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rttöerger AMger und Tageblatt. Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter u. der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. mW «tz-s üb« I erhöh»»-1 auf dal der Lui- tadtratht > md»18^1 - k ! »' ^168. gKIchUut i, -«idnr jt». Wh. U. für Wn an». Lag. Jns«-.«trWu »U B. II U. für nächst» Nr. angtn. Donnerstag, 23. Jntt. »krtUMicl. 86 N-r. »tiWn di« ,espaU«nt Zm« »der »«« Raum mit 1 Ngr. vtrechnet. 1874. Freiberg, dm 22. Juli 1874. In einigen Tagen soll auf Antrieb Rußlands und unter leb- hqstn Unterstützung des deutschen Reiches in Brüssel ein Congreß zusammentreten, der sich die weitere Ausbildung des KriegS- BölkerrechtS zur Aufgabe stellt. Zu solcher Aufgabe ist eine Zett am meisten befähigt, welche, wie die unsrige, mehrere ernste Kriege hinter sich hat und auf eine reiche Kriegserfahrung zurück blicken kann; eine Zeit, welche zugleich das Bedürfniß tiefer em pfindet, die Mängel und Lücken des Völkerrechts auszufüllen, ohne sich dabei der Illusion hinzugeben, als sei etwa die Aera des ewigen Friedens bereits eingebrochen. Das sehr ausführliche Programm, welches die russische Re gierung dem Kongreß vorlegt, zeigt uns, wie viele Punkte im Kriegs-Völkerrecht noch zweifelhaft find und ein Uebereinkommen der gesitteten Nationen zur Erledigung von Zweifeln, zur Abschaffung von Mißbräuchen, Barbareien und unnützen Sewaltthätigkeiten nothwendig machen Denn auf diesem Gebiete giebt es keinen souveränen Gesetzgeber, ebensowenig eine souveräne Exekutivgewalt, welche im Stande wäre, die Nationen zur Befolgung völkerrecht licher Regeln anzuhalten. Solche Satzungen, welche den Krieg civilifiren, müssen auf dem Wege der Uebereinkunft gewonnen wer den. Auf diesem Wege ist schon mancher verdienstliche Schritt ge schehen, aber noch viele sind zu thun übrig. So ist z. B. daS Recht der Kriegsgefangenen besser geordnet, die Genfer Konvention hat die Behandlung der Ntcht-Combattanten und der Verwundeten geregelt. Doch selbst auf diesem Gebiete, namentlich was die Nicht-Combattanten betrifft, bedarf es genauerer Bestimmungen, die auch in dem russischen Programm enthalten sind. Aber Vieles hat noch die Praxis des letzten Krieges zweifel haft gelassen. So bedarf z. B- das Franctireurwesen und wieweit den Milizen und Freiwilligenkorps die Rechte von Kriegführenden gebühren, dringend einer genaueren Feststellung. Nach den Vor schlägen des russischen Programms soll die Bevölkerung einer Oertlichkeit, welche noch nicht vom Feinde besetzt ist und die Waffen zur Vertheidigung des Vaterlandes ergreift, als krieg- sührender Theil angesehen, und wenn sie gefangen genommen wird, als Kriegsgefangene behandelt werden. Dagegen sollen die der Bevölkerung angehörenden und mit Waffen in der Hand sich er hebenden Individuen eines Landes, in welchem die Gewalt des Feindes bereits begründet ist, der Justiz überantwortet werden , und nicht als Kriegsgefangene zu betrachten sein, Personen, welche bald auf eigene Faust an den Kriegsoperationen thetlnehmen, bald wieder zu ihren friedlichen Beschäftigungen zurückkehren, sollen ebenfalls der Rechte von Kriegführenden nicht theilhastig sein und wenn fit gefangen genommen werden, der Militär-Justiz anhetm- fallen. — Dies find Bestimmungen, denen man nicht leicht seinen Beifall versagen kann. Ein noch sehr bestrittenes, aber im Interesse der Humanität bringend zu ordnendes Gebiet ist dasjenige der Kriegemittel, die anzuwenden gestattet, oder deren Anwendung ausgeschlossen sein soll. Im Allgemeinen neigt die Auffassung aller gesittete» Nationen dem Grundsatz zu, daß die Gesetze des Krieges den krieg führenden Theilen — was die Wahl der Mittel betrifft, sich gegen seitig zu schaden — keine uneingeschränkte Gewalt zu zuerkennen. Die russischen Vorschläge wollen untersagt wissen: 1) die Anwen dung vergifteter Waffen oder die Verbreitung von Gist auf feind lichem Gebiet durch was immer für Mittel; 2) die Ermordung von Individuen, welche der feindlichen Armee angehören im Wege des Verrathes ; 3) die Ermordung eines Feindes, der die Waffen ntedergelegt oder kein Mittel zu seiner Vertheidigung mehr besitzt; 4) Die Drohung der Ausrottung wider eine Besatzung, welche eine Festung hartnäckig verthetdigt; 5) den Gebrauch von Waffen, welche unnöthige Leiden verursachen und 6) die Anwendung explodirender Kugeln die weniger als 400 Gramm wiegen und mit entzündbaren Stoffen gefüllt find. ES gereicht den Staaten, die solche Vorschläge machen und eifrig unterstützen, zur höchsten Ehre, daß fie für deren Annahme keine Anstrengungen scheuen. Diese und andere Vorschläge treten mit einem ganz anderen Nachdruck auf, wenn sie von so mächtigen Reichen und von so kriegserfahrenen Fürsten gemacht werden, als wenn sie von einen oder mehreren Gelehrten des Völkerrechts oder von einer größeren Vereinigung von Privaten ausgingen und von der Presse bettieben würden. Dennoch sehen wir an dem geringen Eifer, mit welchem sich Frankreich auf dem Kongreß einläßt und an der ziemlich kühlen Aufnahme, welche England der Sacht zollt, wie groß die Schwierig keiten sind, auf diesem Gebiet eine Einigung zu erzielen. Aus der Antwort des englischen Kabinets auf die russische Einladung ist zu ersehen, wie lebhaft sich England, und zwar auch da« Volk, gegen Annahme völkerrechtlicher Grundsätze sperrt, die es in der rücksichts losen Anwendung jeder Art von Mitteln beschränken könnten, wie sehr es namentlich Modifikationen des Seekriegsrechts von sich fern zu halten sucht. Man erkennt auch hier, daß Englands Liberalismus und Humanität jedesmal zu Ende ist, wenn seine egoistischen Inte ressen in Frage kommen. Auf den an sich ganz rationellen Vor schlag Rußlands: „Nur die fortifikatorischen Werke befestigter Städte allein können belagert werden, eine ganz offene Stadt, die nicht durch feindliche Truppen verthetdigt wird und deren Einwohner nicht mit den Waffen in der Hand Widerstand leisten, darf nicht angegriffen oder bombardirt werden," wird sich England schwerlich einlassen und dämm eben möchte es jeder offiziellen Beschickung des Kongresses ausweichen, weil ihm damit ein für wirksam ge haltenes Mittel seiner Setkriegführung entgehen würde, wenn dieser Grundsatz zur Annahme käme. Deshalb find allerdings wohl die Zweifel gerechtfertigt, ob und wieviel Erfolg der Brüsseler Kongreß haben wird. Jndeß dürfen diese Zweifel die übrigen Mächte, welche den Krieg, weil er nun einmal nicht abzuschaffen ist, menschlicher einzurichten trachten, nicht abhalten, ihr Werk durchzuführen und mit Energie Alles anzustreben, was erreichbar ist. Sie kämpfen da einen guten Kampf bei welchen ihnen der Genius des Jahrhunderts und die Sitte gebildeter Völker zur Seite steht. Die Unmenschlichkeiten karlistischtr Kriegführung zeigen soeben wieder, welchen Abscheu