm geworfen, und seinen Sohn, der ihn vom Balcon Herunterreißen wollte, traf ein Stein an die Schulter. Um 9 Uhr wurden einige Verhaftungen vorgenommen und die Ruhe von der bewaffneten Macht hergestellt. Der Gemeinderath von Montpellier hat nicht allein die Lehranstalten der katholischen Mönche, sondern auch die protestantischen Schulen schließen lasten und sie durch Laienschulen ersetzt. — Der General Cremer ist wieder in Freiheit und nach zwei Tagen nach Paris zurückgekehrt. Derselbe wird in dem Proteste, welchen die Familie des erschossenen Apothekers eingeleitet hat, er scheinen. In einem Schreiben, welches Cremer an das „Paris- Journal" richtet, sagt er, daß er schon die Schuld dieses Mannes darthun werde. — Der „National" gehört zu den großen politischen Blättern von Paris ; er ist „gemäßigt republikanisch", er hört es gern, wen» er als „Organ des Herrn ThierS" bezeichnet wird. Also dies» „National" hat eine der neuen deutschen Reichsgoldmünzen gesehen und er giebt von derselben seinen Lesern eine Beschreibung, die folgendermaßen beginnt: „Dank unseren Milliarden, unseren Schmuck- fachen und unseren Pendulen sind die Preußen heute im Stande, Goldmünzen in Circulation zu setzen. Wir haben eine dieser neue» Münzen vor Augen u. s. w." Und sodann am Schluffe: „Preußen thut gut, unser Gold auf diese Weise zu präpariren; wir werden nicht auf unser Geld warten wollen, wenn der Tag kommen wird, an dem wir von den Preußen Alles, was sie unS gestohlen habe», zurückverlangen." So steht zu lesen im „National" vom 13. Jan. 1872. — In Paris starben diese Woche nur 723 Personen. Mn kennt jetzt auch die genaue Ziffer derjenigen, welche in Paris während der Belagerung (vom 17. September bis 28. Januar) gestorben sind. ES sind im Ganzen 65,291 Personen, von dem» 13,000 vor dem Feinde fielen oder an den Wunden starben, die sie auf den Schlachtfeldern erhielten. Brüssel. 15. Januar. In mehreren Gruben deS Kohlen beckens von Charleroi sind, wie die „Etoile belqe" meldet bedeutende Arbeitseinstellungen eingetreten, ohne daß dieselben jedoch bisher zu Unordnungen geführt hätten. Die Directoren der Kohlen gruben haben beschlossen, so lange cS nothwendig erscheint die Arbeiten einstellen zu lassen. England. Die englische Mildthätigkeit ist in den letzte» Tagen von Neuem angerufen worden, um Mittel zum Ausbau der im französischen Kriege zerstörten Hütten beizusteuern. Dem „Globe" scheint dies des Guten doch zu viel zu sein. „Im ganzen bri tischen Reiche", sagt er, „sind ungeheure Summen gesammelt wor den, um die Leiden der französischen Verwundeten zu lindern und den Auswurf von Paris zu füttern, der so unmenschliche Schänd« thaten begangen hat. Dazu rechne man die Gelder und daS Saat getreide zur Unterstützung der verarmten Bauern und die besoo« dere Sammlung zur Wiederherstellung der verwüsteten Dörfer im Sedan. Diese Beträge dürsten hinreichende- Zeugniß für unsere» Wunsch sein, das Mißgeschick der vom Kriege betroffenen Bauer» Frankreichs nach Kräften zu mildern. Wenn aber die Herren Pi card und Gascoigne einige Momente für England übrig habe» sollten, so werden sie schwerlich geringeres Elend hier antreffe», als bei ihrer eigenen Landbevölkerung. Sie brauchen nur den Hafen dämmen und Eisenbahnbogcn im Osten Londons einen Besuch ab zustatten, um zu entdecken, daß unter englischen Kindern, die kei»e andere nächtliche Zuflucht haben, eine Masse von Elend zu finde» rft, welche den Franzosen völlig unbekannt, ja unglaublich sein wird. In keinem Lande Europas besteht ein so strenges und wohlgehand habtes Armengesetz, wie in Frankreich, und es ist rein unmöglich, unter ihm Hunger zu sterben." Das englische Blatt weist klar genug darauf hin, daß die besitzenden Classen Frankreichs trotz aller Verluste und Steuern noch wohlhabend genug seien, um selbst für ihre verarmten Mitbürger zu sorgen, und sich daher schämen sollte», daS Ausland anzubetteln, um ihre eigene Armensteuer zu erleichtern. Sachsen. Freiberg. Oeffentliche Gerichtssitzung: den 26. Januar Vor mittags 10 Uhr zur Einspruchverhandlung in der Untersuchung wider Earl Wilhelm Morgenstern in Brand wegen Diebstahls.