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Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. GerichtSämier u. der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. ^°195. Erscheint i. Freiberg jed. Wochent. Ab. 6 N. für den and. Tag. Jnser. werden bi« V. 1 i U. für nächste Nr. angen. Sonntag, 23. August. Prei« vierteljährl. LV Ngr. Inserate werden die gehaltene Zeile oder deren Raum mit 1 Ngr. berechnet. 1874. 4- Kreiverg, den 22. August 1874. Die Gründe, weshalb wir trotz des Widerspruchs der „Leipz. Ztg" uns für die Anerkennung der spanischen Regierung erklärten, entwickelten wir bereits in einem früheren Artikel und haben heute die Genugthuung, daß diese Anerkennung nicht nur erfolgt ist, sondern daß auch die deutsche Regierung sich »on ähnlichen Mo tiven dabei leiten ließ, wie wir solche geltend machten. Die spa nischen Wirren, sagt das Rundschreiben des Berliner KabinetS, hätten Europa gezwungen, eine abwartende Haltung einzunehmen, auS der auch Deutschland bis zur Stunde nicht herausgetreten sei. Die Lage habe sodann eine wesentliche Aenderung erfahren durch die Greuelthaten der Carlisten, welche sich die Vertretung des monarchischen und konservativen Prinzips angemaßt und durch ihr Auftreten dieses Prinzip in der bedenklichsten Weise kompro- mittirt hätten. Andererseits habe die spanische Regierung durch die neuerdings von ihr erfolgreich unternommene Dtsziplinirung ihrer militärischen Kräfte, sowie durch die von ihr siegreich durch- gesührte Unterdrückung der kommunistischen Elemente einen aus reichenden Beweis ihrer Konsolidirung gegeben, ebenso wie die fruchtlosen Anstrengungen der Carlisten, einen entscheidenden Erfolg zu erringen, ihr Unvermögen zur Genüge dargethan hätten. lleberdieS sei es ersichtlich, daß selbst, wenn die spanische Regie rung in die Lage käme, weiteren organistrten Aufständen entgegen- zutreten, die Pacifikatton Spaniens nur von der Konsolidirung der Madrider Regierung zu erwarten sei. Die europäischen Kabinette würden daher durch Anerkennung der Regierung der selben ihre., Aufgabe erleichtern, und würde dies das einzige Mittel sein, um moralisch zu interveniren und dadurch einem Zu stande ein Ende zu machen. Dessen Verlängerung dem allgemeinen Frieden Europas gefährlich werden dürste. Ganz einverstanden hiermit, können wir doch einem schlesischen Blatte nicht unrecht geben, welches diesen Schritt der deutschen Regierung schon weit früher gewünscht hätte. ES zeigt sich, sagt dasselbe, daß das Berliner Kablnet jetzt selbst in die Bahnen etn- lenkt, aus denen es den Kapitän Werner so plötzlich herauSgerissen hatte. Da kann es natürlich nicht fehlen, daß in die Genugthuung über da- jüngste Vorgehen sich ein gewisses Bedauern einmischt. Erfüllt es uns mit Genugthuung, daß die Schiffe „Nautilus" und „Albatros" ihre Fahne in den biskayischen Gewässern zeigen, so bedauern wir doch, daß sie nicht von dem Kapitän Werner be fehligt werden. Erfüllt er uns mit Genugthuung, daß das Regi ment des Marschalls Serrano anerkannt wird, so bedauern wir doch, daß dieser Schritt nicht geschehen ist, bevor wir durch die blutige Gewaltthat an dem Hauptmann Schmidt so dringend daran gemahnt wurden. ES zeugt für das bedeutende Ansehen, dessen sich das deutsche Reich erfreut, daß auf seine Anregung hin England, Oesterreich, ja selbst das widerstrebende Frankreich denselben Schritt thun. Lieber aber wäre es uns noch gewesen, wenn wir das, was wir als recht erkannt, auch rechtzeitig gethan hätten, unbekümmert darum, ob andere Mächte denselben Weg gehen oder nicht. Uns reizt nicht der Ehrgeiz, in den Pfaden Napoleons wandelnd die Initiative für jede politische Aktion in der Hand zu haben; wohl aber scheint es uns rühmlich, wenn die Leiter der deutschen Politik das, was heilsam und vernünftig ist, thun, unbekümmert darum, ob sie bet anderen Staate» Zustimmung finden oder nicht. Und heilsam, recht und vernünftig ist es, eine Regierung anzuerkennen, welche sich die Aufgabe gestellt hat, inmitten der Schrecken des Bürgerkrieges Frieden und Ordnung wieder herzustellen, wie dies Serrano ohne Zweifel thut. Don Carlos und sein ultramontaner Anhang in aller Herren Länder fühlt die ganze Schwere des gegen sie geführten Schlages. Ein Manifest, welches der Prätendent neuerdings an die christlichen Mächte Europas erlassen, strotzt von Phrasen über Humanität und Milde, die er seinen Spaniern gegenüber im Herzen trägt, womit natürlich aber die Thaten dieses räuberischen ThronjägerS im himmelschreiendsten Widerspruch stehen. „Ich habe nicht eher zu den Waffen gegriffen," sagt derselbe, „bis ich alle friedlichen Mittel erschöpft hatte, mein geliebtes Land vor den Greueln 1793 zu be wahren." Welches find denn die friedlichen Mittel, von denen das Manifest spricht? Erbot sich Don Carlos, seine Ansprüche der Ent scheidung eines Ministerrathes, der Kortes, der Nation, oder selbst des Papstes zu unterbreiten? Wir haben von keinem solchen An erbieten gehört, noch wissen wir von irgend einem Schritte des Prätendenten, außer der Forderung, daß die Regierung des Landes an ihnI abgetreten werden solle. Da diesem Verlangen nicht ge willfahrt wurde, erhob er die Standarte der Rebellion, die er heute noch in Händen hält. Noch klassischer benimmt sich das Leiborgan der Ultramontanen, die „Germania". Vor Schreck über die Anerkennung fällt sie so sehr aus der Rolle, daß sie die Politik der eigenen Partei schonungs los der Lächerlichkeit preiSgtebt. Sie verhöhnt die vom deutschen Liberalismus geschaffenen Verfassungen und vergißt dabei, daß das ultramontane Centrum selbst im Reichstage sich ausdrücklich als „VerfassungSpartet", als Hüterin der Verfassung, eingeführt hat- Und weiter sagt die „Germania": „Die Grundlage der deutschen RetchSverfaflung ist das allgemeine Stimmrecht, diese französische revolutionäre Erfindung, die durchaus das Gegentheil von dem alten deutschen Rechtssatze ist, nach welchem Jeder „mitrathen" soll, der nicht „mitthaten" will. Es ist dieses allgemeine französische Stimmrecht ebenso geistlos und mechanisch, wie unwahr und urundentsch." Und das schreibt das Organ derselben Partei, welch» Alles daran setzt, das im Reiche bestehende allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht auch für die Wahlen zum preußischen Landtage einzuführen. Angesichts solcher Kopflosigkeiten bedarf es wahrlich keines weiteren Beweises für die Wucht des Schlages, welcher die Kämpen der „streitenden Kirche" getroffen. Tagesgeschichte. Die Kaiserin von Deutschland wird am 7. September ihre Residenz zu Baden-Baden nehmen und dort den ganzen September über sich aufhalten. Am 8. September empfängt sie daselbst den Besuch der Kaiserin von Oesterreich auf deren Rückreise von der