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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 07.02.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-02-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188502076
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18850207
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18850207
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote
-
Jahr
1885
-
Monat
1885-02
- Tag 1885-02-07
-
Monat
1885-02
-
Jahr
1885
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 07.02.1885
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^ ^ N«terbalt»«sS-«patt zum „Chemnitzer ««zeige»". begeistert. Sehnlich Tannenberg. Zum ersten Male seit langer, langer Zeit war ihm der Sonnenschein, der eben aus ihn noch verhüllenden Wolken siegend hervorbrach, das Sinnbild der Lebensfreude, und unter dem Einflüsse dieser Stimmung schritt er bald frisch und wohlgemuth den ihm beschriebenen Weg entlang, der nach dem Orte seiner Be stimmung führte. Auch auf den Pfaden der Heimath wachsen Dornen, und der Weg, den unser Bekannter rüstig dahinschritt, war nicht sonderlich ge- pflegt. Dazu suchte die Sonne dar ihr seit ein paar Tagen von Jupiter PlaviuS streitig gemachte Recht als Beherrscherin der Sommer monde jetzt tn doppelter Weise geltend zu machen und schien so heiß und durchdringend, daß unser Wanderer erst ein gpt Theil nach der geplanten Zeit Brucksdorf erreichte. Er suchte zunächst daS ihm von früher noch wohlbekannte Häuschen des Pfarrer- auf. »Mn seltener, exotischer Vogel!" sagte dieser, der den Ankömm ling trotz der langen Zeit der Trennung auf den ersten Blick erkannt hatte. „Bringt vielleicht neue Anschauungen, Sitten und Gebräuche mit, aber Gottlob, dar Herz ist noch das alte geblieben, das schaut noch in unverwelkter Frische aus den alten, treuen, grauen Augen! Herzlich, herzlich willkommen in den HeimathSbergen!" »Bin wohl lange in der Fremde gewesen und mir war'S, als ob eS ein ganz Anderer wäre, der ruhelose Wanderer, der sich ganz unvermittelt in andere, himmelweit von den seinen abweichende Lebens, an! Hauungen und Gewohnheiten schicken müßte, habe GotteS Segen stetig wachsend auf meiner Hantirung ruhen gespürt, bin wohlhabend, nach hiesigen Begriffen sogar reich geworden, Ruhe und Frieden habe ich aber nimmer gefunden. Kann auch sein, daß eS einem unter BergeSlust gewachsenen, von GebirgSregen bethauteu Herzen nicht gelingen will, froh zu werden in einem Lande, dessen höchster Gott dar Geld, dessen Tempel nicht die freie Natur und die still ver schlossenen Herzen, sondern das spekulative Hirn und die hastende Werkstatt ist, und erst hier bin ich seit Langem wieder einmal recht herzfroh geworden. Der eigentliche Zweck meines Komme- aber ist, mich hier anzukausen." »Sie konnten meiner Treu nicht zu gelegenerer Zeit kommen. In voraussichtlich nur kurzer Frist kommt das stattliche, leider durch und durch vernachlässigte Gut von Stritzow'S. des Nachbars des Frei, Herrn, auf die Gant. Sie finden also nicht nur Gelegenheit, auf billigste Weise ein Besitzthum zu erwerben, es ersteht Ihnen auch eine anregende Nachbarschaft, ünd sie haben Gelegenheit, ihrem gewiß noch nicht eingerosteten ThätigkeitStrieb frei die Zügel schießen zu lassen. Wenn eS Ihnen recht ist, bin ich so frei, Sie dahin zu begleiten." Sie schlugen Beide den Weg nach dem Gute ein, das wie eine dürre Kuh in üppiger, saftiger Weide faul dahingestreckt lag. Die sicherlich ergiebigen Aecker lagen theils, von Unkraut überwuchert, brach, theils boten die Wirklich bebauten Felder mit ihren dünnen gelben Halmen einen wahrhaft trostlosen Anblick. »So fruchtlos und apathisch wie auf diesen Feldern, sonst Sinn bilder des Fleißes, muß es wohl im Herzen des Besitzers derselben auSsehen," dachte Tannenberg. Wunderbar! Den Tod im Herzen, ab gerissen von der lebendigen Wechselwirkung zwischen Scholle und Geist, war er hinausgewandert, und ihn hatte die trostlose Unruhe und Ge- wissenSpein getrieben, sich gleichsam in erhöhter, fieberhafter Thätigkeit zu berauschen — wohlbegütert kehrte er zurück, Frieden und Ruhe sehnend, aber diese Ruhe erschütterte ihn. Schienen doch auch die sonst so emsigen Insekten der Trägheit verfallen an diese Stätte der Thätigkeit, so langsam krochen die buntschillernden Erdkäfer, so schwerfällig flatterten die schöngezeichneten Schmetterlinge. Und jetzt schlug die Glocke des Kirchleins: Eins, Zwei, Drei — zögernd und gemessen. Er wurde sich mehr und mehr bewußt, er war «in Fremder geworden in seiner Heimath, denn sicher rollte hier daS Rad der Zeit mit gleicher Schnelle als drüben über'm Meer. Die Sonne hatte ihren höchsten Stand erreicht, als beide Wanderer sich dem großen, einst stattlichen, jetzt halbverfallenen Ein- gangSthor des Gutes näherten. Ein an der Kette liegender großer Hund öffnete schläfrig die Augen, um sie gleich darauf mit einem nur einem Köter möglichen Ausdrucke von Gleichgiltigkeit zu schließen. Die in der Mitte verwittert gebrochene Thür knarrte schwerfällig in den Angeln uud eine Schaar Hühner stob bei dem Eintritte der Fremden auseinander von dem frugalen Mahle, das ihnen auS in den Hof geschütteten Speiseüberresten bereitet worden war. Ohne das Anzeichen menschlicher Bewohner zu spüren, schritten die Besucher den langen Hof hindurch, der Eingangsthüre zum Wohn zimmer zu. Im Hausflur saß der Großkuecht, eine herkulisch gebaute Gestalt, in langen Zügen auS der Pfeif« schmauchend und jedenfalls Siesta haltend. Die Briden mußten lange warten, ehe ihnen ihr Wunsch, den Besitzer des Gehöftes zu sehen, erfüllt wurde, und ehe, wie man aus dem heftigen Geklirr des Geschirrs und dem Auf- und Ablaufen menschlicher Tritte vernehmen konnte, das Wohnzimmer in einem der Besucher halbwegs würdigen Zustand gebracht worden war. , Sie traten in ein großes Zimmer. DaS von den in ver schnörkelter Fassung leuchtenden «eist zerbrochenen bunten Glasfenstern einströmende Licht ließ das Gemach wohnlicher und trauter erscheinen, als mau nach dem Aeußern des ganzen Gehöftes vermutheu konnte und war sicher nicht zum geringsten Theile die Ursache, daß den Augen der Beschauer die vor wenigen Minuten zu Tage getretene den aller orten dominirenden Schmutz nur spärlich verhüllende Hast, wenigstens äußerlich Ordnung zu schaffen, entging. Jndeß wurden die Blicke der Eintretenden von etwas Anderem derartig gefesselt, daß sie weder -er auf dem Boden verstreut liegenden Zigarrenreste und Asche achteten, noch auch selbst Zeit fanden, Betrachtungen anzustellen über die mit der allgemeinen Verkommenheit so wenig harmonirende, von wirklichem Geschmack zeugende halb großstädtisch-luxuriös eingerichtete Ausstattung des Raumes. Ein mittelgroßer Mann erhob sich beim Eintritt der Beiden von einem kunstvoll geschnitzten mit von verschossenem Sammet um gebenen Armlehnen versehenen Sessel und ging mit einer wenig den Sandmann verrathenden Haltung den Eintretenden entgegen — von Stritzow. ES würde denselben schwer geworden sein, von dem Aus sehen des in modern-städtischer Tracht vor ihnen Stehenden auf sein Lebensalter zu schließen, denn während die Haare bereits bedenklich gelichtet und völlig ergraut waren, während die schöne hohe Stirn bereits von unzähligen Runzeln bedeckt war, glühten die Augen in mühsam verhaltenem Lebensdrang, spielte um den sinnlichen Mund oft ein ironisch begehrende- Lächeln. ES schien dem Gutsbesitzer weniger daran zu liegen, selbst um den Preis nach längeren Wartens einen möglichst hohen Erlös aus seinem Besitzthum zu ziehen, als vielmehr, sich desselben so schnell als möglich zu entledigen, und so wurden denn die Kaufgeschäfte zwischen dem wortkargen Amerikaner und dem wenig redseligen Muß bauern erstaunlich rasch erledigt. »Ich tauge nicht zum Landbebauer", äußerte der Erste», als daS Geschäft zu allseitig« Befriedigung erledigt war. „Der Maul wurf mag graben und wühlen, der Hamster so viel einheimsen, daß er sich zehnmal mit dem Verschlingen all seines Besitzes ein nach seiner Weise seliges Ende bereiten kann, ich bin aus anderem Holze geschnitzt und huldige dem Evangelium des Genusses. Lin Jeder hat schließlich eine eigene Faqon, sich glücklich zu fühlen und dre Welt anzuschauen, und ich bin obendrein der Meinung, daß sich eine Landschaft am besten dann ausnimmt, wenn man ihr den Rücken zukehrl." Für Tannenberg begann mit seinem bald erfolgten Einzug in sein neues Besitzthum eine Zeit rüstigsten Schaffens, und iS war nicht gerade geeignet, ihn in gewissen Kreisen beliebt zu machen, daß er fast daS ganze Dienstpersonal wechselte. Er verwandte die im Auslande gemachten Erfahrungen in praktischer Weise und vereinigte amerikanische Intelligenz mit deutscher Ausdauer und Anspruchs losigkeit. So war eS kein Wunder, daß unter sei»« energischen Leitung bald da» Gut ein ganz anderes Aussehen gewann, einen ganz anderen Ertrag abwarf. Mit seinen Nachbarn, der freiherrlichen Gutsherrschaft, hatte er fast noch nie verkehrt und dennoch war der Herbst schon eingezogen und kündigte sich längst durch seine wie fliegende Gedanken dahin- gleitenden Sommerfäden, durch seine durchdringend kühlen Rächte und den riesigen Farbentopf, aus dem er so verschwenderisch das Laub der Bäume bemalt, an. ES war ein klarer, durchsichtiger Sonntag, als Tannenberg einen Nachmittagsspaziergang durch seine Felder unternahm. Drüben ragten die Thürme des Nachbarschlosse» in die herrliche Herbstluft und an dem von wildverschlnngenem Epheu umrankten Gemäuer blühte eine in dieser Staffage doppelt lieblich anzusehende wilde Rose. Es überkam ihn sonderbar. Er hatte wohl oft, innerlich befrie digt, den körnerschweren Erntewagen in seine Scheuer begleitet, ohne je daran gedacht zu haben, die auch ihm, dem Freudelosen, gewiß, wenn auch spärlich blühenden Rosen zu pflücken, dazu reizten die zahlreichen Dorne« deS Strauches seinen Unternehmungsgeist, die Rose zu pflücken. Eben im Begriff, seine Hand darnach auSzustrecken, schreckte ihn eine melodische Stimme auf. Ein im Mauergestrüpp fast unsichtbares Psörtchen hatte sich ge öffnet und ein Mädchen in jenem weihevollen Alter eben erwachter Jungfräulichkeit bot ihm erröthend einen Strauß schöner Garten rosen an. „Bitte, bitte, kaffen Sie diese Rose blühen! Es ist der Liebling deS alten Grafen. Er hat Eigenheiten; keine der vom Gärtner ans seinen Wunsch gehegten mannigfaltigen Rosen erfreut ihn so sehr, als diese aus dem Steine Wachstube Blüthe. Da nehmen Sie — es sind fast die letzten — eS wird Herbst!" Die Erscheinung war zu überraschend. Tannenberg fühlte sich beinahe wie in ein Märchen versetzt, die geplante EntschuldigungS- rede unterblieb, hastig faßte er die gebotenen Blumen, und sie wie absichtslos leise mit den Lippen berührend, flüsterte er: „Noch ist ja die köstliche, selige Zeit, noch sind ja die Tage der Rosen. — Und darf ich keine Hoffnung an diese Blüthen knüpfen?" fragte er befangen. „Getreue Nachbarschaft!" sagte sie schalkhaft uud verschwand. Tannenberg mußte lächeln, als « allein stand und die Rosen betrachtete. Da hatte ihm das Geschick Alles erfüllt, tzzas man im weitesten Sinne unter „täglichem Brod" verstand, „Haus, Hof, Acker, Vieh, — getreue Nachbarn und desgleichen." Und er lächelte noch, als er Nachmittags in der Stube saß uud an vergangene Zeiten dachte, und die im Wafferglase stehenden Blumen unter dem Ein flüsse der durch das geöffnete Fenster strömenden Luft sich zu noch schönerer Blüthe entfalteten. (Fortsetzung folgt.) In einer verlassenen Hütte. Ein Erlebniß aus dem australischen Buschleben von Gustav Löffel. (Nachdruck verboten.) ES war auf meiner Wanderung von Adelaide, der Hauptstadt von Süd-Australien, nach dem etwa 300 englische Meilen entfernten Sambierton am Fuße de» gleichnamigen erloschenen Kraters. Bon den Schäfern auf Williams-Station am Murray, in deren Hütte ich eine Nacht verbracht hatte, vor den Schrecknissen der öden »Achtzig- Meilen-Wüste" gewarnt, betrat ich dieses Gebirt nicht ohne Zagen. Ich war allein, erst neunzehnjährig, und meine ganze Bewaffnung bestand auS einem Taschenrevolver »nd einem Dolchmesser. Bis hierher war meinem geblendeten Auge nichts begegnet als Skrub und Sand und Sand und Skrup, das letztere ein niederer Gebüschwald von meilenweiter Ausdehnung, doch ohne einen einzigen ihn überragenden Baum, so daß der darin Verirrte keinen Ueberblick gewinnen kann, im Kreise herumwandert und endlich verschmachtend hinsinkt um einen qualvollen Tod zu finden. Jetzt breitete sich zu meiner Rechten ein mit dem Meere parallel laufender todter Wasserarm, Hurong genannt aus, während mir zur Linken ein abgestorbener Eukalhptenwald die Scheide zwischen Skrnp und Wüste bildete. Die letztere lag vor mir. Ein Land von solcher schauerlichen Oede hat die Welt nicht mehr. Hier bieten sich dem Auge des Wanderers als Merkpunkte oder Wegweiser nur die von Zeit zu Zeit auftauchendeu Todtengrüfte der Eingeborenen, welche auch nicht immer ersichtlich wären, wenn nicht krächzende Raben- schaaren über ihnen auf- und niederstiegen und in den Lüften kämpf teu um den Leichnam deS dort aufgebahrten schwarzen KriegerS. Eine Zeitlang stand ich im Schauen verloren; dann faßte ich mir ein Herz und hinein ging es in die Achtzig Meilen-Wüste mit einem wahren Todesmuth. Je weiter ich vordrang, desto mehr starb alles Leben ab, bis zuletzt die Ruhe des Friedhofes mich umlagerte, nur durch »rochen von dem heiseren Krächzen der Raben, den Geiern der australischen Wüste. Eine drückende Schwüle verkündete ein vom Meere heraufsteigen der Unwetter; und um mich vor diesem zu bergen, betrat ich gegen Abend eine jener verlassenen und halb verfallenenen Hütten, an denen der australische Busch so überreich ist. Ich that das nur zögernd und gezwungen, denn nach dem Volksglauben haftet ein Fluch an diesen Schwellen, und wer sie unvorsichtiger Weise überschreitet, auf den fällt er zurück. Mir blieb aber keine Wahl weiter, die kahlen, rindelosen Gummibäume, welche jetzt gespenstisch die sich rasch vertiefende Däm merung durchleuchteten, boten keinen Schutz vor dem sich in Bächen ergießenden Regen. Mit einem die Erde erhellenden und erschüttern den Blitz- und Donnerschlag brach das Unwetter los; und einmal entfesselt, wütheten die Elemente in einem furchtbaren Kampfe So bald der Donner verstummte, vernahm man das nicht minder laute Branden des tief aufgeregten Meeres, letzteres wieder von Zeit zu Zeit übertövt von dem winselnden Geheul des irrenden Dingo oder dem kreischenden Schrei des wilden Kurlew. Inzwischen hatte ich das noch trockene Holz zusammengetragen und ein Feuer im Kamin entzündet. Die Herdsteine waren offenbar lange von keinem solchen erwärmt worden. Schaurig pfiff und heulte der Sturm um die verlassene Hütte, sie mit Einsturz bedrohend; und -er Rege« fiel zischend und sie dämpfend in die auflodernde Flamme. Indem ich nun in der Hütte selbst noch nach trocken n Holz theilen umherspähte und zum Theil den Fußboden ausriß, ertönte plötzlich ein heiseres, belferndes Lachen hinter mir. Erschreckt wandte ich mich um. Eine in Lumpen gehüllte Jammergestalt stand vor mir. „Sucht Ihr Gold?" fragte der Fremde mit einem inen Blick auf mich und auf die Verwüstung umher „Ihr findet es da nicht. Hier haust nur ein Gespenst, das Ihr nicht seht; ich aber sehe eS. bleich, hohläugig, mit Blut befleckt, wie eS mit Fingern auf mich deutet, unbeweglich." Seine eiskalte Hand umspannte meinen entblößten Arm und hielt ihn wie in einem Schraubstock, während seine ausgestreckte Rechte nach einer dunklen Ecke deutete. „Seht dorthin," raunte er mir zu „Seht Ihr da was?» Ich sah natürlich nichts, und das brachte mich zum volle« .. wußisein meiner Lage. Ich befand mich mit einem Irrsinnigen der verlassenen Hütte, den ein Zufall hierhergeführt oder der hj seinen ständigen Aufenthalt hatte. Diese Erscheinung bot mir uh so UeberraschendeS mehr, seitdem einmal ein anderer Irrer «ei Vater auf seiner Besitzung nächtlicherweile überfallen und, mit ei Gewehr bewaffnet, in seinem eigenen Hause belagert hatte. Mir war dennoch etwa» sehr unheimlich zu Muthe; diese , find mitunter gewaltthätige Menschen und trotz seine» körpnli, Zerfalls schien dieser Mensch doch immer noch stark geaug, um,'i zu überwältigen. Ich gab demgemäß gute Worte, wo ich hätte lach oder den Anderen von mir stoßen mögen; jenes um so beredt«, als ich meinen Revolver am Kamin abgelegt hatte und mein Messer noch am Boden lag. Es gelang mir denn auch, mit sanftem Zuspruch, den Mann z, beruhigen und ihn von meiner Theilnahme für ihn zu überzeugen. „Legt Euch da auf die Decke," sagte ich. „Trinkt eine Tasse heißen TheeS mit mir, und wa» ich sonst noch Genießbare» hat^ sollt Ihr ebenfalls mit mir theilen " Er zögerte noch einen Augenblick. Aber der Anblick des leuch, tenden Herdes schien ihn zu versöhnen; er wandte sich diesem zu. JA Nu bückte ich mich nach meinem Messer. Meine Bewegung war adq zu auffällig und zu rasch. Er wandte sich mit einem Ausdruck de» Entsetzens zu mir herum und machte dann einen rückwärtigen nach dem Kamin. Jetzt staub er zwischen mir und dem Revo! den er noch nicht gesehen hatte. Es war ein kritischer Augenblick. „Warum entsetzt Ihr Euch so?" fragte ich unsicher Ich b«> absichtige nichts Böses gegen Euch. Ich suche nur trockenes Holz stbk mein Feuer." Er lachte. Dieses entsetzliche Lachen gellt mir auch jetzt noch iu den Ohren, wo ich davon schreibe. „Als wenn ich eS nicht wüßte," sagte er, „daß Ihr ein Detektiv sei-, gekommen, um mein vor zwanzig Jahren begangene» Verbreche« zu sühnen. Aber ich sage Euch, nicht lebend wudet Ihr mich vo» hier wegbringen. Den Mord will ich Euch beichten, und Euch da«, selber morden, damit es Niemand sonst erfahre, daß ich der Ver wüster dieser Stätte meines einstigen Glücke» gewesen und der Mörder meiner einzig geliebten Gattin." „Wer sprikyt denn von Mord," sagte ich abweisend und schielte nach der offenen Thür, durch welche ich zunächst entspringen wollte. „Ihr regt Euch unnöthig auf, und natürlich ist eS nur ein grausam« Scherz, den Ihr da mit mir treibt." Er sing meinen Blick auf und sprang nach der Thüröffnung, vor der er sich postirte. »Scherz!" schrie er, „nennt Ihr das, wenn ich mei« Weib er morde und mein Heim veröde, nur weil — Warum denn gleich? Ja so — so war'». Wir dursten einander vor der.Welt nicht an gehören und flohen in diese Einsamkeit, um hier unserem Glücke zu leben. Ihres Vaters Fluch folgte ihr hinaus; sie verfiel bald iu Melancholie und drang auf Umkehr nach der Stadt, zu ihren Eltern. Ich glaubte, daß nicht die Liebe zu diesen, sondern zu einem Andere» sie fortzöge, der ihr von jenen als Gatte« bestimmt gewesen. Denu der war «in reicher Mann und ich nur ein armer Teufel, der nicht einmal sei» Land eigen nennen durfte, auf dem er wohnte, und da unter den unbeaufsichtigten Schaf- und Nindnheerden der Squatter» als Wilderer hauste. Eine« mich verfolgenden Schäfer schoß ich todt und verscharrte ihn im Saud der Wüste. Und von jener Zeit a» begann mein Verstand sich zu umnachten. Rein Weib sah das Blut an mir; mein verstörtes Wesen verrieth ihr die Unthat, die ich ihr auch schließlich gestand, und nun betrachtete sie mich nur mit Furcht und Abscheu. Es kam zu Streitigkeiten zwischen uns und in einer bösen Stunde sagte sie mir, daß sie allerdings tausendmal mehr wünsche, sich an den ungeliebten Mann gekettet zu haben, als au mein fluchbeladener Dasein. Wir kamen zu gegenseitigen Drohungen, und eines Tages war sie auS meiner Wohnung verschwunden. Ich folgte ihr« Spur, ereilte sie und brachte sie hierher zurück. Da» heißt, ich schleifte sie in wahnsinniger Wuth hier herein, riß den Fuß boden auf und grub ein Grab, in dar ich die Bewußtlose lebendig begraben wollte. Ab« noch einmal erweckte sie Gott zum Leben — Gott, sage ich? Nein, d« Teufel eher, denn er zeigte sie mir in all ihrer verführerischen Schönheit als hilflos flehende» Weib, und zwang wich doch zu ihrem grauenvollen Mord. Sie bat, sie flehte — um sonst; sie schrie um Hülfe — umsonst; sie kämpfte mit mir auf Lebe» und Tod — umsonst! Ich warf sie nieder und — da ruht sie nuu schon an die zwanzig Jahre". Er hielt keuchend, stöhnend inne und ich selbst schwieg vor Ent setzen gebannt, nicht wissend, ob das Wahnsinn oder Wahrheit sei. „Und nun kommt Ihr", fuhr der A,dere dann fort, »und wolü mir glauben machen, daß Ihr den Fußboden da ausreißt, nur u« Platz für Euer Feuer zu gewinnen, während daS hell — Er blickte dorthin und brach Plötzlich ab. Ich wußte, ohne hin- zusehen, was ihm da ins Auge gefallen — mein Revolver. Zugleich mit ihm machte ich einen Sprung nach diesen; den durfte er nicht «langen. Ich erhob das Messer nur, um ihn zu bedrohen» ab« « fiel mir in den erhobenen Arm, und um es ihm nicht überlasse« zu müssen, schleuderte ich es zum offenen Fenster hinaus in die sturm- durchheulte schwarze Nacht. Ein kurzer aber furchtbarer Kampf entspann sich, ein Kamps auf Leben und Tod. Ihm lieh der Wahnsinn, mir die Verzweiflung doppelte Kraft. Ich drängte ihn von dem Revolver weg nach de« Inneren der Hütte, sein Fuß verfing sich in dem aufgerissenen Fuß boden, er stürzte und ich auf ihn. Ein paar wohlheziele Faustschläge von mir raubten ihm die Besinnung. Ich sprang empor und zur Thür hinaus, ohne mich auch nur nach meinen Waffen zu bücken. So rannte ich fort durch die Nacht» der Blitz meine Leuchte und die Verzweiflung mein Sporn. Da» Toben der Elemente war nichts im Vergleich mit dem Chaos i» meiner Brust. Ich selbst hielt die geballten blutigen Fäuste an die wild pochenden Schläfe gedrückt, und wer mich da gesehen, mit de» zerrissenen Kleidern, ei» Bild deS bleichen Entsetzens, fliehend, stür zend und wieder emporschnellend, der würde wohl nicht gewußt habe», ob der Wahnsinnige hier oder in der Hütte zu suchen sei. In den ersten Morgenstunde« erreichte ich Mac Grath's Flat» eine Niederlassung au der Mündung de» Kurong; ich alarmirte die dort stationirte berittene Polizei, schwang mich selbst auf's Pferd und fort ging eS durch die Nacht noch einmal «ach der verlassenen Hütte. Wir hörten in der Feme einen Schuß fallen. Ich ahnte, wa» da vorgegangen. Der Irre hatte sich erholt, den Revolver gesunde» und seinem elenden Leben ein gewaltsames Ende gemacht. Und so war es auch. Air rissen die rohbehauenen Bohlenbeläge de» Fußbodens noch weiter auf und fanden die Erzählung des Irren, soweit sie sein« Gattin betraf, bestätigt. Alles Andere blieb der Vermuthung an- heimgegeben. Die Bewohner der verfallenen Hütte, von deren Existenz man in der Umgegend keine Ahnung hatte, sind mit Namen nie be kannt geworden. Man bettete ihre Ucberreste, nach der gesetzlich vor geschriebenen Leichenschau durch den Koroner, in ein gemeinschaft liches Grab unweit der verfallenen Hütte ihre» ehemaligen Glück». Natürlich mied ich fortan mit scheuer Aengstlichkeit die verfallenen Hütten, und heute bin ich ein starrer Anhänger jenes australischen Volksglaubens, den ich einst verlachte. Verantworlticher Redakteur Franz Götze tn Chemnitz. — Druck und Verlag von Alexander Wiede In Chemnitz.
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